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Der erinnerte Soldat

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
820 Seiten
Deutsch
Friedenauer Presseerschienen am07.03.20241. Auflage
Flandern 1922. Noen Merckem hat infolge seiner Erlebnisse als Soldat im Krieg sein Gedächtnis verloren und lebt in einer Einrichtung für psychisch Kranke. Nach einer Zeitungsannonce besuchen ihn immer wieder Frauen, die auch lange nach Kriegsende noch nicht die Hoffnung aufgegeben haben, ihren geliebten Mann oder Sohn wiederzufinden. Eines Tages taucht eine Frau aus Kortrijk auf, Julienne, die in Noen ihren Ehemann erkennt, den Fotografen Amand Coppens, und ihn gegen ärztlichen Rat mit nach Hause nimmt. Doch die wundersame Wiedervereinigung nach acht Jahren gestaltet sich nicht so, wie Julienne es ihren neidischen Freundinnen glauben machen will. Erst allmählich nähern sich die beiden einander an, und anhand der Erzählungen Juliennes fügt sich Amands Biografie - nur wie kann er sicher sein, dass Julienne die Wahrheit sagt? Der erinnerte Soldat ist eine außergewöhnliche Liebesgeschichte und ein fesselnder Roman über die Macht der Erinnerung und der Fantasie. Anjet Daanje lässt uns eintauchen in die Psyche eines kriegstraumatisierten Mannes, der mit den Erinnerungen an seine Vergangenheit auch seine Identität verloren hat. Als Amand an den Worten Juliennes Zweifel kommen, beginnt für den Leser ein packendes Verwirrspiel, wie es nur ganz große Literatur zu spielen weiß.

Anjet Daanje, 1965 in Wijster geboren, studierte Mathematik an der Universität Utrecht. Sie schreibt Romane, Kurzgeschichten und Drehbücher. Die Filme, für die sie das Skript verfasste, wurden mit insgesamt 17 internationalen Filmpreisen ausgezeichnet, darunter ein Goldener Bär. Daanje erhielt zahlreiche Literaturstipendien und -preise. Der erinnerte Soldat stand auf der Longlist des Libris Literatuurprijs und gewann den F.?Bordewijk-prijs. Ihr jüngster, hochgelobter und mit vielen Preisen ausgezeichneter Roman Het lied van ooievaar en dromedaris wird ebenfalls in der Friedenauer Presse erscheinen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR34,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR28,99

Produkt

KlappentextFlandern 1922. Noen Merckem hat infolge seiner Erlebnisse als Soldat im Krieg sein Gedächtnis verloren und lebt in einer Einrichtung für psychisch Kranke. Nach einer Zeitungsannonce besuchen ihn immer wieder Frauen, die auch lange nach Kriegsende noch nicht die Hoffnung aufgegeben haben, ihren geliebten Mann oder Sohn wiederzufinden. Eines Tages taucht eine Frau aus Kortrijk auf, Julienne, die in Noen ihren Ehemann erkennt, den Fotografen Amand Coppens, und ihn gegen ärztlichen Rat mit nach Hause nimmt. Doch die wundersame Wiedervereinigung nach acht Jahren gestaltet sich nicht so, wie Julienne es ihren neidischen Freundinnen glauben machen will. Erst allmählich nähern sich die beiden einander an, und anhand der Erzählungen Juliennes fügt sich Amands Biografie - nur wie kann er sicher sein, dass Julienne die Wahrheit sagt? Der erinnerte Soldat ist eine außergewöhnliche Liebesgeschichte und ein fesselnder Roman über die Macht der Erinnerung und der Fantasie. Anjet Daanje lässt uns eintauchen in die Psyche eines kriegstraumatisierten Mannes, der mit den Erinnerungen an seine Vergangenheit auch seine Identität verloren hat. Als Amand an den Worten Juliennes Zweifel kommen, beginnt für den Leser ein packendes Verwirrspiel, wie es nur ganz große Literatur zu spielen weiß.

Anjet Daanje, 1965 in Wijster geboren, studierte Mathematik an der Universität Utrecht. Sie schreibt Romane, Kurzgeschichten und Drehbücher. Die Filme, für die sie das Skript verfasste, wurden mit insgesamt 17 internationalen Filmpreisen ausgezeichnet, darunter ein Goldener Bär. Daanje erhielt zahlreiche Literaturstipendien und -preise. Der erinnerte Soldat stand auf der Longlist des Libris Literatuurprijs und gewann den F.?Bordewijk-prijs. Ihr jüngster, hochgelobter und mit vielen Preisen ausgezeichneter Roman Het lied van ooievaar en dromedaris wird ebenfalls in der Friedenauer Presse erscheinen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751880183
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum07.03.2024
Auflage1. Auflage
Seiten820 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1973 Kbytes
Artikel-Nr.14114162
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Vielleicht ist es das letzte Mal, dass er als der Mann, der Noen Merckem genannt wird, durch diesen ihm vertrauten Flur läuft, die Tür dort zu seiner Linken mit den freundlich wirkenden Fensterchen könnte das Ende seines Daseins einläuten, da fühlt er sich plötzlich, als würde er mit schlotternden Knien zum Schafott geschleift, und die Hoffnung, die ihn begleitet hat, die Überzeugung, dass alles neu und unvorstellbar viel besser und endlich normal werde, dass er nur durch diese gewöhnliche Tür hindurch müsse und ein ganz anderer Mensch sein würde, wenn er wieder herauskäme, ein Mann mit einer Familie und einem Zuhause und einem Leben außerhalb dieser Mauern, das alles zerrinnt ihm auf einmal. Und er bleibt auf diesen sonnenbefleckten Fliesen stehen, Bruder Reginald wendet sich ihm zu und erkennt die Ratlosigkeit, die sich auf seinem Gesicht breitmacht, und sagt leise, dass Gott ihn nie schwerer prüfen werde, als er es ertragen könne, und nickt ermutigend dazu, doch Noen schweigt, denn sehr viele trostreiche Beispiele für Gottes Auffassung von Erträglichkeit hat er in den vier Jahren, die er jetzt hier ist, nicht erlebt.

Und sein Herz wummert in seinem Hals, als er auf dem Stuhl im Sprechzimmer von Doktor de Moor sitzt und auf die bunten Fliesen des Fußbodens starrt, auf das sich wiederholende Muster und dessen Berechenbarkeit, und er versucht, die Tür aus seinem Kopf zu verbannen, die aus ein paar Metern Entfernung herüberschielt und reglos abwartet und bald aufgehen und sie hereinlassen wird. Die Gärten, er hockt in den Gärten auf den Knien beim Unkrautjäten, und es regnet ein bisschen, die Salatköpfe, die Endivien, der Kohl, die Bohnen, alles ist mit dicken Wassertropfen bedeckt, und er sieht, wie sie langsam herabrollen, ihrem Tod in der schwarzen Erde entgegen. Und gerade, als die Stille im Garten ihre näher heranrückende Ankunft unmöglich gemacht hat, undenkbar wie ein Hirngespinst, das tagelang seine Gedanken beherrschte und beim Aufwachen plötzlich die Macht über ihn verloren zu haben scheint, genau da hört er ihre Stimme auf dem Flur. Sie spricht mit Doktor de Moor, und sie nähern sich der Tür, eine schrille und unangenehme Stimme hat sie, sie bemerkt wohl nicht, dass hier alles so wenig Geräusche wie möglich von sich geben sollte, die Menschen und die Schritte und die Dinge und sogar die Albträume, als würde man für eine beklemmend lange Zeit den Kopf unter die Bettdecke stecken, so fühlt es sich manchmal an, und wenn es stürmt und seine Mitbewohner unruhig und verängstigt sind, schleicht sich Noen in den Garten, um dem Wind zu lauschen, der rund um das Gebäude heult, und sich für einen Augenblick als lebendiger Teil der Welt zu fühlen.

Und sie redet von ihrem Mann, den sie Kamiel nennt, sie habe seinen Tod nie für möglich gehalten, sagt sie, sie habe es zwar versucht, aber dann habe sie immer wieder von ihm geträumt wie damals, als er noch bei ihr war, und morgens sei es ihr dann so vorgekommen, als hätte er sie nachts aufgesucht, um ihr Mut zuzusprechen. Und sie bleibt vor der Tür stehen, er erkennt durch das Fenstergitter ihre Silhouette, einen zarten Frauenkopf, einen Hut mit üppigen Blumen und breiter Krempe, und sein Atem jachtert durch die Kehle, und sie, sie muss genauso nervös sein wie er, meint er an ihrer Stimme zu vernehmen, und schon empfindet er ein herzliches Mitleid mit ihr, und bei dem Gedanken an ihre Angst verringert sich die seine. Jetzt wird die Klinke auf der anderen Seite der Tür heruntergedrückt, und Bruder Reginald bedeutet ihm, dass er aufstehen soll, die Tür öffnet sich, und Doktor de Moor tritt einen Schritt zur Seite und lässt sie vorangehen.

Und sie ist hübsch, er hat sich zwar schon eine unbestimmte Vorstellung von seiner Frau gemacht, wie von einer Figur im Traum, mehr Empfindung als handfeste Konturen, aber sie war nie so etwas wie diese hier mit dem dunklen, in kunstvoll gewellten Strähnen hochgesteckten Haar, elegant und schlank und geschmackvoll gekleidet. Und sie wagt es nicht, zu ihm aufzublicken, und als sie über die Schwelle tritt, ist er sich bewusst, dass ihr Blick auf seinen schweren Anstaltsschuhen ruht, die Hosenbeine hinaufkriecht und auf Höhe seiner Knie hängen bleibt, bis Doktor de Moor geräuschlos die Tür hinter sich schließt und sie mit dem Mut der Verzweiflung befindet, dass jetzt der rechte Moment gekommen sei. Sie hebt den Blick und schaut ihm zögernd ins Gesicht, sie hat große dunkelbraune Augen, die Farbe von feuchter Erde, und sie muss es sein, etwas anderes ist gar nicht vorstellbar, er würde sie lieben können, aufrichtig und hingebungsvoll, eine Last fällt von seinen Schultern, und er lächelt sie vorsichtig an.

Aber sie starrt nur, und eine tiefe Ernüchterung senkt sich auf ihre schönen Züge herab, so gewaltig, dass alle Schönheit aus ihr herausfließt, ihre dunklen Augen füllen sich mit Tränen, und sie schüttelt den Kopf, nicht wie bei einer Verleugnung, sondern unbeherrscht, als wollte sie sich selbst bestrafen, weil sie seit Wochen dummen, naiven Gedanken nachgehangen hat, Gedanken, die sie jetzt weit von sich weisen möchte. Und sie wendet sich an Doktor de Moor und beginnt, von ihrem Kamiel zu erzählen, beschwörend, als hoffte sie, dass er, wenn sie es gleich noch einmal wagt, ihn anzusehen, sich in ihren Mann verwandelt haben wird, und ihre schrille Stimme erfüllt das ganze Sprechzimmer, ihr Kamiel, sagt sie, war ein Held, der fürs Vaterland gekämpft hat, er hat sich für seine Kameraden aufgeopfert, er hat sein letztes Essen mit ihnen geteilt, er hat Verwundete unter Gefahr für das eigene Leben in den Schützengraben zurückgeschleppt, das haben sie ihr geschrieben, nachdem er als vermisst gemeldet worden war, sagt sie. Und sie spricht es nicht aus, aber es klingt durch jedes ihrer Worte hindurch, dieser Mann, dieser Simpel, der da in seiner armseligen Anstaltskleidung vor ihr steht, würde nie den Ansprüchen genügen können, die sie an ihren Kamiel stellt, er wird seit Dezember 1917 vermisst, und sie hat fast fünf Jahre Zeit gehabt, ihn für sich zu vervollkommnen, er ist ihr Kunstwerk, ihr Zufluchtsort, und sie ist empört, dass Doktor de Moor sie mit seiner Anzeige glauben gemacht hat, dass ihr Kamiel überhaupt diese Gestalt eines Irren mit Gedächtnisverlust annehmen könnte.

Und Doktor de Moor hört ihr geduldig zu, sein Blick ist fest auf sie gerichtet, er scheint ihre Worte wohlwollend abzuwägen, wie er es auch in Gesprächen mit seinen Patienten zu tun pflegt, aber Noen weiß aus Erfahrung, dass er bereits nach dem ersten Satz seine Diagnose fertig hat und nach dem zweiten seinen Gedanken freien Lauf lässt und nichts mehr zu ihm durchdringt, außer dem, was seine Diagnose untermauert.

Und auch Noen kann ihr nicht zuhören, das Gefühl, dass er diesen Schmerz bei ihr ausgelöst hat, diese unermessliche Enttäuschung, die sie minutenlang wegzureden versucht und die ihr bis ans Lebensende in Erinnerung bleiben wird, diese Enttäuschung drängt sich ihm mit einem beklemmenden Gefühl auf, nichts hat er getan, nur hier gesessen und auf sie gewartet, aber er ist ein Niemand, er existiert gar nicht, und trotzdem ist es augenscheinlich möglich, dass er der Falsche ist, und er sagt ihr, dass es ihm leidtue, und ihr Wortschwall kommt betroffen ins Stocken, und sie wendet sich halb zu ihm um, aber sie ist dem nicht gewachsen, ihr Blick streift nur sein linkes Ohr und macht dann einen hastigen Schwenk nach rechts, als wäre er die Materialisierung ihres allerschlimmsten Albtraums, und er schweigt und neigt den Kopf und starrt auf das Fliesenmuster und versucht, sie und ihr Leid zu vergessen.

Und es dauert lange, bis sie geht, Doktor de Moor unternimmt mehrere Anläufe, das Gespräch höflich abzubrechen, aber sie redet einfach immer weiter, und nicht ein einziges Mal wendet sie sich an Noen, für den sie gekommen ist, sie fürchtet sich vor ihm, aber gleichzeitig wagt sie es nicht, den Gedanken fallen zu lassen, er könnte doch ihr Kamiel sein, und sich dem Tag ohne die Illusion von vor einer Stunde auszuliefern, und sie redet noch immer ohne Punkt und Komma. Und endlich sagt Doktor de Moor, dass die nächste Frau jetzt auf ihn warte, da verstummt sie erschrocken, die nächste Frau, und für einen Moment glaubt Noen, dass sie in Tränen ausbrechen werde, ihr Gesicht verzieht sich zu einer gequälten Grimasse, und er kann ihren Kummer nicht mitansehen, er setzt sich auf den Stuhl und stützt den Kopf in die Hände, und erst als er hört, wie sich die Tür schließt, wagt er es, den Blick zu heben, und sie ist weg, und es ist, als hätte sie seine Sehnsüchte mit sich genommen, der stille Garten im Regen ist verschwunden, die Welt außerhalb der Mauern, die nächste Frau, und er wartet.

Und die nächste Frau ist eine Frau, wie er sie von den Sonntagen kennt, sie besuchen seine Zimmergenossen und lassen sich durch die Anstalt nicht aus dem Konzept bringen, solide, praktische Frauen sind es, die aufräumen und das...
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Autor

Ulrich Faure, 1954 in Halle (Saale) geboren, ist Publizist, Lektor, Übersetzer und Herausgeber. Er war Online-Chefredakteur beim Branchenmagazin BuchMarkt. Aus dem Niederländischen übersetzte er u. a. Werke von Thomas Heerma van Voss und Simon Carmiggelt. Faure lebt in Düsseldorf.