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Rational urteilen und entscheiden

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
528 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am29.01.20242. Auflage
Das Buch ist Ergebnis und erweiterte Zusammenstellung jahrelanger Vortrags- und Lehrtätigkeit zu Schlüsselqualifikationen im weitesten Sinne. Der Verfasser hat es gewagt, immer weiter in das für ihn zunächst fremde, aber äußerst aufregende und fruchtbare Reich der Psychologie einzudringen. Das schlichte Ziel: Die vielfältigen und äußerst nützlichen Erkenntnisse der Psychologie auch in der (juristischen) Praxis zielführend einsetzen zu können.

Der Verfasser war Leiter eines städtischen Rechtsamts, Richter, Ministerialbeamter, Präsident eines Justizprüfungsamts, Leiter einer Zentralabteilung im Justizministerium, Präsident eines Oberlandesgerichts und zuletzt eines Landesverfassungsgerichts. Im Januar 2017 wurde ihm wegen seiner "nachhaltigen wissenschaftlichen und praktischen Verdienste um die juristische Ausbildung im Freistaat Thüringen und an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena" die Ehrendoktorwürde verliehen.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR21,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextDas Buch ist Ergebnis und erweiterte Zusammenstellung jahrelanger Vortrags- und Lehrtätigkeit zu Schlüsselqualifikationen im weitesten Sinne. Der Verfasser hat es gewagt, immer weiter in das für ihn zunächst fremde, aber äußerst aufregende und fruchtbare Reich der Psychologie einzudringen. Das schlichte Ziel: Die vielfältigen und äußerst nützlichen Erkenntnisse der Psychologie auch in der (juristischen) Praxis zielführend einsetzen zu können.

Der Verfasser war Leiter eines städtischen Rechtsamts, Richter, Ministerialbeamter, Präsident eines Justizprüfungsamts, Leiter einer Zentralabteilung im Justizministerium, Präsident eines Oberlandesgerichts und zuletzt eines Landesverfassungsgerichts. Im Januar 2017 wurde ihm wegen seiner "nachhaltigen wissenschaftlichen und praktischen Verdienste um die juristische Ausbildung im Freistaat Thüringen und an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena" die Ehrendoktorwürde verliehen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783758398773
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum29.01.2024
Auflage2. Auflage
Seiten528 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.13497659
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Vorbemerkungen
1.1 Wie kommt ein Jurist zu diesem Thema?

Der spätere Vizepräsident des BVerfG Prof. Dr. Hassemer, den zu hören ich in den ersten beiden Semestern Gelegenheit hatte, gab einmal in einer Strafrechtsvorlesung vor vierhundert oder mehr Studenten folgenden Satz zum Besten:

"Wenn Sie die Lösung eines Falles gefunden haben, tragen Sie die der Haushaltshilfe Ihrer Familie vor und wenn die verständnislos mit dem Kopf schüttelt, wissen Sie, dass Sie falsch liegen."

Etwas später hat mich dann die Äußerung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters verblüfft, dessen Arbeitsgemeinschaft ich besuchte. Er umschrieb den Rechtsfindungsprozess mit den Worten:

"Wir überlegen uns, was muss herauskommen, und dann finden wir die rechtliche Begründung dazu."

Ich hoffe ja sehr, dass das nur nachgeplappert war, denn eine solche Abgebrühtheit schon in der Ausbildung erscheint mir durchaus bedenklich. Möglicherweise tue ich dem jungen Kollegen aber auch Unrecht, denn er konnte sich immerhin auf den namhaften Rechtswissenschaftler Josef Esser stützen, der meinte, die juristischen Methoden dienten vorwiegend der nachträglichen Rechtfertigung zuvor gefasster Meinungen als ihrer originären Begründung.1)

Und als Referendar hatte ich mich bzgl. der Wahlstation für das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden. Der Senatsvorsitzende, ein ebenso kleiner wie blitzgescheiter Herr, antwortete auf die Bemerkung eines Rechtsanwalts, dass man das auch anders sehen könne, mit dem denkwürdigen Satz:

"Selbstverständlich Herr Kollege, wir alle sind gute Juristen. Wir können alles begründen."

Vielleicht waren es Erlebnisse wie diese, die das Samenkorn des Zweifels gelegt haben, das dann allerdings erst erheblich später aufging und das ich heute weiterzugeben versuche. Meine ersten Jahre als Richter war ich jedenfalls noch überzeugt, dass zu einem guten Juristen nur gehöre, dass er ein guter Dogmatiker2) sei und sein Fach aus dem Effeff beherrsche. Natürlich sollte er auch eine humanistisch gebildete, menschlich und menschenfreundlich handelnde und vor allem engagierte Persönlichkeit sein. Aber psychologische Kenntnisse hatte ich als junger Richter eher nicht im Blick.

Gegenstand unserer Betrachtung ist die Entscheidung. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei gleich darauf hingewiesen, dass es nicht nur, vielleicht nicht einmal vorrangig um die spezifischen Entscheidungen der Justizjuristen geht, also um Urteile, Verfügungen, Anklageerhebungen und dergleichen. Es geht um Entscheidungen in einem allgemeineren Sinn. Was das Thema so interessant erscheinen lässt, kann vielleicht folgende kleine Anekdote verdeutlichen:

Max Grundig, 1908 in Nürnberg geboren und einer der erfolgreichsten deutschen Nachkriegsunternehmer, wurde einmal gefragt, nach welchen Kriterien er seine Entscheidungen treffe. Grundig lehnte sich zurück, tippte zunächst mit dem Finger an die Stirn und deutete dann auf seinen Solarplexus:

"Ich überlege. Mein Bauch entscheidet."

Gestatten Sie mir bitte noch einige Vorbemerkungen und in diesem Rahmen die Eigenwilligkeit, mich - soweit es thematisch von Bedeutung ist - vorzustellen.
1.2 Vorstellung des Autors

In meinen Seminaren frage ich die Teilnehmer und betone dabei, dass ich diese Frage ganz ernst meine, ob Sie weitere Informationen zu meiner Person wünschen, insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, was ich mit dem Thema zu tun habe. Wörtlich sage ich dann:

"Bitte mal Hand hoch, wer insofern überhaupt nicht neugierig ist!"

Dann erläutere ich, warum praktisch nie aufgezeigt wird. Das nämlich ist leicht vorhersehbar und - für die Teilnehmer einfach durchschaubar - mit der Art meiner Fragestellung auch provoziert. Zu erklären ist das vor allem mit den psychologischen Phänomenen:

der "Sozialen Erwünschtheit" und

dem Prinzip der sozialen Bewährtheit.

Mit "Sozialer Erwünschtheit" wird eine Antwort-Tendenz bzw. -Verzerrung bezeichnet, die bei Befragungen in Sozialwissenschaft und Marktforschung sowie psychologischen Testverfahren auftritt und vor allem die Meinungsforschungsinstitute vor schwierige Probleme stellt. Menschen neigen in solchen Befragungen eher zu Antworten, mit denen sie sich in Übereinstimmung mit der Mehrheit wähnen. Mit ihren wahren Ansichten halten sie insbesondere dann eher hinter dem Berg, wenn sie glauben, diese Antworten würden sozial abgelehnt.

Das scheint ein Grund dafür zu sein, dass in den Anfängen der AfD deren Wahlerfolge durch die Demoskopen nicht vorhergesehen wurde. Da es mehrheitlich verpönt ist, AfD zu wählen, und deren Wähler das auch wissen, wollten viele nicht angeben, dass sie genau diese Absicht hegten.

Das Prinzip der Sozialen Bewährtheit ist ein höchst wirksames Mittel bei der (manipulativen) Überzeugungsarbeit.3)

Merke: Menschen neigen dazu, das zu tun, zu denken und zu sagen, was andere Menschen tun, denken und sagen.

Dies gilt umso mehr, je berühmter diese anderen Menschen sind oder je ähnlicher die Nachgeahmten den Nachahmern sind.

Nachdem ich mir mit Hilfe dieser Prinzipien die von mir gewollte Antwort von den Teilnehmern abgeholt habe, fühlte ich mich berechtigt zu erklären, warum gerade ich zu unserem Thema Vorträge halte und diese jetzt zu einem Buch zusammengefasst habe.

Dieser Berechtigung bedurfte es, weil sie einen Verstoß gegen eine rhetorische Empfehlung rechtfertigt. Diese lautet: Wenn Du über ein Fachthema referierst, vermeide es, Deine Person in den Mittelpunkt zu stellen, ja vermeide es sogar - zumindest in den ersten fünf Minuten - Personalpronomina der ersten Person (des Sprechers) zu verwenden.

Eingangs hatte ich Ihnen ja einige Erlebnisse in der Uni geschildert, die dazu geeignet waren, das Samenkorn des Zweifels an der alleine selig machenden juristischen Dogmatik legte. Einen weiteren mentalen Schubser gab mir mein Arbeitsgemeinschaftsleiter in der Zivilrechtsstation des Referendariats. Das war ein Jurist, der sich nicht nur mit dem Prozessrecht und der Relationstechnik befasste, sondern auch mit psychologischen Themen. Dr. Leimert war Vorsitzender Richter am Landgericht Frankfurt. Rhetorik und Kommunikationstechnik im Umgang mit Menschen vor Gericht einschließlich Vergleichsverhandlungen und Zeugenvernehmungen waren seine Steckenpferde. Seine Seminare zu diesen Themen an der Deutschen Richterakademie4) waren seinerzeit berühmt und erhielten stets Bestnoten. Dieser AG-Leiter wurde 1991 Präsident des Thüringer Justizprüfungsamts, nachdem ich bereits sechs Jahre Richter an eben jenem Landgericht Frankfurt war. Er bat mich, ihm beim Aufbau des Amtes zu helfen, ich war so mutig, seiner Bitte zu folgen, und so wurde ich im Jahre 2000 sein Nachfolger, nachdem Dr. Leimert drei Jahre zuvor zum BGH gewechselt war.

Genau in diesem Jahr 2000 fasste die Justizministerkonferenz (JuMiKo) den Entschluss, die Juristenausbildung zu reformieren. Die vielfach erhobenen Vorwürfe bestanden darin, die deutsche Juristenausbildung sei zu lang und zu justizorientiert. Und es kämen bei dieser Ausbildung einfach zu viele Absolventen heraus. Aber vor allem meinten 13 von 16 Landesjustizministern damals, der staatliche Vorbereitungsdienst sei zu teuer und müsse abgeschafft bzw. ins Studium integriert werden.5)

Die JuMiKo beauftragte also ihren ständigen "Ausschuss zur Koordinierung der Juristenausbildung" (KOA) - wieder einmal - damit, Vorschläge zur Verbesserung der Juristenausbildung zu unterbreiten. Ich war als JPA-Präsident Mitglied in diesem Ausschuss. In den Anhörungen beschwerten sich die Vertreter der Rechtsanwälte und Notare vor allem darüber, dass der Vorbereitungsdienst zu sehr darauf fixiert war, Richter und Staatsanwälte auszubilden. Man müsse doch bitteschön beachten, dass 80% der Absolventen der Juristenausbildung nicht in die Justiz gingen. Und sie forderten vehement, den Studierenden und Referendaren müssten mehr Schlüsselqualifikationen (SQ) mit auf den Weg gegeben werden.

Ich erspare Ihnen die Darstellung der äußerst umfangreichen Anhörungen und Diskussionen. Es kam schließlich zur Änderung der §§ 5a Abs. 3 und 5d Abs. 1 des DRiG. § 5a Abs. 3 lautete in seiner damaligen Neufassung:

Die Inhalte des Studiums berücksichtigen die rechtsprechende, verwaltende und rechtsberatende Praxis einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüsselqualifikationen wie Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und Kommunikationsfähigkeit.

Und - man lese und staune6) - die Bestimmung des § 9 Nr. 4 wurde eingefügt.

In das Richterverhältnis darf nur berufen werden, wer (⦠4.) über die erforderliche soziale Kompetenz verfügt.

Ein Grund dafür, dass ich mich mit Entscheidungen beschäftige, könnte in meiner Zeit als Abteilungsleiter im Thüringer Justizministerium zu finden sein. Einige Wochen nach der Landtagswahl 2004 in Thüringen verkündete der damals frisch gewählte...
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Autor

Der Verfasser war Leiter eines städtischen Rechtsamts, Richter, Ministerialbeamter, Präsident eines Justizprüfungsamts, Leiter einer Zentralabteilung im Justizministerium, Präsident eines Oberlandesgerichts und zuletzt eines Landesverfassungsgerichts. Im Januar 2017 wurde ihm wegen seiner "nachhaltigen wissenschaftlichen und praktischen Verdienste um die juristische Ausbildung im Freistaat Thüringen und an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena" die Ehrendoktorwürde verliehen.