Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Tagebuch eines Ausreißers

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
BoD - Books on Demanderschienen am12.03.20241. Auflage
Die persönlichen Aufzeichnungen Mads Tellis zu nahezu allem - Metaphysik, Zeitgeschehen, Erotik, Kunst und Literatur: sehnsüchtige, ironische und kritische Blicke aus der seelischen Ferne des Ausreißers auf die Dinge, die Menschen umtreiben. Psychologie ist Kunst, ist Poesie - wenn man es will. "Der Begriff des Ausreißers lässt an ausbüxende Kinder oder statistische Messwerte außerhalb eines Erwartungsbereichs denken. Ausreißer stellen jene Ordnungssysteme, deren Teil sie sind oder sein sollen, durch ihr Sein in Frage. Ihre Individualität überwiegt. Sie sind und bleiben Ausnahmen. Ausnahmen, die, weil sie Tatsachen sind, die Quelle von Kreativität im Individuellen wie im Kollektiven sind. Sie sind Nochniedagewesene und bringen Nochniedagewesenes hervor. Ihre Werke und Taten sagen: Ohne Freiheit bist du nichts. Aber ohne Freiheit sind auch keine Kulturen möglich. Das organisierte Zusammenleben der Menschen mit all seinen Strukturen, sozialen Rollen, seinen metaphysischen und weltlichen Erzählungen, die Menschen zu Einwohnern derselben Sphäre machen, war und ist der vermutlich folgenreichste kreative Akt, den wir über die Jahrtausende hervorgebracht haben. Am Anfang standen die Ausreißer, stand das Unwahrscheinliche, Ungedachte, die Ausnahme."

Mads Telli, geboren 1972, ist das Pseudonym eines Diplom-Psychologen und Buchautors. Unter anderem Namen sind von ihm bisher mehrere Romane sowie Sachbücher zu Psychologie und Philosophie erschienen.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie persönlichen Aufzeichnungen Mads Tellis zu nahezu allem - Metaphysik, Zeitgeschehen, Erotik, Kunst und Literatur: sehnsüchtige, ironische und kritische Blicke aus der seelischen Ferne des Ausreißers auf die Dinge, die Menschen umtreiben. Psychologie ist Kunst, ist Poesie - wenn man es will. "Der Begriff des Ausreißers lässt an ausbüxende Kinder oder statistische Messwerte außerhalb eines Erwartungsbereichs denken. Ausreißer stellen jene Ordnungssysteme, deren Teil sie sind oder sein sollen, durch ihr Sein in Frage. Ihre Individualität überwiegt. Sie sind und bleiben Ausnahmen. Ausnahmen, die, weil sie Tatsachen sind, die Quelle von Kreativität im Individuellen wie im Kollektiven sind. Sie sind Nochniedagewesene und bringen Nochniedagewesenes hervor. Ihre Werke und Taten sagen: Ohne Freiheit bist du nichts. Aber ohne Freiheit sind auch keine Kulturen möglich. Das organisierte Zusammenleben der Menschen mit all seinen Strukturen, sozialen Rollen, seinen metaphysischen und weltlichen Erzählungen, die Menschen zu Einwohnern derselben Sphäre machen, war und ist der vermutlich folgenreichste kreative Akt, den wir über die Jahrtausende hervorgebracht haben. Am Anfang standen die Ausreißer, stand das Unwahrscheinliche, Ungedachte, die Ausnahme."

Mads Telli, geboren 1972, ist das Pseudonym eines Diplom-Psychologen und Buchautors. Unter anderem Namen sind von ihm bisher mehrere Romane sowie Sachbücher zu Psychologie und Philosophie erschienen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783758349102
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum12.03.2024
Auflage1. Auflage
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse379 Kbytes
Artikel-Nr.14127045
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

SINN UND SCHÖNHEIT

2013/14

Gestern am Morgen war ich noch achtzehn, am Abend dreißig. Über Nacht wurde ich vierzig. Das Erschreckende ist, dass es über Nacht passierte, sozusagen im Schlaf. Und nun ist wieder ein Morgen, hoffe ich. Ein Morgen eines Tages, der weniger Möglichkeiten und weniger Illusionen bereithält.

***

Eine Zeitlang setzte ich meine Hoffnung auf Meditation. Doch ein detektivischer Blick auf die Psychotechniken zeigte: Meditationen sind Bestätigungsinstrumente des Weltbildes, aus dem sie entwickelt wurden. Alle yogischen Meditationen scheinen das yogische Weltbild zu bestätigen. Und alle buddhistischen Meditationen die Philosophie des Buddhismus. Teresa von Ávila sprach von den sieben Wohnungen Gottes - die Beschreibung ist dem Chakrasystem nicht unähnlich, nur dass in den Wohnungen sich zunehmend der Geist Gottes offenbart. In der siebten Wohnung ist der empirische Beweis Gottes erbracht. Jede Meditation führt also zu den Einsichten, die das entsprechende Weltbild als die höchsten Ziele postuliert.

Der einzige Kampf des Menschen ist seit einigen Jahrtausenden der gegen das Verlöschen. Gegen das Nichts, aus dem wir Individuen für einen Wimpernschlag lang unerklärlicherweise auftauchen und sofort wieder vergehen. Wie sinnlos, wie erschreckend. Wäre es da nicht besser, gar nicht erst entstanden zu sein? Oder?

Jede Meditation führt im idealen Fall, (der im Grunde nie eintritt), zur Einheit mit einer göttlichen Wesensessenz, die jenseits von Raum und Zeit existiert. Die höchsten Stufen offenbaren dann die Einheit mit ihm, mit Gott, Allah, Shiva, der Buddhanatur. Die Handlungsanweisungen, die zu diesem Erlebnis führen sollen, sind in all diesen Fällen klar und streng, aber unterschiedlich. Die einen schwören auf gerade Sitzhaltung, die anderen auf gebücktes Gebet in Demut, wieder andere auf die Ekstase durch exzessives Drehen des Körpers zu tranceinduzierenden Trommeln.

Aber das Ziel ist die Einheit mit einem Wesen, von dem behauptet wird, wir seien dieses schon immer gewesen, wenn auch unwissentlich.

Dieses Wesen ist unsterblich, es ist gefeit vor Verlöschung, weil es sich jenseits der Zeit aufhält. Es muss dementsprechend anorganisch und nichtmateriell sein, andernfalls wäre es der Zeit unterworfen und damit vergänglich.

Wenn wir Zeit und Raum als menschengemachte Parameter unseres künstlichen Weltbildes definieren, heißt das, dass dieses transzendente Wesen weder Anteil an unserem Weltentwurf hat noch diesem unterworfen ist. Was, wenn dieses Wesen nur die Sehnsucht des Menschen nach einer Existenz jenseits der Gefahr des Verlöschens verkörperte? Wenn es eine Erfindung der mystischen Conquistadores ist, die sie uns wie eine transzendente Mohrrübe vor die Nase halten? Was, wenn es nicht um das Erreichen eines Bewusstseinszustandes geht, der zumindest als Potential existierend gedacht wird, nur eben verdeckt? Was, wenn all die mystischen Bemühungen ein verzweifelter Versuch wären, die aberwitzig geringe Chance zu ergreifen, mit Hilfe unseres mächtigsten Werkzeuges, des Bewusstseins, einen Schleichweg zu finden, der uns am Verlöschen vorbeiführte? Meditiert, rufen sie uns zu, übt, trainiert! Wir errichten eine kognitive Architektur, eine kosmische Blase aus Einbildung, in der wir uns vor dem Verlöschen verstecken können wie in einem Atombunker!

Buddha wäre derjenige, der nachhaltig das Problem benannt hätte, und Sokrates mit dem berühmten Satz, dass er nur wisse, dass er nichts wisse, hätte ungleich kürzer und auf fast spartanische Weise auf das Gleiche verwiesen. Jesus hätte sich als megalomanischer Architekt eines kognitiven Weltentwurfs erwiesen, der dem, der sich vertrauensvoll in ihm heimisch macht, das Verlöschen erspart. Die dennoch Verlöschten lassen sich schlecht in den Zeugenstand rufen.

Castaneda hätte sich als desillusionierter Einwohner der bereits höheren Etagen gezeigt, als er Don Juan sagen ließ, es gäbe nur einen Jäger, und der gewinne immer, und dieser sei der Tod. Ihm zu entgehen, sei so gut wie unmöglich, die Bemühungen darum würden in den meisten der ohnehin seltenen Fälle zu grotesken Verformungen des Bewusstseins führen. Aber da wir ohnehin keine Chance hätten, schon gar nicht, wenn wir uns dem Schicksal ergeben, wäre es aufregender, den Kubikmillimeter Chance zu ergreifen, der uns ja vielleicht doch bliebe.

Timothy Leary hätte mit seiner Neurologic und der neuronalen Schaltkreistheorie lediglich wieder aufgegriffen, was seit Jahrtausenden die Mystiker berichten. Doch hin und wieder muss eine alte Wahrheit reformuliert werden, um den Zeitgenossen die Möglichkeit zu geben, sie zu verstehen - es werden sowieso nur Wenige sein, aber die sollten nicht an unverständlich gewordenen Vokabeln antiquierter Sprachen scheitern.

Wie genau ist das Strickmuster dieses Weges: das gewöhnliche Weltbild deinstallieren durch das Stoppen des inneren Monologes; die Plastizität des Gehirns nutzen, um es in einem neuen Sinn umzuformatieren; das Installieren eines Weltbildes, das ein Bewusstsein postuliert, das das Endziel erreicht hat (oder sich schon immer in ihm befindet), und sodann die Einheit mit diesem herstellen. Klingt einfach. Ist aber schwer, wie alle Meditierenden bestätigen können. Die Beharrungstendenzen eines einmal etablierten neuronalen Netzwerks erweisen sich als stabil.

Die Nihilisten und Existenzialisten: Sie ergeben sich der Resignation über die zum Scheitern verurteilte Mission des Bewusstseinsprojekts und raten zur bestmöglichen Gestaltung der kurzen Zeit, die uns eben beschieden ist und dazu, keinen Gedanken an das Danach, das Davor etc. zu verschwenden.

***

Die Befürchtung, das Leben wäre zu kurz, um das eigentliche Anliegen zu erfüllen, oder das inhärente und kaum erahnte Ziel zu erreichen. Zu kurz, um den Geist zu klären, all die verwirrende Vielfalt an Wissen, Theorien, Erfahrungen, Wünschen, Träumen zu klären.

Die Verwirrung aufzulösen, die babylonische Sprach- und Bildverwirbelung. Göttinnen, Shakti, Anima, Prana, Yin und Yang, Unterbewusstsein, Unbewusstes, Überbewusstsein, überhaupt all diese Stufenmodelle von Entwicklung des Geistes, diese Stockwerke, diese dürftigen Metaphern aus der Behausungskultur. Das alles zu verstehen, aus den Netzen dieser Begriffe sich zu befreien... reicht dazu das Leben? Und wenn es dazu reicht: müsste doch danach erst das Abenteuer beginnen, die geistige Reise in einem freien, einzusehenden Raum , ungehindert von all den menschlichen Begriffen, die unseren Geist in Scheiben, Kategorien, Schubladen, Kästchen schneiden.

***

... Doch wer kann das?

Vielleicht reicht ja doch das Leben... wenn es sich befreit aus den Netzen des rationalen Geistes, die doch nur Werkzeug des Ichs sind. Was kann man tun? Man haut Breschen in das Unterholz des Nichts und zeigt sie stolz als neue Pfade vor. Oder man erhebt sich darüber und berichtet von der Schönheit und dem Hässlichen.

Man muss entscheiden: Man versucht entweder, der Welt Erkenntnisse abzuringen und sie der Welt als seine Errungenschaften vorzuweisen. Oder man feiert die Schönheit der Welt - die Schönheit der Welt, die aus den Faltenwürfen des Gewandes Gottes besteht; Gottes, der den kosmischen Tanz tanzt und sich in Schwung bringt. Und die eigene menschliche Existenz als im Wind wirbelnde Staubkörnchen aus dem Tuch Gottes. Jeder Windhauch ein Teil der kosmischen Choreografie, jedes wirbelnde Staubkorn unverzichtbares Element der göttlichen Dramaturgie.

Wo die Wahrheit erahnt wird, sind die Texte kurz und lyrisch. Ihre Wahrheit offenbart sich nicht durch sophistische Gelehrsamkeit, die sich lang und breit wie klebriger Teer ausbreitet, sondern durch ihre Schönheit, die über jeden Zweifel erhaben ist.

Solch Lyrik ist oft mystisch, doch werden die Texte erst dadurch zum Mysterium, weil der verstrickte Geist sie nicht verstehen kann.

Die Musik ist oft der bessere Text. Musik ist das bessere Gebet. Man muss ein wahrhaft großer Dichter sein, um mit seiner Dichtung so das Göttliche ehren zu können, wie es die Musik vermag.

***

Und doch hat er sich korrumpieren lassen, hat an Texten gearbeitet, die weder schön noch wahr sind, die erwartet wurden von jenen, die genauso verstrickt sind wie er selbst. Wenn er die gleiche Blindheit beweist, an der alle kranken, ohne es zu wissen, werden sie ihn anerkennen als einen der ihren, werden ihm Respekt zollen und Geld geben.

Doch jeder ehrt das Göttliche auf seine Weise und nach seinen Möglichkeiten. Als er das Buch über den Tarot schrieb, kämpfte er sich durch das Dickicht seiner inneren Dunkelheit und ließ sich von einem fernen Licht leiten. Später schrieb er die Geschichte seines Stolperns und Strauchelns; über das Licht musste er schweigen, denn es war allzu fern und er kannte es nicht aus der Nähe.

***

In meinen jungen Jahren mangelte es mir an der nötigen Ernsthaftigkeit, um zu verstehen, dass das Leben kurz ist; zu kurz, um alles zu erreichen, was man zu erreichen für nötig hält, um ohne Groll das...
mehr