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Brennender Zorn

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
592 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am14.12.2022
Wenn die Polizei machtlos ist, wem kannst du vertrauen?
In Jütland wird das Skelett einer jungen Frau gefunden. Sie starb durch einen Schuss in den Nacken. Die Tat liegt über siebzig Jahre zurück, Polizeihistorikerin Maria Just übernimmt die Ermittlungen. Währenddessen wird der Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen in Kopenhagen überfahren und beinahe getötet. Die Polizei steckt in einer tiefen Krise, und in diesem aufgeheizten Klima soll Kommissar Mikael Dirk herausfinden, wer den Anschlag auf seinen Chef verübt hat und das Land destabilisieren will. Als es zu einem weiteren Attentat kommt, erhält Mikael unerwartete Hilfe von Maria. Wer profitiert davon, wenn die Polizei ihr Gewaltmonopol verliert, und was verbindet die tote junge Frau mit den Tätern von heute?

Line Holm wurde 1975 geboren und ist eine mehrfach ausgezeichnete Investigativjournalistin. Sie arbeitet für die Berlingske, eine der größten dänischen Zeitungen. Stine Bolther wurde 1976 geboren. Sie ist Fernsehmoderatorin und seit achtzehn Jahren als Kriminalreporterin tätig. Mit ihrem Debüt »Gefrorenes Herz«, dem Auftakt der Reihe um Kriminalhistorikerin Maria Just, gelang den beiden Autorinnen auf Anhieb ein SPIEGEL-Bestseller.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
HörbuchCD-ROM
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextWenn die Polizei machtlos ist, wem kannst du vertrauen?
In Jütland wird das Skelett einer jungen Frau gefunden. Sie starb durch einen Schuss in den Nacken. Die Tat liegt über siebzig Jahre zurück, Polizeihistorikerin Maria Just übernimmt die Ermittlungen. Währenddessen wird der Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen in Kopenhagen überfahren und beinahe getötet. Die Polizei steckt in einer tiefen Krise, und in diesem aufgeheizten Klima soll Kommissar Mikael Dirk herausfinden, wer den Anschlag auf seinen Chef verübt hat und das Land destabilisieren will. Als es zu einem weiteren Attentat kommt, erhält Mikael unerwartete Hilfe von Maria. Wer profitiert davon, wenn die Polizei ihr Gewaltmonopol verliert, und was verbindet die tote junge Frau mit den Tätern von heute?

Line Holm wurde 1975 geboren und ist eine mehrfach ausgezeichnete Investigativjournalistin. Sie arbeitet für die Berlingske, eine der größten dänischen Zeitungen. Stine Bolther wurde 1976 geboren. Sie ist Fernsehmoderatorin und seit achtzehn Jahren als Kriminalreporterin tätig. Mit ihrem Debüt »Gefrorenes Herz«, dem Auftakt der Reihe um Kriminalhistorikerin Maria Just, gelang den beiden Autorinnen auf Anhieb ein SPIEGEL-Bestseller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641282530
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum14.12.2022
Seiten592 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2212 Kbytes
Artikel-Nr.9098961
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Er rannte. So schnell wie seit Kindertagen nicht mehr. Schneller, als sein Körper es eigentlich verkraftete.

Stürzte er, hätte er keine Chance. In diesem albernen Kostüm käme er aus eigener Kraft nicht wieder auf die Beine. Hilflos zuckend würde er am Boden liegen, überwältigt, ausgeknockt und gedemütigt von dem Gestank, wie eine große Made von einem Meter achtzig.

Also rannte er. Floh vor dem feuchten Brodem nach Verwesung und Tod, der in seine Lunge drang und sich in sein Herz bohrte. Er rannte panisch und gleichzeitig im peinlichen Bewusstsein, welchen Anblick er dabei bot: ein angestochenes Michelin-Männchen, das in weißen Gewändern mit einem Zelt auf dem Kopf und einer Sauerstoffflasche auf dem Rücken davonstürzte. Er floh vor den Gräbern und vor den Containern mit ihren schleimigen Fleisch- und Knochenresten und Pelzbüscheln, vor den überraschend vielen intakten Nerzköpfen mit den leeren Augenhöhlen, floh vor den Baggern, den randvoll gefüllten Schlammsaugfahrzeugen und vor den Kollegen, die in ihrer verbissenen Arbeit innehielten und ihm nachblickten.

Der süßliche Gestank hätte ihn nicht derart überrumpeln dürfen. Der Mief hing über der ganzen Gegend. Mehrere Kilometer entfernt, selbst noch in Holstebro, wurde einem übel, sobald man die Fenster öffnete. Seit Beginn der Grabungen rieten Frauen einander davon ab, draußen Wäsche aufzuhängen, Schulkinder weigerten sich, in den Pausen auf den Hof zu gehen, und Babys hielten ihren Mittagsschlaf drinnen. Alle verfluchten »sie« - die Regierung, die Polizei, die Behörden, das Gesundheitsamt, ja, die gesamte diffuse Gruppe von Beschlussträgern, die für diese Schweinerei verantwortlich waren - in sicherer Entfernung. Den Leuten hier blieb nur, auf baldige Tage mit steifer Brise zu hoffen. Und auf frischen Wind in der Politik.

Er hatte im Laufe der Jahre so einiges gesehen. Kloakenschlamm, Giftaustritte, allen möglichen Dreck hatte er beseitigt. Das hier war etwas anderes. Die Verwesung hatte sich von hinten angeschlichen. Er stellte sie sich als gelbgrünes Gas vor, das seine Wirbelsäule hinauf über die Schultern gekrochen war und sich jetzt auf seinen Schleimhäuten in Nase und Mund sammelte. Es sei nicht lebensbedrohlich, behaupteten sie, doch ein Jahr globaler Pandemie rumorte in seinem Hinterkopf; sein Alter und sein Lebensstil konnten ihn leicht auf der tragischen Seite der Todesstatistik enden lassen. Wie zum Henker war der Geruch in seinen Schutzanzug gedrungen?

Er klopfte sich Arme, Hintern und Beine ab. Umständlich versuchte er, den Kopf in dem Plastikhelm zu drehen und über die rechte Schulter zu schauen, was bedeutete, seinen Körper auf eine Weise zu verrenken, wie er es sicher die letzten zwanzig Jahre nicht mehr getan hatte, aber ... Teufel noch mal, tatsächlich, hinten am rechten Oberschenkel hatte der Schutzanzug einen Riss. Drei, vier Zentimeter, mehr nicht, aber das reichte schon. Wahrscheinlich hatte er sich den Stoff aufgerissen, als er vor zehn Minuten aus dem Bagger gestiegen war, und der kleine Spalt reichte schon, um die Gase von Millionen verwesender Nerze eindringen zu lassen.

Als er das Ufer des Sees erreichte, fühlte er sich wie nach einem Halbmarathon. Tatsächlich waren es höchstens drei- oder vierhundert Meter gewesen, aber das Innere seines Schutzanzugs triefte vor Kondenswasser, der See lag als unüberwindbares Hindernis vor ihm, und seine Kondition entsprach exakt der, die man von einem Mann mittleren Alters erwarten konnte, der täglich zwanzig Pall Mall rauchte und literweise Rahmsauce aß. Er konnte nicht mehr.

Eine Hand auf den Oberschenkel gestützt, beugte er sich vornüber, presste die Maske fest ins Gesicht und sog gierig den Sauerstoff aus der Flasche ein. Ga-a-anz ruhig, sagte er sich. Die Gase, der Gestank, die Verwesung würden nicht durch die Maske dringen, solange er dafür sorgte, dass sie dicht auflag.

Er sank auf die Knie und starrte zurück zu den Nerzgräbern und den brummenden Maschinen, während er seine Atmung zu beruhigen suchte. Die Männer, die dort auf Stundenbasis schufteten ... Sie sollten einen Orden bekommen. Er selbst inklusive. Aber er wusste so gut wie jeder andere, dass kein Politiker, kein einziger Mensch in Machtposition, auch nur einen Gedanken an gewöhnliche Leute wie ihn verschwendete, wenn sie die Anweisung erteilten, das von ihnen angerichtete Schlamassel zu beseitigen.

Die Nerze waren im Herbst, als das Coronavirus sich unkontrolliert auf den dänischen Nerzfarmen ausbreitete, in aller Eile gekeult worden. Wie zum Geier irgendein Anzugträger auf die Idee kam, vier Millionen Nerze hier zu verbuddeln, verblieb wie andere Schreibtischentscheidungen unklar. Vor allem, als Experten wenige Wochen später darauf aufmerksam machten, dass Phosphor und Stickstoff von den pelzigen Kadavern in den geschützten See gelangen könnten.

Deshalb war er hier, und deshalb waren seine Kollegen hinzugerufen worden. Die Schlammsauger. Die Dunkelmänner, die es gewohnt waren, bis zum Hals in Scheiße zu stehen, wenn alle anderen angewidert wegschauten.

Er erachtete sich selbst als ziemlich abgebrüht. Aber das hier ... Das war selbst für ihn zu krass. Die Nerze sollten wieder ausgegraben und verbrannt werden, so der Plan, aber keiner hatte ihnen gesagt, dass die Viecher noch keine verwesten Skelette, sondern eine schleimige, käseartige Masse waren. Buchstäblich Fäulnis im Pelz.

Schnaufend drehte er sich in seinem Schutzanzug zur Seite und blickte wieder über den See. Unbeeindruckt vom Gestank lag dieser umgeben von immergrünen Bäumen, die sich in der himmelblauen Oberfläche spiegelten. Eine Libelle schwirrte einen halben Meter vor dem Plastikvisier des Helms, der sein Sichtfeld eingrenzte, in der Luft. Seine Enkel hatten ihm erzählt, dass es Libellen schon vor den Dinosauriern auf der Erde gegeben habe, und ihm schien, als glotze sie ihn höhnisch an - ihn, eine nicht überlebensfähige Menschenpuppe, die in ihre Domäne eingedrungen war.

Er schlug nach der Libelle und schwang die Beine über die Uferböschung. Hier saß es sich wahrlich gut, mit den Füßen über dem Wasser baumelnd, wie auf einem Stuhl, der weder zu hart noch zu weich war. Er hätte sterben können für eine Zigarette und ein Bier.

Es war gesetzeswidrig hoch zehn, dem gesamten Nerzgewerbe den Garaus zu machen. Und saudämlich, die Nerze hier zu vergraben. Hatten die hohen Herren und Damen denn gar keinen Funken Respekt mehr im Leib? Vor gewöhnlich Sterblichen?

»Ich werde gut auf Dänemark aufpassen«, lautete Ministerpräsident Troels Mejdings Slogan während des Wahlkampfs vergangenen Herbst. Lieber Himmel.

Obwohl er zugeben musste, dass er ein Licht in Meijding gesehen hatte, als der Landwirtssohn mit der auffälligen grauweißen Strähne im Stirnhaar die Macht übernahm. Aber irgendwann zeigte jede Regierung Ermüdungserscheinungen. Die Leute wurden es leid, immer dieselben Personen auf dieselbe Art im Fernsehen auftreten zu sehen, genau wie man die Whiskysauce im Steakhaus leid wurde und es satt bekam, jahrein, jahraus die eigene Ehefrau anzuschauen. Mit dem Skandal um die Flüchtlingskinder 2020 konnte Meijding sich auch nicht eben schmücken. Er selbst war ganz bestimmt kein Halalhippie, wie man so schön sagte, aber wenn zwei unschuldige Kinder um ein Haar in den Händen des Systems ums Leben kamen, war für ihn eindeutig eine rote Linie überschritten. Und dann war da noch das Debakel mit den grönländischen Kindern ... Eigentlich hatte er es aufgegeben, verstehen zu wollen, wer die Schuld an der ganzen Geschichte trug, aber irgendwie musste Mejding darin verwickelt gewesen sein, da er fast erschossen worden wäre. Er hatte es selbst live im Fernsehen gesehen. Mitten beim Nachmittagskaffee. Meijding hatte überlebt, aber ein Spindoktor, der Name war längst vergessen, war tot, und Schloss Christiansborg hatte monatelang von Streitereien widergehallt.

Aber dann war Corona über alle hereingebrochen. Der Skandal mit den Kindern wurde in den Hintergrund gedrängt, während Meijding das Land durch die erste Welle der Pandemie steuerte und in der Coronapause Anfang Herbst wiedergewählt wurde. Die zweite Welle verlief weniger glimpflich, und nun, im Frühjahr 2021, stand Meijding auf etwas wackligen Füßen.

Nein, es gab kaum noch jemanden, in den man sein Vertrauen setzen konnte. Wähler wie er waren heutzutage quasi abgehängt. Zur Bedeutungslosigkeit verdammt, obwohl sie in Krisenzeiten den Laden am Laufen hielten. Wozu waren Fernsehmoderatoren, Immobilienmakler oder sogenannte Debattanten schon zu gebrauchen, wenn diverse Krisen das Land trafen? Einen Dreck. Sie stellten eine Minderheit dar, trotzdem bestimmten die Politiker, die Medienfuzzis und Anzugträger, diese Arschlöcher auf ihren Chefsesseln, einfach alles. Die Reichen wurden mit jedem Tag reicher, egal wie sehr sie sich die Hände mit Geldwäsche und Steuerhinterziehung schmutzig gemacht hatten.

Diese Leute hatten während der gesamten Coronakrise in ihren Sommerhäusern gesessen und gejammert, weil sie ihren Champagnerpartys und Skiurlauben nicht im üblichen Umfang frönen konnten, während das arbeitende Volk morgens aufstand, Pausenbrote schmierte, Maske aufsetzte, die Kinder wegbrachte, sich in regelmäßigen Abständen ein Wattestäbchen ins Gehirn rammen ließ und einfach weiterschuftete. Natürlich tat auch er das, sonst übernahm womöglich noch irgendein Pole oder ein Roboter seinen Job.

Aber welchen Politiker scherte das schon?

Abgesehen vielleicht diese Neue. Katja Klargaard. Oder schlicht Katja, wie man sie hier in ihrer jütischen Heimatgegend nannte. Die Frau...

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Autor

Line Holm wurde 1975 geboren und ist eine mehrfach ausgezeichnete Investigativjournalistin. Sie arbeitet für die Berlingske, eine der größten dänischen Zeitungen. Stine Bolther wurde 1976 geboren. Sie ist Fernsehmoderatorin und seit achtzehn Jahren als Kriminalreporterin tätig. Mit ihrem Debüt »Gefrorenes Herz«, dem Auftakt der Reihe um Kriminalhistorikerin Maria Just, gelang den beiden Autorinnen auf Anhieb ein SPIEGEL-Bestseller.