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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
329 Seiten
Deutsch
Matthes & Seitz Berlin Verlagerschienen am30.03.20231. Auflage
Die Welt der nordamerikanischen Plattensammler ist bizarr und wirkt in Zeiten von Musikstreaming und Plattformökonomie fast schon antiquiert. Doch es waren jene Sammler der 78er-Schellackplatten, die Vorgänger der Vinyls, die den Kanon US-amerikanischer Musik prägten und noch heute für deren Erhalt und immer wieder neue Entdeckungen sorgen. Einfühlsam beleuchtet Amanda Petrusich diese ferngerückte Welt mit ihren Sammlern, Händlern und Musikern. Zwischen Flohmarktkisten lässt sie sich von einem Sammler in die Kunst des Aufspürens seltener Platten einführen und taucht selbst ab in eine rauschhafte Suche nach alten 78ern. Kenntnisreich schlüsselt sie die tontechnischen Erfindungen und Anfänge der Musikindustrie in den »race records« auf, aber im Kern dreht sich doch alles um die Wurzeln der nordamerikanischen Musik, einzelne Songs und die frühen schwarzen Blues-Musiker:innen, die Schlüsselfiguren für deren Entwicklung waren. Dabei spricht aus jeder Zeile der ebenso versierten wie leidenschaftlichen Kritikerin und Autorin eine tiefe Liebe zur Musik, die förmlich dazu auffordert, selbst zurück zu den Ursprüngen des Musikhörens zu finden, die Töne auf den Trägern wieder greifen zu können und jedes Knistern als Indiz für die Geschichte hinter dem Song wahrzunehmen. So ist ihr Buch auch eine Hommage an die Leidenschaft des Sammelns und eine Suche nach der Seele Nordamerikas.

Amanda Petrusich ist Mitarbeiterin des The New Yorker, hat als Musikjournalistin für Pitchfork, The New York Times, Spin, the Atlantic u. a. gearbeitet und die Bücher Pink Moon (Nick Drake/331/3 series) und It Still Moves: Lost Songs, Lost Highways, and the Search for the Next American Music veröffentlicht. Sie lehrt Musikkritik an der NYU Gallatin School, wurde für den Grammy nominiert und lebt in Brooklyn.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextDie Welt der nordamerikanischen Plattensammler ist bizarr und wirkt in Zeiten von Musikstreaming und Plattformökonomie fast schon antiquiert. Doch es waren jene Sammler der 78er-Schellackplatten, die Vorgänger der Vinyls, die den Kanon US-amerikanischer Musik prägten und noch heute für deren Erhalt und immer wieder neue Entdeckungen sorgen. Einfühlsam beleuchtet Amanda Petrusich diese ferngerückte Welt mit ihren Sammlern, Händlern und Musikern. Zwischen Flohmarktkisten lässt sie sich von einem Sammler in die Kunst des Aufspürens seltener Platten einführen und taucht selbst ab in eine rauschhafte Suche nach alten 78ern. Kenntnisreich schlüsselt sie die tontechnischen Erfindungen und Anfänge der Musikindustrie in den »race records« auf, aber im Kern dreht sich doch alles um die Wurzeln der nordamerikanischen Musik, einzelne Songs und die frühen schwarzen Blues-Musiker:innen, die Schlüsselfiguren für deren Entwicklung waren. Dabei spricht aus jeder Zeile der ebenso versierten wie leidenschaftlichen Kritikerin und Autorin eine tiefe Liebe zur Musik, die förmlich dazu auffordert, selbst zurück zu den Ursprüngen des Musikhörens zu finden, die Töne auf den Trägern wieder greifen zu können und jedes Knistern als Indiz für die Geschichte hinter dem Song wahrzunehmen. So ist ihr Buch auch eine Hommage an die Leidenschaft des Sammelns und eine Suche nach der Seele Nordamerikas.

Amanda Petrusich ist Mitarbeiterin des The New Yorker, hat als Musikjournalistin für Pitchfork, The New York Times, Spin, the Atlantic u. a. gearbeitet und die Bücher Pink Moon (Nick Drake/331/3 series) und It Still Moves: Lost Songs, Lost Highways, and the Search for the Next American Music veröffentlicht. Sie lehrt Musikkritik an der NYU Gallatin School, wurde für den Grammy nominiert und lebt in Brooklyn.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751804110
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum30.03.2023
Auflage1. Auflage
Seiten329 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2179 Kbytes
Artikel-Nr.11378198
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

VORWORT

Vor einigen Jahren entdeckte ich in Stockholm eine Platte, von der ich bis dahin nicht mal wusste, dass es sie überhaupt gibt, aber sofort beschloss, dass ich sie haben musste. In einem schummrigen Laden, in den man nur eingelassen wurde, wenn man an einer nicht weiter gekennzeichneten Tür klingelte, hing sie in einer Galerie von Vinyl-Kostbarkeiten hinter der Kasse an der Wand. Bis zu jenem Tag hätte ich meine Plattensammlung darauf verwettet, dass mein umfangreicher Bestand an Lee-Hazlewood-Tonträgern vollständig sei - ein Irrtum. Ich hatte die Rechnung ohne Schweden gemacht. Denn Hazlewood, der kauzige amerikanische Songwriter, Produzent und Musiker - Autor des Nancy-Sinatra-Welthits »These Boots Are Made for Walkin « - hatte sich in den Siebzigern aus Los Angeles nach Stockholm abgesetzt, wo er zehn Jahre lang blieb, und allerlei Platten einspielte, die nur in winzigen Auflagen veröffentlicht wurden. Ich war mir dennoch sicher, alle davon aufgespürt zu haben, sogar die Single mit dem schwedischen Kinderchor. Aber da stand es nun, dieses seltsame, nie gesehene Hazlewood-Album, ein Soundtrack für einen schwedischen TV-Film, der selbstverständlich nur in Schweden veröffentlicht worden war. Vermutlich in aberwitzig kleiner Auflage, aber wer weiß das schon genau.

Ob ich das kostbare Artefakt mal näher betrachten dürfe und was es denn überhaupt kosten solle, fragte ich den Verkäufer, der mich, seit ich den Laden betreten hatte, so skeptisch musterte, als wäre ich in seine Wohnung eingestiegen. Ich war ungeduldig, hatte nur wenige Stunden Aufenthalt, musste zu einem Termin und danach umgehend zurück zum Flughafen. Zeit für Plattenläden hatte ich nicht, nahm sie mir allerdings gegen jede Vernunft. In der Vergangenheit hatte ich deshalb schon Flüge verpasst. Dummerweise machte der Verkäufer keine Anstalten, mir die Platte zu reichen. Ob ich denn überhaupt wisse, wer genau Lee Hazlewood gewesen sei, wollte er stattdessen wissen, und ob mir klar sei, dass der mal um die Ecke gewohnt habe? Damit begann eine zeitintensive Befragung zu Leben und Werk von Lee Hazlewood, deren Resultat der Plattenverkäufer ganz offensichtlich als Voraussetzung sah, für das Privileg dieses Objekt der Begierde bei ihm erwerben zu dürfen. Nachdem ich alle Fragen zu seiner Zufriedenheit beantwortet hatte, drehte er sich um, nahm die Platte vorsichtig von der Wand und überreichte sie mir, als wären es die britischen Kronjuwelen. Es sei das zweite Exemplar, das er jemals zu Gesicht bekommen habe, ermahnte er mich - das erste hatte selbstverständlich in seiner Sammlung eine Heimat gefunden. Der Preis war kühn und die Zeit mittlerweile zu knapp für eine Entscheidung. Ich erbat Bedenkzeit, spielte in Gedanken Flugumbuchungen und Hotelkosten durch und machte mich auf den Weg zu meinem Termin.

Die Jagd nach raren Tonträgern bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Euphorie und Wahnsinn. Und vermutlich haben sowieso alle, die sammeln, einen Knall. (In diesem Buch wird sogar verhandelt, ob diese Besessenheit als medizinische Krankheit durchgeht). Allerdings führt dieser ausgelebte Irrsinn auch immer wieder zu Glücksmomenten der besonderen Art. Im digitalen Zeitalter, in dem jeder noch so abseitige Song als Stream nur einen Internet-Klick entfernt zu sein scheint, muss jemand schon von allen guten Geistern verlassen sein, um sich analoge Tonträger, die jeden Umzug zur Hölle machen, massenhaft ins Regal zu stellen. Musik zu streamen ist eben ein Beleg seriöser erwachsener Vernunft und Abgeklärtheit. Aber darum geht es glücklicherweise nicht immer.

Die US-amerikanische Autorin Amanda Petrusich hat über dieses Buch mal gesagt, dass es von Irrsinn, Zeit, Musik und Liebe handele, was allein schon großartig klingt. Aber es geht auch um so viel mehr, darum wie eine junge Nation, die Vereinigten Staaten von Amerika, zu sich findet und um das Erwachen einer Industrie, die die Welt elektrisieren sollte und letztlich um die Ursprünge von Musik, die bis in die Gegenwart für Aufsehen sorgt. Für all das hat sich Petrusich auf eine Spurensuche der besonderen Art begeben und Tonträgern nachgespürt, die so aberwitzig rar sind, dass bei vielen gar nicht klar ist, ob sie überhaupt noch existieren - oder längst für alle Zeiten verloren sind. Die Rede ist von Schellackplatten aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, fragilen Artefakten von enormer historischer Bedeutung. Dabei hatte die Autorin ursprünglich nur für eine Geschichte über die Wiederauferstehung von Vinylplatten recherchiert und war dabei zufällig auf die besonders exotische Spezies der Schellackplattensammler gestoßen, Paradiesvögel, die jeden noch so verrückten Vinylplattensammler als grundvernünftigen Menschen dastehen lassen. Aber es sind eben diese faszinierenden Eigenbrötler, die Petrusichs Buch zu einem Vergnügen machen. Was auch daran liegt, dass sie sich mit keinem Wort über die wunderlichen Kerle amüsiert, sondern ihnen stets mit Respekt begegnet. Eigentlich ein Wunder, da nicht wenige von ihnen behaupten, die Musik der vergangenen achtzig Jahre würde nichts taugen. Also eben alles was nicht auf Schellack gepresst wurde. Und, dass die Autorin sich überwiegend allein unter diesen, nun ja, seltsamen Männern bewegt, beeindruckt sie auch nicht weiter. Sie besucht Sammler deren Gehör so fein ist, dass sie den Herzschlag vom Hund im Nebenraum wahrnehmen, durchstöbert in klebrig heißen Nächten Trödelmärkte am Rande der Zivilisation und lernt sogar Tauchen, nur um dann im Schlamm von Flussbetten nach Tonträgern aus der Frühzeit der Musikindustrie zu wühlen. So weit, so schrill. Aber selbstverständlich geht es um mehr als um Abenteuer mit kauzigen Kerlen, denn letztlich lotet die Autorin nebenher auch eine Geschichte der USA aus. Als die Musikindustrie zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts nämlich erstmals in Fahrt kam, waren die jungen Vereinigten Staaten von Amerika noch damit beschäftigt, zu erkunden, was sie eigentlich ausmacht.

Musik spielt in dieser Selbstfindung der USA eine besondere Rolle. Jazz und Blues definierten zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen ureigenen amerikanischen Sound, dessen in Schellack gepressten Wurzeln Petrusich nachspürt. Songs, die in Städten und auf dem Land gesungen wurden, in den Nordstaaten sowie in den Südstaaten. Es war dann auch ein Amerikaner - Thomas Alva Edison -, der 1877 einen »Phonograph« zum Patent anmeldete, eine revolutionäre Maschine, mit der Töne aufgenommen und abgespielt werden konnten.

Der von Hannover in die USA übergesiedelte Emil Berliner legte dann einige Jahre später den Plattenspieler und eben Schallplatten nach, was eine Revolution auslöste und zu einer Welt passte, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend technisierte; das Licht wurde elektrisch, Telefone, Aufzüge und Automobile beschleunigten das Leben. In den USA wuchsen die Metropolen rasant, Immigranten drängten ins Land, dazu kamen Millionen schwarzer Menschen aus den Südstaaten, die auf dem Weg in ein besseres Leben in die Nordstaaten umzogen. Es war also viel in Bewegung in den USA, und alle, egal ob sie aus Neapel oder Berlin oder Memphis kamen, hatten ihre Kultur im Gepäck. In den sogenannten »Roaring Twenties« mischte sich das zu einer wilden, euphorischen Collage für ein immer größeres Publikum. Frauen, damals »Flappers« genannt, trugen kurze Haare und noch kürzere Röcke, rauchten und tanzten die Nächte durch. Als »Jazz Age« wurde diese Ära berühmt, ein Begriff den auch der Schriftsteller F. Scott Fitzgerald bekannt machte. Irgendwann wurde die Musik dazu auf Schellack gepresst, manche Songs zu Bestsellern, die Sänger zu Stars und die Betreiber der ersten Plattenfirmen steinreich.

Weil Moden rasant sind und Stars vergänglich, machten sich damals die ersten Musikproduzenten auf die Suche nach Nachschub für die junge hungrige Musikindustrie. Ursprünglich war Klassik der umsatzstärkste Schellack-Renner, aber nach und nach setzten sich neue, zeitgemäße und vor allem US-amerikanische Klänge durch: Blues und Jazz. Musik, die zum Soundtrack der USA werden sollte. Und als die Metropolen auf der Suche nach Nachschub abgegrast waren, reisten Musikexperten mit mobilen Aufnahmegeräten immer tiefer in die Provinz, um frische Talente und neue Hits aufzuspüren. So fanden sie Unmengen an Zufallskünstler:innen, die oft nur eine einzige Aufnahme in ihrem Leben machten, und deren Tonträger nur in winzigen Auflagen produziert wurden, bevor sie im Trubel jener Jahre auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Es waren Wanderarbeiter oder Baumwollpflückerinnen, die unter falschen Namen vor die Aufnahmemaschinen traten, keine Bilder hinterließen und Songs aufführten, die immer noch umwerfend klingen. Platten im Zehn-Zoll-Format auf Schellack gepresst und auf 78 Umdrehungen die Minute abgespielt, dynamisches Knistern inklusive. Songs von »Delta Blues«-Legenden wie Charlie Patton, Son House, Blind Joe Reynolds und Robert Johnson wurden so für die staunende...
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Autor

Amanda Petrusich ist Mitarbeiterin des The New Yorker, hat als Musikjournalistin für Pitchfork, The New York Times, Spin, the Atlantic u. a. gearbeitet und die Bücher Pink Moon (Nick Drake/331/3 series) und It Still Moves: Lost Songs, Lost Highways, and the Search for the Next American Music veröffentlicht. Sie lehrt Musikkritik an der NYU Gallatin School, wurde für den Grammy nominiert und lebt in Brooklyn.