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Das Geheimnis meines Turbans

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am10.05.2021
Als Junge verkleidet unter den Taliban
Unter dem dunklen Turban leitet ein Junge mit vom Bombenangriff vernarbten Gesicht das Morgengebet in der Moschee an. Jeder respektiert ihn und hört zu, obwohl seine Stimme schwach ist und sein Körper klein und zierlich. Er ist ein guter Moslem, aber was seine Freunde und Nachbarn nicht wissen: Unter dem Turban steckt gar kein Junge, sondern ein Mädchen, das bei jedem Kontakt mit den Taliban innerlich zittert vor Angst, ihr Geheimnis könnte entdeckt werden.
Das Buch erzählt die wahre Geschichte von Nadia Ghulam, einem Mädchen, das im Afghanistankrieg schwer verletzt wurde und sich schließlich unter den Taliban zehn Jahre lang als Junge ausgab, um arbeiten und die Familie ernähren zu können.
Ein beeindruckendes Plädoyer gegen die Unterdrückung von Frauen und Mädchen

Nadia Ghulam wurde 1985 in Kabul geboren. Als Kind wurde sie in Afghanistan schwer verletzt, wurde viele Male operiert, verlor ihren Bruder und gab sich schließlich unter den Taliban als Junge aus, um die Familie zu ernähren. Heute lebt sie in Spanien, engagiert sich in einer NGO für Kinder in Afghanistan, für Flüchtlinge im Mittelmeerraum und tritt unermüdlich gegen Unterdrückung von Frauen und Mädchen ein. In »Das Geheimnis meines Turbans« erzählt sie ihre Geschichte.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextAls Junge verkleidet unter den Taliban
Unter dem dunklen Turban leitet ein Junge mit vom Bombenangriff vernarbten Gesicht das Morgengebet in der Moschee an. Jeder respektiert ihn und hört zu, obwohl seine Stimme schwach ist und sein Körper klein und zierlich. Er ist ein guter Moslem, aber was seine Freunde und Nachbarn nicht wissen: Unter dem Turban steckt gar kein Junge, sondern ein Mädchen, das bei jedem Kontakt mit den Taliban innerlich zittert vor Angst, ihr Geheimnis könnte entdeckt werden.
Das Buch erzählt die wahre Geschichte von Nadia Ghulam, einem Mädchen, das im Afghanistankrieg schwer verletzt wurde und sich schließlich unter den Taliban zehn Jahre lang als Junge ausgab, um arbeiten und die Familie ernähren zu können.
Ein beeindruckendes Plädoyer gegen die Unterdrückung von Frauen und Mädchen

Nadia Ghulam wurde 1985 in Kabul geboren. Als Kind wurde sie in Afghanistan schwer verletzt, wurde viele Male operiert, verlor ihren Bruder und gab sich schließlich unter den Taliban als Junge aus, um die Familie zu ernähren. Heute lebt sie in Spanien, engagiert sich in einer NGO für Kinder in Afghanistan, für Flüchtlinge im Mittelmeerraum und tritt unermüdlich gegen Unterdrückung von Frauen und Mädchen ein. In »Das Geheimnis meines Turbans« erzählt sie ihre Geschichte.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641260262
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum10.05.2021
SpracheDeutsch
Dateigrösse1891 Kbytes
Artikel-Nr.5425400
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Das verlorene Paradies

Ich duschte nicht gern, aber meine Mutter ließ sich auf keine Diskussionen ein: »Weißt du nicht, dass Mädchen, die sich nicht waschen, nachts von den Läusen geholt und in den Fluss geworfen werden?«

Die Geschichte mit den Läusen machte mir solche Angst, dass ich Tag für Tag nachgab. Ich folgte meiner Mutter ins Bad, ließ mich von ihr ausziehen und kniff die Augen fest zusammen, während sie mir Shampoo auf den Kopf spritzte und Wasser dazugab, damit viel Schaum entstand, den sie dann kräftig einmassierte. Nach dem Haarewaschen kam etwas noch Schlimmeres: das Kämmen. Ich habe schon immer stark gelocktes Haar gehabt - ein Paschtunen-Erbe von meinem Vater -, und wenn meine Mutter es mit dem Kamm zu entwirren versuchte, war das die reine Folter. Sie sang, um mich abzulenken, und zwischen meinem Wehgeschrei stimmte ich in den Refrain ein. Wir ergaben ein ziemlich komisches Duo.

Bei uns zu Hause gab es kein fließendes Wasser, doch dank unseres improvisierten, aber wirksamen Duschsystems mit heißem Wasser waren wir immer blitzsauber. Wenn ich mich mit einem großen Seufzer aus dem täglichen Reinigungsritual befreite, rannte ich in den Garten zu Zelmai, der mich zwischen Granatapfelbäumen und Pinien versteckt erwartete. Manchmal, wenn es warm war, spritzten wir uns gegenseitig mit Wasser aus dem Brunnen nass. Andere Male fingen wir Frösche und spielten, dass wir die armen Tiere impften. Der Garten war groß, voller Blumen, Pflanzen und Bäume, mit Schlupfwinkeln und Kleingetier, er war unser privates Universum. Nach drinnen ins Haus gingen wir nur, wenn wir mussten, wenn meine Mutter uns rief, weil der Gärtner, unser geliebter Onkel Ayub, schon das warme Brot fürs Frühstück gebracht hatte.

Wir Afghanen sind sehr stolz auf unser Brot, das naan, es ist flach, fluffig und aromatisch wie kein anderes. Zelmai riss es gern in Stücke und tauchte es in seine Tasse mit gezuckertem Tee, und ich machte ihm das immer nach. Zum Frühstück saßen wir neben meinem Vater auf dem Teppich und schauten uns dabei im Fernsehen Zeichentrickfilme an. Rund um uns herum werkelte unsere Mutter: Sie gab meinen beiden kleinen Schwestern Frühstück, bereitete unsere Schuluniformen vor, den Aktenkoffer meines Vaters, das Essen ... Sie schwitzte.

»Sag mir, Zelmai jan, was ist die Quadratwurzel von neununddreißig?«

Zelmai jan (also »der liebe« Zelmai) setzte ein Pokerface auf und steckte sich schnell noch ein Stück Brot in den Mund, denn mit vollem Mund darf man ja nicht sprechen ...

Mein Vater kontrollierte seinen Lernfortschritt streng, aber mein Bruder, der schlau wie ein Fuchs war, interessierte sich viel mehr für Bollywood-Filme als für Mathematik. Manchmal brachte er mir Tänze aus den Filmen bei, die freitagabends im Fernsehen liefen. Für sich wählte er immer die Rolle des starken und gut aussehenden indischen Prinzen und ich schaute ihm bewundernd zu. Wenn mein Vater uns dabei sah, wurde er sehr wütend auf Zelmai, statt so viel mit einem kleinen Mädchen zu spielen, solle er lieber lernen und arbeiten, sagte er. Dafür schicke er ihn schließlich in die Schule, und aus demselben Grund habe er mit seinem Freund und Geschäftspartner Korban vereinbart, dass er als Lehrling im Teppichladen arbeiten könne. Zelmai antwortete »Ja, aber natürlich, Papa jan«, aber wenn wir allein waren, erzählte er mir immer wieder, dass er absolut keine Lust darauf habe, in einem dunklen Loch wie dem Teppichladen zu versauern. Stets suchte er nach Entschuldigungen, um vorzeitig nach Hause zu kommen, wo er den Geschichten von Onkel Ayub zuhörte oder es sich vor dem Fernseher gemütlich machte.

Ich hingegen fand die Schule toll. Ich fand es toll, meinen Stift und meine Hefte zu haben, ich fand meine Pultnachbarin toll, die Nadia hieß wie ich und das Haar zu zwei Zöpfen gebunden trug. Und wir hörten beide gern zu, wie Fräulein Shikebah die Gedichte von alten persischen Dichtern vortrug, die wir nie wieder vergessen würden:

Ich habe eine Überraschung für dich,

der Frühling ist schon da,

in den Gärten blühen die Rosen,

das Wasser glitzert im Fluss

und die Vögel jubilieren ihr Lied.

Auf einmal unterbrach der Schlussgong den Zauber, und alle verabschiedeten sich respektvoll von der Lehrerin und stürmten nach Hause. Ich blieb im Schulhof und wartete auf Zelmai, weil die Größeren etwas später als wir aufhörten. Mit sechs Jahren war ich die Jüngste in der Schule.

In den ersten Schulwochen wusste ich nicht, was ich tun sollte, um die Zeit rumzubringen. Aber an diesem Tag hatte ich das Springseil mitgenommen, ich rollte es also aus und begann zu hüpfen, dabei zählte ich »Eins, zwei, drei ... Eins, zwei ...«. Ich konnte das noch nicht so gut und verhedderte mich sofort, und bald war ich richtig sauer und hatte keine Lust mehr. Mit einem Stein zeichnete ich Hüpfekästchen auf den Boden. Aber allein war das nach ein paar Runden langweilig.

An einem Ende des Schulhofs war der kleine Laden von Herrn Fakir. Der langweilte sich auch und vertrieb sich die Zeit damit, Musik im Radio zu hören und den Kindern zuzuschauen, die draußen im Freien Sport machten. Ich beobachtete ihn gern heimlich, denn ich fand ihn irgendwie spannend, mit seinem verrutschten Turban und dem merkwürdigen Lächeln, ich achtete aber immer darauf, dass er das nicht mitbekam.

So ein Pech: »Was? Du willst heute nichts bei mir kaufen?« Herr Fakir lachte und zeigte mir seine Zähne, die mir ein bisschen Angst machten, die Eckzähne spitz wie bei einem Vampir.

»Ich weiß nicht ... was gibt es heute, Onkel Fakir?«, fragte ich, obwohl er immer das Gleiche hatte: Trockenfrüchte, frisches Obst, Schokoladenriegel.

Ich nannte ihn »Onkel«, denn so werden in Afghanistan alle erwachsenen Männer genannt.

»Für dich hab ich gesalzene Pistazien. Und schau mal, die Kirschen hier, was hältst du davon?«

Die Pistazien waren schon genug, um den schlimmsten Hunger zu stillen, aber die Kirschen schienen nach mir zu rufen, sauber, dunkel und glänzend, in kleinen Plastikbeutelchen ... Mein Vater gab uns jeden Tag zehn Afghani, und normalerweise wollte ich die sparen, um meinem Bruder einen Drachen zu kaufen, aber Langeweile und Hunger wogen schwerer, ich kaufte also beides und aß davon, während ich weiter wartete.

Später kamen Kholedah, die Tochter einer Lehrerin, und Shakra zu mir. Sie waren älter als ich, wohl ungefähr zwölf oder dreizehn, und weil ich die Kleinste an der Schule war, spielten sie gern mit mir, wie mit einer Puppe. Sie winkten mir, damit ich mich neben sie auf den Boden setzte, und fragten mich, ob ich Geschwister habe. Leise antwortete ich, dass mein Bruder Zelmai hieß. Sie sahen sich an und brachen in Lachen aus: »Ah, der Anführer aus der B! Er ist sehr hübsch, nicht wahr?« Ich nickte unbehaglich, denn ich wusste nicht, ob sie über mich lachten. Zelmai war in seiner Klasse Klassensprecher und alle kannten ihn. Dann nahm Kholedah eine Kirsche aus meiner Tüte.

»Gib mir die Hand, Nadia«, sagte sie entschlossen. »Wir machen dich richtig hübsch!«

Ich sah mich um, für den Fall, dass ich schnell wegrennen müsste, denn ich traute diesen beiden nicht so ganz. Kholedah biss ein Stück von der Kirsche ab und drückte sie zusammen, bis Saft herauskam, dunkelrot wie ein Blutstropfen. Mit der Kirschtinte malte sie auf meiner Hand herum, und ihre Freundin tat es ihr nach. Kreise und Spiralen, die auf der Handfläche begannen und sich zu den Fingern schlängelten.

»Super, fertig. Heb die Hände in die Luft, damit sie trocknen.«

Ich gehorchte, ohne einen Mucks zu sagen. Kholedah hatte denselben autoritären Ton wie ihre Mutter. Im Unterricht hatte diese Lehrerin mir einmal befohlen, einer Klassenkameradin eine Ohrfeige zu geben, weil diese den Stoff nicht gelernt hatte. Ich weigerte mich und fing an zu weinen. Am Ende wurden wir beide bestraft, mit dem, was an der Schule »dunkles Zimmer« hieß, und am nächsten Tag beschwerte sich mein Vater: »Wie können Sie derart ein Mädchen behandeln, das noch nicht einmal weiß, wo rechts und wo links ist?«

Der Schulleiter, ein Freund von ihm, entschuldigte sich. Ich hatte Glück und erhielt von nun an eine Vorzugsbehandlung, denn normalerweise wird man in Afghanistan viel geschlagen, wenn man klein ist.

Als Herr Fakir mich mit erhobenen, kirschroten Händen sah, lachte er los: »Die haben dich aber hübsch hergerichtet, Nadia! Du siehst ja aus wie eine Braut mit Henna an den Händen!«

Eine Braut, o nein, wie peinlich! Ich nahm die Hände runter und lief dann doch in eine Ecke des Hofs, um allein zu sein. Ich hörte das Lachen des Verkäufers, das ich überhaupt nicht lustig fand, und die betäubende Musik aus seinem Radio; die Hände versteckte ich zwischen den Rockfalten meiner Schuluniform, die schwarz war, es machte also nichts, wenn sie ein paar Flecken Kirschsaft abbekam ...

Zum Glück kam Zelmai gleich darauf aus dem Unterricht, genau in dem Moment, als ich die große und schlanke Gestalt von Onkel Ayub näher kommen sah, der uns abholte, die übliche Wollmütze auf dem Kopf. Onkel Ayub war für uns viel mehr als der Gärtner. Er hatte uns sehr gern und sorgte für uns, als wären wir seine eigenen Kinder, obwohl er schon genug Arbeit mit den neunen haben musste, die bei ihm zu Hause auf ihn warteten.

»Nimmst du mich auf die Schultern?«

»Später, Nadia. Wie war es in der Schule?«

»Kholedah und ihre Freundin, kennst du die? Die großen Mädchen? Die haben mir die Hände angemalt. Wir haben ein Gedicht über den Frühling gelernt,...

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Nadia Ghulam wurde 1985 in Kabul geboren. Als Kind wurde sie in Afghanistan schwer verletzt, wurde viele Male operiert, verlor ihren Bruder und gab sich schließlich unter den Taliban als Junge aus, um die Familie zu ernähren. Heute lebt sie in Spanien, engagiert sich in einer NGO für Kinder in Afghanistan, für Flüchtlinge im Mittelmeerraum und tritt unermüdlich gegen Unterdrückung von Frauen und Mädchen ein. In »Das Geheimnis meines Turbans« erzählt sie ihre Geschichte.