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Motherless Brooklyn

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
376 Seiten
Deutsch
Tropenerschienen am02.03.20191. Auflage 2019
Ein ermordeter Mafi oso mit großem Herz und großer Klappe. Ein kleiner Gangster mit Tourette-Syndrom auf der Spur des Verbrechens. Messerscharfe Dialoge und grandioser Sprachwitz vor der Kulisse der Unterwelt Brooklyns. Das Waisenhaus St. Vincents in Brooklyn, frühe siebziger Jahre. Für Lionel Essrog, der am Tourette-Syndrom leidet, ist Frank Minna so etwas wie ein Erlöser. Der im ganzen Viertel beliebte Ganove taucht eines Tages auf und nimmt Lionel und drei weitere Jungs mit auf seine mysteriösen Streifzüge quer durch Brooklyn. Aus den vier Waisen werden so die Minna Men, die von Detektei bis Fahrdiensten alles anbieten. Ihre Tage und Nächte drehen sich um Frank, den Prinzen von Brooklyn, der mit großer Klappe durchs Leben eilt. Dann kommt die furchtbare Nacht, in der Frank niedergestochen wird und Lionel auf sich selbst gestellt ist. Auf der Suche nach Franks Mörder verstrickt er sich tiefer und tiefer in Brooklyns Unterwelt und die geheimen und unüberschaubaren Gesetze dieses Viertels, in dem niemand ist, was er zu sein scheint. 'Eine geniale Mischung aus Spannung, Intelligenz und Kunstfertigkeit.' Die Zeit

Jonathan Lethem, geboren 1964 in New York, ist Autor zahlreicher Romane, darunter die Brooklyn-Romane 'Motherless Brooklyn' und 'Die Festung der Einsamkeit'. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den 'National Book Critics Award', den 'Gold Dagger' und das 'MacArthur Fellowship'. Lethem hat am Pomona College in Südkalifornien die Professur für Creative Writing inne. Zurzeit lebt er mit seiner Familie in Kalifornien.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin ermordeter Mafi oso mit großem Herz und großer Klappe. Ein kleiner Gangster mit Tourette-Syndrom auf der Spur des Verbrechens. Messerscharfe Dialoge und grandioser Sprachwitz vor der Kulisse der Unterwelt Brooklyns. Das Waisenhaus St. Vincents in Brooklyn, frühe siebziger Jahre. Für Lionel Essrog, der am Tourette-Syndrom leidet, ist Frank Minna so etwas wie ein Erlöser. Der im ganzen Viertel beliebte Ganove taucht eines Tages auf und nimmt Lionel und drei weitere Jungs mit auf seine mysteriösen Streifzüge quer durch Brooklyn. Aus den vier Waisen werden so die Minna Men, die von Detektei bis Fahrdiensten alles anbieten. Ihre Tage und Nächte drehen sich um Frank, den Prinzen von Brooklyn, der mit großer Klappe durchs Leben eilt. Dann kommt die furchtbare Nacht, in der Frank niedergestochen wird und Lionel auf sich selbst gestellt ist. Auf der Suche nach Franks Mörder verstrickt er sich tiefer und tiefer in Brooklyns Unterwelt und die geheimen und unüberschaubaren Gesetze dieses Viertels, in dem niemand ist, was er zu sein scheint. 'Eine geniale Mischung aus Spannung, Intelligenz und Kunstfertigkeit.' Die Zeit

Jonathan Lethem, geboren 1964 in New York, ist Autor zahlreicher Romane, darunter die Brooklyn-Romane 'Motherless Brooklyn' und 'Die Festung der Einsamkeit'. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den 'National Book Critics Award', den 'Gold Dagger' und das 'MacArthur Fellowship'. Lethem hat am Pomona College in Südkalifornien die Professur für Creative Writing inne. Zurzeit lebt er mit seiner Familie in Kalifornien.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783608110807
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum02.03.2019
Auflage1. Auflage 2019
Seiten376 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3969 Kbytes
Artikel-Nr.3418910
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Motherless Brooklyn


Ich bin in der Bibliothek des St. Vincent Waisenhauses für Jungen aufgewachsen, in einer Gegend von Downtown Brooklyn, die bisher noch kein Städteplaner für eine gehobene, sanierte Nachbarschaft auserkoren hat; nicht wirklich Brooklyn Heights, auch nicht Cobble Hill, nicht einmal Boerum Hill. Das Waisenhaus liegt mehr oder weniger direkt an der Abfahrt der Brooklyn Bridge, allerdings nicht in Sichtweite von Manhattan oder der Brücke selbst, neben einer achtspurigen Straße, flankiert von gesichtslosen, monolithischen öffentlichen Gebäuden, die, wie grau und unnahbar sie auch schienen, doch ein paar von uns Jungs von innen gesehen hatten, mittels der zentralen Sortierstelle der Post von Brooklyn, einem Gebäude, das die ganze Nacht hindurch blinkte und summte und dessen Tore sich ächzend öffneten, um Postwagen mit Bergen der geheimnisvollen Fracht namens Briefe einzulassen, mittels der Burton Fachhochschule für Automechanik, von wo aus hartgesottene Studenten, die versuchten, ihr Leben möglichst langweilig und geradlinig zu gestalten, zweimal am Tag zu Butterbrot und Bier ausströmten, die benachbarte Bodega belagerten, Passanten belästigten und uns Jungs mit ihrer widerspenstigen flegelhaften Herrlichkeit begeisterten, mittels eines trostlosen Grünstreifens mit Parkbänken unter einer steinernen Büste von Lafayette, die seinen Eintritt in die Schlacht um Brooklyn darstellt, mittels eines Parkplatzes, umgeben von einem hohen, stacheldrahtbewehrten Zaun mit windgepeitschten, neonfarbenen Flaggen, und mittels eines Gebetshauses der Quäker aus rotem Backstein, das vermutlich schon dort stand, als alles rundherum noch Ackerland war. Kurz gesagt, diese Ansammlung aus Gerümpel an der verklumpten Einfahrt in diesen alten, mitgenommenen Bezirk war offiziell Niemandsland, ein Ort, den man bei der Durchfahrt stets zu ignorieren versuchte. Bis ich von Frank Minna errettet wurde, lebte ich, wie schon gesagt, in der Bibliothek.

* * *

Ich nahm mir vor, jedes Buch dieser gruftartigen Bibliothek zu lesen, jede tote Schenkung, die hier katalogisiert und vergessen worden war - ein Merkmal meiner tiefgründigen Angst und Langeweile in St. Vincent, ein frühes Anzeichen meiner durch Tourette bedingten Zwanghaftigkeit, was Zählen, Untersuchen und Ordnen anbelangte. Dort hockte ich auf dem Fenstersims, blätterte in den trockenen Seiten und betrachtete Staubpartikel, die durch die Sonnenstrahlen flipperten, suchte bei Theodore Dreiser, Kenneth Roberts, J. B. Priestley und alten Ausgaben von »Allgemeine Mechanik« nach verwandten Zeichen meines aufdämmernden merkwürdigen Selbst, scheiterte aber, konnte meine Sprache nicht finden, so wie ich auch beim Fernsehen scheiterte, bei all den endlosen Wiederholungen von »Verliebt in eine Hexe« und »Bezaubernde Jeannie« und »Hoppla Lucy« und »Gilligans Insel« und »Drei Mädchen und drei Jungen«, mit denen wir Stubenhocker unzählige Nachmittage vergeudeten, immer dicht am Bildschirm, um die Gesichter der Frauen zu studieren - Frauen! exotisch wie Briefe, wie Telefonanrufe, wie Wälder, alles Dinge, die uns Waisen verwehrt blieben - und die Abenteuer ihrer Männer, aber selbst in ihnen fand ich mich nicht wieder, Desi Arnaz, Dick York, Larry Hagman, diese geplagten, bodenständigen Astronauten, sie zeigten mir nicht, was ich zu sehen begehrte, sie halfen mir nicht, meine Sprache zu finden. Samstagmorgens war ich näher dran, besonders Daffy Duck bedeutete mir viel, solange ich die Vorstellung ertragen konnte, als dynamitgeladene, schnabelschnäuzige Ente aufzuwachsen. Art Carney mit den »Honeymooners« rangierte an zweiter Stelle, es lag etwas in der Art, wie er seinen Hals verdrehte, das mir gefiel, wenn es uns denn erlaubt war, lange genug aufzubleiben. Aber es war Minna, der mir die Sprache schenkte, Minna und die Court Street lehrten mich Sprechen.

* * *

Wir vier wurden an jenem Tag ausgesucht, weil wir vier von fünf weißen Jungs in St. Vincent waren, der fünfte war Steven Grossman, seinem Namen nach entsprechend fett. Wäre Steven dünner gewesen, hätte Mr. Kassel mich bei den Bücherregalen zurückgelassen. Ich war verschleuderte Ware, ein Blinzler und Nasebohrer, aus der Bibliothek und nicht vom Schulhof rekrutiert, wahrscheinlich in irgendeiner Weise zurückgeblieben, sicherlich bemitleidenswert, eine Dreingabe. Mr. Kassel war Lehrer in St. Vincent und kannte Frank Minna aus der Nachbarschaft. Sein Angebot, uns für einen Nachmittag auszuborgen, erlaubte uns den ersten flüchtigen Blick auf die glitzernde Aura aus Gefälligkeiten und Bevorteilungen, die Minna umgab - »jemanden kennen« als Lebensphilosophie. Minna entsprach dem genauen Gegenteil von uns, die wir entweder niemanden kannten oder aber nichts davon hatten.

Minna hatte nach weißen Jungs gefragt, um die mutmaßlichen Vorurteile seiner Klienten zu bedienen - und seine eigenen. Wahrscheinlich hatte er sich vorsorglich auch schon einen Reklamationsgrund zurechtgelegt. Aber das kann ich nicht wissen. Er ließ es uns jedenfalls an jenem ersten Tag nicht spüren, einem schwülen Wochentag im August, an dem die Straßen nach Schulschluss klebten wie schwarzes Kaugummi und die dahinkriechenden Autos wie schlechte, unscharfe Diaprojektionen aus dem Naturkundeunterricht wirkten, als er die Heckklappe seines verbeulten, mit Graffiti überzogenen Lieferwagens, etwa von der Größe eines mitternächtlichen Postwagens, öffnete und uns aufforderte einzusteigen, dann die Tür zuknallte und ohne weitere Erklärung abschloss, ohne uns wenigstens nach unseren Namen zu fragen. Wir vier starrten einander an, benommen und erstaunt über diese Flucht aus unserem Trübsinn, ohne zu wissen, was das zu bedeuten hatte, ohne es unbedingt wissen zu müssen. Die anderen, Tony, Gilbert und Danny, waren damit einverstanden gewesen, mit mir zusammengesteckt zu werden, so zu tun, als ob ich einer der ihren wäre, wenn das die Bedingung dafür war, um von der Außenwelt aufgelesen zu werden und im Dunkel eines dreckigen Lastwagens irgendwohin zu zuckeln, wo nicht St. Vincent war. Selbstverständlich zuckelte es auch in mir, zuckte schon, bevor Minna uns zusammenrief, es zuckte eigentlich immer in mir, und ich tat alles, es zu verbergen. Ich küsste die anderen Jungs nicht, obgleich ich das gern getan hätte. Stattdessen machte ich ein küssendes, zwitscherndes Geräusch, wie das Piepen eines Vogels, immer und immer wieder: »Tschirp, tschirp, tschirp.«

* * *

Tony fuhr mich an, den verdammten Mund zu halten, allerdings nicht mit genügend Nachdruck, nicht an diesem Tag, an dem die Geheimnisse des Lebens uns ihre Hand reichten. Besonders für Tony stand außer Frage, dass ihm nun endlich seine Bestimmung zuteilwerden würde. Von Anfang an sah er in Minna mehr als wir anderen, weil er sich darauf vorbereitet hatte, es zu sehen. Tony Vermonte war in St. Vincent berühmt für die Zuversicht, die er verbreitete, die Zuversicht, dass ein Fehler gemacht worden war, dass er nicht ins Waisenhaus gehörte. Er war Italiener und damit besser als der Rest von uns, von dem man nicht wusste, was er eigentlich war (was ist ein Essrog?). Sein Vater musste entweder ein Gangster oder ein Cop gewesen sein - Tony sah darin keinen Widerspruch, also sahen wir auch keinen. Die Italiener würden zurückkommen, um ihn zu holen, in der einen oder anderen Gestalt, und in Minna erkannte er diese Gestalt.

Tony war noch für andere Dinge berühmt. Er war älter als die meisten von uns in Minnas Lastwagen, fünfzehn im Gegensatz zu mir und Gilbert, dreizehn, und Danny Fantl, vierzehn (die älteren Jungs von St. Vincent gingen woanders auf die Highschool, und man bekam sie selten zu Gesicht, Tony aber hatte es fertiggebracht zu bleiben), und damit in einem Alter, das ihn unschlagbar und weltmännisch machte, selbst wenn er nicht für kurze Zeit außerhalb des Waisenhauses gelebt hätte und dann zurückgekommen wäre. Es war einfach so, Tony war unser Gott der Erfahrungen, Gott aller Zigaretten und allem, was damit zusammenhing. Zwei Jahre zuvor hatte eine Quäkerfamilie, Mitglieder der Gemeinde auf der anderen Straßenseite, Tony zu sich genommen, um ihm ein Zuhause zu geben. Schon beim Packen seiner Sachen hatte er seine Verachtung für sie kundgetan. Sie waren keine Italiener. Trotzdem lebte er für ein paar Monate bei ihnen, vielleicht sogar glücklich, auch wenn er das nicht zugegeben hätte. Sie meldeten ihn auf der Brooklyn Friends an, einer Privatschule, nur wenige Blocks entfernt, und so kam er auf seinem Nachhauseweg meist nachmittags vorbei und hing am Zaun von St. Vincent und erzählte Geschichten von seinen Mitschülerinnen, die er befummelt und mit denen er manchmal sogar geschlafen hatte, von den tuntigen Jungs, die schwammen und Fußball spielten, beim Basketball aber leicht zu schlagen waren, obwohl das nicht gerade Tonys ...
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Autor

Jonathan Lethem, geboren 1964 in New York, ist Autor zahlreicher Romane, darunter die Brooklyn-Romane »Motherless Brooklyn« und »Die Festung der Einsamkeit«. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den »National Book Critics Award«, den »Gold Dagger« und das »MacArthur Fellowship«. Lethem hat am Pomona College in Südkalifornien die Professur für Creative Writing inne. Zurzeit lebt er mit seiner Familie in Kalifornien.