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Chourmo

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am06.11.20151. Auflage
Fabio Montale will nicht mehr länger Polizist sein. Und die Polizei von Marseille hält ihn nach den Skandalen von Total Cheops auch nicht mehr für unverzichtbar. Er möchte lieber gut essen und trinken, mit seinen Freunden reden und mit seinem Boot die Küste entlangschippern. Aber seine Cousine Gélou, die aussieht wie Claudia Cardinale, ist verzweifelt: Ihr Sohn Guitou ist mit seiner arabischen Freundin verschwunden. Fabio soll ihn finden. Dass Guitou schon lange tot ist, dämmert Montale erst nach und nach. Plötzlich hat Kommissar Loubet von der Polizei gar nicht mehr so viel dagegen, dass Montale sich um Aufklärung bemüht.

Jean-Claude Izzo, geboren 1945 in Marseille, war lange Journalist. Nach Veröffentlichung von mehreren Gedichtbänden pubilzierte er mit fünfzig seinen ersten Roman Total Cheops. Dieser wurde sofort zum Bestseller, seine Marseille-Trilogie zählt inzwischen zu den großen Werken der internationalen Kriminalliteratur. Der zweite Teil, Chourmo, wurde 2001 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Jean-Claude Izzo starb 2000 in Marseille.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextFabio Montale will nicht mehr länger Polizist sein. Und die Polizei von Marseille hält ihn nach den Skandalen von Total Cheops auch nicht mehr für unverzichtbar. Er möchte lieber gut essen und trinken, mit seinen Freunden reden und mit seinem Boot die Küste entlangschippern. Aber seine Cousine Gélou, die aussieht wie Claudia Cardinale, ist verzweifelt: Ihr Sohn Guitou ist mit seiner arabischen Freundin verschwunden. Fabio soll ihn finden. Dass Guitou schon lange tot ist, dämmert Montale erst nach und nach. Plötzlich hat Kommissar Loubet von der Polizei gar nicht mehr so viel dagegen, dass Montale sich um Aufklärung bemüht.

Jean-Claude Izzo, geboren 1945 in Marseille, war lange Journalist. Nach Veröffentlichung von mehreren Gedichtbänden pubilzierte er mit fünfzig seinen ersten Roman Total Cheops. Dieser wurde sofort zum Bestseller, seine Marseille-Trilogie zählt inzwischen zu den großen Werken der internationalen Kriminalliteratur. Der zweite Teil, Chourmo, wurde 2001 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Jean-Claude Izzo starb 2000 in Marseille.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293304024
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum06.11.2015
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2400 Kbytes
Artikel-Nr.3421074
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Prolog

Endstation, Marseille, Bahnhof Saint-Charles


Guitou - wie seine Mutter ihn immer noch nannte - stand oben an der Treppe vor dem Bahnhof Saint-Charles und betrachtete Marseille. »Die große Stadt«. Seine Mutter war hier zur Welt gekommen, aber sie war nie mit ihm hergefahren. Dabei hatte sie es versprochen. Jetzt war er hier. Allein. Wie ein Großer.

In zwei Stunden würde er Naïma wiedersehen.

Deshalb war er hier.

Die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben und eine Camel zwischen den Lippen, stieg er langsam die Stufen hinunter. Der Stadt entgegen.

»Wenn du die Treppen runtergehst, kommst du auf den Boulevard d´Athènes«, hatte Naïma gesagt. »Du folgst ihm bis zur Canebière. Dort gehst du rechts. Richtung Alter Hafen. Wenn du da bist, findest du etwa zweihundert Meter weiter, wiederum rechts, eine große Eckkneipe. Sie heißt La Samaritaine. Dort treffen wir uns. Um sechs. Du kannst sie nicht verfehlen.«

Diese zwei Stunden, die vor ihm lagen, beruhigten ihn. Er würde die Kneipe ausfindig machen. Pünktlich sein. Naïma wollte er nicht warten lassen. Er hatte es eilig, sie wieder zu sehen. Ihre Hand zu nehmen, sie in seine Arme zu schließen, sie zu küssen. Heute Abend würden sie miteinander schlafen. Zum ersten Mal. Das erste Mal für sie und für ihn. Mathias, ein Klassenkamerad Naïmas, hatte ihnen sein Appartement überlassen. Sie würden ganz allein sein. Endlich.

Bei dem Gedanken musste er lächeln. Schüchtern, wie bei seiner ersten Begegnung mit Naïma.

Dann zog er ein Gesicht, als ihm seine Mutter einfiel. Wenn er zurückkäme, würde er mit Sicherheit eine unangenehme Viertelstunde über sich ergehen lassen müssen. Nicht nur, dass er ohne Erlaubnis drei Tage vor Schulbeginn abgehauen war, vorher hatte er auch noch tausend Francs aus der Ladenkasse stibitzt. Einer Boutique für Konfektionskleidung im Ortszentrum von Gap, alles hochmodisch und elegant.

Er zuckte mit den Schultern. Es waren nicht die tausend Francs, die den Familienfrieden gefährdeten. Mit seiner Mutter würde er schon klarkommen. Wie immer. Aber der andere machte ihm Kopfschmerzen. Der Obertrottel, der sich für seinen Vater hielt. Er hatte ihn schon einmal wegen Naïma geschlagen.

Als er die Allée de Meilhan überquerte, sah er eine Telefonzelle. Er sagte sich, dass er seine Mutter doch besser anrufen sollte, damit sie sich keine Sorgen machte.

Er stellte seinen kleinen Rucksack ab und griff in die Gesäßtasche seiner Jeans. Verdammt! Da war keine Brieftasche mehr! Entsetzt fühlte er auf der anderen Seite und sogar in der Innentasche seiner Jacke nach, obwohl er sie dort nie aufbewahrte. Nichts. Wie hatte er sie nur verlieren können? Als er aus dem Bahnhof trat, hatte er sie noch. Er hatte seine Fahrkarte hineingesteckt.

Dann erinnerte er sich. Auf der Bahnhofstreppe hatte ihn ein Beur um Feuer gebeten. Er hatte sein Zippo gezückt. Im selben Moment hatte ihn ein anderer Beur, der die Stufen hinunterrannte, von hinten angerempelt, beinahe gestoßen. Wie ein Dieb, hatte er noch gedacht. Um ein Haar wäre er die Treppe runtergefallen, hätte der andere ihn nicht aufgefangen. Er hatte sich prächtig leimen lassen.

Schwindel packte ihn. Wut, und Besorgnis. Keine Papiere mehr, keine Telefonkarte, keine Fahrkarte und vor allem fast kein Geld. Ihm blieb nur das Wechselgeld von der Fahrkarte und der Schachtel Camel. Dreihundertzehn Francs. »Scheiße!«, fluchte er laut.

»Alles in Ordnung?«, fragte eine alte Dame.

»Jemand hat mir die Brieftasche geklaut.«

»Oh! Armer Junge! So ein Pech! Da kann man gar nichts machen! So was kommt jeden Tag vor.« Sie sah ihn voller Mitgefühl an. »Aber besser nicht zur Polizei gehen. Hören Sie! Besser nicht! Die machen Ihnen nur noch mehr Ärger!«

Und sie ging weiter, ihre kleine Handtasche fest an die Brust gepresst. Guitou sah ihr nach. Sie verschwand in der bunten Menge von Passanten, größtenteils Schwarze und Araber.

Marseille fing ja gut an!

Um das Unheil zu vertreiben, küsste er die Goldmedaille mit der Jungfrau Maria, die er auf seiner vom Sommer in den Bergen noch gebräunten Brust trug. Seine Mutter hatte sie ihm zur Kommunion geschenkt. An jenem Morgen hatte sie die Kette von ihrem Hals gelöst und sie ihm umgelegt. »Sie kommt von weit her«, hatte sie gesagt, »sie wird dich beschützen.«

Er glaubte nicht an Gott, aber wie alle Söhne aus italienischen Familien war er abergläubisch. Und außerdem - die Jungfrau zu küssen, war, als küsse er seine Mutter. Als er noch klein war, hatte seine Mutter ihm immer einen Gutenachtkuss auf die Stirn gegeben. Dabei war die Medaille von ihren vollen Brüsten bis auf seine Lippen herabgeglitten.

Er verscheuchte dieses Bild, das ihn immer noch erregte. Und dachte an Naïma. Ihre Brüste, wenn auch kleiner, waren ebenso schön wie die seiner Mutter. Ebenso dunkel. Eines Abends, als er Naïma hinter der Scheune der Rebouls küsste, hatte er seine Hand unter ihren Pullover gleiten lassen und sie gestreichelt. Sie hatte es geduldet. Langsam hatte er den Pulli hochgeschoben, um sie zu bewundern. Mit zitternden Händen. »Gefallen sie dir?«, hatte sie leise gefragt. Er hatte nicht geantwortet, nur den Mund geöffnet, um sie mit den Lippen zu umschließen, erst die eine, dann die andere. Er bekam eine Erektion. Er würde Naïma wieder sehen, alles andere war nicht so wichtig.

Er würde schon zurechtkommen.

Naïma wachte ruckartig auf. Ein Geräusch im Stockwerk über ihnen. Ein ungewöhnliches Geräusch. Dumpf. Ihr Herz schlug schneller. Sie horchte mit angehaltenem Atem. Nichts. Stille. Durch die Fensterläden drang schwaches Licht. Wie spät mochte es sein? Sie hatte keine Uhr dabei. Guitou schlief friedlich. Auf dem Bauch. Mit dem Gesicht zu ihr. Sie konnte kaum seinen Atem hören. Das beruhigte sie, dieses regelmäßige Atmen. Sie streckte sich wieder aus und kuschelte sich mit offenen Augen an ihn. Sie hätte gern eine geraucht, zur Beruhigung. Um wieder einzuschlafen.

Sanft legte sie ihre Hand auf seine Schultern und strich ihm zärtlich über den Rücken. Er hatte eine seidige Haut. Weich. Wie seine Augen, sein Lächeln, seine Stimme, die Worte, die er ihr sagte. Wie seine Hände auf ihrem Körper. Fast weiblich. Die anderen Jungs, die sie kennen gelernt hatte, und sogar Mathias, mit dem sie geflirtet hatte, waren rauer in ihrer Art. Guitou hatte sie nur einmal angelächelt, und schon sehnte sie sich danach, in seine Arme zu kommen und den Kopf an seine Brust zu schmiegen.

Sie hätte ihn gern geweckt. Damit er sie streichelte, wie eben. Das hatte ihr gefallen. Seine Finger auf ihrem Körper, sein bewundernder Blick, der sie schön machte. Und verliebt. Mit ihm zu schlafen, war ihr ganz natürlich vorgekommen. Auch das hatte ihr gefallen. Würde es beim zweiten Mal noch genauso schön sein? War es immer so? Bei der Erinnerung durchlief sie ein wohliger Schauer. Sie lächelte, drückte einen Kuss auf Guitous Schulter und kuschelte sich noch enger an ihn. Er war sehr warm.

Er bewegte sich. Sein Bein glitt zwischen die ihren. Er öffnete die Augen.

»Du bist wach?«, murmelte er und strich ihr übers Haar.

»Ein Geräusch. Ich hab ein Geräusch gehört.«

»Hast du Angst?«

Hocine schlief in der Etage über ihnen. Sie hatten sich vorhin ein wenig mit ihm unterhalten. Als sie die Schlüssel geholt hatten, bevor sie eine Pizza essen gegangen waren. Er war ein algerischer Historiker. Ein Historiker für die Geschichte der Antike. Er interessierte sich für die archäologischen Ausgrabungen in Marseille. »Von unglaublichem Reichtum«, hatte er zu erklären begonnen. Er schien leidenschaftlich bei der Sache zu sein. Aber sie hatten ihm nur mit halbem Ohr zugehört. Sie hatten es eilig, allein zu sein. Sich zu sagen, dass sie sich liebten. Und sich danach zu lieben.

Mathias´ Eltern hatten Hocine seit über einem Monat aufgenommen. Sie waren übers Wochenende zu ihrem Landhaus in Sanary im Departement Var gefahren. Und Mathias hatte ihnen sein Appartement im Erdgeschoss zur Verfügung stellen können.

Es war eines dieser prachtvollen renovierten Häuser im Panier-Viertel, an der Ecke der Straßen Belles-Écuelles und Puits-Saint-Antoine, in der Nähe der Place Lorette. Der Vater von Mathias, ein Architekt, hatte die Innenräume neu gestaltet. Drei Etagen. Bis hinauf zur Dachterrasse à l´italienne, von wo man die ganze Reede überblicken konnte, von L´Estaque bis Madrague-de-Montredon. Großartig.

Naïma hatte zu Guitou gesagt: »Morgen früh gehe ich Brot holen. Wir frühstücken auf der Terrasse. Du wirst sehen, wie herrlich das ist.« Sie wollte, dass er Marseille liebte. Ihre Stadt. Sie hatte ihm so viel von ihr erzählt. Guitou war ein bisschen eifersüchtig auf Mathias gewesen. »Bist du mit ihm ausgegangen?« Sie hatte gelacht, ihm aber nicht geantwortet. Später, als sie ihm anvertraut hatte: »Weißt du, es stimmt, es ist das erste Mal«, hatte er Mathias vergessen. Das versprochene Frühstück. Die Terrasse. Und Marseille.

»Angst? Wovor denn?«

Sie ließ ihr Bein über seinen Körper gleiten und zog es an den Bauch. Ihr Knie streifte seinen Penis, und sie spürte, wie er steif wurde. Sie legte ihre Wange auf seine jungenhafte Brust. Guitou nahm...


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Autor

Jean-Claude Izzo, geboren 1945 in Marseille, war lange Journalist. Nach Veröffentlichung von mehreren Gedichtbänden pubilzierte er mit fünfzig seinen ersten Roman Total Cheops. Dieser wurde sofort zum Bestseller, seine Marseille-Trilogie zählt inzwischen zu den großen Werken der internationalen Kriminalliteratur. Der zweite Teil, Chourmo, wurde 2001 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Jean-Claude Izzo starb 2000 in Marseille.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt