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Gebein und Flöte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.12.20161. Auflage
Der Roman spielt zu Beginn der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts in Britisch-Guayana. Der wohlhabende Unternehmer Ralph Nevinson lädt den jungen Maler Milton Woodsley, einen Freund der Familie, ein, ihn und seine Frau und Tochter für ein paar Tage auf die am Berbice-Fluß liegende Dschungelstation Goed de Vries, einen Außenposten seiner Firma, zu begleiten und dort ein paar Bilder zu malen. Aber schon bald stellt sich heraus, daß Nevinson damit noch einen anderen Zweck verfolgt: Er braucht Hilfe. Von einem alten Indio hat er ein geheimnisvolles Pergament geerbt, das ihm, solange er es nicht berührt, Glück bringen soll, aber sein Verhängnis bedeutet, wenn er es anfaßt ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Edgar Mittelholzer wurde 1909 in New Amsterdam auf Britisch-Guayana geboren. In den 40er Jahren ging er nach Trinidad, lebte in der Folge auf Barbados, in Kanada und schließlich in England. Seine zahlreichen Romane zeichnen sich durch stilistische Vielfalt und große Experimentierfreude aus. Mittelholzer starb 1968 in London.
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Produkt

KlappentextDer Roman spielt zu Beginn der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts in Britisch-Guayana. Der wohlhabende Unternehmer Ralph Nevinson lädt den jungen Maler Milton Woodsley, einen Freund der Familie, ein, ihn und seine Frau und Tochter für ein paar Tage auf die am Berbice-Fluß liegende Dschungelstation Goed de Vries, einen Außenposten seiner Firma, zu begleiten und dort ein paar Bilder zu malen. Aber schon bald stellt sich heraus, daß Nevinson damit noch einen anderen Zweck verfolgt: Er braucht Hilfe. Von einem alten Indio hat er ein geheimnisvolles Pergament geerbt, das ihm, solange er es nicht berührt, Glück bringen soll, aber sein Verhängnis bedeutet, wenn er es anfaßt ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Edgar Mittelholzer wurde 1909 in New Amsterdam auf Britisch-Guayana geboren. In den 40er Jahren ging er nach Trinidad, lebte in der Folge auf Barbados, in Kanada und schließlich in England. Seine zahlreichen Romane zeichnen sich durch stilistische Vielfalt und große Experimentierfreude aus. Mittelholzer starb 1968 in London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105614884
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.12.2016
Auflage1. Auflage
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2156239
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

I

Wir hatten wohl gut die Hälfte des Weges zu unserem Ziel zurückgelegt, als ich den ersten Hinweis erhielt, daß hinter Mr. Nevinsons Einladung an mich, einige Zeit mit seiner Familie am Oberlauf des Berbice zu verbringen, noch ein anderer Grund steckte. Als der Dampfer New Amsterdam verließ, lautete die Vereinbarung, daß Mr. Nevinsons Firma, die Berbice Nutzholz- und Balata-Gesellschaft, mich angeheuert hatte, einige Bilder von Urwaldszenen zu malen, die, wenn sie gelangen, die Wände der Hauptniederlassung zieren sollten. Daß Mr. Nevinson einen anderen Grund dafür haben konnte, daß er wünschte, ich sollte ihn, seine Frau und seine Tochter ins Inland begleiten, war mir keinen Augenblick lang in den Sinn gekommen - ebensowenig, wie ich später feststellte, seiner Frau. Seine Tochter Jessie jedoch schien etwas geahnt zu haben; jedenfalls erhielt ich, wie Sie noch sehen werden, durch sie den ersten Wink, daß nicht alles so war, wie es zu sein schien.

Zur Zeit der hier erwähnten Ereignisse - in den frühen dreißiger Jahren - fuhr der Dampfer nur einmal in der Woche den Berbice hinauf. Er verließ New Amsterdam, das kleine Städtchen an der Mündung des Flusses, Mittwoch morgen, erreichte Paradise, den Zielhafen einhundertzehn Meilen flußaufwärts, irgendwann zwischen sieben und halb acht abends und legte am nächsten Morgen zur Rückfahrt ab. Das hieß, daß man, wenn man diese Gelegenheit am Donnerstagmorgen verpaßte, unwiderruflich zu einem mindestens einwöchigen Dschungelleben verdammt war. So, wie ich die Nevinsons jedoch kannte, machte ich mir keine Sorgen um die vierzehn Tage, die wir in Goed de Vries, wo die Berbice Nutzholz- und Balata-Gesellschaft ihren Inlandssitz hatte, zu verbringen gedachten. Das Haus, in dem wir wohnen sollten, würde wohlmöbliert und bestens ausgestattet sein - daran hatte ich nicht den geringsten Zweifel -, und man würde keine Mühe scheuen, mir den Aufenthalt angenehm zu machen.

Wie ich, stammt Mr. Nevinson aus einer alten Farbigenfamilie. Wir können beide unsere Vorfahren bis ins ausgehende achtzehnte Jahrhundert zurückverfolgen, bis zu einem Zeitpunkt, als die Nevinsons und die Woodsleys die Beimischung von Negersklavenblut, das heute in ihren Adern fließt, noch nicht hatten. Während ich eine olivenfarbene Haut habe, ist Mr. Nevinsons Teint fast so hell wie der eines reinrassigen Weißen. Sein Vater, der eine etwas dunklere Hautfarbe gehabt hatte, war der Geschäftsführer der Eisenwarenhandlung in New Amsterdam und zweimaliger Bürgermeister der Stadt gewesen, sein Großvater, der hochwürdige Mr. Rawle Nevinson, ein anglikanischer Priester, der am Berbice bekannt geworden war für seine guten Taten in den unteren Flußbezirken und wegen der Kirche, die er in Huisten Rust am Canje-Bach errichtet hatte.

Mr. Ralph Nevinson war, wie sein Vater und Großvater vor ihm, ein kultivierter Mensch, und das ist auch seine Frau, eine geborene Groode, ebenfalls eine bekannte Farbigenfamilie vom Berbice. Mr. Nevinson sammelt leidenschaftlich alles, was mit der frühen Geschichte der Kolonie in Verbindung steht, und als Kind war ich immer fasziniert von seinem Privatmuseum voller indischer und holländischer Altertümer.

Normalerweise wäre ich wohl vor Verwunderung tot umgefallen, hätte mir die Berbice Nutzholz- und Balata-Gesellschaft den Auftrag angeboten, für ihre Geschäftsräume Bilder zu malen, doch der Vorschlag wurde mir von Mr. Nevinson, dem geschäftsführenden Direktor, unterbreitet, und das war etwas ganz anderes. Denn obwohl er die siebenundvierzig Jahre seines Lebens in New Amsterdam verbracht hatte (nicht eingerechnet die beiden Jahre, die er während des Ersten Weltkrieges mit den Westindischen Truppen in Ägypten und Palästina gewesen war), war Mr. Nevinson kein kleinstädtischer Spießer, der Künstler mit affektierter Herablassung behandelt hätte. In ihm wußte ich einen Menschen, der meine Künstlerkarriere wohlwollend betrachtete. Zu der Zeit, in der meine Erzählung spielt, hatte meine Familie längst alle Hoffnung begraben, daß ich mich je in »einer guten, gesicherten Stellung« als Buchhalter oder Zollinspektor niederlassen würde. Nach dem Schulabschluß hatte man mir Arbeit als Verkaufsaushilfe in der Eisenwarenhandlung verschafft, eine Sache, die Mr. Jack Nevinson, ein Bruder von Mr. Ralph Nevinson, gemeinsam mit meinem Vater eingefädelt hatte. Nachdem ich drei Monate im Schatten von Nagelfässern, Scharnieren, Drahtrollen und Krampen gelebt hatte, war ich zu Mr. Jack Nevinson hinaufgerufen worden, der mir unter viel Fingertrommeln und onkelhaftem Getue eröffnete, daß man eine »freie Stelle« im Büro für mich gefunden hätte. Ich sollte als zweiter Buchhalter anfangen, und Mr. Jack Nevinson hegte keinen Zweifel, daß es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis ich in eine hohe Stellung innerhalb der Firma aufstieg.

Unglücklicherweise hat eine hohe Stellung, sei es nun in einer wohlsituierten und namhaften Firma oder in der Kolonialgesellschaft, mein Herz nie höher schlagen lassen. Daher bedankte ich mich bei Mr. Jack Nevinson und erklärte ihm, es täte mir leid, aber ich wollte die Büroanstellung nicht haben. Ich brauche wohl den Ausdruck nicht zu beschreiben, der auf seinem Gesicht lag, als ich sein abgeschirmtes Heiligtum verließ und mich zwischen den Schreibtischen im Außenraum hindurch zur Treppe schlängelte.

Von jenem Tag an betrachteten mich die ehrbaren Bürger von New Amsterdam als exzentrischen Irren, der es »im Leben zu nichts bringen würde«. Ich wurde bekannt für die schlechte Gesellschaft, in der ich mich bewegte; ich philosophierte beim Friseur mit Busfahrern, Hafenarbeitern und Dienstleuten - Menschen, die einer viel niedrigeren Gesellschaftsstufe angehörten: Ich war eine Schande für meine Familie. Die erste Ausstellung meiner Bilder, die ich organisierte, war ein deprimierender Mißerfolg. Doch am dritten Tag schaute Mr. Ralph Nevinson herein und beglückwünschte mich nicht nur, sondern kaufte obendrein zwei Bilder. Er behandelte mich nicht als den Sohn einer Familie, mit der seine Familie jahrzehntelang freundschaftlich verkehrt hatte, sondern sprach mit mir als ein Mann von Welt zum anderen. Er vermittelte mir das Gefühl, daß wir beide das Wissen um die Menschheit gemein hatten. Er machte nicht den Versuch, die Tage in Erinnerung zu rufen, in denen ich mit seinen Kindern in seinem großen Haus in Queenstown gespielt hatte; das Wohlwollen des guten Onkels dem kleinen Jungen gegenüber war aus seinem Verhalten verschwunden; er schien mich ernsthaft als erwachsenen Menschen, noch dazu keinen dummen, zu betrachten. Er lud mich ein, ihn zu besuchen, wann immer es mir beliebte, und fügte hinzu, daß seine Bücherregale mir stets offenstünden.

So begann die Freundschaft zwischen uns - oder vielleicht sollte ich besser Bekanntschaft sagen, denn es entwickelte sich niemals echte Vertrautheit zwischen uns. Ich war nie in der Lage, eine gewisse Bewunderung für und Ehrfurcht vor Menschen abzuschütteln, die um ein beträchtliches älter sind als ich, und der große Altersunterschied erzeugte in mir eine steife Zurückhaltung, die eine Kameradschaft, wie ich sie möglicherweise mit einer Person meines Alters erlebt hätte, verhinderte. Hinzu kam, daß ich mir stets der Tatsache bewußt war, daß seine Frau und seine Kinder in mir eine lächerliche Figur und so etwas wie einen Außenseiter der Gesellschaft sahen (ich war nie sehr dick mit Jessie und Fred befreundet gewesen; Ronald, der Älteste, war mein Spielkamerad gewesen, doch er war jetzt in Georgetown, nachdem man ihn als Buchhalter beim Finanzamt in den öffentlichen Dienst laviert hatte).

Ungeachtet meines selbstsicheren Auftretens und einer gewissen Aufgeblasenheit meiner Manieren, und trotz der Verachtung für die Kleinstadtspießer von New Amsterdam, der ich stets Ausdruck gab, war ich überaus empfindlich, und so sehr fürchtete ich den Spott und Hohn von Mrs. Nevinson, Jessie und Fred, daß meine Besuche in ihrem Heim nur äußerst sporadisch waren.

Wann immer ich jedoch Mr. Nevinson einen Besuch abstattete, erwies es sich unfehlbar als angenehme und zufriedenstellende Erfahrung. Wir unterhielten uns, außer über Kunst, Philosophie und Menschen, über die frühe Geschichte Britisch-Guayanas, ein Thema, das Mr. Nevinson leidenschaftlich am Herzen lag und über das er ohne weiteres die ganze Nacht über bis zum Tagesanbruch geredet hätte (gelegentlich unterbrochen vom Stöbern in allen möglichen alten Büchern, Briefen und Schriften), hätte ich mich nicht zu angemessener Stunde verabschiedet. Er sah, daß auch ich mich für das Thema interessierte, und das muß wohl einiges dazu beigetragen haben, daß seine Bindung an mich gefestigt wurde, zumal er in einer Stadt wie New Amsterdam einige Nachforschungen hätte anstellen müssen, um jemanden ausfindig zu machen, den Dinge wie die Sklavenaufstände im achtzehnten Jahrhundert und die Taten der alten niederländischen Siedler mit derselben leidenschaftlichen Anteilnahme erfüllten.

Eines Morgens, zehn Tage vor unserem Aufbruch nach Goed de Vries, suchte er mich zu Hause auf und fragte, ob ich am Abend bei ihm vorbeischauen könnte. Es gäbe etwas Wichtiges, das er mit mir zu besprechen wünschte, sagte er. »Etwas, das Sie mit Sicherheit auch interessieren wird«, fügte er hinzu. »Es ist ganz nach Ihrem Geschmack.«

Das war der Abend, an dem er mir den Vorschlag unterbreitete. Er saß in seinem Lieblingssessel, hinter ihm eine Vitrine, in der sich holländische und indische Antiquitäten befanden. Er war ein Mann mittlerer Größe, stämmig und mit einem Bauchansatz. Sein kurzgeschorenes...
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Autor

Edgar Mittelholzer wurde 1909 in New Amsterdam auf Britisch-Guayana geboren. In den 40er Jahren ging er nach Trinidad, lebte in der Folge auf Barbados, in Kanada und schließlich in England. Seine zahlreichen Romane zeichnen sich durch stilistische Vielfalt und große Experimentierfreude aus.Mittelholzer starb 1968 in London.