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Limassol / eBook

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Kein + Abererschienen am01.01.20121. Auflage, neue Ausgabe
Ein auf Selbstmordattentate spezialisierter israelischer Geheimdienstler erhält einen ungewöhnlichen Auftrag: Über eine Schriftstellerin soll er Kontakt zu einem todkranken Dichter aus dem Gazastreifen herstellen, dessen Sohn des Terrorismus verdächtigt wird. Doch schon bald wird der Ermittler selbst in die Ereignisse hineingezogen, bis er schließlich im zypriotischen Limassol vor der Entscheidung steht, seiner Pflicht nachzukommen oder gar den Schuldigen zu decken.

Yishai Sarid wurde 1965 in Tel Aviv geboren, wo er bis heute lebt. Nachdem er als Nachrichtenoffizier in der israelischen Armee tätig war, studierte er in Jerusalem und Harvard und arbeitete später als Staatsanwalt. Heute ist er als Rechtsanwalt tätig, und er veröffentlicht Artikel in diversen Zeitungen. Bei Kein & Aber erschienen bislang seine Romane »Limassol«, »Alles andere als ein Kinderspiel« und zuletzt »Monster«.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextEin auf Selbstmordattentate spezialisierter israelischer Geheimdienstler erhält einen ungewöhnlichen Auftrag: Über eine Schriftstellerin soll er Kontakt zu einem todkranken Dichter aus dem Gazastreifen herstellen, dessen Sohn des Terrorismus verdächtigt wird. Doch schon bald wird der Ermittler selbst in die Ereignisse hineingezogen, bis er schließlich im zypriotischen Limassol vor der Entscheidung steht, seiner Pflicht nachzukommen oder gar den Schuldigen zu decken.

Yishai Sarid wurde 1965 in Tel Aviv geboren, wo er bis heute lebt. Nachdem er als Nachrichtenoffizier in der israelischen Armee tätig war, studierte er in Jerusalem und Harvard und arbeitete später als Staatsanwalt. Heute ist er als Rechtsanwalt tätig, und er veröffentlicht Artikel in diversen Zeitungen. Bei Kein & Aber erschienen bislang seine Romane »Limassol«, »Alles andere als ein Kinderspiel« und zuletzt »Monster«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783036991092
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum01.01.2012
Auflage1. Auflage, neue Ausgabe
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3813 Kbytes
Artikel-Nr.2078016
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

»Mal angenommen ...«, sagte er zögernd und fing an zu husten, ich half ihm, das nasse Shirt auszuziehen. »Angenommen, da lebt einer in New York und träumt davon, etwas zu machen. Starke Filme wie Scorseses Taxi Driver. Seine Mutter finanziert ihm das Studium an der besten Filmhochschule, er hat keine Ahnung, wie sie das Geld zusammenkratzt. Aber ihm bleibt kein Cent für andere Dinge, für den Stoff, den er nimmt, zum Beispiel, denn ohne den kann er sich nicht konzentrieren, er ist noch in keiner Schule klargekommen. Er haust mit Ratten in einem Loch von anderthalb Zimmern, und dann spricht ihn in einem Café ein anderer Israeli an ... das nimmst du jetzt nicht auf, oder?«

»Nein, bei dem Wind könnte man ohnehin nichts verstehen.«

»Und dieser andere Israeli ...« Jotam hustete, »also der lädt ihn in ein nettes Lokal zum Essen ein, bringt ein paar Frauen mit, eine davon sieht genauso aus wie Jennifer Lopez. Ein Alphatyp, mit dem du dich zu Hause niemals angefreundet hättest, ihr wäret beide ins Grab gestiegen, ohne je zusammen Kaffee getrunken zu haben. Aber in New York ist das anders, und bevor ihr euch verabschiedet, sagt er dann, er hätte eine Wohnung, die leer stehe. Im Trump Tower gegenüber vom Fluss. Er drückt dir den Schlüssel in die Hand, und eine der Mexikanerinnen bringt dich auf seine Kosten im Taxi dorthin. Du fängst allmählich an, dich wieder wie ein Mensch zu fühlen, endlich erlebst du was, hast Material für ein Drehbuch. Du bist in Amerika! In Amerika und schleckst ein wenig vom lokalen Honig. Die Wohnung ist atemberaubend, mit Blick über die ganze Stadt, der Portier unten am Eingang weiß, dass du kommst, und begrüßt dich, alles ist arrangiert, dir schwirrt der Kopf, und er steckt dir Stoff in die Tasche, der süßer ist als alles, was du je probiert hast, gerade frisch von Pedros kolumbianischen Plantagen ...«

»Der Alphatyp war Nochi Asarja?«, fragte ich.

Jotam nickte.

Die Flut schickte kleine Wellen an den Strand, die den Sand durchfeuchteten. Ich zog Jotam aufs Trockene, er war leicht wie ein Kind.

»Der großzügigste Mensch, den ich je getroffen habe«, fuhr er fort. »Wusste nichts von Jagnes und seinen Filmen, kannte weder Mama noch ihre Bücher. Er sagte, er käme aus einem Moschaw im Süden und habe in der Golani-Brigade gedient, anschließend sei er nach New York geflogen, habe einige Verbindungen geknüpft und sein Geschäft aufgebaut. Bruder, ich finde, es wird kalt hier.«

Ich zog das Hemd aus, legte es um seine Schultern und hatte selbst nur ein kurzärmeliges weißes Trikot an.

»Nochi hat mich aufgebaut. Ich erzählte ihm von dem Film, den ich machen wollte, und er sagte, er würde mir Geld dafür geben. Plötzlich hatte ich unglaubliche Energie, alles klappte wie am Schnürchen. Dann kam Weihnachten. Nochi spendierte mir ein Ticket und schickte mich auf Heimaturlaub.«

Mir fiel der junge Mann ein, der vor einigen Jahren an der Allenby-Brücke aufgegriffen und mit Bauchschmerzen und schuldbewusster Miene zu uns gebracht wurde. Wir vermuteten, er habe Anweisungen für das nächste Attentat verschluckt, doch nach zwei Stunden auf dem Topf drängten sich zwei Kilo Heroin in Plastikdärmen aus ihm heraus.

»Mit einem Koffer«, fuhr Jotam fort. Ich sah jetzt nur seine Silhouette, in mein Hemd gehüllt redete er wie im Fieber.

»Ich packte meine Sachen ein, Bücher und ein Geschenk für Mama. Ich hatte keine Ahnung, was Nochi hineingetan hatte, er muss es im doppelten Rahmen versteckt haben. In der Nacht vor dem Abflug wich er nicht von meiner Seite, wir unterhielten uns über die Zukunft. Er passte auf, dass ich das Flugzeug clean bestieg, ich nahm nur Beruhigungspillen, um am Ben-Gurion-Flughafen nicht aufzufallen. Souverän wie ein Profi marschierte ich durch den Zoll, die Fettärsche sitzen ja nur da und kontrollieren sowieso keinen. In der Ankunftshalle wartete Mama auf mich, Küsse und Umarmungen. Gut siehst du aus, und einen schönen Koffer hast du. Komm, Mama, lass uns fahren. Ich hatte Angst vor den Schäferhunden, die manchmal an den Flughäfen rumschnüffeln, doch bei uns werden sie selten eingesetzt, weil uns das an die Nazis erinnert.«

»Am nächsten Morgen traf ich mich mit jemandem auf der Straße unter Mamas Wohnung. Wir saßen in einem großen Lieferwagen mit verhängten Fenstern. Er nahm den Koffer und gab mir einen anderen, der genauso aussah. Ich flog zurück nach New York, zurück ins Paradies. Nochi sorgte für alles, was ich brauchte.

Das Studium gab ich auf, Kubrick hat auch nie eine Filmhochschule absolviert. Ich lebte in einem phantastischen Streifen, auf dem Dach der Welt. Ich machte mich ans Drehbuchschreiben und gab Nochi jedes fertige Kapitel zu lesen. Im Sommer schickte er mich noch einmal nach Israel, mit dem gleichen Koffer, er war nur ein wenig schwerer. Auch da ging alles glatt. Allerdings war ich bei der Ankunft ziemlich bekifft, aber ich war es gewohnt, Haltung zu bewahren. Mama, Küsschen, mein nettes kleines Zimmer, Koffertausch. Nach drei Tagen haute ich ab, ich flog für eine Woche nach Rom, ich hatte mir zu Hause die tiefste Depression meines Lebens geholt.«

Eine Formation von drei Kampfhubschraubern flog Richtung Norden übers Meer, ihre aufgeblendeten Scheinwerfer färbten das Wasser weißlich. Ich musterte die zitternde Gestalt, das fettige, ins Gesicht fallende Haar und versuchte abzuschätzen, wie weit man von hier mit einem Ruderboot käme.

»Später hab ich einen Kurzfilm gedreht, es war eher Videoart als Film«, kam es unter den Haarsträhnen hervor. »Ich konnte ihn bei einem Festival unterbringen, mein Name stand sogar in der Village Voice. Anschließend ergatterte ich bei einer Produktion einen kleinen Job am Set, es war das erste Mal, dass mir etwas Gutes widerfuhr. Ich versuchte, mich zu reinigen, den ganzen Dreck zu vergessen, unser beschissenes Land, meine Eltern. Ich bedankte mich bei Nochi und kündigte an, ich würde aus der Wohnung ausziehen, und wirklich vielen Dank für alles. Na prima , sagte er, dann viel Erfolg. Aber eine Reise schuldest du mir noch, nur eine. Ich versuchte, das zu umgehen, aber er fing an, von all dem Geld zu reden, das er in mich investiert hatte, und wie er mich in einer schwierigen Phase aus der Gosse gezogen hätte. Da gab es nichts zu diskutieren. Aber es sollte das letzte Mal sein, das versicherte er mir.

Der gleiche Koffer, diesmal war er irre schwer. Ich schluckte Clonx, Ritalin, Valium. Schon auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen ging mir der Arsch auf Grundeis. Vor Angst schlotternd stieg ich in den Flieger. Über dem Atlantik hatte ich Albträume und schwitzte wie ein Affe, und kaum, dass wir in Tel Aviv gelandet waren, kam ein Polizist an Bord, paradierte auf dem Gang hin und her und hielt den ganzen Betrieb auf, warum blieb rätselhaft.

Zur Gepäckausgabe schaffte ich es noch, dann konnte ich nicht mehr. Ich nahm den Koffer vom Laufband direkt mit aufs WC, schloss mich in der Kabine ein, entfernte alle Aufkleber, wischte alle Fingerabdrücke ab, nahm meine Sachen heraus und stopfte sie in Plastiktüten, die ich auf verschiedene Abfallbehälter verteilte. Den Koffer ließ ich einfach in der Toilette stehen. Draußen fragte Mama Hast du keinen Koffer? Nein , sagte ich, ist mir abhanden gekommen, ist irrtümlich nach Krakau geflogen, Mama, ich kann heute nicht zu Hause schlafen, ich muss da was regeln, ich komm in ein paar Tagen zu dir. Das war vor vier Monaten. Seitdem bin ich auf der Flucht. Sie hatten jede Menge Stoff im Koffer, er war ziemlich schwer. An die zehn Kilo, schätz ich.«

Hau ab, Jotam, dachte ich, warum bleibst du hier? Flieh ans Ende der Welt und fang noch mal von vorn an. Vergiss Jagnes, die Filmerei und all den Quatsch. Rette, was von dir noch zu retten ist.

Ich saß nahe bei ihm. Ekele dich nicht vor ihm, er ist Fleisch aus dem Fleisch seiner Mutter.

»Ich kann dir Straffreiheit bei der Polizei garantieren«, murmelte ich, »aber du musst gegen ihn aussagen.« Jotam fing an zu lachen, rappelte sich auf und fuchtelte mit den Armen in der Luft herum. »Soll das ein Witz sein? Die legen mich um.« Wieder sank ihm der Kopf auf die Brust, Schweiß troff von seinem Gesicht. »Ich bin fix und fertig, ich habe keine Kraft. Gegen die komme ich nicht an. Du hast einen Toten vor dir.«

»Und was ist mit den Filmen, die du drehen willst?«

»Es reicht, dass ein Jagnes schlechte Filme gemacht hat«, grinste er, seine Stimme klang plötzlich jung und verletzlich. »Die Welt wird ohne meine Filme auskommen.«

»Wie bist du zu retten?«, fragte ich. Das Meer vor uns war jetzt dunkel, das Zelt in der Ferne abgebaut, das Lagerfeuer erloschen.

»Gib mir meinen Stoff zurück« - er ging auf die Knie - »dann wird alles gut. Nur eine Tüte, damit ich die Nacht überstehe. Anschließend komme ich schon selber klar. Sag Daphna, sie soll mich vergessen oder...
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Autor

Yishai Sarid wurde 1965 in Tel Aviv geboren, wo er bis heute lebt. Nachdem er als Nachrichtenoffizier in der israelischen Armee tätig war, studierte er in Jerusalem und an der Harvard University und arbeitete später als Staatsanwalt. Heute ist er als Rechtsanwalt tätig und veröffentlicht Artikel in diversen Zeitungen. Bei Kein & Aber erschienen bislang seine Romane Limassol, Alles andere als ein Kinderspiel, Monster, Siegerin und zuletzt Schwachstellen.

Helene Seidler hat u.a. bereits Romane von Yishai Sarid, Dorit Rabinyan und Ilan Heitner aus dem Hebräischen ins Deutsche übertragen.