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Wasserballetttage

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
272 Seiten
Deutsch
Eichbornerschienen am25.08.20231. Aufl. 2023
Für den berühmten Schwimm-Champion Oscar Klein bricht eine Welt zusammen, als seine Familie ihn verlässt. Da erreicht ihn aus seiner elsässischen Heimat ein Anruf von seiner Großtante Mu: Das Seniorenheim Les Cigognes sucht einen Aqua-Fitness-Lehrer. Oscar wagt sich aus seinem Schneckenhaus hervor, und während er den Senior:innen beim Wassersport zu neuen Kräften verhilft, stecken diese ihn mit ihrem Humor und Lebenswillen an. Zudem genießt er die Gespräche mit der Köchin Maurisette, die mit einem Hauch Anarchie Kantinenkost in kulinarische Highlights verwandelt. Eine mit großem Engagement vorbereitete Wasserballett-Aufführung wird zum Tag folgenreicher Entscheidungen. Nicht nur für Oscar.




Julia Mattera wuchs im elsässischen Mulhouse auf. Nach dem Studium der modernen Literatur arbeitete sie als Buchhändlerin, bevor sie sich selbst dem Schreiben widmete. In ihren Romanen um liebenswert eigenwillige Held:innen findet immer auch ihre Liebe zum Elsass und der regionalen Kulinarik in atmosphärischen Bildern Niederschlag. Am liebsten schreibt sie in der Küche, während das Essen auf dem Herd vor sich hin köchelt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextFür den berühmten Schwimm-Champion Oscar Klein bricht eine Welt zusammen, als seine Familie ihn verlässt. Da erreicht ihn aus seiner elsässischen Heimat ein Anruf von seiner Großtante Mu: Das Seniorenheim Les Cigognes sucht einen Aqua-Fitness-Lehrer. Oscar wagt sich aus seinem Schneckenhaus hervor, und während er den Senior:innen beim Wassersport zu neuen Kräften verhilft, stecken diese ihn mit ihrem Humor und Lebenswillen an. Zudem genießt er die Gespräche mit der Köchin Maurisette, die mit einem Hauch Anarchie Kantinenkost in kulinarische Highlights verwandelt. Eine mit großem Engagement vorbereitete Wasserballett-Aufführung wird zum Tag folgenreicher Entscheidungen. Nicht nur für Oscar.




Julia Mattera wuchs im elsässischen Mulhouse auf. Nach dem Studium der modernen Literatur arbeitete sie als Buchhändlerin, bevor sie sich selbst dem Schreiben widmete. In ihren Romanen um liebenswert eigenwillige Held:innen findet immer auch ihre Liebe zum Elsass und der regionalen Kulinarik in atmosphärischen Bildern Niederschlag. Am liebsten schreibt sie in der Küche, während das Essen auf dem Herd vor sich hin köchelt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751748421
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Verlag
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum25.08.2023
Auflage1. Aufl. 2023
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse391 Kbytes
Artikel-Nr.11546991
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1
Der Blues des Bademeisters

Niemand schenkt dem Bademeister Aufmerksamkeit. Denken Sie einmal an Ihren letzten Besuch im Schwimmbad, haben Sie ihn da überhaupt wahrgenommen? Dabei muss man nur den Kopf heben, um den leeren, ausdruckslosen Blick desjenigen aufzufangen, der Ihnen auch noch bei Ihrer x-ten Bahn Brustschwimmen folgt, selbst wenn Ihre Bewegungen sich nur unwesentlich von denen eines frisch geschlüpften Entchens unterscheiden. Ich muss es wissen, schließlich habe ich den optimalen Blickwinkel auf die unglaublichen Darbietungen meiner lieben Schwimmer. Ja, es ist eine Tätigkeit, die einen auf Dauer verbittert und sarkastisch macht, aber man kann natürlich Salz hinzufügen, wenn die Suppe fad schmeckt.

Mein Tag lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Immobilität. Sitzen bleiben, den Müttern beim Zanken zusehen, ab und zu zweimal in eine Pfeife blasen, deren Ton in den Ohren gellt. Um es ganz offen zuzugeben: Ich langweile mich gewaltig, und nichts kann diese Leere füllen. Schon gar nicht mein endlos gekauter Kaugummi, der genauso fad schmeckt wie mein Leben.

Die Menschen sehen mich nicht. Vielmehr, sie sehen nur den mittlerweile etwas dickbäuchigen, angegrauten Kerl, der sie von seinem rostigen Thron aus im Auge behält. Ich bin himmelweit entfernt von dem großen Vorbild aus Baywatch. Hätten sie mich doch alle einmal vor fünf Jahren gesehen, da sah ich wirklich noch gut aus. Als Trainer der Schwimmsportler, die es einmal zu etwas bringen würden, hatte ich keinerlei Problem damit, meinen Oberkörper am Rand des Beckens ordentlich aufzupumpen. Heute verstecke ich meinen Bauchansatz unter einem weißen T-Shirt und beschränke mich darauf, die auf den nassen Kacheln herumrennenden Gören mit meiner Pfeife im Zaum zu halten.

Ich ziehe keinerlei Befriedigung daraus, hier im Schwimmbad »Les Coquelicots« den Polizisten zu spielen. Ich denke oft an das Lied von Francis Cabrel, in dem ein Obdachloser von Kindern gefragt wird, wie es dazu kam, dass er auf der Straße gelandet ist. Ich identifiziere mich mit diesem Typen, der - wie es in dem Lied heißt - auf einem toten Blatt vor sich hin dämmert, das wenig verheißungsvollen Zielen entgegenflattert. Auch ich bin in Stürme geraten, bevor ich hier gelandet bin - hier, auf diesem hässlichen, unbequemen Metallgerippe.

Viele waren davon überzeugt, dass ich es schaffen würde. Ich hatte gute Karten. Einen Royal Flash, um am Tisch des Schicksals mitzuspielen. Aber wenn man ein schlechter Spieler ist und grobe Fehler macht, nutzt das beste Blatt nichts. Dann landet man hier, beiseitegelegt wie diese verdammten, gleichermaßen vielversprechenden und trügerischen Karten.

Oscar Klein wollte ein ganz Großer sein, und dafür hat er einen hohen Preis gezahlt. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass ich von meinen Eltern diesen Namen mitbekommen habe. Der kleine Mann, der ein ganz Großer sein wollte, hat seine Sternstunde gehabt, bevor er zurück in die Anonymität katapultiert wurde. Von meinen besten Jahren bleiben mir nur ein paar Pokale. Mein erster Platz über einhundert Meter Rücken bei den französischen Meisterschaften und meine Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen ragen darunter besonders hervor. Aber jetzt verstauben sie unter dem Dach meines Elternhauses. Die Berühmtheit hat alles zerstört: meine Familie, meine Ehe, mein Leben.

Sie wollen Ratschläge dafür, wie man sein Leben in den Sand setzt? Dann schauen Sie mich an! Ich bin das perfekte Beispiel dafür, wie man einen sozialen Aufstieg schafft und die eigene Ehe dabei zugrunde richtet. Ganz ehrlich, das Kratzen am Ruhm war mein allergrößter Fehler. Je greifbarer mir das Ziel vor Augen stand, desto mehr habe ich mich von meiner Frau und meinem Sohn entfernt. Jahrelang bin ich von einem Wettkampf zum nächsten gehetzt, habe lokale und dann auch nationale TV-Termine wahrgenommen und kein Radiointerview abgesagt. Fast jedes Wochenende war ich bei öffentlichen Veranstaltungen eingespannt. Ich glaubte, mein Leben wunderbar im Griff zu haben, und war stolz auf meinen Erfolg. Mit meinem Gehalt als Trainer der elsässischen Schwimmer und den Werbeeinnahmen war meine Familie auf jeden Fall hinreichend abgesichert.

Als Kind sah Anthony in mir den Helden. Ich konnte nicht auf die Straße gehen, ohne dass ich hier und da um ein Autogramm gebeten wurde oder lokale Honoratioren mich ansprachen. Ich glaubte, alles richtig gemacht zu haben, es geschafft zu haben. Meine Frau Marie konnte ihre Arbeit als Buchhändlerin in der Filiale einer großen Kette aufgeben, Anthony besuchte die besten Schulen, und wir besaßen ein schönes Haus mit geheiztem Pool und Gasgrill im Garten für das gemeinsame Beisammensein.

Ich muss erwähnen, dass ich in einer Familie aufgewachsen bin, die nicht gerade im Geld schwamm. Meine Eltern waren einfache Arbeiter, und ich habe gesehen, wie sie sich abgerackert haben, um uns Ferien auf dem Campingplatz in La Bresse in den Vogesen zu ermöglichen und meine Mitgliedschaft im Schwimmverein zu bezahlen. Ich habe immer geglaubt, ihnen etwas schuldig zu sein, da sie mir so viel gegeben haben. Je mehr Siege ich erringen konnte, desto größer wurde mein Verlangen, mich selbst zu übertreffen, damit meine Familie stolz auf mich sein konnte ... und so wollte ich immer höher hinaus.

»Glück kann man nicht kaufen«, beschwor mich Marie immer wieder.

Es fiel mir sehr schwer, diesen abgedroschenen und doch so wahren Spruch wirklich zu begreifen. Lange Zeit habe ich die Tatsache, dass ich so wenig zu Hause war, damit auszugleichen versucht, dass ich meine Lieben mit Geschenken überhäuft habe. Nicht einmal das sonntägliche Mittagessen stand noch auf der Tagesordnung, schon gar nicht während der Wettkampfsaison. Ich dachte, dass ich alles an den Feiertagen nachholen könnte, indem ich mich dann richtig ins Zeug legte. Anstatt Weihnachten im Elsass zu feiern, verstieg ich mich dazu, die Festtage mit Anthony und seiner Mutter weit weg, im »Sunlight des tropiques« - wie Gilbert Montagné singt -, zu verbringen. Etwas Besseres konnte mir gar nicht einfallen, um alles, was von unserer kleinen Familie noch vorhanden war, restlos zu zerstören. Man kann ohne jede Ironie sagen, dass der Erfolg mich blind gemacht hatte. Ich sah das Unheil nicht kommen und glaubte immer noch, das Richtige zu tun. Ich versuchte, alle glücklich zu machen. So auch meine Eltern, die am 23. Dezember stets großzügige Geschenke erhielten. Die Pakete schickte ich frühzeitig los, damit sie vor Weihnachten ihr Ziel erreichten. So konnten meine Eltern sie gemeinsam mit Tante Mu und Onkel Dédé, die im Haus gegenüber wohnten, auspacken.

Jeder würdigte meinen Erfolg und hatte Verständnis dafür, dass ich so viel unterwegs war. Ich kam nicht im Entferntesten auf den Gedanken, dass alle eine Art Komödie spielten, um meinen Ehrgeiz nicht infrage zu stellen und mir auf diese Weise den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Ich war so sehr von der Richtigkeit meines Tuns überzeugt, dass ich über Jahre hinweg nichts daran änderte. Am 22. Dezember Direktflug in die Karibik, Luxushotel, Spa, Massage und Cocktails, während der Junge mit Altersgenossen herumtobte. Alles schien perfekt zu sein. Ich sah auch keinen Grund, mich über Marie zu wundern, die ihre Zeit größtenteils mit einem Buch am Strand verbrachte und sich so abweisend und kühl verhielt wie mein Piña-Colada-Cocktail. Nach Monaten harter Arbeit waren mir ein paar Tage Ruhe gerade recht.

Ich glaubte, sie alle glücklich zu machen, und malte mir aus, dass unser Bilderbuchleben all ihre Wünsche erfüllen würde.

Blödsinnige Träume. Abwegige Vorstellungen.

Marie hat mich an einem Sonntag verlassen. Wir feierten den fünfundsechzigsten Geburtstag meines Vaters im Haus meiner Eltern. Gerade als wir auf ihn anstießen, klingelte mein Handy. Es war der Anruf meines Lebens. Das dachte ich zumindest ganz naiv, als ich hörte, wie mir mein Gesprächspartner ein Treffen mit der französischen Schwimm-Nationalmannschaft vorschlug. Ich als hauptamtlicher Trainer? Ich sagte auf der Stelle zu, und nachdem ich meine Liebsten kurz umarmt hatte, sprang ich sogleich ins Auto, um meine zukünftigen Schützlinge bei einer Klettertour im Elsass zu treffen.

Ich würde also eine noch größere Bekanntheit erreichen. Der absolute Höhepunkt nach einer Schwimmkarriere. Fünfunddreißig Jahre alt, Pokale mehr als genug, Sponsoren, ein pralles Bankkonto und nationale Anerkennung.

Noch am gleichen Abend hatte ich alles verloren.

Ich kehrte zu meinen Eltern zurück, in der Annahme, die Geburtstagsfeier hätte sich hingezogen, und stellte mir vor, dass wir jetzt auch noch meine Ernennung feiern könnten - aber das Fest war zu Ende. Und zwar gründlich. Marie war gegangen. Meine Familie war schockiert zurückgeblieben und stand noch immer unter dem Eindruck ihres plötzlichen Aufbruchs. Sie hatten nicht versucht, sie zurückzuhalten, denn ihnen war klar geworden, dass sie nicht mehr die Kraft besaß, mich zu lieben. Von meiner Frau blieb mir nur ein vierzehnjähriger Sohn und ein Brief, der auf dem Nachttisch im Gästezimmer lag.

Ich tigerte stundenlang durch das Zimmer, während meine Mutter hinter der geschlossenen Tür ausharrte. Sie war diskret genug gewesen, den an mich adressierten Brief nicht zu lesen. Und sie hatte gut daran getan. Marie hatte deutliche Worte gefunden, die scharf wie eine Klinge in mich hineinfuhren: »Ich habe mich vierzehn Jahre lang um unser Kind gekümmert. Ich war immer für Anthony da, habe ihn getröstet, wenn er Trost brauchte, und habe die durch deine Versäumnisse hervorgerufenen Wunden zu lindern versucht. Wenn du jetzt nichts...

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Autor

Julia Mattera wuchs im elsässischen Mulhouse auf. Nach dem Studium der modernen Literatur arbeitete sie als Buchhändlerin, bevor sie sich selbst dem Schreiben widmete. In ihren Romanen um liebenswert eigenwillige Held:innen findet immer auch ihre Liebe zum Elsass und der regionalen Kulinarik in atmosphärischen Bildern Niederschlag. Am liebsten schreibt sie in der Küche, während das Essen auf dem Herd vor sich hin köchelt.
Wasserballetttage

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