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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am05.03.20151. Auflage
Vor 50 Jahren nahmen die Staaten Israel und Deutschland ihre diplomatischen Beziehungen auf. Ging es früher vorrangig um Vergangenheitsbewältigung, um die Auseinandersetzung mit historischer oder familiärer Schuld, so sind heute auch freundschaftliche Begegnungen und kulturelle Verbundenheit Realität. Politik, Literatur, Party - wie erlebt dies die dritte Generation vor dem Hintergrund der Geschichte? Davon erzählen die hier versammelten Erzählungen aus beiden Ländern. Mit Erzählungen von Yiftach Aloni, Yiftach Ashkenazy, Yair Asulin, Sarah Blau, Galit Dahan Carlibach, Anat Einhar, Liat Elkayam, Idit Elnathan, Assaf Gavron, Amichai Shalev sowie Katharina Hacker, Norbert Kron, Marko Martin, Eva Menasse, Rainer Merkel, Albert Ostermaier, Moritz Rinke, Jochen Schmidt und Sarah Stricker. www.dontforgetdance.com

Katharina Hacker, geboren 1967 in Frankfurt am Main, lebt nach mehrjährigem Aufenthalt in Israel als freie Autorin mit ihrer Familie in Berlin und Brandenburg. 2006 erhielt sie den Deutschen Buchpreis für »Die Habenichtse«. 2015 erschien ihr Roman »Skip« und 2021 das Jugendbuch »Alles, was passieren wird«. Katharina Hacker wurde 2021 mit dem Droste-Preis der Stadt Meersburg ausgezeichnet. Zuletzt erschien ihr Roman »Die Gäste« (2022).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR18,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextVor 50 Jahren nahmen die Staaten Israel und Deutschland ihre diplomatischen Beziehungen auf. Ging es früher vorrangig um Vergangenheitsbewältigung, um die Auseinandersetzung mit historischer oder familiärer Schuld, so sind heute auch freundschaftliche Begegnungen und kulturelle Verbundenheit Realität. Politik, Literatur, Party - wie erlebt dies die dritte Generation vor dem Hintergrund der Geschichte? Davon erzählen die hier versammelten Erzählungen aus beiden Ländern. Mit Erzählungen von Yiftach Aloni, Yiftach Ashkenazy, Yair Asulin, Sarah Blau, Galit Dahan Carlibach, Anat Einhar, Liat Elkayam, Idit Elnathan, Assaf Gavron, Amichai Shalev sowie Katharina Hacker, Norbert Kron, Marko Martin, Eva Menasse, Rainer Merkel, Albert Ostermaier, Moritz Rinke, Jochen Schmidt und Sarah Stricker. www.dontforgetdance.com

Katharina Hacker, geboren 1967 in Frankfurt am Main, lebt nach mehrjährigem Aufenthalt in Israel als freie Autorin mit ihrer Familie in Berlin und Brandenburg. 2006 erhielt sie den Deutschen Buchpreis für »Die Habenichtse«. 2015 erschien ihr Roman »Skip« und 2021 das Jugendbuch »Alles, was passieren wird«. Katharina Hacker wurde 2021 mit dem Droste-Preis der Stadt Meersburg ausgezeichnet. Zuletzt erschien ihr Roman »Die Gäste« (2022).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104035000
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum05.03.2015
Auflage1. Auflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1477 Kbytes
Artikel-Nr.1554306
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


»Wir vergessen nicht, wir gehen tanzen«

Vorwort der Herausgeber


Immer sind es die Schicksale einzelner Menschen, die die faszinierendsten Geschichten erzählen, Geschichten, die sich in Büchern oft wie erfunden anhören. Wie diese zum Beispiel, die sich vor ein paar Jahren ereignete. Sie handelt von einem Mann, der zu einem der größten Stars auf Youtube avancierte, zu einer Art Popstar, der mit seinem Tanz Millionen von Usern begeisterte und verstörte, und das im Alter von 90 Jahren. Adolek Kohn war nämlich nach Auschwitz, Theresienstadt und zu anderen ehemaligen Konzentrationslagern gefahren, um dort vor den Toren zu Gloria Gaynours weltberühmten Dancefloorhit I will survive zu tanzen, zusammen mit seiner Familie, mit seiner Tochter und drei Enkelkindern. Zuerst unbeholfen, fast täppisch, dann sich zu fröhlicher Lebenslust steigernd, sieht man den alten Herrn im Video dort vor dem Tor mit der Aufschrift Arbeit macht frei tanzen oder den Kopf zu den Diskorhythmen aus einem der ausgestellten Güterwaggons stecken. Ein Tabubruch, natürlich, eine aufwühlende Provokation. Aber Adolek Kohn durfte das. Er ist selbst einer der Überlebenden, wurde als junger Mann mit seiner Mutter nach Auschwitz deportiert, wo diese an der Rampe selektiert und in die Gaskammer geschickt wurde, während er selbst Glück hatte und im Arbeitslager überlebte. Oder ging auch er damit zu weit?

Die erhitzte Diskussion wurde in den User-Kommentaren des Videos, das seine Tochter, die Künstlerin Jane Korman, als Video Art Work initiiert hatte, zigtausendfach mit großen Emotionen geführt. Der Tanz des alten Mannes und seiner Familie beschäftigte die jüdischen Gremien und die Feuilletons, in Israel, Amerika, Deutschland. Was die einen als Geschmacklosigkeit gegenüber den Opfern empfanden, nannte der (sonst nicht um scharfe Worte verlegene) Berliner Publizist Henryk M. Broder »eines der größten Kunstwerke zur Geschichte des Holocaust«. Adolek Kohn selbst war völlig überrumpelt von der medialen Wirkung seines Auftritts. Er, der nach der Befreiung der Lager zu Fuß von Auschwitz nach Lodz zurückgegangen war und auf diesem Marsch seine Frau kennenlernte, die er drei Wochen später heiratete, war sein ganzes Leben lang ein begeisterter Tänzer. 1949 siedelte er mit seiner Frau nach Melbourne um, wo er ein kleines Geschäft eröffnete und eine Familie gründete. Bis heute, mittlerweile 93, lebt er dort mit seiner Frau. Zu allen Gelegenheiten wurden bei ihm zu Hause Maskenbälle veranstaltet, wurde ausgiebig getanzt, ein immer neuer Ausdruck der Freude, am Leben zu sein. In einem Interview für das deutsche Fernsehmagazin titel thesen temperamente erklärte er das Tanzen in Auschwitz wie folgt: »Wenn mir damals im Lager jemand gesagt hätte, dass ich sechzig Jahre später hierherkommen würde, um mit meinen Enkeln hier zu tanzen - ich hätte ihm gesagt, er gehört in eine Irrenanstalt. Jetzt schrieb mir jemand in einem Brief, dass ich den Krieg gegen Hitler gewonnen hätte. Wir tanzen, weil wir eine neue Generation hervorgebracht haben.«

Adolek Kohns Enkel leben in Israel und in den USA. Die 26-jährige Yasmin zum Beispiel sagte im Gespräch: »Mir ging es darum, diese Reise mit meinem Großvater zu machen. Wir waren noch nie zusammen in Auschwitz. Dabei redet er über nichts anderes als den Krieg.« Für ihre Generation, die dritte Generation, ist der Holocaust in eine weite, abstrakte Ferne gerückt. Bald wird man darüber nur noch aus Bildern, Dokumenten und gefilmten Interviews erfahren, nicht mehr von den Zeitzeugen selbst. Dadurch dass der Holocaust in die Ferne rückt, hat sich freilich auch das Verhältnis der Menschen untereinander verändert. In den zwei, drei Jahrzehnten, in denen diese dritte Generation erwachsen wurde, hat sich nicht nur auf politischer Ebene eine andere Beziehung zwischen Israel und Deutschland herausgebildet, auch der Blick der Israelis auf die Deutschen und umgekehrt hat sich verändert. Während die zweite Generation oft noch einen beschwerten distanzierten Dialog führte, in dem es immer auch um die Wahrung einer diplomatischen Etikette ging, ist unter den Zwanzig- bis Vierzigjährigen eine neue Selbstverständlichkeit im Umgang eingekehrt, eine neue israelisch-deutsche Lässigkeit.

Das ist schon eine Revolution, wenn man bedenkt, wie schwer es war, nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Es dauerte zwanzig Jahre, bis 1965, bis dieser Schritt am 12. Mai vor fünfzig Jahren auf offizieller Ebene besiegelt wurde. Auch danach war Deutschland für Israelis als Reiseland alles andere als beliebt. Juden, die in Deutschland lebten, mussten sich nicht selten von ihren Angehörigen in Israel oder anderswo die Frage stellen lassen, wie sie im Land der Täter leben könnten. Deutsche Produkte zu verwenden war sogar noch vielen der heute Vierzigjährigen in der Kindheit »verboten«. Und ein deutsches Fußballnationaltrikot am Strand von Tel Aviv zu tragen - das war selbst für deutsche Juden, die Israel besuchten, ein No-Go.

Und heute? Heute werden am Frishmann Beach die WM-Spiele der Deutschen auf Großleinwänden übertragen, schauen die Tel Aviver zusammen mit deutschen Touristen die Spiele nicht selten mit Begeisterung. Heute gilt Berlin, Hitlers Reichshauptstadt und Ausgangspunkt des Holocaust, als eine der beliebtesten Urlaubsdestinationen für jüdische Touristen, leben in Berlin zwanzigtausend jüngere Israelis (sehr wahrscheinlich schon mehr), die nicht selten die in der Popkultur so beliebten deutschen Turnschuhe mit den drei Streifen tragen, allerlei andere Aspekte der lokalen Kultur adaptieren und offen erklären, dass hier ihr neues Zuhause ist, womit sie des Öfteren in den Medien Wellen schlagen.

Auch Yasmin Korman, die Enkelin von Adolek Kohn, war schon mehrfach in Berlin. Bei jungen Israelis ist diese Reise geradezu Pflicht, aber nicht weil die Vergangenheit dabei die ausschlaggebende Rolle spielen würde. Es ist die kreative liberale Atmosphäre, die die jungen Leute anzieht, die günstigen Mieten und das Partyleben, bei dem die Nächte genauso lang und heiß sind wie in Tel Aviv. Sowenig es im Nightlife von Tel Aviv noch jemandem aufstößt, dass in der Menge der feierwütigen Partypeople junge Deutsche sind, so oft hört man in Berlins Szenebezirken neben Spanisch oder Englisch Hebräisch. Man trinkt zusammen, man feiert zusammen, man tanzt zusammen. Ein lebendigerer Ausdruck für eine grenzüberschreitende Veränderung der dritten Generation, deren Familien die dunkle Geschichte wie ein tiefer schmerzlicher Graben trennte, lässt sich nicht finden.

Doch ist das die vielbeschworene Rückkehr zur »Normalität«? Wird heute, wo die meisten Opfer und Täter tot sind, ein Schlussstrich gezogen und die Vergangenheit ausgeblendet? Oder finden Erinnerungskultur und Schuldbewusstsein auf einer anderen, tieferen Ebene statt? Wie ist es wirklich bestellt um das Verhältnis der Israelis und Deutschen der dritten Generation?

Keine Frage, viele Tabus sind gefallen. Alle heute Zwanzig- bis Vierzigjährigen sind mit der globalen Pop- und Massenkultur aufgewachsen, die eine verbindende Erfahrungsbasis darstellt, ja mehr als das: ein ganzes Baukastensystem der eigenen Identität. Man hat die gleiche Popmusik zu den gleichen Lebensphasen gehört, man begeistert sich für dieselben amerikanischen Fernsehserien, man kauft die gleichen internationalen Markenprodukte, benutzt dieselben Internetdienste. So wie unter Europäern dieser Generation nur noch regionale kulturelle Unterschiede zu bestehen scheinen, scheint die kulturelle Ähnlichkeit auch zwischen Deutschen und Israelis mittlerweile stärker als die einstige historische Kluft, die die geradezu metaphysische Täter-Opfer-Dichotomie für immer und ewig zementiert zu haben schien.

Oder täuscht das? Sind nur die jüngeren Israelis so wild auf ein neues Verhältnis zum anderen Land? Ist das angespannte, schuldbewusste Gefühl, das jede deutsche Israelreise einst zur Bußfahrt machte, in Deutschland einer neuen Gleichgültigkeit gewichen, die durch den kritischen Blick auf den Nahostkonflikt kompensiert wird? Oder schwingt die Geschichte des Holocaust in einer tieferen Parallelrealität mit, während man sich im Nachtleben, in der Kulturszene, am Strand vergnügt? Wie sehr belastet das ungelöste Palästina-Problem mit den immer wieder aufflammenden Kriegen die Situation? Was denken israelische und deutsche Schriftsteller der dritten Generation über all das?

Kein anderes Medium ist so geeignet, unter die Oberfläche des neuen Verhältnisses zu schauen wie die Literatur. Wo Feuilletons und Fernsehsender den israelischen Run auf Berlin als Modephänomen beleuchten, können literarische Texte tiefer dringen, können Moden hinterfragen und subtilere Erfahrungsmomente zur Sprache bringen. Was ist heute erzählbar (und wie), was vorher nicht erzählbar war?

Genau diese Frage haben wir israelischen und deutschsprachigen Autoren gestellt und sie gebeten, Texte über ihren Blick auf das andere Land zu schreiben. Jeder von uns wandte sich dabei in seinem Land an die Autoren, die ihm in der dritten Generation am interessantesten erschienen, aufgrund unterschiedlicher Stile, ihres Talents für die kurze pointierte Form, ihrer Auseinandersetzung mit der Geschichte des Dritten Reichs, ihrer Beziehung zum anderen Land. Es war den Autoren dabei freigestellt, welche Form sie wählen wollten - Erzählungen, literarische Journale, Gedichte, Essayistisches. Das Ergebnis ist so facettenreich und vielschichtig wie die verschiedenen...
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Autor

Katharina Hacker, geboren 1967 in Frankfurt am Main, lebt nach mehrjährigem Aufenthalt in Israel als freie Autorin mit ihrer Familie in Berlin und Brandenburg. 2006 erhielt sie den Deutschen Buchpreis für »Die Habenichtse«. 2015 erschien ihr Roman »Skip« und 2021 das Jugendbuch »Alles, was passieren wird«. Katharina Hacker wurde 2021 mit dem Droste-Preis der Stadt Meersburg ausgezeichnet. Zuletzt erschien ihr Roman »Die Gäste« (2022).Norbert Kron, geboren 1965, lebt als Schriftsteller und Journalist in Berlin.Rainer Merkel, 1964 in Köln geboren, hat Psychologie und Kunstgeschichte studiert und lebt in Berlin. Von 2008 bis 2009 arbeitete er für Cap Anamur im einzigen psychiatrischen Krankenhaus Liberias. Es erschienen die Romane »Das Jahr der Wunder«, für den er den Preis der Jürgen Ponto-Stiftung erhielt, »Das Gefühl am Morgen«, »Lichtjahre entfernt«, der auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand, »Bo«, »Stadt ohne Gott« und die Reportagen »Das Unglück der anderen. Kosovo, Liberia, Afghanistan« und »Go Ebola Go. Eine Reise nach Liberia«. 2013 wurde Rainer Merkel mit dem Erich Fried-Preis ausgezeichnet.Literaturpreise:Literaturförderpreis der Jürgen Ponto-Stiftung 2001Erich Fried-Preis 2013Albert Ostermaier, geboren 1967, Lyriker, Dramatiker und Romanautor, lebt und arbeitet in München. 1988 veröffentlicht er erste Gedichte und erhält zwei Jahre darauf mit dem Literaturstipendium der Stadt München seinen ersten Preis. Das 1995 im Bayerischen Staatsschauspie0l München uraufgeführte Stück >Zwischen zwei Feuern. TollertopographieZephyrSchwarze Sonne scheineSeine Zeit zu sterbenLenz im LibanonGirlThe MentalsYnetHa'artzGirlThe MentalsYnetHa'artz