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Der Mann im Leuchtturm

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am22.10.2018
Ein abgelegener Leuchtturm. Ein Mann, der vor seiner Vergangenheit flieht. Ein Verbrechen, das nie gesühnt wurde ...
Viggo Larssen verbringt sein Leben als Einsiedler in einem entlegenen Leuchtturm an der Küste Dänemarks. Als in Kopenhagen die Mutter zweier mächtiger dänischer Politiker aus ihrem Pflegeheim entführt wird, endet seine selbst gewählte Einsamkeit. Denn bald häufen sich die Anzeichen, dass das Verschwinden der alten Dame mit einem ungelösten Verbrechen in Viggos Kindheit zu tun hat. Dann taucht eine junge Frau bei Viggo auf, die ihm unangenehme Fragen stellt - und die Vergangenheit, der er glaubte, für immer entkommen zu sein, holt ihn mit aller Macht ein ...

Erik Valeur, Jahrgang 1955, ist Mitbegründer der dänischen Månedsbladet Press, arbeitete viele Jahre in Presse und Rundfunk und erhielt für seine journalistische Arbeit zahlreiche Auszeichnungen, u. a. je zwei Mal den Cavling- und den Kryger-Preis. 2011 debütierte er mit »Das siebte Kind« als Romanautor und erhielt dafür im selben Jahr den renommierten und hochdotierten Debutantpris, den Literaturpreis der Zeitschrift Weekendavisen, 2012 den DR Romanprisen, den Harald-Mogensen-Preis und zuvorderst die Auszeichnung für den besten Spannungsroman der Skandinavischen Krimiakademie, den zuvor schon Bestsellerautoren wie beispielsweise Peter Høeg, Håkan Nesser, Stieg Larsson und Jussi Adler-Olsen erhalten hatten.
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Produkt

KlappentextEin abgelegener Leuchtturm. Ein Mann, der vor seiner Vergangenheit flieht. Ein Verbrechen, das nie gesühnt wurde ...
Viggo Larssen verbringt sein Leben als Einsiedler in einem entlegenen Leuchtturm an der Küste Dänemarks. Als in Kopenhagen die Mutter zweier mächtiger dänischer Politiker aus ihrem Pflegeheim entführt wird, endet seine selbst gewählte Einsamkeit. Denn bald häufen sich die Anzeichen, dass das Verschwinden der alten Dame mit einem ungelösten Verbrechen in Viggos Kindheit zu tun hat. Dann taucht eine junge Frau bei Viggo auf, die ihm unangenehme Fragen stellt - und die Vergangenheit, der er glaubte, für immer entkommen zu sein, holt ihn mit aller Macht ein ...

Erik Valeur, Jahrgang 1955, ist Mitbegründer der dänischen Månedsbladet Press, arbeitete viele Jahre in Presse und Rundfunk und erhielt für seine journalistische Arbeit zahlreiche Auszeichnungen, u. a. je zwei Mal den Cavling- und den Kryger-Preis. 2011 debütierte er mit »Das siebte Kind« als Romanautor und erhielt dafür im selben Jahr den renommierten und hochdotierten Debutantpris, den Literaturpreis der Zeitschrift Weekendavisen, 2012 den DR Romanprisen, den Harald-Mogensen-Preis und zuvorderst die Auszeichnung für den besten Spannungsroman der Skandinavischen Krimiakademie, den zuvor schon Bestsellerautoren wie beispielsweise Peter Høeg, Håkan Nesser, Stieg Larsson und Jussi Adler-Olsen erhalten hatten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641198916
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum22.10.2018
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4022 Kbytes
Artikel-Nr.3400226
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


KAPITEL 1

DER LEUCHTTURM AUF DER LANDSPITZE

Freitag, 2. Januar, Morgen

Als der Fall des rätselhaften Verschwindens der Witwe Blegman in den Medien so richtig hochkochte, wohnte ich bereits drei Monate und drei Tage in direkter Nachbarschaft von Viggo Larssen.

Das ganze Land war erschüttert und von einem kribbelnden Schrecken erfasst, wie es wohl typisch ist für eine Nation mit wachsendem Bedürfnis nach Wohlstand, Ruhe und Unbekümmertheit. Ein Land, das international immer wieder zum glücklichsten der Welt erkoren wurde und das diesen Sachverhalt gerade eben wieder mit dem größten Weihnachtsumsatz aller Zeiten bestätigt hatte. Auf ein Volk wie dieses wirken Katastrophen - ja schon die ersten Anzeichen davon - wie ein kalter Hauch aus der Unterwelt, eine schaurige, wiewohl willkommene Ablenkung im sonst so ruhigen Alltag.

Als ich mein windschiefes rotes Haus im Wald verließ und nach unten in die Senke lief, wo die Bäume weniger dicht standen, sah ich bald die Spitze des weißen Leuchtturms, der ganz vorn auf der Landzunge stand. Ich kann mich gar nicht sattsehen an der beängstigenden Neigung des Turms nach Ostsüdost, als wollten der Wind und die Brandung ihn auf den steinigen Küstenstreifen drücken, auf dem er erbaut wurde.

Die Senke hatte etwas von einem Fußabdruck, den ein Riese in dunkler Vorzeit hinterlassen hatte. Bis auf eine einsame Birke wuchsen dort aus unerfindlichen Gründen keine Bäume. Das beflügelte meine Fantasie; ich stellte mir einen gigantischen Nordweststurm vor, der das Wasser in Kaskaden über das Land geschleudert hatte und mit gewaltigen Wellen gegen die Küste angerollt war. Das Wasser hatte die geheimnisvolle Senke gefüllt und einen Salzsee in Form eines Fußabdruckes entstehen lassen.

Später hatte das Wasser sich wieder ins Meer zurückgezogen, aber der Fußabdruck hatte die Zeit überdauert. Seit meinem ersten Besuch hier nannte ich die Senke deshalb nur die Fußspur des Riesen.

Hier unten hatten sich die Reste urwaldähnlichen Gestrüpps gehalten, das tiefer in dem gerade einmal hundertjährigen Leuchtturmwald jedes Durchkommen unmöglich machte. Wenn der Dunst an einem frühen Vormittag vom Boden aufsteigt und sich wie ein weißgoldener Glorienschein über die Landschaft legt, wissen die Røsser - wie die Bewohner von Røsnæs sich nennen -, dass der Winter zu Ende geht und das Frühjahr nicht mehr aufzuhalten ist. Etwas später, wenn die Winde sich gelegt haben, schiebt sich ein ganz besonderer Lichtschein die Böschungen hoch, den die Ortsansässigen liebten und von dem sie jedem erzählten, der ihnen sein Ohr lieh. Ich glaube, jede Gegend hat so eine Geschichte über das Licht, die die Menschen stolz verinnerlicht haben und immer wieder zum Besten geben. Wenn die Sonne im Sommer dann wirklich die Oberhand gewinnt und die grauen Wolken und den Regen verdrängt, kommen Scharen von Naturliebhabern nach Ulstrup geradelt oder gewandert. Am Friedhof vorbei, dem kleinen Lebensmittelladen und über die schmale Landstraße bis zum Leuchtturm, wo sich die Wiesen nach rechts und links ausbreiten. In der welligen Landschaft können aufmerksame Wanderer die exotischsten Pflanzen entdecken, darunter die Echte Schlüsselblume, die Wiesenküchenschelle, das Gelbe Sonnenröschen, Steppenlieschgras und Knöllchensteinbrech. Wer ganz genau hinsieht, entdeckt vielleicht sogar seltene Schmetterlinge, wie das Kleine Wiesenvögelchen, den Braunen Feuerfalter oder den Zweibrütigen Würfeldickkopffalter. Auch die glockenartigen Rufe der kleinen Rotbauchunke sind hier zu hören, und über allem schweben Rotrückenwürger und Rothalstaucher. Im Herbst, wenn die Stürme und die heftigen Regenschauer wieder Löcher in die steile Böschung reißen, auf der mein Haus steht, sieht man häufig große Scharen von Zugvögeln auf ihrem Weg nach Süden.

Was die Bewohner der Halbinsel angeht, so glaube ich, dass sie zufrieden mit ihrem Leben hier sind, umgeben von Sand und Steinen, Wiesen und Bäumen, deren mächtige abgebrochene Äste im Abendlicht manch einen an die Gebeine von Riesen erinnern. Wenn dann die Winterstürme aus Nordwesten über das Land fegen, strecken selbst die mächtigsten der am Boden liegenden Kiefernstämme ihre Äste (widerstrebend) noch einmal zum Himmel empor.

Der weiße Turm stand unerschütterlich am westlichsten Punkt Seelands, an der äußersten Spitze der Landzunge, die wie ein gekrümmter Finger über den Belt nach Westen in Richtung Samsø und Jütland zeigte. Richtete man den Blick eine Spur weiter nach Nordwesten, sah man die Stelle, an der sich der Meeresboden unter den Wellen plötzlich veränderte und die Untiefe Røsnæs Rev bildete, um gleich dahinter wieder in die Tiefe des Belts abzufallen. Diese nur wenige Kilometer vor der Spitze der Landzunge gelegene Stelle war es, die so viele Seeleute das Leben gekostet hatte. All die tragischen Geschichten, die unzähligen Einträge in den Kirchenbüchern, Inschriften auf den Grabsteinen und mündlichen Überlieferungen legten Zeugnis ab über Schiffbrüche und ertrunkene Seeleute und darüber, wie berechtigt der Name war, den die Einwohner dieser Stelle schon vor langer, langer Zeit gegeben hatten.

Der Höllenschlund.

Ich hörte diesen Namen zum ersten Mal von einer alten Frau, die von den Bewohnern der Halbinsel Meereshexe genannt wurde. An dem Tag, als sie mir die Schlüssel für das windschiefe Haus im Wald östlich des Leuchtturms gegeben hatte.

Ich hatte es für vier Monate gemietet und zahlte kaum etwas dafür. Nur ein Fremder zog in ein Haus, das am Rand der steilen Moränenböschung bei jeder Windböe wackelte. Auf einem Boden aus Lehm und Schotter, den die Gletscher hier zurückgelassen hatten. Bei jedem Sturm kam der Abhang etwas näher, und aus meinem Küchenfenster sah ich unter mir direkt auf das schwarze Wasser mit den weißen Gischtkämmen.

Meine Vermieterin hatte mir den rostigen, offenbar seit Jahren nicht mehr benutzten Schlüsselbund in die Hand gelegt und diese einen Moment mit ihren krummen Fingern festgehalten.

Dann ließ sie mich los und zeigte zum Leuchtturm, der durch die Äste der Kiefern zu erkennen war. Mit heiserer Stimme, die zweifelsohne zu ihrem Spitznamen beigetragen hatte, sagte sie: »Da ist der Leuchtturm und das schon seit hundert Jahren. Und da draußen ...«, die alte Frau streckte ihren Finger zum Horizont aus, »liegt der Höllenschlund, vergessen Sie das nie ...« Sie stockte kurz, dann fand sie zurück zu ihrem heiseren Flüstern. »Vergessen Sie nie, dass Sie nicht auch nur in die Nähe dieses Ortes geraten dürfen, was auch geschieht.«

Ich hatte die Warnung abgespeichert, ohne wirklich zu wissen, was die alte Frau meinte. Auch wenn die Schiffsunglücke mit den Jahren seltener geworden waren, lagen dort unten am Grund der Untiefe Hunderte, wenn nicht gar Tausende ertrunkene Seeleute. Das erzählten die Einheimischen und der Inhaber vom Lebensmittelladen in Ulstrup, mit dem ich als Erstem gesprochen hatte, nachdem ich meine wenigen schwarzen Plastiksäcke mit Kleidern und Bettzeug in mein neues Heim getragen hatte und in die Stadt gefahren war, um einzukaufen.

Der dicke, birnenförmige Mann - ich fühlte mich in seiner Nähe sogleich sicher, was sonst bei Fremden nur selten der Fall war - hatte den Kopf geschüttelt, als er hörte, dass ich die Bruchbude an der unsicheren Steilküste gemietet hatte. Er bezeichnete mein neues Heim als Hexenhaus und sagte, nur ein Verrückter könne dort einziehen.

Ich ignorierte seine Worte, so wie mich das Leben seit meiner Geburt gelehrt hatte, mir über unabwendbare Tatsachen keine Gedanken zu machen. Was man tat, war nicht immer zu erklären und ganz sicher nicht immer logisch. Das Ungewöhnliche, Andersartige schreckte mich nicht ab. Ich hatte noch nie Angst davor gehabt, an speziellen Orten zu wohnen. Nicht unter hohen Bäumen, nicht an einer bröckelnden Küste, nicht in skurrilen Häusern und ganz sicher nicht am Meer.

Er sagte mir eine wöchentliche Lieferung von Lebensmitteln und anderen Notwendigkeiten zu; sein kleiner Lieferwagen schaffte den unbefestigten Weg durch den Wald bis zum Fuß der Anhöhe, wo ich die Sachen dann selbst über die abgebrochenen Äste die Steigung hinauf zu meinem windschiefen Haus tragen müsste. Das sollte reichen.

Mehr brauchte ich nicht.

So begannen die ersten Monate meines sozusagen neuen Lebens, das ich bereits am zweiten Tag zu erforschen begann. Teils aus Neugier, teils - natürlich - weil ich keine Zeit vergeuden durfte.

Auf der Ostseite des alten Leuchtturmwärterhäuschens hatte ein früherer Bewohner eine Steinbank errichtet. Viggo Larssen hatte darauf Platz genommen. Er saß ganz für sich reglos da.

Ich war Ende September auf die Landzunge gekommen und hatte mich in den ersten Tagen noch nicht zu erkennen gegeben.

Selbst an den kühlsten Tagen sah ich ihn dort sitzen, bis er zu seinem langen täglichen Marsch aufbrach, über den Strand bis zum Bavnebjergsklint und wieder zurück.

Er war älter, größer (und dünner) als bei unserer letzten Begegnung auf dem Friedhof von Søborg. Damals war er fünfzehn Jahre alt gewesen und ich noch ein Kind. Unsere Begegnung war nur flüchtig gewesen, konfus, ganz überschattet von seiner Trauer.

Was mich am meisten wunderte, war seine totale Reglosigkeit. Er drehte kaum einmal den Kopf, Beine und Arme waren ganz ruhig. Stundenlang lehnte er an der Wand und sah über das Meer. Manchmal standen neben ihm eine Flasche Wein und ein Glas.

Normalerweise verfügte ich über die Gabe, die Gedanken anderer Menschen erraten zu können, auch wenn sie nichts sagten oder sich nicht bewegten - doch bei Viggo Larssen scheiterte ich.

Zu...

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Erik Valeur, Jahrgang 1955, ist Mitbegründer der dänischen Månedsbladet Press, arbeitete viele Jahre in Presse und Rundfunk und erhielt für seine journalistische Arbeit zahlreiche Auszeichnungen, u. a. je zwei Mal den Cavling- und den Kryger-Preis. 2011 debütierte er mit »Das siebte Kind« als Romanautor und erhielt dafür im selben Jahr den renommierten und hochdotierten Debutantpris, den Literaturpreis der Zeitschrift Weekendavisen, 2012 den DR Romanprisen, den Harald-Mogensen-Preis und zuvorderst die Auszeichnung für den besten Spannungsroman der Skandinavischen Krimiakademie, den zuvor schon Bestsellerautoren wie beispielsweise Peter Høeg, Håkan Nesser, Stieg Larsson und Jussi Adler-Olsen erhalten hatten.