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Eigenwillige Subjekte

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
352 Seiten
Deutsch
UNRAST Verlagerschienen am25.05.20221. Auflage
In ?Eigenwillige Subjekte? analysiert die feministische Kulturwissenschaftlerin Sara Ahmed das Motiv der ?Eigenwilligkeit? und arbeitet dessen Ambivalenz von Dissens, Anklage und Widerständigkeit, Fremdzuschreibung und Emanzipation heraus. Ahmed untersucht die Beziehung zwischen dem Willen und der Eigenwilligkeit, zwischen ?schlechtem? und ?gutem? Willen sowie zwischen dem Willen der Einzelnen und dem Gemeinwillen, indem sie tief in philosophische und literarische Texte eintaucht und diese untersucht. Ihre Überlegungen geben Aufschluss darüber, inwiefern der Wille in eine politische und kulturelle Landschaft eingebettet ist, wie er verkörpert wird und wie Wille und Eigenwilligkeit gesellschaftlich vermittelt werden. Mit ihrem Fokus auf Eigensinnige, Umherirrende und Abweichler*innen weist Ahmed auf das widerständige Potenzial hin, das der Eigenwilligkeit inhärent ist. Gestützt auf Ansätze feministischer, queerer und antirassistischer Politiken bestärkt sie in ihrer einzigartigen Analyse des eigenwilligen Subjekts die Figur, die auf falsche Weise ihren gesellschaftlichen Platz fordert oder einfach nur zu viel will, darin, dass Eigenwilligkeit erforderlich ist, um Dissens zu artikulieren und widerständig handeln zu können. In diesem Sinne ist die ?feministische Spaßverderber*in? eine enge Verwandte des ?eigenwilligen Subjekts?.

Sara Ahmed ist eine britische Autorin, Wissenschaftlerin und feministische Aktivistin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Postcolonial Studies, feministische und queere Theorie. Darüber hinaus betreibt sie seit Jahren den lesenswerten provokativen Blog ?feministkilljoys?.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR19,80
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextIn ?Eigenwillige Subjekte? analysiert die feministische Kulturwissenschaftlerin Sara Ahmed das Motiv der ?Eigenwilligkeit? und arbeitet dessen Ambivalenz von Dissens, Anklage und Widerständigkeit, Fremdzuschreibung und Emanzipation heraus. Ahmed untersucht die Beziehung zwischen dem Willen und der Eigenwilligkeit, zwischen ?schlechtem? und ?gutem? Willen sowie zwischen dem Willen der Einzelnen und dem Gemeinwillen, indem sie tief in philosophische und literarische Texte eintaucht und diese untersucht. Ihre Überlegungen geben Aufschluss darüber, inwiefern der Wille in eine politische und kulturelle Landschaft eingebettet ist, wie er verkörpert wird und wie Wille und Eigenwilligkeit gesellschaftlich vermittelt werden. Mit ihrem Fokus auf Eigensinnige, Umherirrende und Abweichler*innen weist Ahmed auf das widerständige Potenzial hin, das der Eigenwilligkeit inhärent ist. Gestützt auf Ansätze feministischer, queerer und antirassistischer Politiken bestärkt sie in ihrer einzigartigen Analyse des eigenwilligen Subjekts die Figur, die auf falsche Weise ihren gesellschaftlichen Platz fordert oder einfach nur zu viel will, darin, dass Eigenwilligkeit erforderlich ist, um Dissens zu artikulieren und widerständig handeln zu können. In diesem Sinne ist die ?feministische Spaßverderber*in? eine enge Verwandte des ?eigenwilligen Subjekts?.

Sara Ahmed ist eine britische Autorin, Wissenschaftlerin und feministische Aktivistin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Postcolonial Studies, feministische und queere Theorie. Darüber hinaus betreibt sie seit Jahren den lesenswerten provokativen Blog ?feministkilljoys?.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783954051083
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum25.05.2022
Auflage1. Auflage
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9502978
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 1
                 
Wollende Subjekte

»Daß ich einen Willen hatte, wußte ich so gewiß, wie daß ich lebte.« (Augustinus 2007: 7.3.137) In Augustinus Bekenntnisse wird der Wille zum Eigentum eines Subjektes, zu etwas, das von ihm besessen wird, so sicher wie es ein Leben hat. Vor dem Grundsatz »ich denke, also bin ich«, also vor der Gewissheit eines Subjekts, die sich im Denken oder als Denken niederschlägt, wird in den Bekenntnissen die Gewissheit eines Subjekts zusammengefasst, die sich im Willen oder als Wille niederschlägt.[32] Vom Willen als etwas zu sprechen, das gewiss ist, macht den Willen womöglich zu einer Gewissheit. Simon Harrison (2006) hat angedeutet, dass Augustinus mit seiner philosophischen Frage Wie weiß ich, dass ich einen Willen habe? den Willen nicht einfach voraussetzt, selbst wenn seine Antwort sicher scheint: Die Frage bietet einen Weg zum Willen an. Vielleicht wird der Wille durch Selbstvergewisserung nicht zu dem, was einem Subjekt gegeben ist, sondern sie hilft dem Subjekt dabei, zu sich selbst zu finden: »Ich habe einen Willen«, nicht nur als Zeichen einer Existenz im Sinne von »Ich will, also bin ich«, sondern als Impuls für die Existenz: »Ich will, dann bin ich.«

Das Subjekt des Willens in der Philosophie, das wir metaphysischen Willen nennen können, ist schwer vom Willen des Subjekts zu unterscheiden. Dieser Wille wird auf perfekteste Weise von deutschen Idealisten wie Hegel und Schelling ausgedrückt. Letzterer beschreibt den Willen in folgenden Begrifflichkeiten: »Es gibt in der letzten und höchsten Instanz gar kein anderes Seyn als Wollen. Wollen ist Urseyn, und auf dieses allein passen alle Prädicate desselben: Grundlosigkeit, Ewigkeit, Unabhängigkeit von der Zeit, Selbstbejahung. Die ganze Philosophie strebt nur dahin, diesen höchsten Ausdruck zu finden.« ([1809/34] 19274: o.S. Hervorh. d. A.) All diese Aussagen gehören letztendlich zum Willen: Wenn die Philosophie im Willen gipfelt, macht der Wille andere Aussagen zunichte, einschließlich der Aussagen - so könnte man spekulieren - von denen nicht einmal angenommen wurde, dass sie zu einem Subjekt gehören; die Welt wird zum Willen.

Vor uns liegen starke Kritiken am metaphysischen Willen, einschließlich denen, die nicht nur in Nietzsches Arbeit angeboten werden, sondern auch in Heideggers Interpretation von Nietzsche.[33] In der Einleitung zu diesem Buch habe ich angedeutet, dass es eine andere Möglichkeit gibt, die Geschichte des Willens zu erzählen, und zwar eine, in der Eigenwilligkeit Vorrang hat und in der der Wille die Möglichkeit hat, sich von seinem Subjekt wegzubewegen. Warum sollten wir also mit diesem Subjekt anfangen? Von einem Pfad abzuweichen, bedeutet auch, dass dieser Pfad zumindest den Beginn einer Reise darstellt. Um etwas zu verlassen, müssen wir uns zunächst auf etwas einlassen. Vielleicht geht es darum, eine Möglichkeit zu finden, auf einem Pfad loszugehen, der es uns erlaubt, ihn wieder zu verlassen. Wenn wir das Subjekt des Willens verlassen, könnten wir das wollende Subjekt mit uns nehmen .

Dieses Kapitel untersucht das wollende Subjekt nicht, indem es davon ausgeht, dass der Wille zum Subjekt gehört, sondern indem es der Vermutung folgt, dass dies so sei. Es ist schwierig, einer Vermutung zu folgen, wenn man sie scheinbar nicht angestellt hat. Doch wir sprechen regelmäßig so vom Willen, wie wir von uns selbst sprechen. Die öffentliche Kultur ist voll von Willens-Gesprächen , nicht nur im speziellen Genre der Selbsthilfe, sondern derart weiter gefasst, dass nicht nur von Subjekten als denjenigen gesprochen wird, die einen Willen haben , sondern sie selbst auch so von sich sprechen. Wir brauchen diese Vermutung nicht zu verallgemeinern, um ihr zu folgen. In Anbetracht dessen, dass wir bestimmte Erfahrungen gewohnheitsmäßig durch den Gebrauch der Sprache des Willens beschreiben, entsteht der Wille, unabhängig davon, ob etwas wie der Wille überhaupt existiert. Dabei spielen diese Bezeichnungen des Willens keine Rolle. In diesem Kapitel denke ich über den Willen als etwas Erfahrbares nach, nicht als etwas, das wir bereits haben, sondern als etwas, von dem wir erleben, dass wir es haben. Ein Erlebnis kann bedeuten, dass wir ein Objekt, einen Gedanken oder eine Emotion mit unseren Sinnen oder unserem Verstand wahrnehmen, als auch eine aktive Teilnahme an Ereignissen oder Aktivitäten darstellen. Ein Erlebnis könnte auch ein Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen sein, an denen man teilnimmt oder die man durchlebt, und systematischer, die Gesamtheit solcher Ereignisse in der Vergangenheit eines Individuums oder einer Gruppe darstellen. Indem ich diese in Beziehung stehenden Bedeutungen zusammenfasse, denke ich darüber nach, wie wir dazu kommen, uns als Wesen zu betrachten, die mit und im Laufe der Zeit einen Willen haben. Ich frage, wie es sein kann, dass ein Verständnis vom Willen es Subjekten erlaubt, sich selbst als Teil von Ereignissen zu erleben, diese freiwillig durchzumachen oder Ereignisse bzw. die Gesamtheit von Ereignissen so zu erleben, als seien sie durch Willenskraft hervorgebracht worden. Wenn wir das Wort Wille oder wollend gebrauchen, implizieren wir damit ein Erlebnis, das ein Subjekt von sich selbst als jemand hat, der*die etwas hervorbringt, ob es nun etwas hervorbringt oder nicht.[34] In dem Fall ist es möglich, sich selbst als jemand zu erleben, der*die etwas will, das man selbst nicht hervorbringen kann. Aus dieser Auftaktbeschreibung sollte ersichtlich sein, dass ich die Frage, ob der Wille als Fähigkeit existiert oder nicht, ausklammere; oder noch einmal in phänomenologischen Begrifflichkeiten: Ich hebe meinen eigenen Glauben an seine Existenz zeitweilig auf. Meine Beschreibungen in diesem Kapitel tragen zur Entwicklung einer sozialen Phänomenologie des Willens bei. Es lohnt sich, zu fragen, wie diese phänomenologische Methode und die genealogische Kritik des Willens von Nietzsche, die ich in meiner Einleitung bestätigend in Erinnerung gerufen habe, nebeneinander existieren können. Wie können Phänomenologie und Genealogie am selben Tisch sitzen? Letztendlich könnte die phänomenologische Methode der epoché, die es erfordert, dass wir unsere Annahmen über ein gegebenes Objekt ausklammern, auch voraussetzen, dass wir unser Wissen über die Geschichte dieses Objekts ausklammern. In Queer Phenomenology verbinde ich phänomenologische und genealogische Herangehensweisen (in diesem Fall an Tischen und ja, Tische werden weiterhin vorkommen), indem ich über die zeitlichen als auch örtlichen Aspekte des Dahinter nachdenke. Wie Husserl im ersten Band seiner Ideen aufgezeigt hat, können wir das Objekt nicht von allen Seiten betrachten; das Objekt wird im Profil gesehen. Wenn wir um den Tisch, um »denselben Gegenstand« herumgehen, verändert sich unsere Wahrnehmung, aber der Tisch nicht (1913: 196). So kann der Tisch als ein und dasselbe Objekt nur durch das Bewusstsein bestimmt sein: eine Intentionalität, die ich in queeren Begrifflichkeiten als Herbeizaubern eines Dahinter (Ahmed 2006: 36) genauer beschrieben habe. Was sich auf zeitlicher Ebene hinter einem Objekt verbirgt, beinhaltet auch eine Art Geheimnis oder Entzug: Es ist einer bestimmten Sichtweise nicht zugänglich. In dem Maße wie es Zeit und Arbeit braucht, um mehr als nur das Profil zu sehen (um ein Objekt zu enthüllen, egal wie bruchstückhaft dieser Prozess bleibt, da wir nie wirklich das Ganze zur gleichen Zeit einfangen); braucht es auch Zeit und Arbeit, um die Historizität eines Objekts zu entdecken (um zu enthüllen, was sich hinter dem Objekt befindet, also die Bedingungen seiner Ankunft zu enthüllen).[35]

Ein Objekt kann eine materielle Sache in der Welt sein. Oder es kann etwas sein, das wir als Objekt verstehen; dem wir uns zuwenden oder das als Ergebnis einer Zuwendung erzeugt wird. Daraus resultiert, dass ein Forschungsthema das Objekt sein kann, das wir als solches wahrnehmen. Um den Willen als Objekt des Denkens, als das, was wir begreifen, zu platzieren, braucht es phänomenologische und genealogische Methoden. Wir brauchen sie gleichzeitig, um unsere Einstellung zum Willen als das, was hinter einer Handlung steht, zu verwerfen und eine Geschichte zu liefern, die davon erzählt, wie der Wille dazu kam, als etwas verstanden zu werden, das dahinter steckt. Mit anderen Worten erzeugt die normative Annahme der Fähigkeit zu einem Willen den Eindruck, dass das Subjekt hinter einer Handlung steht. Wenn wir dieser Annahme eine Historizität geben, platzieren wir das Subjekt außerhalb der Handlung; somit erzielen wir die Fähigkeit, Wollen als eine Art der Erfahrung zu beschreiben.

Nietzsche und Husserl stellen auf unterschiedliche, aber in Beziehung stehende Weise eine Neuorientierung hin zum Wollen zur Verfügung. Wie ich bereits angemerkt habe, bietet Nietzsche eine Kritik an der Fähigkeit des Willens als Teil des allgemeinen Kausalitätsfehlers an. Dieser Unglaube an den Willen ermöglicht es ihm, eine phänomenologische Umschreibung des Wollens anzubieten.[36] In Nietzsches Jenseits von Gut und Böse wird das Wollen in Begrifflichkeiten von körperlichen Empfindungen als auch Orientierungen dargestellt: »[S]agen wir: in jedem Wollen ist erstens eine Mehrheit von Gefühlen, nämlich das Gefühl des Zustandes, von dem weg, das Gefühl des Zustandes, zu dem hin, das Gefühl von diesem weg und hin selbst, dann noch ein...
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