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Das Haus Zamis 98

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
64 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am13.07.20241. Aufl. 2024
Noch sechs Stunden Frist!
Kaum hatte ich das Café verlassen und war auf den Bürgersteig getreten, spürte ich die Veränderung. Ein Wispern und Raunen hing in der Luft. Und doch wusste ich, dass es nur für meine Ohren bestimmt war. Die Passanten, die um mich herum ihren Besorgungen nachgingen, störten sich nicht daran.
Auch nicht an den Schatten. Die Schatten versteckten sich hinter den Menschen. Ich nahm sie nur aus den Augenwinkeln wahr. Immer dann, wenn ich genau hinschaute, duckten sie sich wieder weg, als wollten sie ein Fangspiel veranstalten.
Etwas Feuchtes benetzte meinen kahlen Kopf. Im ersten Moment glaubte ich, dass es regnete, und wischte mir mit der Hand über den Schädel.
Die übrigen Fußgänger spannten ihre Schirme auf. Für sie war es normaler Regen.
Nur ich sah, dass es Blut war!
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Produkt

KlappentextNoch sechs Stunden Frist!
Kaum hatte ich das Café verlassen und war auf den Bürgersteig getreten, spürte ich die Veränderung. Ein Wispern und Raunen hing in der Luft. Und doch wusste ich, dass es nur für meine Ohren bestimmt war. Die Passanten, die um mich herum ihren Besorgungen nachgingen, störten sich nicht daran.
Auch nicht an den Schatten. Die Schatten versteckten sich hinter den Menschen. Ich nahm sie nur aus den Augenwinkeln wahr. Immer dann, wenn ich genau hinschaute, duckten sie sich wieder weg, als wollten sie ein Fangspiel veranstalten.
Etwas Feuchtes benetzte meinen kahlen Kopf. Im ersten Moment glaubte ich, dass es regnete, und wischte mir mit der Hand über den Schädel.
Die übrigen Fußgänger spannten ihre Schirme auf. Für sie war es normaler Regen.
Nur ich sah, dass es Blut war!
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751772839
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum13.07.2024
Auflage1. Aufl. 2024
Reihen-Nr.98
Seiten64 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2477 Kbytes
Artikel-Nr.16140827
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel

Aber ich war reifer geworden. Ich hatte mich verändert. Ob zu meinem Vor- oder Nachteil, das war mir noch nicht ganz klar. Manchmal vermisste ich meine Unbekümmertheit. Meine Spontaneität.

Jetzt zum Beispiel.

Ich sah von einem zum anderen und analysierte die Situation. Die Callas hatte den ersten Zug gemacht. Sie war die angreifende Dame. Karl und Tschick standen hinter ihr, waren aber nicht mehr als Bauern, die ihr keinen wirkungsvollen Beistand leisten würden.

Auf keinen Fall würden sie sich opfern. Vielleicht wechselten sie sogar die Seite, wenn meine Argumente sie überzeugten.

Die Augen der Callas funkelten mich zornig an. Es missfiel, dass ich nicht gleich in die Defensive ging.

»Karl, bist du so lieb und machst mir einen großen Braunen?«, bat ich.

Karl nickte, legte Glas und Tuch beiseite und begab sich zu seiner Espressomaschine. Fast hatte ich den Eindruck, dass er froh war, auch dahinter verschwinden zu können.

Ich gewann etwas Zeit, während der Automat wie ein Drache fauchte und ächzte und spuckte. Dennoch wusste ich nicht, wie die Unterredung enden würde. Ich fühlte mich mies.

Auf der einen Seite übernahm ich sehr wohl die Verantwortung für das, was mit Lilian geschehen war. Auf der anderen Seite fühlte ich mich von den dreien einfach ungerecht behandelt. Anstatt sich zu freuen, dass wenigstens ich glimpflich davongekommen war, empfingen sie mich wie eine Mörderin. Und das in meinem eigenen Café!

Ich hatte ihnen erzählt, was passiert war. Irgendwo auf offener Straße in der Weidegasse im III. Wiener Gemeindebezirk war ich wieder in unsere Gegenwart gelangt. An dem Ort, wo sich fast sechshundert Jahre zuvor, im Jahr 1421, die Gänseweide, der Wiener Richtplatz, befunden hatte.

Mit letzter Kraft hatte ich mich ins Café geschleppt und mich in mein Refugium verkrochen. Meine Unterschenkel waren vom Spanischen Stiefel ziemlich zerschunden, wenn auch nicht gebrochen. Mein kahl rasierter Kopf war von der Rasur noch immer stellenweise mit Blutschorf bedeckt. Meine Haut war teilweise angesengt, die heißen Eisenfesseln hatten meine Füße verletzt.

Die Heilzauber, die ich wirkte, funktionierten nicht so schnell, wie ich erhofft hatte. Es musste damit zusammenhängen, dass die Verletzungen mir in der Vergangenheit zugefügt worden waren. Allmählich spürte ich Linderung, doch es würde wahrscheinlich noch Tage dauern, bis alle Wunden verheilt und alle Narben verblasst sein würden.

Ich hatte mich schließlich gewaschen, umgezogen und so weit zurechtgemacht, dass ich als einigermaßen präsentabel durchging.

Zumindest stand ich nicht mehr im Büßerhemd vor ihnen. Den Fetzen hatte ich als Erstes entsorgt. Geblieben war das Gefühl, noch immer nach Schwefel zu stinken.

»Was ist? Warum antwortest du mir nicht?«

Langsam wandte ich meinen Blick wieder der Callas zu. Mir wurde bewusst, dass ich noch immer viel zu wenig über sie wusste. Nicht mehr als über Tschick. Ab und zu hatten sie Andeutungen gemacht. Sie gehörten wie Karl einfach zum Café, waren so etwas wie ewige Stammgäste, und wie Karl waren sie auf eine geheimnisvolle Art mit dem Ort verbunden. Viel mehr hatte ich bisher nicht herausgefunden.

Die Callas hielt meinem Blick stand. Äußerlich präsentierte sie sich mir als verlebte Frau mit auftoupierten wasserstoffblonden Haaren. Wie sie so dasaß auf ihrem Barhocker, hätte sie auch eine in die Jahre gekommene Bordsteinschwalbe abgeben können. Aber ich wusste, dass mehr dahintersteckte. Sie war etwas Besonderes, und sie hütete ihr Geheimnis gut.

»Ich habe Lilian nicht auf dem Gewissen«, entgegnete ich endlich. »Wir konnten nicht anders. Wir hatten keine Wahl. Vindobene und ich kamen nicht an Lilian heran. Wir haben sie aus den Augen verloren. Ihr Wahnsinn hat ihr Schicksal bestimmt.«

Nie hätte ich gedacht, dass ich nach meiner glücklichen Rückkehr in die Gegenwart gezwungen sein würde, mich zu verteidigen. Dabei hatte ich den dreien detailliert erzählt, was vorgefallen war. Umso enttäuschter war ich über die Reaktion.

»Wie ich sehe, ist es euch egal, ob ich wieder hier bin oder nicht«, sagte ich schließlich. »Dann kann ich ja gleich wieder gehen ...«

Natürlich hatte ich nicht vor, das Café zu verlassen. Aber ich drehte mich auf dem Absatz um, in der Absicht, mich erneut in mein Refugium zu verkriechen.

»Halt!« Der Ruf der Callas hatte etwas Bestimmendes, und ich ließ mich tatsächlich bewegen, mich ihr erneut zuzuwenden.

»Ich glaube dir«, sagte sie. »Aber es wäre uns gegenüber nur fair, wenn Vindobene deine Worte bestätigte.«

»Du glaubst diesem windigen Dämon mehr als mir?«

»Nein, aber ich bin sicher, er wird mich nicht anlügen.« Zum ersten Mal lächelte sie. Einmal mehr fragte ich mich, welche Kräfte sie besaß, von denen ich nichts wusste.

Tschick löste sich von dem Anblick seines Glases und schaute mich ebenfalls an. »Natürlich glauben wir dir, Pupperl. Ich bin froh, dass du wieder hier bist. Du gehörst hierher, ins Café, genau wie wir.«

»Vielen Dank«, erwiderte ich spöttisch. »Schön, dass du mir als Gast die Welt erklärst.«

Der alte Mann kicherte und entblößte vom Rauchen gelbbraun verfärbte Zahnreihen.

»Hast ja recht, Pupperl, du bist der Boss. Wollte dir auch nicht reinreden. Freu mich einfach, dass du wieder da bist. Nur dein Eislaufplatz gefällt mir nicht.«

Ich musste tatsächlich einen Augenblick überlegen, was er damit meinte. Meinen kahl geschorenen Kopf! Ich musste lachen, aber diesmal aus vollem Herzen. Irgendwie war plötzlich das Eis gebrochen. Die Spannung, die zwischen den anderen und mir geherrscht hatte, löste sich. Selbst Karl rang sich ein Lächeln ab.

»Die Haare wachsen wieder nach«, beruhigte ich Tschick.

Wenn dazu noch genügend Zeit ist, setzte ich in Gedanken hinzu. Immerhin blieben mir mal gerade noch sechs Stunden, um mir etwas gegen die Todesboten zu überlegen.

»Und wo ist der Angstscheißer jetzt hingerannt?«

Diesmal verstand ich ihn sofort. Er meinte Vindobene.

Ich zuckte die Schultern. »Er wird schon wieder auftauchen.« Und an die Callas gewandt: »Er wird euch meinen Bericht bestätigen. Übrigens ging es ihm zwischenzeitlich ganz schön schlecht.«

»Verdient hat er's, der Dadalatsch!«1

»Außerdem habe ich auch noch einige Fragen an ihn. Ich wusste nicht, dass Vindobene in der Zeit reisen kann.«

Es gab noch mehr, das ich nicht wusste. Wie ging es zu, dass Vindobene nach dem Verschwinden des Todesboten aus der Zwischendimension freigekommen war?

Wie auch immer: Er würde mir einiges zu erklären haben. Vielleicht aber auch nicht. Dämonen wie Vindobene erwiesen sich als Meister im Verschweigen und Drumherumreden, sobald man versuchte, ihnen ihre Geheimnisse zu entlocken. Wichtig war, dass ich wieder in der Gegenwart weilte.

Während ich mir erzählen ließ, was in den letzten Tagen im Café passiert war, servierte mir Karl den großen Braunen. Ich schüttete aus dem kleinen Kännchen Kaffeeobers dazu und sog genießerisch das Aroma ein. Dabei war mir durchaus bewusst, dass es vielleicht der letzte große Braune meines Lebens war, den ich zu mir nahm.

»Und was hast du jetzt vor, Pupperl? Willst du hier rumhängen, bis dich die Schwarzen Männer holen kommen?«

Abermals zuckte ich mit den Schultern. Tschick hatte recht. Ich besaß keinen Vorwand, auch nur eine Minute Zeit zu verlieren.

Ich nahm einen weiteren vorsichtigen Schluck. Das Gebräu war mörderisch heiß. »Haben eigentlich mein Vater oder Toth nach mir gefragt?«

»Die haben sich nicht einmal blicken lassen. Einen Rabenvater hast du«, schimpfte die Callas ehrlich empört. Sie schien wieder auf meiner Seite zu sein.

Im Grunde musste sie froh sein. Vindobene hatte in Kauf genommen, dass Lilian restlos dem Wahnsinn verfiel. Ich vermutete, dass jeder Mensch solch einen Sprung durch die Epochen mit seinem Verstand bezahlte. Ursprünglich hatte die Callas mit Vindobene in die Vergangenheit reisen wollen, um mir beizustehen. Das hatte ich inzwischen herausbekommen. Doch hatte sich Lilian in letzter Sekunde dazwischengedrängt. Allerdings stellte sich dann die nächste Frage: War die Callas ein normaler Mensch?

Ich unterbrach den Gedankengang und konzentrierte mich wieder auf die Gegenwart: »Rabenvater hin oder her. Mich wundert, dass sich keiner nach mir erkundigt hat. Durch den Pakt wussten sie, dass ich in Gefahr schwebte. Sie müssen es gespürt haben.«

»Sie waren wahrscheinlich ganz froh, dich los zu sein«, gab die Callas zu bedenken. »Immerhin waren die Todesboten mit dir beschäftigt. Also hatten sie ihre Ruhe.«

»Da hast du auch wieder recht. Allerdings gebietet der Pakt, dass wir uns gegenseitig beistehen. Auch wenn sie mir nicht in die Vergangenheit folgen konnten, so hätten sie wenigstens Interesse zeigen können.«

Plötzlich wusste ich, was ich als Nächstes tun würde. »Ich fahre zu Toth«,...
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