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Die letzten Tage der Raubtiere

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Edition Nautiluserschienen am06.03.2023
Dicht an der Realität der Ära Macron, nur leicht verschoben, entwirft Jérôme Leroy ein hellsichtiges Polit-Drama: Präsidentin Nathalie Séchard, die einst die Hoffnung auf Erneuerung an der Staatsspitze verkörpert hatte, hat sich entschieden, das Handtuch zu werfen und nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Das ruft alte Rivalen und Rivalinnen auf den Plan, zum Beispiel Agnès Dorgelles, Führerin des rechtsradikalen Patriotischen Blocks, und zahlreiche männliche Kulissenschieber auf Regierungsebene, die nur darauf warten, dem »blonden Cougar« die Staatsgewalt aus den Händen zu reißen. Als gäbe es nicht Wichtigeres zu tun. Frankreich ist nach zwei Jahren Pandemie erschöpft, Gelbwesten blockieren die Straßen, Impfgegner machen mobil, die Polizei setzt einen brutalen Lockdown durch. Eine Dürre ist ausgebrochen und das Wasser wird knapp. Inmitten dieses explosiven Settings wird die zwanzigjährige Clio, linke Aktivistin und Studentin einer Elite-Uni, zur Zielscheibe einer Verschwörung, denn ihr Vater ist aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat der Grünen. Jérôme Leroy, Meister des Noir und »Schriftsteller von europäischem Rang« (Hannes Hintermeier, FAZ), lässt das Intrigenspiel in eine blutige Auseinandersetzung und den Kampf um die Präsidentschaft in einen regelrechten Bandenkrieg kippen.

Jérôme Leroy, geboren 1964 in Rouen, ist Autor, Literaturkritiker und Herausgeber. Er hat zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht. Auf Deutsch erschienen bisher »Der Block« (2017), »Die Verdunkelten« (2018) und »Der Schutzengel« (2020) sowie »Terminus Leipzig« (2022), ein Gemeinschaftswerk mit Max Annas. »Der Block« wurde mit dem Deutschen Krimipreis 2018 in der Kategorie International (3. Platz) ausgezeichnet. Jérôme Leroy lebt in Lille. Cornelia Wend, geboren 1965, studierte Französisch und Germanistik in Hannover, Hamburg und Rouen. Seit 1994 arbeitet sie als freie Übersetzerin, u.a. von Élisabeth Filhol, Patrick Pécherot, Chloé Mehdi und Jérôme Leroy. Für ihre Übertragung von Élisabeth Filhols Roman »Doggerland« wurde sie mit dem Hamburger Übersetzerpreis 2020 ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextDicht an der Realität der Ära Macron, nur leicht verschoben, entwirft Jérôme Leroy ein hellsichtiges Polit-Drama: Präsidentin Nathalie Séchard, die einst die Hoffnung auf Erneuerung an der Staatsspitze verkörpert hatte, hat sich entschieden, das Handtuch zu werfen und nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Das ruft alte Rivalen und Rivalinnen auf den Plan, zum Beispiel Agnès Dorgelles, Führerin des rechtsradikalen Patriotischen Blocks, und zahlreiche männliche Kulissenschieber auf Regierungsebene, die nur darauf warten, dem »blonden Cougar« die Staatsgewalt aus den Händen zu reißen. Als gäbe es nicht Wichtigeres zu tun. Frankreich ist nach zwei Jahren Pandemie erschöpft, Gelbwesten blockieren die Straßen, Impfgegner machen mobil, die Polizei setzt einen brutalen Lockdown durch. Eine Dürre ist ausgebrochen und das Wasser wird knapp. Inmitten dieses explosiven Settings wird die zwanzigjährige Clio, linke Aktivistin und Studentin einer Elite-Uni, zur Zielscheibe einer Verschwörung, denn ihr Vater ist aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat der Grünen. Jérôme Leroy, Meister des Noir und »Schriftsteller von europäischem Rang« (Hannes Hintermeier, FAZ), lässt das Intrigenspiel in eine blutige Auseinandersetzung und den Kampf um die Präsidentschaft in einen regelrechten Bandenkrieg kippen.

Jérôme Leroy, geboren 1964 in Rouen, ist Autor, Literaturkritiker und Herausgeber. Er hat zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht. Auf Deutsch erschienen bisher »Der Block« (2017), »Die Verdunkelten« (2018) und »Der Schutzengel« (2020) sowie »Terminus Leipzig« (2022), ein Gemeinschaftswerk mit Max Annas. »Der Block« wurde mit dem Deutschen Krimipreis 2018 in der Kategorie International (3. Platz) ausgezeichnet. Jérôme Leroy lebt in Lille. Cornelia Wend, geboren 1965, studierte Französisch und Germanistik in Hannover, Hamburg und Rouen. Seit 1994 arbeitet sie als freie Übersetzerin, u.a. von Élisabeth Filhol, Patrick Pécherot, Chloé Mehdi und Jérôme Leroy. Für ihre Übertragung von Élisabeth Filhols Roman »Doggerland« wurde sie mit dem Hamburger Übersetzerpreis 2020 ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960543145
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum06.03.2023
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1494 Kbytes
Artikel-Nr.11159999
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

NATHALIE GEHT

Nathalie Séchard, Oberbefehlshaberin der Streitkräfte, Großmeisterin des nationalen Ordens der Ehrenlegion, Großmeisterin des nationalen Verdienstordens, Kofürstin von Andorra, erste und einzige Ehrenkanonikerin der Erzbasilika von San Giovanni in Laterano, Schirmherrin der Académie française und des UNESCO-Weltkulturerbes Schloss Chambord, Hüterin der Verfassung, und nebenbei Präsidentin der Fünften Republik, ist gerade in diesem Moment dabei zu vögeln.

Und Nathalie Séchard vögelt mit Hingabe und Freude.

Nathalie Séchard hat das schon immer geliebt, mehr als die Macht. Eben darum wird sie diese auch verlieren. Das ist genau wie mit dem Geld, denkt sie gerne, wenn sie nicht vögelt. Die Reichen sind nicht reich, weil sie eine besondere Begabung haben. Die Reichen sind reich, weil sie Geld lieben. Sie lieben nichts anderes, mit der Zeit wird das abstrakt. Und etwas diabolisch, wie alles Abstrakte. Lieber zehn Milliarden als acht. Lieber zwölf als zehn. Und immer so fort. Das hört nie auf.

Mit der Macht ist es genauso, man muss sie um ihrer selbst willen lieben. Man muss ausschließlich sie lieben, nur an sie denken, nur für sie leben. Nicht für das, was sie möglich macht. Nathalie Séchard, die immer noch vögelt, konnte sich in den letzten Jahren davon überzeugen, dass politische Macht auch nicht mehr das ist, was sie mal war. Die Präsidentin steht an der Spitze einer Mittelmacht, in der nichts mehr so richtig gut funktioniert, wie in einem mittelständischen Zuliefererbetrieb mit einem einzigen Auftraggeber am Rande der Pleite.

»Ich hätte links bleiben sollen«, denkt sie manchmal, wenn sie nicht ihren Mann besteigt.

Jetzt gerade spürt sie ein Kribbeln in den Handflächen. Das sind bei ihr in der Regel die ersten schwachen Vorboten eines gigantischen Orgasmus, der sie umhauen wird, und genau den braucht die Präsidentin jetzt.

Die Nacht ist tropisch heiß, und zwar nicht nur, weil ihre Hormone verrückt spielen, sondern weil das Wetter verrückt spielt, und die Präsidentin erträgt keine Klimaanlagen. Das Fenster im Schlafzimmer des Pavillon de la Lanterne steht offen. Draußen im Park der hübschesten Zweitwohnung der Republik hört man die Eulen rufen.

Besser übrigens, man stellt sich als Leser gleich darauf ein: Diese Geschichte spielt während einer ausdauernden Hitzeperiode, einer bleiernen Hitze, die sich nicht um Jahreszeiten schert. In den Problemvierteln, die seit fünfzehn Monaten einem harten Lockdown unterworfen sind, wirkt sie wie ein Brandbeschleuniger für Aufstände, aber auch in der restlichen Gesellschaft führt sie zu einem einzigen Chaos. Das zeigt sich an den vielen Irrsinnstaten, die die Schlagzeilen beherrschen. Sie bieten den Nachrichtensendern einen Vorwand zu langen und substanzlosen Diskussionen, die, so scheint es Präsidentin Séchard im Nachhinein, den mörderischen Soundtrack ihrer Amtszeit bildeten.

Sie ist Kommentatorenfutter, so wie andere Kanonenfutter waren.

Um diesen mörderischen Soundtrack zu vertreiben, und da das Amt, das sie ausübt, immer geisterhaftere Züge annimmt, zieht sie es vor, zu vögeln und Haydn zu hören, diesen Musiker des Glücks. Manchmal tut sie auch beides zugleich, wie gerade jetzt, und zwischen den Seufzern, die von ungeduldigem Stöhnen unterbrochen werden, kann man im dunklen Schlafzimmer die Sonate 41 in B-Dur hören, mit Misora Ozaki am Piano.

Natürlich bleibt ihr von der Macht noch der Anschein. Sie mochte die Dienstreisen, sie leitete gerne Kabinettssitzungen, fand Gefallen am Defilee zum 14. Juli, an der Fahrzeugkolonne aus schwarzen Peugeots 5008, und auch am Eifer ihrer Personenschützer.

Doch in dieser Nacht liebt sie noch nicht einmal mehr das.

In dieser Nacht liebt sie ihren Mann, den sie in sich spürt, und sie liebt die Sonate 41 in B-Dur. Sie sollte nicht vergessen, vor Ende ihrer Amtszeit Misora Ozaki in den Élysée-Palast einzuladen.

Ihr Personenschutz wird von der für die Sicherheit der Präsidentin zuständigen GSPR gewährleistet, und es hat eine Weile gedauert, bis sie mitbekommen hat, dass man ihr direkt nach der Wahl den Codenamen »Blonder Cougar« verpasst hat. Als sie es schließlich erfuhr, ließ sie sich nichts anmerken. Sie war diese Art von Schlüpfrigkeiten gewohnt. Never explain, never complain. Sonst wäre das an die Presse durchgesickert. Man hätte sich in den Sozialen Netzwerken drei Wochen lang das Maul zerrissen, sie wäre nervlich am Ende gewesen und danach hätte ganz Frankreich sie Blonder Cougar genannt.

Nur einmal erlaubte sie sich das Vergnügen, einer Personenschützerin die Schamesröte ins Gesicht zu treiben. Die Lieutenante von der Gendarmerie begleitete Präsidentin Séchard bei einem turbulent verlaufenden Termin in der Provinz - aber hat sie als Präsidentin je Termine in der Provinz erlebt, die nicht turbulent verliefen? - in eine kleine Stadt in Zentralfrankreich, deren Unterpräfektur nach einem Protest der Gelbwesten abgebrannt war.

Es regnete, wie es allein in diesen von kalter Melancholie erfüllten Gegenden regnen kann, in denen die Häuser aus grauem Stein sind, die Dächer aus Kalkschiefer, und die Friseursalons Schilder haben, deren Typografie gegen Ende des Algerienkriegs futuristisch war. Eine dieser Gegenden, in denen es lauter erloschene Vulkane gab und ein paar übriggebliebene alte Frauen, die genauso aussahen wie früher, mit Witwenbuckel und schwarzem Kopftuch. Man konnte meinen, sie wären schon immer neunzig gewesen und würden es für immer bleiben. Das ist rührend, dachte die Präsidentin verträumt, die seit ihrer Wahl zu Tagträumen neigte, was sie etwas beunruhigte, da diese sich wenig mit ihrem Amt vertrugen.

Die kleine Stadt roch noch nach dem nicht vollständig gelöschten Brand. Die Präsidentin lauschte vor den heruntergebrannten Gebäuden den Erläuterungen des Unterpräfekten, ohne wirklich zuzuhören. Hinter der Sicherheitsabsperrung in fünfzig Metern Entfernung war ein cholerisches Gebrüll zu hören. Man rief Schlampe, man rief Reichen-Nutte, man rief Hau ab, Alte. In der Regel waren sie schon etwas höflicher, die Gelbwesten. Abends empörte man sich in den Fernsehstudios. Ausnahmsweise sekundierte man ihr. Nicht, weil man sie auf einmal ins Herz geschlossen hätte, sondern schlicht, weil die etablierten Journalisten und die Politiker jedweder Couleur die Gelbwesten noch mehr hassten.

Die Lieutenante von der Gendarmerie, eine hochgewachsene, kräftige junge Frau in einem schwarzen Hosenanzug mit einem mädchenhaften Pferdeschwanz, die eine Aktentasche aus schusssicherem Kevlar umklammert hielt, die jederzeit auseinandergefaltet werden konnte, um den Blonden Cougar zu schützen, presste die Kiefer aufeinander. Überrascht hörte Nathalie Séchard sie sagen:

»Bei einem Mann würden sie nie so reden, diese sexistischen Idioten!«

»Ach, und Blonder Cougar finden Sie okay? Hat denn keine Frau in der GSPR dagegen protestiert? Immerhin gibt es unter den siebzig Personenschützern bei Ihnen zwanzig Frauen, oder nicht?«

»Madame la Présidente, ich ⦫

Schon eine Woche später war sie nicht mehr der »Blonde Cougar«, sondern »Minerva«. Der Stabschef, der die GSPR befehligte, war ein Kenner der römischen Mythologie und wollte diese Scharte wieder auswetzen. Minerva, die Göttin der Weisheit, so fiel man also von einem Extrem ins andere.

Nein, wirklich, die Präsidentin, die gerade spürt, wie ihr der Schweiß von der Stirn perlt, während sie zugleich leicht ihre Position verändert und ihre Hände auf die Brust ihres Mannes legt, der sie an den Hüften hält, hat die Zeiten, in denen die Insignien der Macht ihr einen Adrenalinkick verpassten, definitiv hinter sich, und sie ist sich nicht mal sicher, ob sie diesen Kick je empfunden hat.

Bei ihrer Eroberung des Élysée-Palasts war weniger Verlangen als vielmehr Glück im Spiel gewesen. Das Glück hat sie mittlerweile allerdings verlassen, und das ist noch untertrieben ausgedrückt.

In letzter Zeit denkt sie oft an die Reichen, auf die sie sich stützen wollte, und daran, was für eine negative Energie ihre Raffsucht bei ihnen freisetzt. Man warf ihr vor, den Reichen nach ihrer Wahl übertrieben stark entgegengekommen zu sein. Das ist ein wesentlicher Grund für ihre Unpopularität. Dabei hat sie gar nichts übrig für Reiche. Sie sind im Allgemeinen nicht besonders interessant und neigen politischen Amtsträgern gegenüber zur Arroganz, seit sie wissen, dass sie bei der Gestaltung der Zukunft der Welt sehr viel mehr zu sagen haben als eine Staatspräsidentin wie sie, die darüber hinaus nur »das kleinere Übel« war, das man in Kauf genommen hat, um Agnès Dorgelles zu verhindern, die Chefin des Patriotischen Blocks.

Mal ganz...
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Autor

Jérôme Leroy, geboren 1964 in Rouen, ist Autor, Literaturkritiker und Herausgeber. Er hat zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht. Auf Deutsch erschienen bisher »Der Block« (2017), »Die Verdunkelten« (2018) und »Der Schutzengel« (2020) sowie »Terminus Leipzig« (2022), ein Gemeinschaftswerk mit Max Annas. »Der Block« wurde mit dem Deutschen Krimipreis 2018 in der Kategorie International (3. Platz) ausgezeichnet. Jérôme Leroy lebt in Lille.

Cornelia Wend, geboren 1965, studierte Französisch und Germanistik in Hannover, Hamburg und Rouen. Seit 1994 arbeitet sie als freie Übersetzerin, u.a. von Élisabeth Filhol, Patrick Pécherot, Chloé Mehdi und Jérôme Leroy. Für ihre Übertragung von Élisabeth Filhols Roman »Doggerland« wurde sie mit dem Hamburger Übersetzerpreis 2020 ausgezeichnet.