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Total Cheops

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am06.11.20151. Auflage
Fabio Montale ist ein kleiner Polizist mit Hang zum guten Essen und einem großen Herz für all die verschiedenen Bewohner der Hafenstadt: für die Italiener, die Spanier, die Algerier und auch die Franzosen. Ob einer Polizist wird oder Gangster, das ist reiner biografischer Zufall. Freund bleibt Freund. Deswegen muss Fabio auch handeln, als zwei seiner Gangster-Freunde ermordet werden. Als die beiden gerächt sind, muss er feststellen, dass das Spiel nach Regeln gespielt wird, die mit Ehre nichts zu tun haben. Von Leuten, denen genauso egal ist, ob einer Polizist ist oder Verbrecher.

Jean-Claude Izzo, geboren 1945 in Marseille, war lange Journalist. Nach Veröffentlichung von mehreren Gedichtbänden pubilzierte er mit fünfzig seinen ersten Roman Total Cheops. Dieser wurde sofort zum Bestseller, seine Marseille-Trilogie zählt inzwischen zu den großen Werken der internationalen Kriminalliteratur. Der zweite Teil, Chourmo, wurde 2001 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Jean-Claude Izzo starb 2000 in Marseille.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextFabio Montale ist ein kleiner Polizist mit Hang zum guten Essen und einem großen Herz für all die verschiedenen Bewohner der Hafenstadt: für die Italiener, die Spanier, die Algerier und auch die Franzosen. Ob einer Polizist wird oder Gangster, das ist reiner biografischer Zufall. Freund bleibt Freund. Deswegen muss Fabio auch handeln, als zwei seiner Gangster-Freunde ermordet werden. Als die beiden gerächt sind, muss er feststellen, dass das Spiel nach Regeln gespielt wird, die mit Ehre nichts zu tun haben. Von Leuten, denen genauso egal ist, ob einer Polizist ist oder Verbrecher.

Jean-Claude Izzo, geboren 1945 in Marseille, war lange Journalist. Nach Veröffentlichung von mehreren Gedichtbänden pubilzierte er mit fünfzig seinen ersten Roman Total Cheops. Dieser wurde sofort zum Bestseller, seine Marseille-Trilogie zählt inzwischen zu den großen Werken der internationalen Kriminalliteratur. Der zweite Teil, Chourmo, wurde 2001 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Jean-Claude Izzo starb 2000 in Marseille.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293304079
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum06.11.2015
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2585 Kbytes
Artikel-Nr.3421122
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Prolog

Rue des Pistoles, zwanzig Jahre danach


Er hatte nur ihre Adresse. Rue des Pistoles, in der Altstadt. Er war seit Jahren nicht mehr in Marseille gewesen. Jetzt hatte er keine Wahl mehr.

Man schrieb den 2. Juni, es regnete. Obwohl es in Strömen goss, weigerte sich der Taxifahrer, in die kleinen Gassen vorzudringen. Er setzte ihn an der Montée-des-Accoules ab. Über hundert steile Stufen und ein Gewirr von Straßen lagen bis zur Rue des Pistoles noch vor ihm. Der Boden war mit aufgerissenen Müllsäcken übersät, und ein säuerlicher Geruch stieg von der Straße auf, eine Mischung aus Pisse, Feuchtigkeit und Schimmel. Einzige große Veränderung: Die Renovierungswelle hatte das Viertel erreicht. Einige Häuser waren abgerissen worden. Die Fassaden der anderen waren neu gestrichen, ocker oder rosa mit grünen oder blauen Fensterklappen, ganz wie in Italien.

Von der Rue des Pistoles, vielleicht eine der engsten Gassen, war nur die Hälfte übrig geblieben, die Seite mit den geraden Hausnummern. Die andere war platt gemacht worden, ebenso wie die Rue Rodillat. Stattdessen: ein Parkplatz. Das fiel ihm als Erstes auf, als er um die Ecke der Rue du Refuge bog. Hier schienen die Baulöwen eine Pause eingelegt zu haben. Die Häuser waren schwärzlich, wie von Lepra befallen, zerfressen von einer aus Abwässern gespeisten Vegetation.

Er war zu früh dran, das wusste er. Aber er hatte keine Lust, in irgendeinem Bistro einen Kaffee nach dem anderen zu trinken und dabei dauernd auf die Uhr zu sehen, bis er es wagen konnte, Lole zu wecken. Er träumte von einem Kaffee in einem bequemen Sessel in einem richtigen Appartement. Das hatte er seit Monaten nicht mehr gehabt. Sobald sie die Tür öffnete, steuerte er den einzigen Sessel in der Wohnung an, als wäre er nie weg gewesen. Er liebkoste die Armlehne, setzte sich langsam und schloss die Augen. Erst danach sah er sie an. Zwanzig Jahre danach.

Sie blieb stehen. Aufrecht, wie immer. Die Hände in den Taschen eines strohgelben Bademantels vergraben, der ihre Haut brauner als sonst erscheinen ließ und ihre schwarzen Haare hervorhob, die sie jetzt kurz trug. An den Hüften hatte sie vielleicht zugenommen, er war sich nicht sicher. Sie war zur Frau geworden, aber sie hatte sich nicht verändert. Lole, die Zigeunerin. Schön, wie eh und je.

»Ich würde gern einen Kaffee trinken.«

Sie nickte. Ohne ein Wort. Ohne ein Lächeln. Er hatte sie aus dem Schlaf gerissen. Aus einem Traum, in dem sie mit Manu nach Sevilla raste, sorglos, die Taschen voller Kohle. Einem Traum, der sie jede Nacht heimsuchte. Aber Manu war seit drei Monaten tot.

Er ließ sich in den Sessel sinken, streckte die Beine von sich und zündete sich eine Zigarette an. Zweifellos die Beste seit langem.

»Ich habe dich erwartet.« Lole reichte ihm eine Tasse. »Aber später.«

»Ich habe einen Nachtzug genommen. Einen Sonderzug für Fremdenlegionäre. Weniger Kontrollen. Mehr Sicherheit.«

Ihr Blick war woanders. Dort, wo Manu war.

»Setzt du dich nicht?«

»Ich trinke meinen Kaffee lieber im Stehen.«

»Du hast immer noch kein Telefon.«

»Nein.« Sie lächelte. Für einen Moment schien die Schläfrigkeit aus ihrem Gesicht zu weichen. Sie hatte den Traum verjagt. Melancholisch sah sie ihn an. Er war müde und unruhig, von altbekannten Ängsten geplagt. Es gefiel ihm, dass Lole mit Worten geizte, keine Erklärungen abgab. Die Stille brachte für sie beide das Leben wieder in Ordnung. Ein für alle Mal.

Ein Pfefferminzduft hing in der Luft. Er sah sich im Zimmer um. Es war ziemlich groß, weiße, nackte Wände ohne Regale, Bücher oder Krimskrams. Das Mobiliar war aufs Wesentliche reduziert und willkürlich zusammengewürfelt: ein Tisch, Stühle, eine Anrichte und ein Bett am Fenster. Eine Tür führte ins Schlafzimmer. Von seinem Platz konnte er einen Teil des Bettes sehen. Blaues Bettzeug, nicht gemacht. Er konnte sich nicht mehr an die Ausdünstungen der Nacht erinnern. Ihre Körper. An Loles Geruch. Ihre Achselhöhlen rochen bei der Liebe nach Basilikum. Die Augen fielen ihm zu. Als er sie wieder aufschlug, schweifte sein Blick zum Bett am Fenster.

»Da kannst du schlafen.«

»Ich würde jetzt gern schlafen.«

Später sah er sie durch das Zimmer gehen. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. Um auf die Uhr zu schauen, hätte er sich bewegen müssen. Und er hatte keine Lust, sich zu bewegen. Lieber wollte er mit halb geschlossenen Augen Lole zusehen, wie sie im Zimmer hin und her ging. Sie war, in ein dickes Handtuch gewickelt, aus dem Bad gekommen. Obgleich nicht sehr groß, war sie wohlproportioniert und hatte sehr schöne Beine. Dann war er wieder eingeschlafen. Ohne jede Angst.

Der Abend war hereingebrochen. Lole trug ein schwarzes, ärmelloses Leinenkleid, schlicht, aber sehr kleidsam. Es schmeichelte ihren Formen. Er betrachtete erneut ihre Beine. Dieses Mal spürte sie seinen Blick.

»Ich lasse dir die Schlüssel hier. Es ist noch heißer Kaffee da. Ich habe welchen nachgemacht.«

Sie sagte nur, was offensichtlich war. Alles andere kam nicht über ihre Lippen. Er richtete sich auf und fischte eine Zigarette aus der Packung, ohne sie aus den Augen zu lassen.

»Ich komme spät zurück. Warte nicht auf mich.«

»Bist du immer noch Animierdame?«

»Hostess. Im Vamping. Ich will nicht, dass du dort auftauchst und rumhängst.«

Er erinnerte sich ans Vamping, auf der Höhe des katalanischen Strandes. Eine unglaubliche Einrichtung à la Scorcese. Die Sängerin und das Orchester hinter mit Pailletten besetzten Notenständern. Tango, Bolero, Cha-Cha-Cha, Mambo ...

»Das hatte ich auch nicht vor.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe nie gewusst, was du vorhast.« Ihr Lächeln verbot jeden Kommentar. »Willst du Fabio treffen?«

Mit dieser Frage hatte er gerechnet. Er hatte sie sich schon selbst gestellt. Aber er hatte die Idee wieder verworfen. Fabio war Polizist. Es war, als sei damit ein Strich unter ihre Jugend und Freundschaft gezogen worden. Trotzdem hätte er Fabio gern wieder gesehen.

»Später. Vielleicht. Wie geht es ihm?«

»Unverändert. Wie uns. Wie dir. Wie Manu. Verloren. Wir wussten nichts mit unserem Leben anzufangen. Ob Räuber oder Gendarm ...«

»Du mochtest ihn gern, das stimmt.«

»Ich mag ihn gern, ja.«

Er fühlte einen Stich im Herzen. »Hast du ihn wieder gesehen?«

»Seit drei Monaten nicht mehr.« Sie schnappte sich ihre Handtasche und eine weiße Leinenjacke. Er ließ sie immer noch nicht aus den Augen.

»Unter deinem Kopfkissen«, sagte sie schließlich. Er konnte ihrer Miene ansehen, dass seine Überraschung sie amüsierte. »Alles andere findest du in der Schublade in der Anrichte.«

Und ohne ein weiteres Wort ging sie. Er hob das Kopfkissen hoch. Die 9mm war da. Bevor er Paris verließ, hatte er sie Lole per Eilpost geschickt, denn in den Metros und Bahnhöfen wimmelte es von Bullen. Das republikanische Frankreich hatte beschlossen, das Land noch weißer zu waschen. Keine Einwanderer mehr. Der neue französische Traum. Falls er kontrolliert würde, wollte er keine Probleme. Nicht dieses Problem. Falsche Papiere hatte er ohnehin.

Die Pistole. Manu hatte sie ihm zum zwanzigsten Geburtstag geschenkt. Zu der Zeit war Manu schon auf die schiefe Bahn geraten. Er hatte sich nie von ihr getrennt, sie aber auch nie benutzt. Man bringt nicht einfach so jemanden um, nicht einmal in einer bedrohlichen Lage, was hin und wieder vorgekommen war. Es gab immer eine andere Lösung. So sah er es. Und er lebte noch. Aber heute brauchte er sie. Um zu töten.

Es war kurz nach acht. Der Regen hatte nachgelassen, und als er aus dem Gebäude trat, schlug ihm die Hitze voll ins Gesicht. Nach einer ausgiebigen Dusche war er in eine schwarze Leinenhose, ein schwarzes Polohemd und eine Jeansjacke geschlüpft. Seine Mokassins hatte er wieder angezogen, aber ohne Socken. Er ging durch die Rue du Panier.

Dies war sein Viertel. Hier war er geboren. In der Rue des Petits-Puits, zwei Häuserblocks vom Geburtsort des Barockbildhauers Pierre Puget entfernt. Als sein Vater nach Frankreich kam, hatte er zunächst in der Rue de la Charité gewohnt. Sie waren vor dem Elend und vor Mussolini geflohen. Sein Vater war damals zwanzig Jahre alt und hatte zwei Brüder im Schlepptau - nabos, Neapolitaner. Drei weitere hatten sich nach Argentinien eingeschifft. Sie machten die Arbeit, für die die Franzosen sich zu schade waren. Sein Vater ließ sich für einen Hungerlohn als Hafenarbeiter anwerben. Sie wurden als »Hafenköter« beschimpft. Seine Mutter schuftete vierzehn Stunden am Tag in der Dattelfabrik. Abends trafen sich die nabos und babis, die aus dem Norden, auf der Straße. Stühle wurden vor die Tür gestellt. Man unterhielt sich von Fenster zu Fenster. Wie in Italien. Gar nicht so übel, das Leben.

Sein Haus erkannte er nicht wieder. Es war wie die anderen renoviert worden. Er ging weiter. Manu stammte aus der Rue Baussenque. Aus einem dunklen, feuchten Haus, in dem seine Mutter sich, als sie mit ihm schwanger ging, mit zwei seiner älteren Brüder niedergelassen hatte. Seinen Vater, José Manuel, hatten die Franco-Anhänger...


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Autor

Jean-Claude Izzo, geboren 1945 in Marseille, war lange Journalist. Nach Veröffentlichung von mehreren Gedichtbänden pubilzierte er mit fünfzig seinen ersten Roman Total Cheops. Dieser wurde sofort zum Bestseller, seine Marseille-Trilogie zählt inzwischen zu den großen Werken der internationalen Kriminalliteratur. Der zweite Teil, Chourmo, wurde 2001 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Jean-Claude Izzo starb 2000 in Marseille.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt