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Tsum - eine Himalaya-Expedition in das Tal des Glücks

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am19.05.20171. Auflage
Wohnt das Glück im zentralen Himalaya? Titus Arnus aufregender Expeditionsbericht Titus Arnu begibt sich auf die Reise zu einem wahrhaft unbekannten und weltfernen Ziel: Tsum, das Tal des Glücks, versteckt im zentralen Himalaya und ziemlich schwer und mit modernen Transportmitteln überhaupt nicht zu erreichen. Erst seit wenigen Jahren ist die Region für Fremde zugänglich. Die Bewohner des Hochtals, das zwischen Sieben- und Achttausendern liegt, blieben unberührt von jeder modernen Entwicklung, ob aus Nepal, Indien oder dem benachbarten China. Sie leben in kompletter Abgeschiedenheit nach ihren eigenen Traditionen und in vielerlei Weise anders: Sie haben sich verpflichtet, komplett auf Gewalt zu verzichten - und zwar gegen Menschen und Tiere (wer ein Tier tötet, hat ein großes moralisches Problem) -, und leben in Polyandrie, also eine Frau mit mehreren Männern. Der renommierte Reiseautor Arnu will herausfinden, wie es dort tatsächlich aussieht, wie man dort lebt und was das über unsere durchorganisierte Welt im Westen aussagt. «Wie glücklich sind die Menschen wirklich im Tal des Glücks? Und verändert man sich selbst, wenn man eine Weile dort ist? Ist es für verwöhnte Westler eher eine Qual, sich dort aufzuhalten - oder eine Befreiung?» Ein mitreißendes Reiseabenteuer, geleitet von einer der ganz großen Fragen: Was ist Glück?

Titus Arnu, Jahrgang 1966, schreibt für die «Süddeutsche Zeitung», «Geo», «Natur», «Bergwelten» und verschiedene Outdoor und Reisemagazine. Zuvor arbeitete er u. a. für das Magazin «SZ Wissen», den «Spiegel» und «Mare». Er hat mehrere Bücher verfasst, darunter fünf Bände der «Übelsetzungen» über Sprachpannen aus aller Welt, die zu Bestsellern wurden.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR19,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWohnt das Glück im zentralen Himalaya? Titus Arnus aufregender Expeditionsbericht Titus Arnu begibt sich auf die Reise zu einem wahrhaft unbekannten und weltfernen Ziel: Tsum, das Tal des Glücks, versteckt im zentralen Himalaya und ziemlich schwer und mit modernen Transportmitteln überhaupt nicht zu erreichen. Erst seit wenigen Jahren ist die Region für Fremde zugänglich. Die Bewohner des Hochtals, das zwischen Sieben- und Achttausendern liegt, blieben unberührt von jeder modernen Entwicklung, ob aus Nepal, Indien oder dem benachbarten China. Sie leben in kompletter Abgeschiedenheit nach ihren eigenen Traditionen und in vielerlei Weise anders: Sie haben sich verpflichtet, komplett auf Gewalt zu verzichten - und zwar gegen Menschen und Tiere (wer ein Tier tötet, hat ein großes moralisches Problem) -, und leben in Polyandrie, also eine Frau mit mehreren Männern. Der renommierte Reiseautor Arnu will herausfinden, wie es dort tatsächlich aussieht, wie man dort lebt und was das über unsere durchorganisierte Welt im Westen aussagt. «Wie glücklich sind die Menschen wirklich im Tal des Glücks? Und verändert man sich selbst, wenn man eine Weile dort ist? Ist es für verwöhnte Westler eher eine Qual, sich dort aufzuhalten - oder eine Befreiung?» Ein mitreißendes Reiseabenteuer, geleitet von einer der ganz großen Fragen: Was ist Glück?

Titus Arnu, Jahrgang 1966, schreibt für die «Süddeutsche Zeitung», «Geo», «Natur», «Bergwelten» und verschiedene Outdoor und Reisemagazine. Zuvor arbeitete er u. a. für das Magazin «SZ Wissen», den «Spiegel» und «Mare». Er hat mehrere Bücher verfasst, darunter fünf Bände der «Übelsetzungen» über Sprachpannen aus aller Welt, die zu Bestsellern wurden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644100121
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum19.05.2017
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse20792 Kbytes
Artikel-Nr.2137867
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 2 Busfahrt durch die Vorhölle

Am Morgen war meine Unterhose, die ich am Vorabend am Brunnen gewaschen hatte, steif wie ein Brett. Ich lehnte sie an eine Mauer, hinter der ein dampfender Flokati mit Hörnern lag und mich vertraulich anblinzelte - ein wuscheliges, schwarz-weiß gemustertes Yak-Kalb. Die ersten Sonnenstrahlen kamen hinter dem Pashubo hervor, einem Sechstausender an der Grenze zu Tibet, dessen Gipfel von einem mächtigen Gletscher bedeckt war. Aus dem Küchenzelt roch es nach Spiegeleiern, Kaffee und frischgebackenem Fladenbrot. Schulkinder in blauen Uniformen liefen barfuß über von Frost bedeckte Kieselsteine in Richtung Dorf. Im fahlen Morgenlicht kreisten zwei Geier.

Alles war so phantastisch um mich herum, dass es mich überhaupt nicht gewundert hätte, wenn aus dem grünen Zelt neben meinem ein Yeti gekrochen wäre, sich gähnend den Rücken gekratzt und mich dabei freundlich gegrüßt hätte. Es war aber nur Enno, der Fotograf. Er kam aus dem Zelt gekrochen, kratzte sich den Rücken und grüßte mich dabei freundlich. Vom Bergaffen war er aber doch ganz deutlich unterscheidbar durch folgende Merkmale: weitgehend fellfreies Gesicht, blaue Mütze, an der Schulter baumelnde Kamera, grüne Daunenjacke, Trekkinghose, Wanderstiefel in Schuhgröße 43 wie bei einem ausgewachsenen Mann - und nicht 72 wie beim ausgewachsenen Yeti.

Während der Reise hatte ich öfter das Gefühl, neben mir zu stehen. Vieles wirkte so unwirklich und erstaunlich, dass ich mir vorkam wie in einer real existierenden Fantasy-Welt, in der vor etwa tausend Jahren die Zeit stehengeblieben war. Oft hatte ich auch das seltsame Gefühl, neben fünfzehn Leuten zu stehen. Und das war keine Halluzination, hervorgerufen durch eine Sauerstoff-Unterversorgung bestimmter Hirnarale. Unser Team bestand inklusive Fotograf Enno und mir tatsächlich aus sagenhaften sechzehn Leuten. Ohne Übersetzer und Guide ging gar nichts, also ließen wir uns von Kami Sherpa führen, einem erfahrenen Trekking-Guide, der aus dem Everest-Gebiet stammt und die Sprache der Tsumba spricht, einen tibetischen Dialekt. Kami hatte vorab die Genehmigungen für den Besuch des Schutzgebiets bei den Behörden in Kathmandu für uns beantragt, er hatte die Ausrüstung organisiert und die Mannschaft zusammengestellt. Die meisten Träger kamen aus seinem Heimatort, er kannte sie von anderen Trekkingtouren und verschaffte ihnen immer wieder Jobs. Die jüngsten von ihnen sahen aus wie sechzehn, waren aber wahrscheinlich schon achtzehn, sie knipsten dauernd Selfies mit ihren Smartphones und trugen Jeans und Turnschuhe. Der älteste Träger war fünfundfünfzig, aber immer noch topfit.

Im Tsum-Tal gibt es keine Hotels, nur ein paar vereinzelte sehr einfache Gasthäuser und Privatzimmer. Wobei «Privatzimmer» bedeutete: Nebenraum oder ehemaliger Stall auf einem Bauernhof, mit Stroh gefüllte Matte auf einer Holzpritsche, die man sich oft auch noch mit Wanzen, Flöhen und anderen unangenehmen Bettgesellen teilen musste. Ganz oben am Ganesh-Himal-Basecamp auf über viertausend Metern Höhe und am Ngula Dhojhyang, dem Pass in Richtung Tibet, den höchsten Orten unserer Tour, gab es gar keine Unterkünfte. Also brauchten wir Zelte. Weil wir niemals angekommen wären, wenn wir die Zelte selbst hätten schleppen müssen, brauchten wir Träger. Um alle diese Menschen zu verpflegen, brauchten wir einen Koch. Der Koch wiederum brauchte Küchenhelfer und weitere Träger, die die Kochgeräte und die Lebensmittel herumschleppten. So summierte sich das immer weiter, bis wir schließlich eine stattliche Gruppe zusammenhatten, die einen eigenen Bus benötigte, um von Kathmandu zum Ausgangspunkt der Wandertour zu gelangen. Wir hatten jede Menge Ausrüstung dabei - Daunenjacken, Funktionsjacken, Skihandschuhe, weitere Kleidung sowohl für subtropische Hitze als auch für Kälte in extremen Höhenlagen und für alle Klimazonen dazwischen, diverse Mützen, Hüte und Tücher, Teleskopstöcke, Isomatten, Schlafsäcke, Thermoskannen, Verpflegung, Sonnenbrillen und Solarpanels, um Kameras, Smartphones und Tablets aufladen zu können. Unsere Trekkingtaschen wogen dreizehn bis fünfzehn Kilo, die Träger nahmen jeweils zwei davon auf die Schultern und dazu noch ihr eigenes Gepäck. Wir selbst hatten nur die Rucksäcke zu tragen, meiner wog lächerliche sieben bis acht Kilo. Enno hatte dreizehn Kilo auf dem Rücken, wegen der Fotoausrüstung - allein die Akkus, zwei Kameras und das Stativ wogen sieben Kilo.

Und so hatte sich ein paar Tage vor Beginn der Wanderung ein beinahe unübersichtlicher Tross von Männern mit sehr viel Zeug an einer Ausfallstraße am Stadtrand von Kathmandu zur Abfahrt mit dem Bus in Richtung Osten getroffen. Es ging auf der sogenannten Autobahn in Richtung Pokhara und Indien. Um uns herum suchten Hunde in Müllhaufen nach Essbarem, überfüllte Busse brachten Pendler ins Stadtzentrum, bunt bemalte indische Lastwagen bliesen schwarze Abgasschwaden in die kühle Morgenluft. Unser erstes Ziel, das Örtchen Sothikhola, lag hundertdreißig Kilometer von Kathmandu entfernt. Auf Google Maps sah das nicht weit aus, aber die Realität verhält sich oft anders als eine digitale Karte, besonders in Nepal. Hundertdreißig Kilometer, anderthalb Stunden? Vergiss es. Hundertdreißig Kilometer können hier schon mal einen ganzen Tag Fahrt über holprige, staubige Pisten bedeuten. Wenn alles gutgeht. Wenn es nicht gutgeht, was öfter mal vorkommt, bricht unterwegs eine Achse, ein Reifen platzt, oder schlimmer noch, die Bremsen versagen, und der Bus stürzt in eine Schlucht. Oder vor einem stürzt ein anderes Fahrzeug in die Schlucht, und die Straße wird auf unbestimmte Zeit gesperrt, bis sich die Rettungsfahrzeuge den Weg durch den Monsterstau gebahnt haben.

Kami trug einen weißen Mundschutz, der mit weißen Gummibändchen in Position gehalten wurde. Er sah damit aus wie ein Zahnarzt, zumal er auch ein weißes Hemd, eine weiße Hose und eine weiße Kappe trug. Er hatte sogar einen Alukoffer mit Medikamenten, Verbandsmaterial und Notfallausrüstung dabei. Hoffentlich waren darin auch starke Betäubungsmittel, je länger wir fuhren, desto sicherer war ich mir, dass wir sie brauchen könnten.

Kami saß im Bus in der Reihe hinter mir. Unter der weißen Maske, die sein halbes Gesicht bedeckte, kamen seltsame Töne hervor: «Ooom ooom mantra mani murmel murmel, om murmel murmel.» So ging das die ganze Zeit. Erst dachte ich, der Mann führe ständig Selbstgespräche. Dann kapierte ich: Kami betete. Er sagte Mantras auf, den ganzen Tag lang. An heiklen Stellen, etwa vor Brücken, in besonders engen Kurven oder auf Strecken mit steilem Gefälle, wurde das Gemurmel intensiver.

Das Problem war allerdings: Die Strecke von Kathmandu nach Sothikhola bestand mehr oder weniger durchgehend aus heiklen Stellen. Es fielen eher jene Stellen auf, die nicht heikel wirkten, etwa weil sie geteert waren, geradeaus verliefen, nicht an einem tausend Meter tiefen Abgrund vorbeiführten und frei waren von heiligen Kühen, heimtückischen Löchern und ausgebrannten Wracks. Wir waren um sieben Uhr morgens in Kathmandu aufgebrochen und kamen gegen achtzehn Uhr an unserem Ziel an, waren also beinahe elf Stunden auf heikler Mission unterwegs.

Die Straßen waren erst verstopft, dann verstopft und staubig, dann verstopft, staubig und kaputt, dann verstopft, staubig, kaputt und voller Tiere. In Deutschland hätte man die Straße, auf der wir unterwegs waren, höchstens als Feldweg bezeichnet und für den Durchgangsverkehr gesperrt. In Nepal war es ein «Highway» und die einzige Überlandverbindung nach Indien. Eine Zugstrecke oder andere nennenswerte Verkehrsverbindungen existierten nicht. Der gesamte Personenverkehr und alle Gütertransporte wurden über diese sogenannte Straße abgewickelt. Uns begegneten Lastwagen voller Hühner, Kälber und Gemüse, Milch-, Benzin- und Gastransporter, völlig überbesetzte Busse mit Arbeitern, die zu weit entfernten Einsatzorten fuhren, ab und zu sah man Touristenbusse. Diese waren daran zu erkennen, dass nicht drei bis vier Menschen auf einem Sitz gestapelt waren und dass niemand im Gang, in den offenen Türen sowie auf dem Dach saß - und dass die Passagiere einen leicht panischen Blick hatten.

Die deutschen Autofahrer würden sich auf so einer Strecke über kleinste Details aufregen, etwa dass sich niemand an die Verkehrsregeln hält, dass vollbetankte Gaslaster vor nicht einsehbaren Kurven bergauf zum Überholen ansetzen, während ihnen ein vollbesetzter Reisebus mit überhöhter Geschwindigkeit und rauchenden Bremsen entgegenrumpelt, dass ein Fernfahrer mitten auf der Straße campiert und dort in aller Seelenruhe ein Mittagessen auf dem Lagerfeuer kocht, weil sein Lastwagen liegengeblieben ist - oder dass sich eine Baustelle innerhalb von zwei Jahrzehnten nicht die kleinste Spur verändert. So spießig und ungeduldig war man in Nepal aber nicht. Was würde es auch bringen?

«Road construction 19 years in limbo» stand am Morgen unserer Abfahrt von Kathmandu in der Himalayan Times - Straßenbau seit 19 Jahren in der Schwebe. Im Zeitungsbericht ging es um den Ausbau einer Überlandverbindung, die seit zwei Jahrzehnten keinen Meter vorangekommen war. Wobei man «Limbo» auch mit «Vorhölle» übersetzen kann - ein Ort, in dem Seelen gefangen sind, denen die Himmelspforten ohne eigenes Verschulden versperrt bleiben - etwa weil sie gestorben waren, bevor sie getauft wurden. Laut einer bizarren katholischen Theorie, die aus dem Mittelalter stammt, leiden die im Limbus gefangenen Seelen an geistiger Umnachtung und Traurigkeit, sie bekommen aber im Gegensatz zu den Insassen...
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Titus Arnu, Jahrgang 1966, schreibt für die «Süddeutsche Zeitung», «Geo», «Natur», «Bergwelten» und verschiedene Outdoor und Reisemagazine. Zuvor arbeitete er u. a. für das Magazin «SZ Wissen», den «Spiegel» und «Mare». Er hat mehrere Bücher verfasst, darunter fünf Bände der «Übelsetzungen» über Sprachpannen aus aller Welt, die zu Bestsellern wurden.