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Umgang mit Rechtsextremismus

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
190 Seiten
Deutsch
Kohlhammer Verlagerschienen am13.07.20221. Auflage
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern begegnen in ihrem Berufsalltag immer wieder Menschen, die offen rechtsextreme Positionen vertreten. Dieses Buch zeigt, wie in der Praxis der Sozialen Arbeit auf rechtsextreme Herausforderungen reagiert werden kann. Dafür wird das Phänomen zunächst dargestellt, Definitionen geklärt und die Ursachen erläutert. Im Hauptteil stellt der Autor anhand konkreter Fallbeispiele aus seiner eigenen langjährigen Praxis Handlungsoptionen für alle Settings der Sozialen Arbeit vor: von der Gemeinwesenarbeit über Gruppenarbeit bis hin zur Einzelfallberatung in Prävention, Intervention und in der Elternarbeit. Das Buch richtet sich an Studierende und am Thema interessierte Fachkräfte der Sozialen Arbeit und enthält im Serviceteil neben grundlegender Literatur eine Sammlung der wichtigsten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die sie in ihrer Arbeit unterstützen können.

Dr. Dierk Borstel ist Professor für Praxisorientierte Politikwissenschaft an der Fachhochschule Dortmund.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR29,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR25,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR25,99

Produkt

KlappentextSozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern begegnen in ihrem Berufsalltag immer wieder Menschen, die offen rechtsextreme Positionen vertreten. Dieses Buch zeigt, wie in der Praxis der Sozialen Arbeit auf rechtsextreme Herausforderungen reagiert werden kann. Dafür wird das Phänomen zunächst dargestellt, Definitionen geklärt und die Ursachen erläutert. Im Hauptteil stellt der Autor anhand konkreter Fallbeispiele aus seiner eigenen langjährigen Praxis Handlungsoptionen für alle Settings der Sozialen Arbeit vor: von der Gemeinwesenarbeit über Gruppenarbeit bis hin zur Einzelfallberatung in Prävention, Intervention und in der Elternarbeit. Das Buch richtet sich an Studierende und am Thema interessierte Fachkräfte der Sozialen Arbeit und enthält im Serviceteil neben grundlegender Literatur eine Sammlung der wichtigsten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die sie in ihrer Arbeit unterstützen können.

Dr. Dierk Borstel ist Professor für Praxisorientierte Politikwissenschaft an der Fachhochschule Dortmund.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783170366985
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum13.07.2022
Auflage1. Auflage
Seiten190 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4920 Kbytes
Illustrationen23 Abbildungen
Artikel-Nr.9748784
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1âTheoretische Grundlagen

Theoretische Grundlagen - muss das wirklich sein? Ließe sich nicht viel Lesezeit sparen und bei den vermutlich viel spannenderen Anwendungen und Praxismethoden weiterlesen? In diesem Fall wäre eine solche Entscheidung wenig empfehlenswert. Viele Anwendungen fußen auf theoretischen Grundlagen und/oder integrieren diese. Sie sind somit ohne Theorien nicht zu verstehen und auch nicht anzuwenden. Neben diesem sehr praktischen Argument lohnt sich aber vorab ein grundlegenderer Gedanke:

â
Übungsaufgabe

Bitte überlegen Sie sich Antworten für drei aufeinander aufbauende Fragen:
Was sind eigentlich Theorien?
Was unterscheidet viele sozial- von naturwissenschaftlichen Theorien?
Und: Wozu brauche ich Theorien in der Praxis oder brauche ich die später doch nicht?
Nehmen Sie sich ruhig ein paar Minuten Zeit dafür.


Theorien sind zunächst Zusammenhänge, die Realitäten beschreiben sollen und können. Sie sind auch eine Denkleistung, weil sie Sinnzusammenhänge gedanklich miteinander verbinden und gleichzeitig erklären können. Das klingt komplizierter als es ist, weil Theorien überall in unserem Alltag lauern: Wer stark betrunken Auto fährt, erhöht die Gefahr von Unfällen. Sollten Sie nicht zur Gruppe derjenigen gehören, die mehrfach und abwechselnd betrunken und nicht-betrunken Auto fahren und dabei Unfälle gebaut und somit aus Erfahrung gelernt haben, und trotzdem der obigen Aussagen zustimmen, so argumentieren Sie nicht aus Ihrer Praxiserfahrung heraus, sondern mit einer Theorie, die kurz zusammengefasst auch »betrunken + Autofahren = erhöhte Unfallgefahr« lauten könnte. In der Praxis der Sozialen Arbeit werden wir täglich mit Realitäten konfrontiert, die wir selbst nicht erlebt haben. Erklären können wir sie z. T. mittels Theorien. Sie geben uns Hinweise, wie die Situation zu erklären ist, wie sie sich weiterentwickeln könnte und damit oft auch, wie die Situation verändert und im Idealfall auch verbessert werden kann.

Natur- und sozialwissenschaftliche Theorien unterscheiden sich dabei oft durch den unberechenbaren »Faktor Mensch«. Wenn eine Katze eine Schüssel vom Tisch schubst, wird diese herunterfallen und dieser Fall wird unter unveränderten Bedingungen (z. B. Wind, Höhe des Tisches, Druck der Katze u. a.) immer gleich schnell und damit wiederholbar ablaufen. Bei Theorien zur Erklärung menschlichen Verhaltens, wie sie in den Sozialwissenschaften dominieren, können sich Menschen bewusst oder unbewusst entscheiden und in gleichen Situationen mal so und mal anders agieren. Die Theorien gelten somit selten für alle an sich vergleichbaren Fälle und haben oft viel mehr Ausnahmen als in den naturwissenschaftlichen Feldern. Auch hierfür wieder ein Beispiel: Wer in der Kindheit alltägliche Erfahrungen mit Drogen und Gewalt im Elternhaus macht, wiederholt das Gelernte oft, wenn er*sie selbst erwachsen ist und Kinder hat. Eine Zwangsläufigkeit gibt es aber nicht: Die Person kann auch aus den Erfahrungen lernen oder sich unbewusst anders entscheiden, an sich arbeiten und ihre Kinder ohne Drogen und Gewalt aufziehen. In diesem Fall entspricht die Realität nicht der theoretischen Wahrscheinlichkeit. Trotzdem ist auch hier das theoretische Wissen nicht nutzlos. Schließlich zeigt sie eine Gefahr mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auf und hilft somit bei der eigenen Entscheidung und Orientierung.

Was bedeutet das nun für dieses Lehrbuch? Die Theorien sind in vielerlei Hinsicht wichtig. Sie erklären Sinnzusammenhänge und Realitäten, beschreiben Wahrscheinlichkeiten und helfen somit beim Verstehen dessen, womit sich die Soziale Arbeit im Feld beschäftigt. Wer die Welt um sich versteht, kann sich auch selbst sicherer in ihr bewegen und reflektieren, was darin die eigene Rolle sein könnte und was nicht. Sie geben darüber hinaus auch Hinweise zu möglichen Handlungsansätzen, Praktiken und konkreten Interventionsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit. Kurzum: Ohne Theorien gibt es keine professionelle Soziale Arbeit. Sie sind unerlässlich - und das möge ermutigen - sie müssen gar nicht abstrakt, kompliziert und unverständlich sein.
1.1âDefinitionen

Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis unserer Grundbegriffe. Sie werden gleich feststellen: Das ist schwieriger als gedacht. Ich mache Ihnen dabei keine Vorgaben, für welche Definition Sie sich entscheiden sollen und stelle Ihnen die jeweiligen Vor- und Nachteile vor. Nur: entscheiden werden Sie sich müssen. Sonst reden wir aneinander vorbei. Beginnen wir mit dem Rechtsextremismus.
1.1.1âRechtsextremismus

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Übungsaufgabe

Bitte nehmen Sie sich einige Minuten Zeit und schreiben Sie alle Begriffe, Aspekte und Bilder auf, die Sie mit dem Begriff »Rechtsextremismus« verbinden. Wenn Sie dieses Wort hören - woran denken Sie?
Wenn Sie damit fertig sind: Können Sie Kategorien oder Oberbegriffe bilden und einzelne Punkte zuordnen? Z. B. in Gruppen, Parteien, Ästhetik, Einstellungen oder auch Anderes?


Legen Sie Ihren Zettel nicht zu weit weg - wir kommen gleich auf ihn zurück! Rechtsextremismus wird in der Wissenschaft und Praxis staatlicher Stellen oft völlig unterschiedlich definiert. Es gibt verschiedene Denkrichtungen, die sich z. T. erbittert bekämpfen. Umso wichtiger ist es, dass wir in unserer Kommunikation diesbezüglich klar und eindeutig sind. Die wohl wichtigste Richtung für staatliche Stellen ist die sogenannte Extremismustheorie von Backes und Jesse:
Extremismustheorie nach Jesse und Backes
Wenn Innenminister*innen oder Polizeichef*innen von »Rechtsextremismus« sprechen, beziehen sie sich fast immer auf die sogenannte Extremismustheorie. Backes und Jesse sind zwei liberal-konservative Politikwissenschaftler aus Dresden und Chemnitz, die diesen Ansatz seit den 1980er Jahren auch in der Wissenschaft offensiv vertreten. Sie beziehen sich auf antike Vorstellungen von Aristoteles, der in seiner Gesellschaftsanalyse von einer »Mitte« und »extremen Rändern« sprach. Jesse und Backes beziehen sich - vereinfacht ausgedrückt - auf folgendes »Hufeisen-Bild« (ⶠAbb. 1).



Abb. 1:»Hufeisenmodell« nach Backes und Jesse



Nach diesem Bild gibt es eine große, breite gesellschaftliche Mitte, die den größten Teil des Hufeisens ausmache, und zwei extremistische Ränder, rechts und links, die sich auch aufeinander zubewegen oder zumindest parallel laufen. Die Mitte wird hier definiert durch die freiheitlich demokratische Grundordnung. Dies ist ein Begriff, den Sie so nicht im Grundgesetz finden, der sich aber trotzdem aufs Grundgesetz bezieht. Er wurde vom Bundesverfassungsgericht in früheren Parteiverbotsurteilen geprägt und meint zentrale Grundelemente des Grundgesetzes. Insbesondere umfasst der Begriff folgende Facetten:
·
Das Recht des Staatsvolkes, die Staatsgewalt in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen und Abstimmungen zu bestimmen und diese Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung, z. B. Parlamente, ausführende Organe wie Regierungen und Verwaltung auszuüben und eine unabhängige Rechtsprechung zuzulassen.

·
Die Existenz eines Rechtsstaates, der auf Gesetzen und Verordnungen beruht, die für alle gelten.

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Das Recht und den Schutz einer Opposition gegen die regierende Mehrheit.

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Die Möglichkeit, eine Regierung abzuwählen.

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Die Umsetzung der im Grundgesetz verankerten Menschenrechte.


Die Extremismustheorie geht davon aus, dass diese Aspekte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in der demokratischen Mitte Konsens sind. Innerhalb dieses Rahmens dürfe politisch gestritten werden. Es gebe dabei auch eher linke und eher rechte Ideen - aber alle teilten die Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Extremist*innen hingegen bekämpfen nach diesem Verständnis die freiheitlich demokratische Grundordnung. Sie stellen sich somit gegen die Grundwerte und -ideen des Grundgesetzes und sind damit bildlich am äußersten Rand des Hufeisens angesiedelt. Diese Kämpfe der Extremist*innen geschehen in der Theorie nicht passiv und still - sondern explizit in aktiv kämpferischer Art und Weise. Dazu im Folgenden ein Gedankenspiel.

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Übungsaufgabe

Stellen Sie sich einen einsamen Mann in seiner Einzimmerwohnung vor. Er hat dort Hitlerplakate aufgehängt, hört über seinen Kopfhörer Nazi-Märsche, leugnet den Holocaust, hasst Ausländer und wünscht sich einen Führer, der Deutschland von allen Juden befreit. Sein Zimmer darf keiner betreten. Draußen ist er still und redet mit niemanden. Er postet nichts im Netz, ist kein Mitglied in irgendeiner Gruppe, wendet keine Gewalt an. Ist er in Ihren Augen ein Rechtsextremist? Und ist er es im Sinne der...

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