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Holunderherzen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am07.08.2015Auflage
Nach einer gescheiterten Beziehung hat Anne die Nase voll von der Liebe und hofft auf die heilende Wirkung ihrer Tante. Die eigenwillige Tilly ist das schwarze Schaf der Familie und Annes großes Vorbild. Doch Tilly scheint selbst nicht ganz auf der Höhe zu sein: Ihr Öko-Hof in der Lübecker Bucht ist halb verlassen, einzig ihr Mops Hugo leistet ihr Gesellschaft. Hinter der spröden Fassade ihrer Tante entdeckt Anne eine verletzliche Frau, die oft zerstreut wirkt. Anne beschließt zu bleiben und den wild wachsenden Holunder auf Tillys Hof zur neuen Einnahmequelle zu machen. Dabei wird sie tatkräftig unterstützt vom Fischer Thies, und auch der Landarzt Carsten lässt sich überraschend oft blicken. Vielleicht ist in Sachen Liebe ja doch noch nicht alles zu spät?

Brigitte Janson heißt eigentlich Brigitte Kanitz und stammt ursprünglich aus Lübeck. Viele Jahre war Hamburg ihre Wahlheimat, wo sie als Journalistin arbeitete. Heute lebt sie als freie Autorin in den italienischen Marken.
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Produkt

KlappentextNach einer gescheiterten Beziehung hat Anne die Nase voll von der Liebe und hofft auf die heilende Wirkung ihrer Tante. Die eigenwillige Tilly ist das schwarze Schaf der Familie und Annes großes Vorbild. Doch Tilly scheint selbst nicht ganz auf der Höhe zu sein: Ihr Öko-Hof in der Lübecker Bucht ist halb verlassen, einzig ihr Mops Hugo leistet ihr Gesellschaft. Hinter der spröden Fassade ihrer Tante entdeckt Anne eine verletzliche Frau, die oft zerstreut wirkt. Anne beschließt zu bleiben und den wild wachsenden Holunder auf Tillys Hof zur neuen Einnahmequelle zu machen. Dabei wird sie tatkräftig unterstützt vom Fischer Thies, und auch der Landarzt Carsten lässt sich überraschend oft blicken. Vielleicht ist in Sachen Liebe ja doch noch nicht alles zu spät?

Brigitte Janson heißt eigentlich Brigitte Kanitz und stammt ursprünglich aus Lübeck. Viele Jahre war Hamburg ihre Wahlheimat, wo sie als Journalistin arbeitete. Heute lebt sie als freie Autorin in den italienischen Marken.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843712200
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum07.08.2015
AuflageAuflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1351 Kbytes
Artikel-Nr.1698072
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Kapitel

»Der Fisch ist schon tot«, erklärte Gesa und schnappte sich die Platte mit den Lachsschnittchen. »Der muss nicht mehr schwimmen.«

Anne wollte lachen, aber es kam nur ein Schluchzen aus ihrem Mund. Ihre Tränen flossen auf die Arbeitsfläche aus schwarzem Granit und sammelten sich zu einer erstaunlich großen Pfütze.

»Wie schaffst du das bloß?«, fragte Gesa verwundert. »Andere Leute verdrücken maximal ein paar Tröpfchen, bei dir tritt gleich die Elbe über ihre Ufer.«

Lachen klappte wieder nicht. Das Schluchzen wurde lauter. Anne war das furchtbar peinlich. Normalerweise weinte sie nur, wenn sie allein war. Aber heute war alles anders.

»Ich korrigiere mich«, sagte Gesa, während sie eine Handvoll Blätter von einer Küchenrolle abriss und Annes Tränenflut aufwischte. »Die Niagarafälle stürzen in die Schlucht.«

Anne starrte sie an. »Brauchst dich nicht lustig über mich zu machen.«

»Nee, sorry. Aber kein Mann dieser Welt ist eine solche Flutwelle wert - aua!« Sie rieb sich den Hinterkopf, wo Anne sie mit einem Holzlöffel getroffen hatte. »Deswegen musst du deine beste Freundin und Lieblingsangestellte nicht gleich erschlagen.«

»Du bist meine einzige Angestellte.«

»Klar, weil es sonst keine mit dir aushält.«

Jetzt brach es aus Anne heraus, das Lachen, und auf einmal fühlte sie sich wie befreit.

Gesa beobachtete sie misstrauisch, dann kicherte sie unsicher, schließlich grölte sie los.

»Juhu! Die biblische Sintflut ist besiegt! Das Leben ist wieder schön!«

Sie lagen sich in den Armen, die große schlanke Anne Winkler und die kleine füllige Gesa Heinrich, und für einen Moment war aller Kummer vergessen. Sie bebten vor Lachen, bekamen gleichzeitig Schluckauf und glucksten noch eine Weile vor sich hin, als der schlimmste Anfall vorüber war. Beide trugen sie weiße Kittel, Einmalhandschuhe und auf dem Kopf formlose Plastikhauben.

Anne behauptete gern, in ihrer Arbeitskleidung sähen sie aus wie Scheinzwillinge. Denn abgesehen von den weißen Klamotten hätten sie nicht verschiedener sein können. Während Gesa ein herzförmiges Madonnengesicht mit großen Kulleraugen und schwarze Locken hatte, fand Anne an sich selbst alles einen Tick zu lang. Nicht nur ihren Körper in seiner Gesamtheit, sondern auch die Arme, die Hände und insbesondere die Nase. Ihre Freundinnen behaupteten, Anne habe einen Knall. Sie würden allesamt einen Mord begehen, um ihre Figur zu bekommen, ihre welligen hellbraunen Haare, ihre grau-grünen Augen. Anne wisse gar nicht, wie schön sie sei.

Bis auf die Nase, dachte Anne dann, sagte es aber nicht mehr laut.

Und wie gut sie es habe, wurde hinzugefügt. Eine erfolgreiche Geschäftsfrau, stark, frei und finanziell unabhängig. Einiger Neid schwang dann in den Worten der Freundinnen mit.

Bis auf die Einsamkeit, hatte Anne noch im vergangenen Winter erwidert. Bevor es dann vorbei war mit dem Alleinsein. Bevor die Hoffnung in den ersten Frühlingstagen mit tausend Schmetterlingen in ihr Herz einzog.

»Was wäre ich bloß ohne dich?«, murmelte Anne jetzt.

»Wahrscheinlich eine unglückliche, frisch verlassene Vierzigjährige mit Hang zu nasser Dramatik und ohne eine pummelige Schulter zum Anlehnen«, erwiderte Gesa halb amüsiert, halb mitleidig.

Anne löste sich von Gesa. Sie kam sich jetzt ein wenig albern vor mit ihrem Liebeskummer. Die Freundin hatte schon recht. Kein Mann dieser Welt war es wert, Tränen für ihn zu vergießen. Jedenfalls keiner wie Roland. Auch hysterische Heiterkeitsausbrüche hatte er nicht verdient. Sie drückte die Schultern durch und hob den Kopf. »Lass uns lieber weitermachen. Wir müssen in zwei Stunden ausliefern.«

Gesa warf ihr einen besorgten Blick zu, aber als die Augen ihrer Chefin trocken blieben, nickte sie.

»In Ordnung. Du rollst die Bällchen aus Ziegenkäse, ich schnippele das junge Gemüse und rühre den Kräuterdip an.«

Anne nickte stumm. Es war in Ordnung, wenn Gesa das Kommando übernahm. Sie fürchtete, sie würde nur wieder weinen, wenn sie ein einziges weiteres Wort sprach.

Oder lachen, sich kaputtlachen über das Leben und die Liebe. Beides war im Augenblick zu anstrengend. Also griff sie sich die Schüssel mit dem Ziegenkäse, den sie vor einer Stunde mit Knoblauch, Thymian, Basilikum und etwas Olivenöl vermischt hatte, und zog sich frische Handschuhe an. Dann machte sie sich daran, murmelgroße Kugeln zu formen, rollte sie kurz in zermahlenen Pistazien und arrangierte sie dann auf einer versilberten Platte.

Der Auftrag heute war keine große Herausforderung für die beiden Frauen. Kanapees und Fingerfood für zwei Dutzend Partygäste in einer Villa an der Elbchaussee.

Zum Glück, dachte Anne, während ihre Hände die Arbeit automatisch erledigten. Ein großes Büfett mit mehreren Gängen wäre definitiv über ihre Kräfte gegangen. Sie unterdrückte einen Seufzer und schaute nach draußen. Auf der Alten Königstraße in Hamburg-Altona ging das Leben an diesem sonnigen Freitagnachmittag im August seinen gewohnten Gang. Autofahrer schoben sich ungeduldig durch den Feierabendverkehr, junge Leute saßen lachend und schwatzend vor einem Café, Familien schleppten ihre Wochenendeinkäufe nach Hause. Niemand sah durch das Schaufenster von Annes »Party and more« und begegnete ihrem Blick. Niemand klopfte gegen die Scheibe und rief ihr zu: »Halte durch! Alles wird gut! Der nächste Traumprinz kommt schon auf seinem Schimmel angetrabt!«

O Gott!

Schnell drehte Anne sich weg. Bloß nicht den Verstand verlieren. Es genügte schon, dem Glück in ihrem Leben nicht mehr über den Weg zu trauen. Ihre fünf Sinne musste sie beisammenhalten.

Anne zwang sich, an etwas Positives zu denken.

Hm. Aber an was? Liebevolle Umarmungen, Küsse und massenhaft Streicheleinheiten fielen flach. Der Traumprinz auf seinem weißen Pferd sowieso. Der stürzte in ihrer Phantasie in dieser Sekunde aus dem Sattel.

Dann doch lieber die Arbeit. Da war sie auf der sicheren Seite.

Manchmal staunte Anne selbst am meisten darüber, wie gut sich ihr Partyservice entwickelt hatte. Vor fünfzehn Jahren hatten ihre Eltern in diesen Räumen noch eine typische Hamburger Kneipe betrieben. Mit einfachen Gerichten wie Matjespastete oder Bohnen, Birnen und Speck, mit Bier vom Fass und Schnaps aus der Flasche, mit ein paar Spielautomaten an den Wänden, einer großen Holztheke und fünf Tischen.

Für Helga und Werner Winkler war diese Kneipe ihr Leben gewesen. Reich wurden sie nicht, aber viele Jahre ging das Geschäft gut. Sie hatten einander, und sie hatten ihre Tochter. Und sie waren eine glückliche Familie. Anne jobbte nach der Schule in der Kneipe und später, während ihrer Kochlehre, an jedem freien Tag. Als sie keine gute Anstellung als Köchin fand, übernahm sie mehr und mehr Verantwortung. Bis die große Entscheidung anstand. Bis die Eltern sich zur Ruhe setzten und Anne wählen musste: Alles verkaufen und sich irgendeinen Job suchen oder den großen Sprung wagen?

Sie sprang.

Gesa stach mit einer Karotte nach ihr. »Komm mal wieder zu dir. Hier, Rucola in Serranoschinken einwickeln, danach Tortenbrie auf Pumpernickel platzieren. Ich fülle die Zucchini mit Feta und brate zwei Kilo Riesengarnelen.«

»Tut mir leid«, sagte Anne. Es war ihr nicht aufgefallen, dass ihre Hände nutzlos herunterhingen. Sie wandte ihren Blick vom Fenster ab und schaute sich kurz um, während sie den würzigen französischen Weichkäse auspackte. Die alte schummerige Kneipe hatte sich im Laufe der Jahre in eine einzige große Küche mit erstklassigen Gerätschaften und dem überdimensionalen Arbeitstisch in der Mitte entwickelt. Es war ein langer Weg bis zu diesem topmodernen und florierenden Geschäft gewesen. Anfangs hatte Anne ganz allein in der alten Kneipenküche ein paar kalte Platten angerichtet und in der Nachbarschaft zu Familienfesten gebracht. Aber Jahr für Jahr erweiterte sie ihr Angebot, ließ die nötigen Umbauten vornehmen und gewann im nahen Blankenese mehr und mehr Kunden. Sie ließ eine flotte Website bauen, beschäftigte einen Fahrer für die Lieferungen, stellte je nach Bedarf eine oder gleich mehrere Aushilfskräfte ein und suchte lange nach einer zweiten festangestellten Köchin. Gesa kam an einem Wintertag vor gut fünf Jahren ganz von selbst hereingeschneit.

»Sie brauchen mich!«, erklärte sie ohne Umschweife. »Ich kann kochen, schnippeln, anrichten und so weiter, bla, bla. Außerdem koste ich nicht viel, weil mein Mann gut verdient. Aber ich muss was zu tun haben, und ich wohne ganz in der Nähe, unten an der Palmaille.«

»Sie sind hochschwanger«, protestierte Anne.

»Na und? Ich werde mein Kind schon nicht hier auf dem schön gefliesten Fußboden kriegen. Keine Bange.«

»Ich kann es mir aber nicht leisten, eine Angestellte zu bezahlen, die in Elternzeit geht.«

»Wer will denn so was? Da langweile ich mich ja zu Tode. Nee, keine Sorge. Zwei Wochen nach der Geburt bin ich wieder fit, und meine Mutti kümmert sich dann um den Kleinen. Macht sie bei der Großen auch schon.«

»Aha«, erwiderte Anne schwach und gab sich geschlagen.

Gegen so viel Energie kam sie einfach nicht an.

Sie hatte es nie bereut. Gesa und sie waren ein perfektes Team und wurden gute Freundinnen. Der Partyservice wuchs und gedieh, bald war auch die Ausstattung der Küche komplett.

Vorn an der Eingangstür befand sich noch ein kleiner, mit flämischen Kacheln dekorierter Tresen, an dem jene Kunden, die persönlich hereinschauten, im...


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