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Kein Herz aus Stahl

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Brunnen Verlag Gießenerschienen am16.02.2016
Mein Herz schlug wieder so wild wie nach dem Traum am Morgen. Wie würde Vater auf meinen Besuch reagieren? Seine Ablehnung und Verachtung hatte ich oft genug zu spüren bekommen. Ich ging die drei kurzen Schritte und klopfte. Dann drückte ich die flache Klinke herunter und öffnete vorsichtig die Tür. 'Vater', begann ich zögernd, 'ich muss dir etwas sagen ...' Als Sohn eines gewalttätigen Alkoholikers wird Michael Stahl auch in der Schule gemobbt und herumgestoßen. Später macht er seinen Traum vom Starksein als Bodyguard wahr und schützt Stars wie Nena oder Boxlegende Muhammad Ali. Doch auch seine steile Karriere kann die quälende Vater-Wunde nicht heilen. Schließlich macht er sich auf den Weg, um Versöhnung zu finden - und den Gott, der ihm als Kind schon mal auf den Bahngleisen das Leben gerettet hatte ...

Michael Stahl ist Fachlehrer für Selbstverteidigung und Autor zahlreicher Bücher. Als Gewaltpräventionsberater arbeitet er für TV-Sendungen sowie an Schulen, in Heimen, Gefängnissen, Gemeinden, Firmen usw. Er wurde 2009 mit dem 'WERTE AWARD' ausgezeichnet, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextMein Herz schlug wieder so wild wie nach dem Traum am Morgen. Wie würde Vater auf meinen Besuch reagieren? Seine Ablehnung und Verachtung hatte ich oft genug zu spüren bekommen. Ich ging die drei kurzen Schritte und klopfte. Dann drückte ich die flache Klinke herunter und öffnete vorsichtig die Tür. 'Vater', begann ich zögernd, 'ich muss dir etwas sagen ...' Als Sohn eines gewalttätigen Alkoholikers wird Michael Stahl auch in der Schule gemobbt und herumgestoßen. Später macht er seinen Traum vom Starksein als Bodyguard wahr und schützt Stars wie Nena oder Boxlegende Muhammad Ali. Doch auch seine steile Karriere kann die quälende Vater-Wunde nicht heilen. Schließlich macht er sich auf den Weg, um Versöhnung zu finden - und den Gott, der ihm als Kind schon mal auf den Bahngleisen das Leben gerettet hatte ...

Michael Stahl ist Fachlehrer für Selbstverteidigung und Autor zahlreicher Bücher. Als Gewaltpräventionsberater arbeitet er für TV-Sendungen sowie an Schulen, in Heimen, Gefängnissen, Gemeinden, Firmen usw. Er wurde 2009 mit dem 'WERTE AWARD' ausgezeichnet, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783765573934
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum16.02.2016
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1662 Kbytes
Artikel-Nr.3240397
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


BERGSTRASSE 94

Etwa drei Jahre vor meinem achten Geburtstag waren wir nach Flochberg gezogen. Weder mein Vater noch meine Mutter hatten mir erklärt, warum wir ein neues Zuhause suchten. Als ich auf der Bergstraße zum ersten Mal vor dem Haus mit der Nummer 94 stand, war es mir schnell klar.

Inmitten der hell getünchten Häuser erkannte man unseres an seiner graubraunen Farblosigkeit. An einigen Stellen löste sich der Putz in Blasen von den Wänden. An anderen war er bereits großflächig abgeplatzt und entblößte das Mauerwerk darunter. Dass die Dachschindeln nicht dicht hielten, sah man nicht auf den ersten Blick. Aber wir bemerkten es, als der erste Regen den Flecken an den Zimmerdecken neue Kraft gab.

Wenn ich die zehn Stufen zur Haustür hinaufstieg und den schmalen dunklen Flur betrat, stach mir jedes Mal ein dumpfer Kellergeruch in die Nase. Gleich hinter dem Eingang führte links eine Tür ins Schlafzimmer. Hier stand das große Bett meiner Eltern und an der gegenüberliegenden Wand eine Couch, auf der ich schlief. Die Schimmelflecken an unseren Wänden waren so groß wie bei Onkel Heinz die gerahmten Bilder.

Ein Badezimmer hatten wir nicht. Die Toilette war von der Küche mit einer dünnen Wand abgetrennt, die Waschküche in einem kleinen Anbau untergebracht. Wenn Mutter unsere Sachen wusch, bereitete sie zuerst heißes Wasser in der Küche und ging dann damit in die Waschküche hinaus, um dort Hemden, Hosen und Pullover in einem Trog vom Dreck zu befreien. Wir selbst wuschen uns mit dem Wasser in einer Emailleschüssel, die mal im Flur stand und mal auf dem Wohnzimmertisch. Der kleine Holzofen im Wohnzimmer war die einzige Heizmöglichkeit im ganzen Haus. Wenn überhaupt, wurde es im Winter nur dort richtig warm.

Schlimmer war für mich aber, dass man dem Haus schon auf den ersten Blick ansah, wie verkommen es war. Wahrscheinlich hatte allein die Tatsache, dass wir eine billige Bleibe brauchten, es vor der Abrissbirne bewahrt. Ich setzte alles daran, dass keiner erfuhr, wo ich wohnte.

Als wir einmal bei einem Schulausflug an dem gepflegten Häuschen vorbeikamen, in dem mein Klassenkamerad und Freund Marc mit seinen Eltern wohnte, sagte der Lehrer: Schaut mal, wie schön manche Schüler wohnen. Wäre es nicht spannend, auf unseren Ausflügen nach und nach die Häuser aller Schüler zu besuchen?

Allein die Vorstellung jagte mir einen Schauer über den Rücken. Am liebsten wäre ich sofort im Boden versunken. Mein Zuhause war mir einfach nur peinlich. Manchen Klassenkameraden erzählte ich, ich würde in dem kleinen weißen Haus unterhalb des Schlossbergs wohnen, wo ich meinen Onkel Heinz oft besuchte.

In der Grundschule war Marc mein bester Freund. Obwohl er viel bessere Schulnoten als ich hatte und seine Eltern im Vergleich zu meinen steinreich waren, verstanden wir uns bestens. Am liebsten spielten wir im Garten seiner Eltern Fußball. Marc war ein toller Freund. Weil ich kein Geld hatte, um mir in der großen Pause eine Milch zu kaufen, ließ er mir regelmäßig von seiner etwas übrig.

Marc lud mich auch zu seiner Geburtstagsfeier ein. Nachdem wir im großen und hellen Wohnzimmer eine Unmenge leckeren Streuselkuchen und Obsttorte gegessen hatten, spielten wir im Garten Räuber und Gendarm. Außerdem hatte Marcs Mutter ein Quiz vorbereitet, bei dem es Preise zu gewinnen gab. Und natürlich spielten wir Fußball. Ohne Fußball wäre es gar kein richtiger Geburtstag gewesen.

Als ich gerade ein super Zuspiel von Marc verwandelt hatte, kam seine Mutter aus dem Haus gelaufen. Es ist schon spät , rief sie. Nach dem nächsten Tor ist Schluss. Dann fahre ich euch alle nach Hause.

Mir war gar nicht aufgefallen, dass es schon dämmrig wurde. Nachdem Marc das heiß umkämpfte Tor geschossen hatte, rannte ich verschwitzt zu seiner Mutter. Danke für das Angebot , sagte ich außer Atem und so leise, dass es die anderen nicht mitbekamen, aber ich bin allein hergekommen, da kann ich auch wieder allein zurück. Wenn Marcs Mutter unser Haus sah oder gar erfuhr, dass ich der Sohn eines arbeitslosen Trinkers war, würde ich sicher nie wieder zum Geburtstag eingeladen. Vielleicht würde sie mir sogar verbieten, mit Marc Fußball zu spielen.

Kommt nicht infrage. Sie wuschelte mir lachend durch die Haare und duldete keine Widerrede. Also quetschten wir vier mit Grasflecken übersäten Jungs uns auf die Rückbank ihres roten Golfs. Marc durfte auch mitkommen und thronte als Geburtstagskind auf dem Beifahrersitz.

Nachdem wir die drei anderen Klassenkameraden abgeliefert hatten, saß ich allein auf der Rückbank. Schließlich bogen wir in die Bergstraße ein. Je näher wir dem schäbigen Haus mit der Nummer 94 kamen, umso unruhiger wurde ich. Um jeden Preis musste ich verhindern, dass Marcs Mutter die Wahrheit erfuhr. Gleich waren wir da.

Da! Dort wohne ich. Mit dem ausgestreckten Finger zeigte ich auf das weiß abgeputzte Haus unserer Nachbarin Frau Lehmann.

Hier also , sagte Marcs Mutter.

Doch statt auf der Straße zu halten, um mich aussteigen zu lassen, bog sie jetzt in den Hof ein. Mein Herz hämmerte. Ich bedankte mich so freundlich ich konnte und hoffte inständig, dass Frau Lehmann nicht gerade jetzt aus dem Fenster guckte. Als ich die Wagentür geöffnet hatte und von der Rückbank gerutscht war, winkte ich Marc und seiner Mutter zum Abschied. Aber sie fuhren nicht los.

Ich warte noch, bis du im Haus bist , rief Marcs Mutter durchs offene Autofenster.

Das muss nicht sein , versuchte ich sie loszuwerden.

Doch, ich warte , blieb sie hartnäckig.

Wenn der Schwindel nicht in letzter Minute auffliegen sollte, blieb mir nichts anderes übrig, als jetzt bei Frau Lehmann zu klingeln. Ich drückte auf den blanken Knopf. Es dauerte einen Augenblick, dann hörte ich Frau Lehmanns zu tiefe Stimme aus den vielen kleinen Löchern in der Messingplatte links neben der Tür.

Wer ist da?

Hallo, Frau Lehmann , sagte ich leise. Hier ist der Micha. Kann ich mal bei Ihnen aufs Klo?

Ja, habt ihr denn keine Toilette? , fragte Frau Lehmann erstaunt.

Schon , murmelte ich und überlegte. Es ist nur ⦠die ist kaputt.

Ja, wirklich? , sagte Frau Lehmann. Da summte endlich der Schnapper.

Entschlossen drückte ich die Tür auf und schlüpfte ins Haus, ohne mich umzusehen. Ich lauschte die Treppe hinauf. Frau Lehmann rührte sich nicht. Endlich hörte ich, wie der Golf gestartet wurde und rückwärts auf die Bergstraße einbog. Hastig zählte ich bis fünf, öffnete die Haustür und ließ Frau Lehmann mit ihrem Klo allein zurück. So schnell ich konnte, huschte ich zu unserem Haus hinüber, nahm meinen Schlüssel aus der Hosentasche und verschwand im dunklen Flur. Glück gehabt!

Doch so glimpflich ging es nicht immer aus. Am Wandertag unserer Schule spazierte unsere Klasse mit zwei anderen zur Ruine auf den nahe gelegenen Schlossberg. Wir interessierten uns kaum für das, was die Lehrerin über die Geschichte der mittelalterlichen Burg erzählte. Vom Ort aus sahen wir sie ja jeden Tag. Viel spannender fanden wir es, uns hinter den Mauerresten zu verstecken oder hinaufzuklettern.

Auf dem Rückweg bemerkte ich plötzlich, dass wir geradewegs auf unser Haus zusteuerten. Mein Mund wurde trocken. Wenn jetzt irgendeiner herausposaunte, dass die Stahls in der Bruchbude Nummer 94 zur Miete wohnten, war es aus mit mir. Einige Schüler waren schon am Haus vorbei. Ich lief hinter ihnen, den Blick starr geradeaus. Vor Aufregung wagte ich kaum zu atmen. Gleich war es geschafft.

Da, in dem Haus wohnt der Micha , rief Manfred in diesem Moment. Ich erstarrte. Woher kannte ausgerechnet der große, dunkelhaarige Manfred, der mich sowieso auf dem Kieker hatte, meine Anschrift? Als wäre es das Signal, auf das alle gewartet hatten, rannten sämtliche Kinder in unseren kleinen Hof. Sie lachten und kreischten. Da wohnt der Micha. Da wohnt der Michael. Stumm stand ich auf dem Gehweg und fühlte mich, als hätten sie mir alle Kleider vom Leib gerissen.

Noch mehr als für unser Haus schämte ich mich für meinen Vater. Wenn er morgens aus dem Haus ging, hatte er keine Aktentasche unterm Arm und trug auch keinen Blaumann. Beides brauchte er nicht. Was er brauchte, war das Kleingeld in seiner Hosentasche, damit er im Gasthof Zum Lamm das Bier bezahlen konnte, das er dort regelmäßig trank. Er war 29 Jahre alt gewesen, als er beschlossen hatte, fürs Arbeiten zu krank zu sein. Damals tauschte er die Werkbank gegen den Ausschank und blieb sein Leben lang dabei.

Meist kam er erst am Nachmittag aus dem Lamm zurück und verbrachte den Rest des Tages auf der Wohnzimmercouch mit Schlafen oder Fernsehen. Manchmal ging er am Abend noch einmal in die Kneipe. Kam er von dort nicht zur gewohnten Zeit zurück, schickte Mutter mich, ihn zu holen. Ich hasste diese Botengänge. Hätte Vater nach Hause gewollt, wäre er doch von allein gekommen. Stattdessen musste ich ihn vor seinen schwermütig über die halb leeren Gläser stierenden oder ausgelassen frotzelnden Kumpanen überreden, mit mir nach Hause zu gehen, was jedes Mal ein Kampf war.

Wenn ich aus der Schule kam, wusste ich nie, in welcher Stimmung ich ihn antreffen würde. War etwas nicht nach seinen Vorstellungen verlaufen, musste ich mich in Acht nehmen. Hatte er beim Kartenspiel gewonnen oder spuckte der Spielautomat ihm unverhofft ein paar Mark aus, war er gut gelaunt. Dann spielten wir gemeinsam Mensch ärgere dich nicht oder sahen uns Serien wie Die Straßen von San Francisco oder Die...

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Autor

Michael Stahl ist Fachlehrer für Selbstverteidigung und Autor zahlreicher Bücher. Als Gewaltpräventionsberater arbeitet er für TV-Sendungen sowie an Schulen, in Heimen, Gefängnissen, Gemeinden, Firmen usw. Er wurde 2009 mit dem "WERTE AWARD" ausgezeichnet, ist verheiratet und hat zwei Kinder.