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Überlebenstraining

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Satyr Verlagerschienen am12.09.2022
Vor Ellen tut sich eine große Leere auf: Die Kinder sind ausgezogen, ihr Mann und sie haben sich nicht mehr viel zu sagen und ihre Arbeit im Jobcenter ist nur noch eins: sicher. Als sie sich für einen Survivalkurs anmeldet, ist zumindest für ihre Freundinnen klar: Ellen steckt tief in der Midlife-Crisis. Dann erhält sie die Chance, für drei Monate ans andere Ende der Stadt zu ziehen. Doch damit kehrt erst recht Chaos in ihrem Leben ein: Ein verunglückter Kollege benötigt Hilfe, ihr Vater campiert vor einem Modegeschäft für Übergrößen und was hat die Ehekrise ihrer Eltern mit diesem Schuhkarton zu tun, den ihre Mutter seit Ellens Kindertagen im Schrank versteckt hält? Mit Verve und leisem, unaufdringlichem Humor erzählt Daniela Böhle vom Leben nach dem Auszug der eigenen Kinder und über vergessene und wiedergefundene Träume.

Daniela Böhle (Jahrgang 1970) stammt aus Köln und lebt seit 1999 mit zwei Kindern in Berlin. Nach einem Kunstgeschichtsstudium und einem medizinischen Staatsexamen arbeitet sie heute beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Daniela Böhle schreibt Romane, Kurzgeschichten und Hörspiele. Ihre erste Geschichtensammlung »Amokanrufbeantworter« sowie ihr Jugendbuch »Mein bisher bestes Jahr - wer vorher nachdenkt, verpasst 'ne Menge« erschienen bei Satyr, ihr Roman »Schmetterlinge aus Marzipan« folgte 2019 bei dtv.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextVor Ellen tut sich eine große Leere auf: Die Kinder sind ausgezogen, ihr Mann und sie haben sich nicht mehr viel zu sagen und ihre Arbeit im Jobcenter ist nur noch eins: sicher. Als sie sich für einen Survivalkurs anmeldet, ist zumindest für ihre Freundinnen klar: Ellen steckt tief in der Midlife-Crisis. Dann erhält sie die Chance, für drei Monate ans andere Ende der Stadt zu ziehen. Doch damit kehrt erst recht Chaos in ihrem Leben ein: Ein verunglückter Kollege benötigt Hilfe, ihr Vater campiert vor einem Modegeschäft für Übergrößen und was hat die Ehekrise ihrer Eltern mit diesem Schuhkarton zu tun, den ihre Mutter seit Ellens Kindertagen im Schrank versteckt hält? Mit Verve und leisem, unaufdringlichem Humor erzählt Daniela Böhle vom Leben nach dem Auszug der eigenen Kinder und über vergessene und wiedergefundene Träume.

Daniela Böhle (Jahrgang 1970) stammt aus Köln und lebt seit 1999 mit zwei Kindern in Berlin. Nach einem Kunstgeschichtsstudium und einem medizinischen Staatsexamen arbeitet sie heute beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Daniela Böhle schreibt Romane, Kurzgeschichten und Hörspiele. Ihre erste Geschichtensammlung »Amokanrufbeantworter« sowie ihr Jugendbuch »Mein bisher bestes Jahr - wer vorher nachdenkt, verpasst 'ne Menge« erschienen bei Satyr, ihr Roman »Schmetterlinge aus Marzipan« folgte 2019 bei dtv.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783947106882
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum12.09.2022
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2256 Kbytes
Artikel-Nr.9872900
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


///

Im Dunkeln dachte ich an Marie, an Jens, an meine Freundinnen und an gar nichts. Ich dachte daran, wie schön es wäre, meine Mutter wegen Marie um Rat fragen zu können. Wenn ich bloß weniger unsichtbar für sie wäre. Oder vielleicht machte in Wirklichkeit sie sich unsichtbar. Ich dachte daran, wie es wäre, wenn ich einfach instinktiv wüsste, wie man das gut machte: Mutter einer Tochter zu sein. Stattdessen hatte ich nur mitbekommen, wie man einer Tochter keine Mutter war. Für Marie hätte ich das alles lernen müssen, doch offensichtlich war mir das nicht gelungen: Statt auf ihrem Weg unterstützt, schien sie sich von mir in eine Richtung geschubst zu fühlen, in die sie nicht wollte.

Während ich Jennifer neben mir ruhig atmen hörte, konzentrierte ich mich statt auf meine verkorkste Familie auf den Wald. Er roch so gesund, als müsste ich nur lang genug atmen und alles Schlechte würde aus meinem Körper verdrängt. Ich meinte, das Grün der Bäume riechen zu können und dazwischen die kleinen Tiere zu sehen, die sich in ihrer Rinde verborgen hielten. Ich versuchte, verschiedene Gerüche zu unterscheiden und zu orten, und dabei schlief ich schließlich ein.

Irgendwann mitten in der Nacht wachte ich auf und war vollkommen desorientiert. Eine Welle der Panik ergriff mich und erst mit großer Verzögerung erinnerte ich mich, dass ich im Wald lag, neben mir Jennifer, und an einem Survivalwochenende teilnahm. Ich tastete nach meiner Taschenlampe und schaltete sie so ein, dass ich Jennifer nicht störte. Mein Herz schlug hart gegen meinen Brustkorb und auch das Taschenlampenlicht machte es kaum besser.

Ich wollte hier nicht sein. Der Wald machte unheimliche Geräusche und ich erinnerte mich daran, was Ralf gesagt hatte. Die Angst fortschicken. Neugierig auf den Nachtwald sein. Auch der nächtliche Wald passt auf uns auf. Atmen. Einfach atmen. Den Atem kommen und gehen lassen. Langsam klang meine Panik ab. Ich war immer noch weit davon entfernt, mich behaglich zu fühlen, aber mein Herz schlug langsam wieder in einem zumutbaren Rhythmus.

Was mache ich hier, fragte ich mich, wem wollte ich etwas beweisen? Mir vielleicht, überlegte ich. Wenn, dann höchstens mir. Ich erinnerte mich an mein Bett zu Hause und an Jens, der dort gerade schlief und mich an der Ostsee mit Hilke und Carola wähnte. Mein Leben schien mir gerade vollkommen abhandengekommen zu sein, mein Büro, mein Arbeitsweg, unsere viel zu leere Wohnung. Die Menschen, die es sonst bevölkerten, Jens und die Kinder, meine Eltern, Carola und Hilke, sie alle hatten es warm und weich, während ich gerade jeden Knochen spürte. Wollte ich jetzt gerade mit ihnen tauschen? Eigenartigerweise konnte ich diese Frage nicht bejahen. Wie in einer Bequemlichkeitsblase, dachte ich. So ist mein Leben. Meine Gedanken gelangten nicht aus dieser Schleife wie die Nadel eines Plattenspielers, die immer in die vorhergehende Rille zurückrutscht. Die Bequemlichkeitsblase war das Letzte, woran ich dachte, ehe ich trotz der vielen unheimlichen Geräusche wieder einschlief.

Am nächsten Morgen waren wir alle froh, dass Ralf sowohl Birkenrinde als auch Distelsamen vor uns in Sicherheit gebracht hatte, sonst hätten wir auf Kaffee verzichten müssen. So aber durfte Andreas, der sich am Abend zuvor am schwersten mit dem Feuermachen getan hatte, noch mal sein Glück versuchen. Wir freuten uns alle mit ihm, als es ihm im ersten Anlauf gelang. Mich beschlich das Gefühl, dass es auch für seine Partnerschaft gut war, wenn er sich nicht dumm anstellte. Julia schien mir nicht die Sorte Frau zu sein, die einen linkischen Mann dauerhaft akzeptieren konnte.

Schließlich saßen wir um das Feuer herum, ein wenig verschlafen und mit Kaffee- oder Teetassen in den Händen, und teilten unsere Erlebnisse der vergangenen Nacht. Die Kinder behaupteten, gar nicht geschlafen zu haben. Rita und die Frau mit C hatten einander geweckt, als sie austreten mussten, um sich beizustehen. Ich hätte Jennifer auch geweckt, wenn das nötig gewesen wäre, spürte ich ein wenig überrascht über mich selbst. Wir waren auch ein Team geworden. Dirk hatte erstaunlich viele Tiere gehört und auch Jennifer berichtete von Tieren, denen sie gelauscht hatte. Ralf erzählte irgendwann eine Legende über die Sommersonnwende und die weisen Frauen, an die die Germanen geglaubt hatten oder die von den Germanen noch gesehen werden konnten, ehe wir blind für sie geworden waren. An diesem Morgen im Wald hielt ich das für durchaus möglich.

»Wer ist heute Nacht von Mücken gestochen worden?« Alle bis auf Jennifer und mich meldeten sich. »Dann lasst uns mal rausfinden, auf welche Kräuter ihr besonders gut reagiert. Denn auch wenn man weiß, welche Inhaltsstoffe in den Kräutern enthalten sind - Naturwissenschaft ist einfach nicht alles.« Er nickte uns zu, als wären wir uns darüber einig. Dirk zumindest sah ähnlich zweifelnd wie ich aus. Doch schon kurze Zeit später verstanden wir, was Ralf gemeint hatte. Er zeigte uns verschiedene Kräuter. Würde ich mich nach dem Wochenende noch erinnern, was man essen und was man nicht essen konnte? Würde ich mich noch an den Breitwegerich von gestern erinnern? Schlagartig fiel mir Dirks Fußproblem wieder ein und ich musterte seine Schuhe. Er trug sie wieder. Offenbar war das im selben Moment auch Ralf wieder eingefallen: »Außerdem haben wir ja noch ein anderes Experiment gemacht. Dirk, wie geht es denn deinen Füßen?«

Dirk lief wieder so rot an wie am Vortag. Zuerst nickte er heftig, dann stieß er »Gut, ja, gut« hervor. Sicher war ich nicht die Einzige, die unbedingt Einzelheiten erfahren wollte.

»Möchtest du uns mal einen deiner Schuhe zeigen?« Das war keine Frage, auf die Dirk mit »Nein« antworten konnte, aber ich las in seinem Gesicht, dass er das gern getan hätte. Widerstrebend zog er einen seiner Schuhe aus und Ralf ließ ihn herumgehen. »Ihr könnt sofort merken, dass das Leder weicher geworden ist. Früher wurde Urin für total viel eingesetzt. Soldaten haben zum Beispiel mit Urin frische Wunden desinfiziert.«

Julia gab ein gequältes Fiepen von sich und Jennifer lachte. Dirks Schuh wurde weitergereicht, aber niemand wollte das Leder an der Ferse näher untersuchen. Gustav roch daran und sein Vater hätte ihm vermutlich den Schuh aus der Hand gerissen, wenn er sich das getraut hätte. Gustav machte ein leises Würgegeräusch und warf den Schuh seinem Vater in den Schoß, der mit heller Stimme aufschrie. Dem angeekelten Blick seiner Frau sah ich an, dass er gerade sein wackeres Feuermachen verspielt hatte. Andreas riss sich sichtlich zusammen und reichte den Schuh weiter. Ralf kehrte zu dem Mückenstichexperiment zurück. Ich bedauerte es fast, das Zitronella-Fläschchen mit Jennifer geteilt zu haben, denn die anderen zerrieben nun verschiedene Kräuter zwischen den Fingern und behandelten damit ihre Stiche. Ralf ging von einem zum anderen und begutachtete alles. Danach saßen wir eine ganze Weile still da. Ich horchte auf den Wald, der am Morgen so völlig anders klang als am Abend. Die Vögel schienen höher zu singen und munterer.

Irgendwann wollte Ralf wissen, ob wir feststellen konnten, dass manche Mückenstiche nicht mehr juckten, andere aber noch spürbar waren. Alle nickten und redeten durcheinander. Und offenbar hatte Ralf recht gehabt und die Kräuter wirkten durchaus unterschiedlich. »Merkt euch, welches Kraut euch am besten geholfen hat«, riet Ralf. Ich musste das unbedingt bei einer anderen Gelegenheit ausprobieren.

Julia und Andreas sprachen mit ihren Kindern und die vier machten zum ersten Mal einen harmonischen Eindruck. Andreas strich Julia übers Haar und Greta lächelte ihren Bruder von der Seite an, bis der den Kopf drehte und zurücklächelte. Langsam packten wir zusammen. Ich dachte an die Bequemlichkeitsblase, die mir vergangene Nacht eingefallen war, und daran, dass ich dorthin nicht zurückkehren wollte.

Ralf erzählte währenddessen die Legende von Frau Holle, als er uns auf einen Holunderbusch am Bach hinwies. Seine Geschichte unterschied sich ein wenig von dem bekannten Märchen, denn die Holle änderte je nach Jahreszeit die Farbe und konnte als Percht den Menschen schaden, wenn diese beispielsweise einen Holunderbusch verletzten oder sogar absägten. »Unter dem Holunder setzt die Holle die Seelen der Toten aus, nachdem sie sie geprüft hat. Da wartet dann die Seele, bis ein Kind geboren wird, in dessen Körper sie schlüpfen kann.«

Wir machten einige Orientierungsübungen, aber ich merkte den anderen an, dass sie ebenso erschöpft waren wie ich. Die Nacht war anstrengender gewesen als gedacht und die zweite Grützeration zum Frühstück hatte mir schon deutlich weniger geschmeckt als am Vortag.

Für den Rückweg ließ uns Ralf neue Zweierteams bilden und ich tat mich mit Rita zusammen. Ich kam mir ganz unzureichend vor, weil wir nicht so gut harmonierten wie sie und die Frau, deren Namen ich nach wie vor...
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Autor

Daniela Böhle (Jahrgang 1970) stammt aus Köln und lebt seit 1999 mit zwei Kindern in Berlin. Nach einem Kunstgeschichtsstudium und einem medizinischen Staatsexamen arbeitet sie heute beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Daniela Böhle schreibt Romane, Kurzgeschichten und Hörspiele. Ihre erste Geschichtensammlung »Amokanrufbeantworter« sowie ihr Jugendbuch »Mein bisher bestes Jahr - wer vorher nachdenkt, verpasst 'ne Menge« erschienen bei Satyr, ihr Roman »Schmetterlinge aus Marzipan« folgte 2019 bei dtv.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt