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Lebowskis Knochen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Edition Nautiluserschienen am04.03.2024
Landschaftsgärtner Jim Carlos wird bei seinen Aufträgen stets von Lebowski begleitet, einem ebenso massigen wie lethargischen Golden Retriever. Diesmal geht es auf das luxuriöse Anwesen der Loubets, die ihrem Image von Perfektion und verdientem Erfolg einen Touch von Ökologie verleihen wollen. Seit der Pandemie kann man ja nicht wissen, ob man nicht eines Tages einen Gemüsegarten braucht, und der Park ist ja groß genug. Jim und Lebowski pflügen bzw. buddeln also drauf los und entdecken dabei erst einen Oberschenkelknochen und dann das wahre Gesicht dieser Familie: Arnaud, Chefredakteur bei einem Nachrichten-TV-Magazin, und Laure, Professorin für Wirtschaftswissenschaften, mit ihren beiden Töchtern, von denen eine vergöttert und die andere totgeschwiegen wird. Es entsteht eine eigenartige Beziehung zwischen dem bourgeoisen, etwas zu harmonischen Paar und Jim, den sie manchmal für einen Imbiss zu sich an den Pool rufen, wo er die Rolle des wortkargen Proletariers einnimmt. Eines Tages ist Jim verschwunden, und die einzige Spur sind seine Notizbücher, in denen er die seltsamen Begegnungen festgehalten hat ...

Vincent Maillard, geboren 1962 im französischen Meulan, ist Dokumentarfilmregisseur, preisgekrönter Drehbuchautor und Romancier. Er studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und ist ausgebildeter Journalist. »Lebowskis Knochen« ist sein dritter Roman nach »Springsteen-sur-Seine« (2019) und »Méthanic« (2021). Vincent Maillard lebt in Hardricourt bei Paris. Cornelia Wend, geboren 1965, studierte Französisch und Germanistik in Hannover, Hamburg und Rouen. Seit 1994 arbeitet sie als freie Übersetzerin, u.a. von Élisabeth Filhol, Patrick Pécherot, Chloé Mehdi und Jérôme Leroy. Für ihre Übertragung von Élisabeth Filhols Roman »Doggerland« wurde sie mit dem Hamburger Übersetzerpreis 2020 ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextLandschaftsgärtner Jim Carlos wird bei seinen Aufträgen stets von Lebowski begleitet, einem ebenso massigen wie lethargischen Golden Retriever. Diesmal geht es auf das luxuriöse Anwesen der Loubets, die ihrem Image von Perfektion und verdientem Erfolg einen Touch von Ökologie verleihen wollen. Seit der Pandemie kann man ja nicht wissen, ob man nicht eines Tages einen Gemüsegarten braucht, und der Park ist ja groß genug. Jim und Lebowski pflügen bzw. buddeln also drauf los und entdecken dabei erst einen Oberschenkelknochen und dann das wahre Gesicht dieser Familie: Arnaud, Chefredakteur bei einem Nachrichten-TV-Magazin, und Laure, Professorin für Wirtschaftswissenschaften, mit ihren beiden Töchtern, von denen eine vergöttert und die andere totgeschwiegen wird. Es entsteht eine eigenartige Beziehung zwischen dem bourgeoisen, etwas zu harmonischen Paar und Jim, den sie manchmal für einen Imbiss zu sich an den Pool rufen, wo er die Rolle des wortkargen Proletariers einnimmt. Eines Tages ist Jim verschwunden, und die einzige Spur sind seine Notizbücher, in denen er die seltsamen Begegnungen festgehalten hat ...

Vincent Maillard, geboren 1962 im französischen Meulan, ist Dokumentarfilmregisseur, preisgekrönter Drehbuchautor und Romancier. Er studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und ist ausgebildeter Journalist. »Lebowskis Knochen« ist sein dritter Roman nach »Springsteen-sur-Seine« (2019) und »Méthanic« (2021). Vincent Maillard lebt in Hardricourt bei Paris. Cornelia Wend, geboren 1965, studierte Französisch und Germanistik in Hannover, Hamburg und Rouen. Seit 1994 arbeitet sie als freie Übersetzerin, u.a. von Élisabeth Filhol, Patrick Pécherot, Chloé Mehdi und Jérôme Leroy. Für ihre Übertragung von Élisabeth Filhols Roman »Doggerland« wurde sie mit dem Hamburger Übersetzerpreis 2020 ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960543435
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum04.03.2024
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1486 Kbytes
Artikel-Nr.14050055
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Zweiter Tag

Den ganzen Vormittag brachte ich damit zu, ein paar Quadratmeter Erde mit Hacke und Spaten zu bearbeiten und Schubkarre um Schubkarre voller Steine abzutransportieren. Bei jeder neuen Schubkarre verfluchte ich mich innerlich dafür, nicht Christophe gebeten zu haben, mit dem Löffelbagger vorbeizukommen. Der wäre da zweimal drübergegangen und die Sache wäre erledigt gewesen. Was soll´s. Dann eben auf die altmodische Art. Um meine Bandscheiben zu schonen, ging ich beim Arbeiten in die Knie. Die Folge war, dass die Muskeln in meinen Beinen innerhalb kurzer Zeit genauso brannten wie die in meinen Armen. Aber der Schmerz war noch nicht mal das eigentliche Problem, sondern die mentale Stärke aufzubringen, ihm nicht nachzugeben, weiterzumachen, die nötige Opferbereitschaft an den Tag zu legen. Meine Grabegabel unterschied sich nicht großartig von der Grabegabel, die bereits ein Bauer im Mittelalter für diesen Zweck benutzt hätte. Ich war also das letzte Glied in einer nie endenden Kette menschlicher Mühsal.

Gegen elf Uhr schnellte die Temperatur auf einmal in die Höhe. Ich spritzte mir mit dem Gartenschlauch Wasser ins Gesicht, so wie man in einer Tierklinik einen auf dem Trockenen liegenden Delfin abspritzt. Komischerweise habe ich mich dem Wasser immer verbundener gefühlt als der Erde. Wer weiß, ob nicht ein Seemann an mir verloren gegangen ist, auch wenn ich keinen blassen Schimmer vom Segeln habe. Ich dachte an den Pool von Arnaud und Laure, an dieses türkisfarbene, verlockende Rechteck da drüben, keine zweihundertfünfzig Meter entfernt.

Ich könnte in einer Minute da sein, mir auf dem Weg das T-Shirt ausziehen, Arbeitsschuhe und Hose von mir werfen, auf keinen Fall vorher duschen, mich an den Rand des Pools setzen, der sicherlich so heiß war, dass ich mir fast die Schenkel daran verbrennen würde, meine Füße ins Wasser tauchen und spüren, wie nach und nach die erlösende Kühle meine Waden hochsteigt. Dann könnte ich mich in das blaue Wasser gleiten lassen, um das eucharistische Erlebnis einer wahren Renaissance zu erleben. Der Delfin, den man in das kristallklare Wasser der Lagune entlässt.

Zurück zur Realität. Ich hatte noch eine Fläche in der Größe mehrerer Planschbecken umzugraben, zwischen dreißig und vierzig Zentimeter tief, mit Hochbeetlinern aus Pappe auszukleiden und diese mit einer Mischung aus Holzscheiten, Zweigen, welken Blättern zu bedecken - das wäre die erste, sich später in Kohlenstoff umwandelnde Schicht der vielschichtigen Permagarten-Hügelbeete, die dort entstehen sollten. Im Anschluss würde ich alles wässern, bis es triefte, so wie ich. Wasser und seine Magie.

Lebowski lag unter derselben Eiche wie gestern, neben seinem Napf mit lauwarmem Wasser, schön im Schatten, ganz relaxed. Das vorsichtige Tier hielt sich streng an die Verhaltensregeln bei Hitze - große Anstrengungen vermeiden, im Schatten bleiben, viele Pausen einlegen. Möglicherweise hatte er Bernhardiner oder Alaskan Malamute unter seinen Vorfahren, und deshalb war ihm schnell zu warm? Wie auch immer, der Vierbeiner rührte sich nicht, zeigte in etwa genauso viele Lebenszeichen wie ein Baumstumpf, oder fast, denn er hechelte laut. Bei jedem Einatmen hoben sich seine Flanken langsam, und bei jedem Ausatmen ließ er die Luft ganz ungeniert raus. Ein Tierfilmer, der ihn für eine Hundedoku gecastet hätte, hätte damit ungefähr so viel Gespür bewiesen wie ein Regisseur, der während des Winterschlafs einen Film über Bären hätte machen wollen. Aber vielleicht einen Experimentalfilm? So im Stil von Sleep von Andy Warhol.

Ich ging zu den großen Bäumen herüber, holte mir dort Reisig, welke Blätter, die obere Humusschicht. Ich lud ganze Stöße davon auf eine große grüne Plane, bis ich feststellte, dass es in der bewaldeten Ecke des Parks einen richtigen kleinen Teich gab, kreisrund, mit grünem Wasser. An den Ufern wuchsen massenhaft Schachtelhalm, Seerosen, Iris, Kresse, Kalmus, auf der Wasseroberfläche wimmelte es nur so von Wasserlinsen und Insekten. Gerris lacustris, die berühmten Wasserläufer, glitten in langen, stoßartigen Gleitbewegungen übers Wasser, unter Beobachtung der sie gleich Helikoptern überfliegenden Libellen, deren intensives Blau den Eindruck erweckte, als wären sie elektrisch aufgeladen. Ein paar Trauerweiden tunkten ihre langen Zweige ins Wasser, während sich auf dem Geäst der Kastanien und der Ahornbäume die sich permanent ändernden Lichtreflexe des bewegten Wassers spiegelten. Irgendwann hatten irgendwelche Menschen diesen Teich ausgehoben und ihn mit ziemlicher Sicherheit mit Fischbrut besetzt. Aber dieser Bereich wurde von keinem Gärtner gepflegt. Hier demonstrierte die Natur ihre erbarmungslose ästhetische Überlegenheit. Das gesamte Anwesen war wie mit dem Lineal gezogen, mit Baum- und Heckenschere zurechtgestutzt, im Bemühen, diese Harmonie nachzuahmen, aber vergeblich. Ein paar Entenküken waren übers Wasser verteilt, wie kleine Federknäuel, die ein flämischer Maler dort hingetupft hatte. Ich dachte an den Faulpelz dort drüben. Dieser Hund war also ein Golden Retriever. Golden wegen seiner goldenen Farbe, Retriever als Hinweis auf seine ursprüngliche Bestimmung: Diese Rasse war über Generationen hinweg dazu selektioniert und abgerichtet worden, ihren schottischen Jägern die erlegten Enten zu apportieren. Er sollte sich eigentlich auf Befehl ins Wasser stürzen, es durchqueren wie ein Neufundländer einen eisigen schottischen Loch, und mit einer schönen Wildente im Maul zurückkehren können, ohne sie dabei zu zerfleddern. Heute war es nicht eiskalt, sondern heiß, aber Lebowski würde sich hier höchstens in den flachen Uferbereich vorwagen, ein wenig im Sand herumtapsen und die Pfoten benetzen, ganz nach dem Vorbild der Frauen, die man von Retro-Postkarten kennt, die mit gerafften Röcken im Brandungssaum stehen. Um sich ein wenig weiter vorzuwagen, bräuchte er mindestens einen Shorty aus zwei Millimeter dickem Neopren, so wie diese Leute, die heute »Longe Côte« betreiben, also entlang der Küste durchs Wasser wandern.

Ich fügte zum Humus etwas frischen Rasenschnitt hinzu, den ich fernab des Hauses gemäht hatte, dann begann ich meine fünf je zehn Meter langen Hügelbeete aufzuhäufen, indem ich sie mit einer Mischung aus Erde und selbst hergestelltem Kompost aus Pferdeäpfeln bedeckte. Ich hatte gerade mal ein Drittel geschafft, da kam Arnaud und sagte, sie nähmen jetzt auf der Südterrasse ihr Mittagessen ein, und ich könne mich gerne zu ihnen gesellen, wenn ich wolle. Den gleichen Vorschlag hatte er mir bereits am Vortag gemacht und ich hatte dankend abgelehnt. Ich bedankte mich erneut und sagte, ich hätte ein Sandwich dabei und käme schon zurecht, so verlöre ich keine Zeit. Als ich mich gerade wieder zu meiner vor Dreck und Schweiß starrenden Hose herunterbeugte, meinte er insistieren zu müssen: »Keine Sorge, es ist absolut ungezwungen, wir würden uns freuen.« Also gab ich nach. Das war sicherlich nicht die beste Idee, die ich je hatte. Jedenfalls gab ich Lebowski frisches Wasser und machte mich ungefähr mit der gleichen Vorfreude zu ihrer Terrasse auf, als wäre ich auf dem Weg in den OP.

Nachdem ich mich etwas frisch gemacht und mir die Hände gewaschen hatte, saß ich nun also an ihrem Tisch, unter einer ausfahrbaren Pergola-Markise aus naturfarbenem Stoff. Der Pool war gerade mal einen Meter fünfzig von mir entfernt. Die Wasseroberfläche projizierte ein Ballett aus Sonnenstrahlen auf den türkisfarbenen Grund, abgelenkt und gebrochen vom Wasser, eine permanente, pulsierende Verlockung. Kurz schoss mir der Gedanke durch den Kopf, ob ihre Einladung nicht etwas Perverses hatte, eine heimtückische Art der Folter darstellte, indem sie einen Delfin wie mich in sengender Sonne nur wenige Schritte vom Wasser entfernt festketteten. Aber woher sollten sie das wissen. Für sie war ich der Hinterwäldler mit der sonnengegerbten Haut, ausgedörrt wie eine Weinranke, der grobe Klotz mit den ungehobelten Manieren, einer, der sich mit Bier zuschüttet und sich maximal einmal die Woche wäscht. Im Übrigen war ich nicht hier, um im Pool meine Bahnen zu ziehen oder mich auf einem Gummikrokodil treiben zu lassen. Ich hatte mein Sandwich mitgebracht und wollte gerade, trotz ihrer Proteste, reinbeißen: »Aber nein, ich bitte Sie, bedienen Sie sich, nehmen Sie sich, worauf Sie Lust haben!« Also probierte ich ihre vegetarischen Dips, Guacamole, Hummus, so Sachen in der Art, aber mein Sandwich aß ich trotzdem, man soll schließlich nichts verschwenden. Außerdem passte das perfekt zu dem Etikett, das sie mir aufgeklebt hatten. Dann fragten sie mich, wie die Arbeiten vorangingen, um ein bisschen Smalltalk zu machen. Ich antwortete, es liefe alles nach Plan. Sie leiteten geschickt zum nächsten Thema über. Laure erzählte von einem Artikel, den sie kürzlich in einer Zeitschrift gelesen hatte, über einen...
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Vincent Maillard, geboren 1962 im französischen Meulan, ist Dokumentarfilmregisseur, preisgekrönter Drehbuchautor und Romancier. Er studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und ist ausgebildeter Journalist. »Lebowskis Knochen« ist sein dritter Roman nach »Springsteen-sur-Seine« (2019) und »Méthanic« (2021). Vincent Maillard lebt in Hardricourt bei Paris.

Cornelia Wend, geboren 1965, studierte Französisch und Germanistik in Hannover, Hamburg und Rouen. Seit 1994 arbeitet sie als freie Übersetzerin, u.a. von Élisabeth Filhol, Patrick Pécherot, Chloé Mehdi und Jérôme Leroy. Für ihre Übertragung von Élisabeth Filhols Roman »Doggerland« wurde sie mit dem Hamburger Übersetzerpreis 2020 ausgezeichnet.
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