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Gerechtigkeit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am24.01.20241. Auflage
»Sandel erklärt die Theorien der Gerechtigkeit mit Klarheit und Dringlichkeit.« New York Times Seit ihren Anfängen gehört Gerechtigkeit zu den Kernthemen der Philosophie. Wie können wir die Erkenntnisse, die sie im Laufe der Jahrhunderte gewonnen hat, für unseren Alltag nutzen? Anhand konkreter Beispiele von Abtreibung und Leihmutterschaft über Preisfindung in Krisenzeiten bis hin zu Kriegsrecht und Umweltschutz macht Bestseller-Autor und Star-Philosoph Michael J. Sandel die Theorien von Aristoteles, Kant oder John Rawls für unsere Zeit fruchtbar. Welchen Wert haben moralische Normen? Gibt es Kriterien für das richtige Handeln? »Gerechtigkeit« stellt unsere Überzeugungen auf den Prüfstand und plädiert für ein moralisches Engagement der Gesellschaft, das das Gemeinwohl ins Zentrum rückt.

Michael J. Sandel, geboren 1953, ist politischer Philosoph. Er studierte in Oxford und lehrt seit 1980 in Harvard. Seine Vorlesungsreihe über Gerechtigkeit begeisterte online Millionen von Zuschauern und machte ihn zum weltweit populärsten Moralphilosophen. »Was man für Geld nicht kaufen kann« wurde zum internationalen Bestseller. Seine Bücher beschäftigen sich mit Ethik, Gerechtigkeit, Demokratie und Kapitalismus und wurden in 27 Sprachen übersetzt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

Klappentext»Sandel erklärt die Theorien der Gerechtigkeit mit Klarheit und Dringlichkeit.« New York Times Seit ihren Anfängen gehört Gerechtigkeit zu den Kernthemen der Philosophie. Wie können wir die Erkenntnisse, die sie im Laufe der Jahrhunderte gewonnen hat, für unseren Alltag nutzen? Anhand konkreter Beispiele von Abtreibung und Leihmutterschaft über Preisfindung in Krisenzeiten bis hin zu Kriegsrecht und Umweltschutz macht Bestseller-Autor und Star-Philosoph Michael J. Sandel die Theorien von Aristoteles, Kant oder John Rawls für unsere Zeit fruchtbar. Welchen Wert haben moralische Normen? Gibt es Kriterien für das richtige Handeln? »Gerechtigkeit« stellt unsere Überzeugungen auf den Prüfstand und plädiert für ein moralisches Engagement der Gesellschaft, das das Gemeinwohl ins Zentrum rückt.

Michael J. Sandel, geboren 1953, ist politischer Philosoph. Er studierte in Oxford und lehrt seit 1980 in Harvard. Seine Vorlesungsreihe über Gerechtigkeit begeisterte online Millionen von Zuschauern und machte ihn zum weltweit populärsten Moralphilosophen. »Was man für Geld nicht kaufen kann« wurde zum internationalen Bestseller. Seine Bücher beschäftigen sich mit Ethik, Gerechtigkeit, Demokratie und Kapitalismus und wurden in 27 Sprachen übersetzt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104918945
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum24.01.2024
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse5662 Kbytes
Artikel-Nr.11462866
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Gemeinwohl, Freiheit und Tugend

Bei diesen Fragen geht es nicht nur darum, wie wir miteinander umgehen sollten. Es geht auch darum, wie das Recht lauten und wie die Gesellschaft organisiert werden sollte. Es geht um Fragen der Gerechtigkeit. Um sie beantworten zu können, müssen wir herausfinden, was Gerechtigkeit bedeutet. Eigentlich haben wir damit schon begonnen. Sieht man sich die Diskussion über Preiswucher genauer an, wird man bemerken, dass die Argumente für und gegenGesetze zum Preiswucher sich um drei Leitgedanken drehen: die Mehrung des Gemeinwohls, die Achtung vor der Freiheit und die Förderung der menschlichen Tugenden. Jede dieser Vorstellungen verweist auf einen jeweils anderen Ansatz, über Gerechtigkeit nachzudenken.

Das Standardargument für freie Märkte beruht auf zwei Behauptungen - eine betrifft das Gemeinwohl, die andere die Freiheit. Die erste Behauptung lautet: Märkte fördern das Wohl einer Gesellschaft insgesamt, weil sie Menschen Anreize bieten, hart zu arbeiten und damit die Güter bereitzustellen, die andere Menschen sich wünschen. Märkte mehren den Wohlstand und dienen damit dem Gemeinwohl. Die zweite Behauptung: Märkte respektieren die Freiheit des Einzelnen; anstatt Gütern und Leistungen einen bestimmten Wert aufzuzwingen, lassen Märkte die Menschen selbst entscheiden, welchen Wert sie den Dingen beimessen wollen, die sie tauschen.

Und wie halten es die Befürworter der Gesetze gegen Preiswucher? Erstens bringen sie vor, dem Gemeinwohl der Gesellschaft sei durch die in schwierigen Zeiten überhöhten Preise nicht wirklich gedient. Selbst wenn höhere Preise für eine größere Gütermenge sorgten, müsse das gegen die Last abgewogen werden, die man den Armen aufbürde. Für Begüterte mag es so gesehen ärgerlich sein, die aufgrund des Sturms aufgeblähten Preise für den Liter Benzin oder das Hotelzimmer zu bezahlen. Für Menschen mit bescheidenen Mitteln stellen diese Preise jedoch eine wirkliche Härte dar, die sie sogar dazu bringen könnte, lieber inmitten der Katastrophe auszuharren, als sich in Sicherheit zu bringen. Jede Bewertung des Gemeinwohls müsse den Schmerz und das Leid jener einbeziehen, die in einem Notfall ihre Grundbedürfnisse nichtmehr befriedigen könnten, weil das zu viel kostet.

Zweitens, so behaupten die Befürworter der Gesetze gegen Preiswucher, sei der freie Markt unter bestimmten Umständen nicht wirklich frei. Wenn jemand mit seiner Familie vor einem Hurrikan flieht, so argumentiert Crist, dann ist der überhöhte Preis für Benzin oder Unterkunft nicht wirklich Ausdruck eines freien Austauschs. Es handelt sich eher um Erpressung. Um entscheiden zu können, ob Gesetze gegen Preiswucher gerechtfertigt sind, müssen wir also diese unterschiedlichen Vorstellungen von Gemeinwohl und Freiheit gegeneinander abwägen.

Doch es gibt noch ein weiteres Argument. Ein großer Teil der öffentlichen Unterstützung für Gesetze gegen Preiswucher speist sich aus einer tiefer liegenden Quelle. Die Menschen empören sich über »Geier«, die die verzweifelte Lage anderer ausnutzen; sie wollen sie bestraftsehen, nicht belohnt. Derlei Empfindungen werden oft als atavistische Gefühle abgetan, die in der Politik oder in den Gesetzen nichts zu suchen hätten. In Jacobis Worten: »Floridas Wiederaufbau wird nicht beschleunigt, indem man die Verkäufer verteufelt.«[1]

Doch die Empörung über Preistreiber ist mehr als unbedachter Ärger. Sie verweist auf eine durchaus ernstzunehmende Argumentation. Empörung ist jener besondere Zorn, den man empfindet, wenn man glaubt, jemand bekomme etwas, was ihm nicht zustehe. Empörung dieser Art ist Zorn über Ungerechtigkeit.

Als Crist davon sprach, welche »Gier in der Seele mancher Leute wohnen muss, dass sie bereit sind, von Menschen zu profitieren, die unter den Folgen eines Hurrikans leiden«, rührte er an die moralische Quelle dieser Empörung. Zumindest implizit gab er seinen Lesern zu verstehen: Gier ist ein Laster, eine schlechte Lebensart, besonders dann, wenn die Menschen dadurch blind für die Leiden anderer werden. Und sie ist mehr als ein individuelles Laster - sie widerspricht den Werten der Zivilgesellschaft. In stürmischen Zeiten rückt eine gute Gesellschaft zusammen. Anstatt nach maximalen Vorteilen zu streben, geben die Menschen aufeinander acht. Eine Gesellschaft, in der Menschen während einer Krise ihre Nachbarn ausbeuten, ist keine gute Gesellschaft. Deshalb ist exzessive Gier ein Laster, das es zu bekämpfen gilt. Gesetze gegen Preiswucher können die Gier zwar nicht verhindern, aber zumindest ihre unverfrorensten Auswüchse eindämmen und zeigen, dass die Gesellschaft sie missbilligt. Eine Gesellschaft, die gieriges Verhalten eher bestraft als belohnt, fördert die Tugend, miteinander zu teilen und Opfer für das Gemeinwohl gemeinsam zu tragen.

Obwohl dieses Argument einleuchtet, heißt das natürlich nicht automatisch, dass es stets Vorrang vor konkurrierenden Überlegungen haben muss. In manchen Fällen könnte man auch zu dem Schluss kommen, eine vom Hurrikan getroffene Gemeinschaft sollte einen Pakt mit dem Teufel schließen - also Wucherpreise gestatten, weil man hofft, damit eine Armee von Dachdeckern und anderen Aufbauspezialisten auf den Plan zu rufen, sogar um den Preis, dass man damit Gier billigt. Erst werden also die Dächer repariert, um das soziale Gefüge kümmern wir uns später. Trotzdem ist festzuhalten, dass die Debatte über Gesetze gegen Preiswucher - neben Fragen des Gemeinwohls und der Freiheit - tuch immer die von uns geteilten Werte thematisiert. Es geht um die Frage, wie man die Einstellungen, Voraussetzungen und Charaktereigenschaften kultiviert, die in einer guten Gesellschaft wünschenswert sind.

Manche Menschen, darunter auch viele, die Gesetze gegen Preiswucher befürworten, empfinden beim Tugend Argument Unbehagen. Der Grund: Es scheint stärker wertend vorzugehen als Argumente, die sich auf das Allgemeinwohl und die Freiheit berufen. Die Frage, ob eine bestimmte Politik die wirtschaftliche Erholung beschleunigt oder wirtschaftliches Wachstum befeuert, lässt sich weitgehend wertfrei klären. Denn man geht davon aus, dass alle lieber mehr als weniger verdienen. Dabei ist es ganz egal, wie die Menschen ihr Geld ausgeben. Ähnlich verhält es sich mit der Frage, ob Menschen in einer Notlage wirklich frei entscheiden können - sie erfordert nicht, diese Entscheidungen zu bewerten. Die Frage ist lediglich, ob oder in welchem Ausmaß Menschen frei oder eben notgedrungen handeln.

Dagegen beruht das Tugend-Argument auf dem Werturteil, dass Gier ein Laster sei, das der Staat nicht auch noch ermutigen sollte. Doch wer entscheidet darüber, was Tugend und was Laster ist? Lässt sich darüber in pluralistischen Gesellschaften nichttrefflich streiten? Und ist es nicht gefährlich, Werturteile per Gesetz durchzusetzen? Angesichts dieser Problematik halten viele Menschen daran fest, dass die Regierung in Fragen der Tugenden und der Laster neutral zu sein hat und nicht versuchen sollte, gute Einstellungen zu fördern und schlechten entgegenzuwirken.

Wenn wir also unseren Reaktionen auf Preiswucher nachspüren, sehen wir uns in verschiedene Richtungen gezogen: Wir sind empört, wenn Menschen etwas bekommen, was ihnen nichtzusteht; Gier, die menschliches Elend ausnutzt, denken wir, sollte bestraft und nicht belohnt werden. Und doch sind wir besorgt, wenn Werturteile Eingang in die Gesetzgebung finden.

Dieser Zwiespalt verweist auf eine der großen Fragen der politischen Philosophie: Soll eine gerechte Gesellschaft danach streben, die Tugend ihrer Bürger zu fördern? Oder sollte das Gesetz gegenüber konkurrierenden Entwürfen neutral sein, damit die Bürger selbst frei entscheiden können, wie sie am besten leben?

Folgt man den Erklärungen aus den Lehrbüchern, scheidet sich an dieser Frage das politische Denken...
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Autor

Michael J. Sandel, geboren 1953, ist politischer Philosoph. Er studierte in Oxford und lehrt seit 1980 in Harvard. Seine Vorlesungsreihe über Gerechtigkeit begeisterte online Millionen von Zuschauern und machte ihn zum weltweit populärsten Moralphilosophen. »Was man für Geld nicht kaufen kann« wurde zum internationalen Bestseller. Seine Bücher beschäftigen sich mit Ethik, Gerechtigkeit, Demokratie und Kapitalismus und wurden in 27 Sprachen übersetzt.Helmut Reuter, geboren 1946, arbeitet seit 1995 als freier Übersetzer aus dem Englischen und Französischen. Neben den Werken Michael J. Sandels hat er u.a. Bücher von John Hands, Lawrence M. Krauss oder Niall Ferguson übersetzt. Er lebt in der Nähe von München.