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Himmelfahrt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am16.11.20151. Auflage
Rom, Sankt Peterskirche: An einem grauen Novembernachmittag stürzt Prinz Ludovico Ruspanti in den Tod. War es Selbstmord? Polizeikommissar Aurelio Zen glaubt nicht daran. Des Prinzen Himmelfahrt entwickelt sich zu einem außergewöhnlichen Fall für den römischen Kommissar. Als er versucht, in die dunklen Geheimnisse des Vatikans einzudringen, sieht er sich einer scheinbar unüberwindbaren Mauer des Schweigens gegenüber. Denn Zeuge für Zeuge verstummt für immer.

Michael Dibdin, geboren 1947 in Wolverhampton, studierte englische Literatur in England und Kanada. Vier Jahre lehrte er an der Universität von Perugia. Bekannt wurde er durch seine Figur Aurelio Zen, einen in Italien ermittelnden Polizeikommissar. Elf Bände dieser Krimiserie sind erschienen. Michael Dibdin wurde mit dem CWA Gold Dagger und dem Grand prix de littérature policière ausgezeichnet. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und von der BBC als TV-Serie verfilmt. Er starb 2007 in Seattle.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextRom, Sankt Peterskirche: An einem grauen Novembernachmittag stürzt Prinz Ludovico Ruspanti in den Tod. War es Selbstmord? Polizeikommissar Aurelio Zen glaubt nicht daran. Des Prinzen Himmelfahrt entwickelt sich zu einem außergewöhnlichen Fall für den römischen Kommissar. Als er versucht, in die dunklen Geheimnisse des Vatikans einzudringen, sieht er sich einer scheinbar unüberwindbaren Mauer des Schweigens gegenüber. Denn Zeuge für Zeuge verstummt für immer.

Michael Dibdin, geboren 1947 in Wolverhampton, studierte englische Literatur in England und Kanada. Vier Jahre lehrte er an der Universität von Perugia. Bekannt wurde er durch seine Figur Aurelio Zen, einen in Italien ermittelnden Polizeikommissar. Elf Bände dieser Krimiserie sind erschienen. Michael Dibdin wurde mit dem CWA Gold Dagger und dem Grand prix de littérature policière ausgezeichnet. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und von der BBC als TV-Serie verfilmt. Er starb 2007 in Seattle.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293308862
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum16.11.2015
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3156 Kbytes
Artikel-Nr.3421141
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1


»... quia peccavi nimis cogitatione, verbo, opere et omissione: mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa.«

Durch das Lautsprechersystem und die volltönende Akustik der großen Basilika verstärkt, hallte die Stimme des Priesters, der die Messe las, mit übermenschlicher Autorität wider, anscheinend ohne jede Beziehung zu der winzigen Gestalt, die sich wie ein Knödeltenor auf einer Provinzbühne gegen die Brust schlug. Die etwa fünfzig Gläubigen, die an diesem trostlosen Abend Ende November zusammengekommen waren, waren alle bereits in fortgeschrittenem Alter und überwiegend weiblich. Apsis und Kapelle der Cattedra, für sich schon weiträumiger als die meisten Kirchen insgesamt, waren von uniformierten Wächtern für den Gottesdienst abgesperrt worden, doch in anderen Bereichen der Peterskirche spazierten Touristen und Pilger weiterhin allein oder in Gruppen herum und kosteten, ganz benommen von all der geistlichen und weltlichen Pracht, die allenthalben auf sie einstürmte, apathisch den bitteren Geschmack der eigenen Bedeutungslosigkeit aus.

Für einige von ihnen war das Läuten der Glocke, die Orgelklänge und die Prozession des rot gewandeten Priesters und der Ministranten eine willkommene Abwechslung von all der erdrückenden Größe, fast so, als ob die Nachmittagsmesse eine Art Schauspiel wäre, von der Kirche inszeniert als Versuch, diese kühle Monstrosität zum Leben zu erwecken, ein Son-et-Lumière-Spektakel, das die Erinnerung an die religiöse Funktion, die die Messe ursprünglich hatte, heraufbeschwören sollte. Neugierig wie kleine Kinder drängelten sie sich hinter den Seilen, die die Apsis abteilten, und gafften auf Berninis schamlos bombastische Lichtstrahlen und die großartigen Grabmäler der Päpste auf beiden Seiten. Eine Weile nahmen die rhythmischen Kadenzen der lateinischen Liturgie ihre Aufmerksamkeit gefangen, doch als dann aus der Apokalypse des Johannes gelesen wurde, gingen viele Leute weg. Die, die blieben, waren unruhig und zappelig, flüsterten miteinander oder blätterten raschelnd in ihren Reiseführern.

Ein Mann, der ein wenig abseits von der Menge stand, schenkte dem Gottesdienst ganz offensichtlich keinerlei Aufmerksamkeit. Er trug eine Wildlederjacke und ein geblümtes Hemd, das so weit aufgeknöpft war, dass man die schwere Goldkette sehen konnte, die auf seiner üppig behaarten Brust prangte. Seine kräftigen Arme hatte er verschränkt, wodurch ein Ärmel seines Jacketts hochgerutscht war und den Blick auf die goldene Rolex Oyster an seinem linken Handgelenk freigab. Sein großes, rundes und leicht nach innen gewölbtes Gesicht war wie eine Satellitenschüssel nach oben gerichtet, die ein mit dem bloßen Auge nicht erkennbares Himmelsobjekt verfolgt, hoch oben in der dunklen Tiefe der unbeleuchteten Kuppel. Nicht weit von ihm, am Fuß einer der massiven Spiralsäulen, die den kunstvollen bronzenen Baldachin über dem päpstlichen Altar tragen, war eine Frau ebenfalls in das sich oben abspielende Schauspiel vertieft. Mit ihrem grauen Tweedmantel, der klassischen schwarzen Wolljacke, dem wadenlangen Samtrock und dem weißen Seidentuch, das ihre Haare bedeckte, wirkte sie wie eine Designer-Version der alten Mütterchen, die den größten Teil der versammelten Gemeinde bildeten. Doch ihr leuchtend roter Lippenstift, der nur bedingt zu ihren eiskalten blauen Augen passte, signalisierte eine ganz andere Botschaft.

Die auf die Lesung folgende Predigt klang weniger wie ein gelehrter Diskurs als wie ein spontaner Frustrationsausbruch seitens des Priesters, der sich über das magere Erscheinen ärgerte. Früher, so klagte er, war die Kirche das Zentrum der Gemeinde, eine besondere Stätte, wo die Menschen zusammenkamen, um die Gegenwart Gottes zu spüren. Und wie war das heute? Die Geschäfte, Diskotheken, Nachtclubs, Kneipen und Fast-Food-Läden mussten die Leute sogar schon wegen Überfüllung wegschicken, während die Kirchen leerer denn je waren. Der touristische Durchgangsverkehr hatte sich inzwischen weitgehend zerstreut, aber diese Art von Argumentation lief offenbar Gefahr, auch noch den harten Kern der Gemeinde zu vergraulen, da sie den Leuten ihren Status als anachronistische Randgruppe bewusst machte, als Vertreter einer überholten Denkweise. Husten, Scharren und allgemeine Unaufmerksamkeit machten sich breit.

Für eine kurze Abwechslung sorgte eine Nonne mit vorstehenden Zähnen und Brille, die atemlos und hektisch angehastet kam und einen großen Strauß Blumen umklammert hielt. Sie entschuldigte sich bei den Wächtern, die sie mit einem Schulterzucken durch die Absperrung winkten. Nachdem sie den Strauß auf der Balustrade um die riesige Statue der heiligen Veronika abgelegt hatte, nahm die Nonne auf einer der hinteren Bänke Platz, während der Priester gerade das Credo anstimmte. Ein Sicherheitsbeamter in Zivil, der das Ganze vom Rande der Versammlung beobachtet hatte, ging hinüber, hob die Blumen auf und inspizierte sie argwöhnisch, als ob sie möglicherweise explodieren könnten.

»Et iterum venturus est cum gloria, judicare vivos et mortuos ...«

Zuerst klang es wie eine elektronische Rückkopplung aus den Lautsprechern, dann wie das Kreischen eines tieffliegenden Flugzeugs. Einige der herausgehenden Touristen schauten in die bedrohlich über ihnen schwebende Kuppel hinauf, wie es der Mann mit der Wildlederjacke und der goldenen Kette und die Frau mit dem Tweedmantel und dem weißen Kopftuch die ganze Zeit über getan hatten. Dort jedenfalls schien das unheimliche Geräusch herzukommen, eine Mischung aus Winseln und Knurren, das sich in der Basilika ausbreitete wie bunte Farbe in einem Becken voll Wasser. Dann erspähte jemand die Erscheinung hoch oben und fing an zu schreien. Der Priester geriet ins Stocken, und selbst die Gemeinde drehte sich um, um zu sehen, was da vor sich ging. Es herrschte absolute Stille, während alle zusahen, wie das schwarze Etwas aus der dunklen Höhe auf sie herabstürzte.

Der Anblick war eine Art Rorschachtest für die geheimen Ängste und Fantasien eines jeden. Eine an Arthritis leidende Schneiderin, die über einer Karosseriewerkstatt im Borgo Pio wohnte, glaubte, der lang ersehnte Engel sei endlich gekommen, um sie von ihren körperlichen Qualen zu erlösen. Ein Apotheker im Ruhestand aus Potenza dagegen, der erst zum zweiten Mal in seinem Leben die Hauptstadt besuchte, erinnerte sich an das Erdbeben, das erst kürzlich seine eigene Stadt verwüstet hatte, und meinte, ein großes Stück aus der Kuppel herabfallen zu sehen, als erstes Zeichen für den allgemeinen Zusammenbruch. Andere dachten konfus an Spinnen und Fledermäuse, ein Kunststück von Superman oder eine Zirkusnummer. Nur einer der Beobachter wusste genau, was da vor sich ging, weil er das alles schon erlebt hatte. Giovanni Grimaldi ließ den Blumenstrauß der Nonne auf den Marmorfußboden fallen, wo er auseinanderfiel, und griff nach seinem Funksprechgerät.

Spätere Berechnungen ergaben, dass zwischen der ersten Wahrnehmung und dem endgültigen Aufprall kaum mehr als vier Sekunden vergangen sein konnten. Denjenigen, die ungläubig und mit wachsendem Entsetzen zusahen, war es allerdings so vorgekommen, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Man hätte durchaus meinen können, dass die Gestalt durch eine Materie fiel, die dichter war als Luft, so langsam schien sie herunterzukommen. Sie drehte sich träge um die eigene Achse, wobei die lang anhaltende Klage sie wie ein wallendes Gewand umhüllte. Rumpf und Glieder vollführten gemächlich eine Sarabande, die abrupt endete, als der Körper mit annähernd 120 Stundenkilometern mit dem Kopf zuerst auf dem Marmorboden aufschlug.

Niemand bewegte sich. Der feucht glänzende Haufen aus Blut und Bindegewebe sank mit einem leise furzenden Geräusch sanft in sich zusammen. Priester und Gemeinde, Touristen und Wächter, alle standen so still und starr wie Figuren in einer aus Gips geformten Darstellung von Christi Geburt. In den hinteren Ecken und Winkeln des weiträumigen Gebäudes verebbte das letzte Echo des lang gezogenen Schreis. Dann nahmen, schrill wie eine Trompete, erst eine, dann viele Stimmen das Geräusch wieder auf, schrien hysterisch, heulten, schluchzten und keuchten.

Giovanni Grimaldi ging auf den Körper zu. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, wie in einem bösen Traum, da die Menge sich immer wieder vor ihm schloss und ihn nicht durchließ. Endlich gelangte er in den inneren Kreis, in den sich niemand mehr vorwagte, rutschte prompt aus und fiel hin, wobei sein Funksprechgerät mit lautem Geklapper neben ihm zu liegen kam. Instinktiv wich die Menge zurück, voller Furcht über den erneuten Beweis für die böse Macht, die in diesen mörderischen Boden gefahren war. Das Geschrei wurde noch doppelt so laut, weil die Menschen in den hinteren Reihen umgeworfen und überrannt wurden. Während die Wächter versuchten, die Menge unter Kontrolle zu bringen, stand Grimaldi auf. An seinem blauen Anzug klebte das Blut, auf dem er ausgerutscht war. Auf den Marmorplatten war es hingegen kaum zu sehen, ein paar leichte Spritzer, die sich perfekt mit den scharlachroten Adern unter der auf Hochglanz polierten Oberfläche vermischten.

Er hob sein Funksprechgerät wieder auf und drückte die Ruftaste. Während sich die Zentrale wie üblich mit dem Antworten Zeit ließ, schaute Grimaldi um sich und versuchte, den Mann mit der Wildlederjacke und die Frau im Tweedmantel zu finden, doch sie waren nicht mehr da.

»Ja?«, rief ihm eine von lautem Knistern begleitete Stimme verärgert ins Ohr.

»Hier ist Grimaldi. Wir haben einen Springer in der...


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Autor

Michael Dibdin, geboren 1947 in Wolverhampton, studierte englische Literatur in England und Kanada. Vier Jahre lehrte er an der Universität von Perugia. Bekannt wurde er durch seine Figur Aurelio Zen, einen in Italien ermittelnden Polizeikommissar. Elf Bände dieser Krimiserie sind erschienen.Michael Dibdin wurde mit dem CWA Gold Dagger und dem Grand prix de littérature policière ausgezeichnet. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und von der BBC als TV-Serie verfilmt. Er starb 2007 in Seattle.

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