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Robbenreich

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
464 Seiten
Deutsch
Hamburger Edition HISerschienen am07.03.2022
Ressourcenkonflikte und imperiales Prestige: Robert Kindler erzählt eine packende, mikroglobale Verflechtungsgeschichte mit Blick auf die Robbenjagd im Nordpazifik. Als Zar Alexander II. 1867 Russisch-Amerika, das heutige Alaska, an die Vereinigten Staaten verkaufte, bedeutete das für den nordpazifischen Raum eine Zäsur. Während Russland bemüht war, an der Peripherie ein Mindestmaß imperialer Autorität aufrechtzuerhalten, versuchten staatliche und private Akteure aus den USA, aber auch aus Großbritannien und Japan, sich Zugang zu den raren Ressourcen der Region zu verschaffen. Insbesondere Robbenfelle waren auf dem Weltmarkt gefragt, Pelze galten in Metropolen wie London, Paris und Moskau als Statussymbole des aufstrebenden Bürgertums. In seinem neuen Buch erzählt der Historiker Robert Kindler eine Geschichte transnationaler Verflechtungen und Konflikte. Am Beispiel der Robbenjagd im Nordpazifik befasst er sich mit fragiler Staatlichkeit, der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung und rücksichtsloser Ressourcenausbeutung. So schrumpften die Robbenherden auf den russischen Kommandeurinseln innerhalb weniger Jahrzehnte auf wenige Tausend Tiere. Die massiven Eingriffe in die nordpazifischen Ökosysteme wirken bis heute nach.

Robert Kindler ist habilitierter Osteuropahistoriker. Er forscht und lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Freien Universität Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die transnationale Geschichte des Russischen Imperiums, die Geschichte des Stalinismus sowie die Geschichte postsowjetischer Erinnerungskulturen. In der Hamburger Edition erschien sein preisgekröntes und in mehrere Sprachen übersetztes Buch Stalins Nomaden. Herrschaft und Hunger in Kasachstan.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR45,00
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E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
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Produkt

KlappentextRessourcenkonflikte und imperiales Prestige: Robert Kindler erzählt eine packende, mikroglobale Verflechtungsgeschichte mit Blick auf die Robbenjagd im Nordpazifik. Als Zar Alexander II. 1867 Russisch-Amerika, das heutige Alaska, an die Vereinigten Staaten verkaufte, bedeutete das für den nordpazifischen Raum eine Zäsur. Während Russland bemüht war, an der Peripherie ein Mindestmaß imperialer Autorität aufrechtzuerhalten, versuchten staatliche und private Akteure aus den USA, aber auch aus Großbritannien und Japan, sich Zugang zu den raren Ressourcen der Region zu verschaffen. Insbesondere Robbenfelle waren auf dem Weltmarkt gefragt, Pelze galten in Metropolen wie London, Paris und Moskau als Statussymbole des aufstrebenden Bürgertums. In seinem neuen Buch erzählt der Historiker Robert Kindler eine Geschichte transnationaler Verflechtungen und Konflikte. Am Beispiel der Robbenjagd im Nordpazifik befasst er sich mit fragiler Staatlichkeit, der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung und rücksichtsloser Ressourcenausbeutung. So schrumpften die Robbenherden auf den russischen Kommandeurinseln innerhalb weniger Jahrzehnte auf wenige Tausend Tiere. Die massiven Eingriffe in die nordpazifischen Ökosysteme wirken bis heute nach.

Robert Kindler ist habilitierter Osteuropahistoriker. Er forscht und lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Freien Universität Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die transnationale Geschichte des Russischen Imperiums, die Geschichte des Stalinismus sowie die Geschichte postsowjetischer Erinnerungskulturen. In der Hamburger Edition erschien sein preisgekröntes und in mehrere Sprachen übersetztes Buch Stalins Nomaden. Herrschaft und Hunger in Kasachstan.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783868544671
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum07.03.2022
Seiten464 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse8288 Kbytes
Illustrationen11 Abbildungen und 4 Karten
Artikel-Nr.8989855
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Einleitung

Russlands nordpazifische Kolonie

Amerikanische Dominanz

Konfliktlinien

Diplomatische Herangehensweisen

Unter dem roten Stern

Stejnegers letzte nordpazifische Reise - Ein Epilog

Abkürzungsverzeichnis

Quellen und Literatur

Dank
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Leseprobe

Russlands nordpazifische Kolonie

Die Geschichte der russischen Aneignung Sibiriens war eine Geschichte der Jagd. Auf der Suche nach Pelzen drangen Fellhändler und Jäger, die sogenannten promyslenniki1, immer weiter nach Osten ins »Reich des Zobels« vor.2 Aus der Perspektive der Zentralmacht ging es einerseits um Profite, andererseits aber auch um die Eroberung von Territorien und die Unterwerfung der dort lebenden Bevölkerungen. Pelze spielten dabei in Form von Tributen, dem sogenannten jasak, eine zentrale Rolle.3 Während das jasak-System in ganz Sibirien fest verankert war und zum zentralen Element der Begegnung zwischen Repräsentanten des Zarenreiches und indigenen Völkern wurde, gelangte die russische Expansion um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert in zweifacher Hinsicht an ihre Grenzen. Einerseits hatte Russland den eurasischen Raum bis an die Pazifikküste erobert und andererseits stagnierten die Einkünfte, die sich aus den schrumpfenden Pelztierbeständen erzielen ließen.4

Am Beginn des russischen Ausgreifens in den Nordpazifik stand die zweite Kamtschatkaexpedition unter dem Kommando des dänischen Kapitäns Vitus Bering. Die Expedition gehörte zu den großen wissenschaftlichen Vorhaben des 18. Jahrhunderts: Das umfassend angelegte und zehn Jahre andauernde Unternehmen (1733-1743) sollte neben der Vermessung russischer Küsten und der Erforschung Sibiriens vor allem der Suche von Seewegen nach Nordamerika und Japan dienen. Es gelang den Teilnehmern, der in mehreren unabhängig voneinander operierenden Abteilungen der Expedition, ihre wichtigsten Ziele zu erreichen. Bering selbst befehligte die beiden Schiffe, die im Juni 1741 von Kamtschatka aus in See stachen und nach mühevoller Überfahrt schließlich den amerikanischen Kontinent erreichten. Die Rückreise brachte die Expedition an den Rand des Untergangs. Die Männer litten an Skorbut und anderen Krankheiten, ein Schiff ging verloren und die Besatzung landete auf den - noch unbekannten - Kommandeurinseln. Während der Überwinterung verstarb Vitus Bering und wurde auf der später nach ihm benannten Insel begraben.5 Aufgrund der zahllosen Entdeckungen und Erstbeschreibungen von Territorien, Tierarten und indigenen Bevölkerungsgruppen ging die Expedition dennoch als Triumph in die russische Wissenschaftsgeschichte ein.6

Doch so bedeutsam die Entdeckungen geografischer Gegebenheiten und ethnologischer Besonderheiten auch sein mochten, von unmittelbarer ökonomischer Relevanz waren ganz andere Informationen: Die überlebenden Expeditionsteilnehmer berichteten nach ihrer Rückkehr von riesigen Seeotter- und Pelzrobbenpopulationen auf den nordpazifischen Inseln. Und manche unter ihnen beließen es nicht nur bei der Beobachtung der Tiere, sondern füllten selbst ihr Gepäck mit den wertvollen Otterfellen; so auch Georg Wilhelm Steller. Der Naturforscher beschrieb nicht nur als Erster zahlreiche nordpazifische Tier- und Pflanzenarten, sondern er gehörte auch zu den ersten Europäern, die von ihnen profitierten.7 Damit standen Steller und seine Gefährten am Beginn jener doppelten kolonialen Praxis im Nordpazifik, die wissenschaftliche Erkenntnis und ökonomische Ausbeutung untrennbar miteinander verbanden.8

Solche Aneignungspraktiken unterschieden sich kaum von denjenigen anderer europäischer Kolonialmächte. Zugleich standen sie in einer bemerkenswerten Kontinuität mit russisch-imperialen Traditionen. Dabei stellte Russisch-Amerika im Kontext des zarischen Landimperiums einen viel diskutierten und zeitlich begrenzten Sonderfall dar, da hier eine überseeische Kolonie entstand, die von der Metropole durch das Meer getrennt war.9 Doch die Eroberung des Nordpazifiks war keineswegs gleichbedeutend mit der Beherrschung dieses Raumes. Das Imperium erwies sich als strukturell unfähig, seine überseeische Kolonie allein zu unterhalten und zu versorgen. Die schiere Existenz der Kolonie ließ sich ohne die Kooperation mit amerikanischen und britischen Unternehmen und Handelskompagnien nicht denken. Überdies - und das bereitete den zuständigen Verwaltungen lange Zeit erhebliche Sorgen - konnte Russland nicht darauf hoffen, Russisch-Amerika im Ernstfall militärisch zu behaupten. Deshalb blieb russische Kolonialherrschaft am Nordpazifik stets fragil und bedroht.
Die große Jagd

Die Nachrichten von den scheinbar unbegrenzten Seeotterbeständen auf den nordpazifischen Inseln lösten einen regelrechten »Pelzrausch« aus. Bereits Mitte der 1740er Jahre zimmerten wagemutige promyslenniki kaum seetaugliche Schiffe zusammen und brachen zu mehrjährigen Expeditionen nach Osten auf, um Seeotterfelle zu erbeuten.10 Auf den ersten Blick schien sich die Jagd auf den Inseln und dem Meer fundamental von den Methoden zu unterscheiden, mit deren Hilfe bis dahin Pelze erbeutet und Gebiete unterworfen worden waren. Doch in jüngerer Zeit haben Historikerinnen wie Martina Winkler darauf hingewiesen, dass es sich bei der Jagd auf die Seeotter und das Ausgreifen in den nordpazifischen Raum letztlich um eine Fortsetzung etablierter Jagd- und Aneignungspraktiken mit anderen Mitteln handelte.11 Die Jäger folgten den Tieren, so wie sie es seit Jahrhunderten getan hatten. Im Verlaufe weniger Jahre arbeiteten sich Pelzjäger von Kamtschatka aus entlang der Inselkette der Aleuten immer weiter ostwärts vor, bis sie schließlich zunächst Unalaska und dann Alaska erreichten.12
Die Dezimierung der Arten
Die Ankunft der Russen im Nordpazifik löste eine ökologische Katastrophe aus. Jagdpraktiken, die in der Taiga »nur« zu einer Verringerung der Tierbestände geführt hatten, erwiesen sich auf den nordpazifischen Inseln als desaströs.13 Innerhalb kürzester Zeit dezimierten die promyslenniki die Pelztiere und vernichteten ganze Seeotterkolonien.14 Der Jagd auf die wertvollen Pelztiere fielen jedoch nicht nur Abertausende Seeotter und Pelzrobben zum Opfer, sondern innerhalb kürzester Zeit wurde die in den Gewässern rings um die Kommandeurinseln heimische Stellersche Seekuh ausgerottet. 1768 wurde letztmalig ein Exemplar dieser grobschlächtig wirkenden Tiere gesichtet; nur 25 Jahre nachdem Steller sie erstmals beschrieben hatte.15 Es wurde den Seekühen, die später zu einem weithin bekannten Symbol für die Ausrottung ganzer Spezies durch den Menschen werden sollten, zum Verhängnis, dass sie sich leicht erlegen ließen und von den ersten russischen Jägern und Händlern aufgrund ihres wohlschmeckenden Fleisches geschätzt wurden.16 Weil die Jagd auf die Seeotter zudem das empfindliche Ökosystem der Region massiv veränderte, hatten die Seekühe keine Überlebenschance.17 Das Schicksal der Seekühe war nur ein (wenngleich besonders gut dokumentiertes) Beispiel für ein Phänomen, das der Historiker Alfred Crosby einmal als »ökologischen Imperialismus« bezeichnet hat.18

Der Historiker Sebastian Conrad hat indes einschränkend angemerkt, dass die mit solchen Charakterisierungen implizierte dichotome Gegenüberstellung von »naturzerstörenden« kolonialen Herrschaftspraktiken und dem »harmonischen Zusammenleben mit der Natur« indigener Bevölkerungen vielfach kaum haltbar ist.19 So zeigen archäologische Befunde, dass Menschen seit der ersten Besiedelung des nordpazifischen Raums begannen, Jagd auf Pelzrobben und Seeotter zu machen.20 Dabei hatten sie es sowohl auf das Fleisch der Tiere abgesehen als auch auf die Felle, aus denen sie Kleidung, Behausungen und andere Gebrauchsgegenstände fertigten. Entlang der Küsten des Nordpazifiks entwickelten sich Jagdpraktiken, die einander durchaus ähnelten. In kleinen Kanus und mit Speeren oder Harpunen bewaffnet, näherten sich die Jäger den Tieren und töteten sie mit gezielten Würfen.21 Auch wenn Biologen lange Zeit vom Gegenteil ausgingen, so scheint es heute klar zu sein, dass bereits solche quantitativ gering erscheinenden Interventionen marine Ökosysteme nachhaltig veränderten und aus dem Gleichgewicht brachten.22 Deshalb waren die Populationen einzelner Tierarten bereits vor der Ankunft europäischer Jäger unter Druck geraten; insbesondere hinsichtlich der Stellerschen Seekuh gibt es dafür belastbare Indizien.23

Den Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts blieben solche Zusammenhänge zumeist verschlossen. Sie registrierten das Verschwinden von Seekühen und -ottern aufmerksam und suchten dafür nach naheliegenden Gründen.24 Im ausgehenden 18. Jahrhundert beschrieben Naturforscher, die häufig selbst in russischen Diensten standen, die Dezimierung der Tiere als Symptom russischer Rückständigkeit: Die erbarmungslose Jagd sei Ausdruck von Barbarei und Unkultiviertheit. Hier zeige sich, dass Russland noch nicht den Zivilisationsgrad aufgeklärter Gesellschaften des Westens erreicht habe.25 Doch glaubte zu dieser Zeit kaum jemand daran, dass...
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Robert Kindler ist habilitierter Osteuropahistoriker. Er forscht und lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Freien Universität Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die transnationale Geschichte des Russischen Imperiums, die Geschichte des Stalinismus sowie die Geschichte postsowjetischer Erinnerungskulturen. In der Hamburger Edition erschien sein preisgekröntes und in mehrere Sprachen übersetztes Buch Stalins Nomaden. Herrschaft und Hunger in Kasachstan.