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Die Tyrannei der Minderheit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am15.05.2024
Wir müssen die Demokratie reformieren, bevor sie sich selbst abschafft
Wie kann es uns gelingen, die Demokratie vor radikalen Minderheiten zu schützen, die sie von innen untergraben, destabilisieren und sogar zu zerstören drohen? Steven Levitsky und Daniel Ziblatt, Autoren des Weltbestsellers »Wie Demokratien sterben«, zeigen am Beispiel der USA, wie die Kräfte entstehen, die unsere demokratischen Prinzipien in ihren Grundfesten erschüttern und autoritären Strömungen den Weg ebnen. Sie beschreiben das große Paradox westlicher Demokratien: dass nämlich Inklusivität und Diversität oft gerade ausgrenzende Gegenbewegungen erzeugen. So wird deutlich: Die Demokratie steht an einem Scheideweg und muss jetzt reformiert werden, wenn sie nicht zu einer Herrschaft der Minderheit verkommen soll. Die Zukunft der Demokratie steht nicht nur bei den US-Wahlen 2024, sondern - angesichts des Aufstiegs der AfD und anderer rechtspopulistischer Parteien - auch in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt auf dem Spiel.

Steven Levitsky ist Professor für Lateinamerikastudien und Professor für Regierungslehre an der Harvard-Universität. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Parteien, Demokratien und Autokratien sowie die Rolle von informellen Institutionen vor allem in Südamerika. Sein gemeinsam mit Daniel Ziblatt verfasstes Buch, der New-York-Times-Bestseller 'Wie Demokratien sterben' (DVA 2018), wurde in über dreißig Sprachen übersetzt und u.a. als bestes Sachbuch des Jahres mit dem NDR Kultur Sachbuchpreis ausgezeichnet. Ihr neues Buch »Die Tyrannei der Minderheit« wurde in den USA ein New-York-Times-Bestseller und erschien 2024 bei DVA.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR22,99

Produkt

KlappentextWir müssen die Demokratie reformieren, bevor sie sich selbst abschafft
Wie kann es uns gelingen, die Demokratie vor radikalen Minderheiten zu schützen, die sie von innen untergraben, destabilisieren und sogar zu zerstören drohen? Steven Levitsky und Daniel Ziblatt, Autoren des Weltbestsellers »Wie Demokratien sterben«, zeigen am Beispiel der USA, wie die Kräfte entstehen, die unsere demokratischen Prinzipien in ihren Grundfesten erschüttern und autoritären Strömungen den Weg ebnen. Sie beschreiben das große Paradox westlicher Demokratien: dass nämlich Inklusivität und Diversität oft gerade ausgrenzende Gegenbewegungen erzeugen. So wird deutlich: Die Demokratie steht an einem Scheideweg und muss jetzt reformiert werden, wenn sie nicht zu einer Herrschaft der Minderheit verkommen soll. Die Zukunft der Demokratie steht nicht nur bei den US-Wahlen 2024, sondern - angesichts des Aufstiegs der AfD und anderer rechtspopulistischer Parteien - auch in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt auf dem Spiel.

Steven Levitsky ist Professor für Lateinamerikastudien und Professor für Regierungslehre an der Harvard-Universität. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Parteien, Demokratien und Autokratien sowie die Rolle von informellen Institutionen vor allem in Südamerika. Sein gemeinsam mit Daniel Ziblatt verfasstes Buch, der New-York-Times-Bestseller 'Wie Demokratien sterben' (DVA 2018), wurde in über dreißig Sprachen übersetzt und u.a. als bestes Sachbuch des Jahres mit dem NDR Kultur Sachbuchpreis ausgezeichnet. Ihr neues Buch »Die Tyrannei der Minderheit« wurde in den USA ein New-York-Times-Bestseller und erschien 2024 bei DVA.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641296971
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum15.05.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse4001 Kbytes
Artikel-Nr.12747868
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Einleitung

Am 5. Januar 2021 geschah in Georgia Ungewöhnliches. In einem Staat, in dem die Politik lange Zeit von weißer Vorherrschaft geprägt war, gingen so viele Menschen wie noch nie zur Wahl, um den ersten afroamerikanischen und den ersten jüdischen Senator ihres Staats zu wählen. Ersterer, Reverend Raphael Warnock, war erst der zweite Schwarze, der in den Südstaaten seit der Reconstruction (der Wiedereingliederung der 1860/61 aus den USA ausgetretenen Staaten) in den US-Senat gewählt wurde, in den er nun dem Republikaner Tim Scott aus South Carolina folgte. Am Wahlabend stellte er Anhängern seine Mutter, eine frühere Kleinpächterin, mit den Worten vor: »Die 82-jährigen Hände, die es gewohnt waren, die Baumwolle von anderen zu pflücken, haben ihren jüngsten Sohn zum Senator der Vereinigten Staaten gemacht.«[1] Viele sahen eine bessere, demokratischere Zukunft heraufdämmern. »Es entsteht ein neuer Süden«, erklärte LaTosha Brown, Mitgründerin von Black Voters Matter. »Er ist jünger, diverser (...) und inklusiver.«[2] Es war die demokratische Zukunft, für die Generationen von Bürgerrechtsaktivisten gekämpft hatten.

Am nächsten Tag, dem 6. Januar, erlebten die Amerikaner etwas scheinbar Unvorstellbares: einen von ihrem Präsidenten angezettelten gewalttätigen Aufstand. Vier Jahre des Niedergangs der Demokratie waren in einen versuchten Staatsstreich gemündet. Die Angst, Verwirrung und Empörung, die viele Amerikaner empfanden, während sie die Ereignisse verfolgten, entsprachen den Gefühlen, die Menschen in anderen Ländern ausgedrückt hatten, als deren Demokratien sich auflösten. Was sie gerade miterlebt hatten - die Zunahme politisch motivierter Gewalt, die Bedrohung von Wahlhelfern, die Anstrengungen, den Menschen das Wählen zu erschweren, der Versuch des Präsidenten, die Wahlergebnisse umzustürzen -, stellte einen demokratischen Rückschritt dar. Die amerikanische Republik war zwischen 2016 und 2021 nicht zusammengebrochen, aber sie war unbestreitbar weniger demokratisch geworden.

Am 5./6. Januar 2021 wurden innerhalb von 24 Stunden erst das Versprechen der amerikanischen Demokratie und dann die Gefahr, in der sie schwebt, allen lebendig vor Augen geführt: Dem Aufscheinen einer multiethnischen demokratischen Zukunft war ein nahezu undenkbarer Angriff auf das Verfassungssystem der Vereinigten Staaten gefolgt.

Eine multiethnische Demokratie* ist schwer zu erreichen. Nur wenigen Gesellschaften ist es gelungen.[3] Sie ist ein politisches System mit regulären, freien und fairen Wahlen, in denen erwachsene Staatsbürger aller ethnischen Gruppen sowohl das Wahlrecht als auch grundlegende bürgerliche Freiheiten besitzen, wie die Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Es reicht nicht aus, dass diese Freiheiten auf dem Papier existieren: Die Angehörigen jeder ethnischen Herkunft müssen von Gesetzes wegen in gleicher Weise unter dem Schutz der demokratischen und bürgerlichen Rechte stehen. Das Bürgerrechtsgesetz von 1964 und das Wahlrechtsgesetz von 1965 schufen das rechtliche Fundament einer multiethnischen Demokratie in Amerika. Dennoch haben wir sie bis heute nicht erreicht.

So ist beispielsweise der Zugang zur Wahl weiterhin ungleich.[4] Laut einer Umfrage des Public Religion Research Institute (PRRI) von 2018 ist die Wahrscheinlichkeit, dass Afroamerikanern und Latinos gesagt wird, ihnen fehle die nötige Identifikation, um wählen zu können, dreimal so hoch wie für Weiße, und die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen - fälschlicherweise - mitgeteilt wird, ihre Namen stünden nicht in der Wählerliste, ist zweimal so hoch.[5] Gesetze, die Vorbestraften das Wahlrecht entziehen, betreffen unverhältnismäßig viele Afroamerikaner. Und nichtweiße Staatsbürger werden immer noch nicht in gleicher Weise wie Weiße vom Gesetz geschützt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Schwarze von der Polizei getötet werden, ist doppelt so hoch wie die entsprechende Gefahr für Weiße - obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass Schwarze Polizeiopfer bewaffnet sind, nur halb so groß ist wie bei Weißen -; Schwarze werden häufiger als Weiße von der Polizei angehalten und durchsucht; und sie werden bei ähnlichen Straftaten häufiger festgenommen und verurteilt - und dies mit längeren Haftstrafen.[6] Wer bezweifelt, dass Schwarze Staatsbürger nicht die gleiche Versammlungsfreiheit besitzen wie weiße, mache den Kyle-Rittenhouse-Test: Könnte ein junger Schwarzer mit einem halbautomatischen Gewehr Staatsgrenzen überqueren, sich von der Polizei unbehelligt einer Demonstration nähern, in die Menge schießen, zwei Menschen töten - und ungeschoren davonkommen?[7]

Aber auch wenn Amerika noch keine wahre multiethnische Demokratie ist, ist es dabei, eine zu werden. In dem halben Jahrhundert zwischen der Verabschiedung des Wahlrechtsgesetzes und Donald Trumps Wahl zum Präsidenten hat sich die amerikanische Gesellschaft tiefgreifend verändert. Eine massive Einwanderungswelle formte eine zuvor überwiegend weiße, christliche Gesellschaft in eine diverse, multiethnische um.[8] Gleichzeitig weichte die wachsende politische, wirtschaftliche, rechtliche und kulturelle Macht nichtweißer Amerikaner seit Langem bestehende Hierarchien in Bezug auf Race auf - und begann sie einzuebnen.[9] Umfragen zeigen, dass zum ersten Mal in der US-Geschichte eine Mehrheit der Amerikaner ethnische Diversität und Gleichbehandlung (ohne Unterscheidung aufgrund von Race) - die beiden Grundpfeiler der multiethnischen Demokratie - gutheißt.[10] 2016 befand sich Amerika an der Schwelle zu einer echten solchen Demokratie - die der Welt als Vorbild einer diversen Gesellschaft hätte dienen können.

Aber gerade als dieses neue demokratische Experiment Fuß zu fassen begann, erlebte Amerika einen autoritären Rückschlag von solchem Ausmaß, dass die Fundamente der Republik erschüttert wurden und die amerikanischen Verbündeten in aller Welt sich besorgt fragten, ob das Land überhaupt noch eine demokratische Zukunft habe. Bedeutende Schritte demokratischer Inklusion rufen häufig heftige - und sogar autoritäre - Reaktionen hervor. Aber der Angriff auf die amerikanische Demokratie übertraf alles, was wir uns 2017, als wir unser erstes Buch - Wie Demokratien sterben - schrieben, vorstellen konnten.[11] Wir untersuchten gewaltsame Aufstände und Versuche der Wahlanfechtung überall auf der Welt, von Frankreich und Spanien über die Ukraine und Russland bis zu den Philippinen, Peru und Venezuela. Aber wir dachten nicht im Traum daran, dass so etwas bei uns geschehen könnte. Genauso wenig kam es uns in den Sinn, dass eine der beiden großen Parteien der Vereinigten Staaten sich im 21. Jahrhundert von der Demokratie abwenden könnte.

Das Ausmaß des demokratischen Rückschritts war atemberaubend. Organisationen, die den Gesundheitszustand von Demokratien in aller Welt zahlenmäßig erfassen, haben ihn bewertet. So gibt Freedom House in seinem globalen Freiheitsindex Ländern jedes Jahr Punkte von 0 bis 100, wobei 100 die demokratische Höchstnote darstellt. 2015 erhielten die Vereinigten Staaten 90 Punkte, was etwa der Bewertung von Ländern wie Kanada, Italien, Frankreich, Deutschland, Japan, Spanien und Großbritannien entsprach. Danach sank der Wert stetig bis auf 83 im Jahr 2021. Damit lag Amerika nicht nur hinter sämtlichen etablierten Demokratien Westeuropas, sondern auch hinter neuen oder historisch schwierigen Demokratien wie Argentinien, Tschechien, Litauen und Taiwan.

Dies war eine außerordentliche Wende. Nach so gut wie jeder großen wissenschaftlichen Darstellung dessen, was Demokratien gedeihen lässt, hätten die Vereinigten Staaten gegen Rückschläge immun sein müssen. Wissenschaftler haben in Bezug auf moderne politische Systeme zwei Quasigesetze gefunden: Reiche Demokratien sterben nicht, und alte Demokratien sterben nicht. Die Politologen Adam Przeworski und Fernando Limongi haben in einer Untersuchung festgestellt, dass keine Demokratie, die reicher war als Argentinien im Jahr 1976 - das ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von, nach heutigem Wert, 16 000 Dollar pro Kopf hatte -, jemals zusammengebrochen ist.[12] Danach ist jedoch die Demokratie in Ungarn - mit einem Pro-Kopf-BIP von 18 000 Dollar (nach heutigem Wert) - erodiert. Das Pro-Kopf-BIP der Vereinigten Staaten betrug 2020 rund 63 000 Dollar - fast viermal so viel wie dasjenige des reichsten Landes, das jemals einen demokratischen Zusammenbruch erlebt hatte. Ganz ähnlich war noch nie eine über 50-jährige Demokratie zusammengebrochen, und selbst wenn man den Zeitpunkt der Verabschiedung des Wahlrechtsgesetzes im Jahr 1965 als den Augenblick der Demokratisierung der Vereinigten Staaten betrachtet - immerhin wurde damals das allgemeine Wahlrecht für Erwachsene eingeführt -, war unsere Demokratie über fünfzig, als Trump Präsident wurde. Geschichte und jahrzehntelange sozialwissenschaftliche Forschung hatten...

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Autor

Steven Levitsky ist Professor für Lateinamerikastudien und Professor für Regierungslehre an der Harvard-Universität. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Parteien, Demokratien und Autokratien sowie die Rolle von informellen Institutionen vor allem in Südamerika. Sein gemeinsam mit Daniel Ziblatt verfasstes Buch, der New-York-Times-Bestseller "Wie Demokratien sterben" (DVA 2018), wurde in über dreißig Sprachen übersetzt und u.a. als bestes Sachbuch des Jahres mit dem NDR Kultur Sachbuchpreis ausgezeichnet. Ihr neues Buch »Die Tyrannei der Minderheit« wurde in den USA ein New-York-Times-Bestseller und erscheint 2024 bei DVA.