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Firestarter

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
360 Seiten
Deutsch
Verlagsbuchhandlung Liebeskinderschienen am23.01.2023Deutsche Erstausgabe
Belfast, im Sommer 2014. Überall in der Stadt entfachen Protestanten riesige Freudenfeuer zu Ehren des englischen Königs William von Oranien, der einst das katholische Irland besiegte. Die Lage eskaliert, als ein Video viral geht, in dem ein maskierter »Firestarter« dazu aufruft, die Stadt in Schutt und Asche zu legen. Sammy Agnew ahnt, dass sein Sohn Mark dahintersteckt, denn er kennt die Faszination zerstörerischer Gewalt aus der eigenen Jugend. Längst hat er dem Hass abgeschworen, aber er spürt, dass er nie völlig davon loskommen wird. Soll er seinen Sohn an die Polizei ausliefern, um zu vermeiden, dass die Situation vollends aus dem Ruder läuft? Verzweifelt bittet er den Arzt Jonathan Murray um Rat. Der jedoch befindet sich selbst in einer fatalen Lage. Er fürchtet, seine Tochter könnte allein mit ihrer Stimme Leben zerstören ... Mit »Firestarter« hat Jan Carson einen außergewöhnlichen Roman über Nordirland geschrieben, humorvoll und bewegend, schonungslos und doch voller Magie. Aber sie erzählt auch eine universale Geschichte über Selbstbehauptung und Verantwortung - in einer Welt, die einmal mehr zu entgleisen droht.

Jan Carson wuchs als Kind einer protestantischen Familie im nordirischen County Antrim auf, bevor sie als Jugendliche nach Belfast zog und danach einige Jahre an der amerikanischen Westküste verbrachte. Ihr Debütroman erschien 2014, danach folgten mehrere Erzählungsbände und zwei weitere Romane, von denen »Firestarter« 2019 mit dem Literaturpreis der Europäischen Union ausgezeichnet wurde. Jan Carson lebt heute wieder in Belfast.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextBelfast, im Sommer 2014. Überall in der Stadt entfachen Protestanten riesige Freudenfeuer zu Ehren des englischen Königs William von Oranien, der einst das katholische Irland besiegte. Die Lage eskaliert, als ein Video viral geht, in dem ein maskierter »Firestarter« dazu aufruft, die Stadt in Schutt und Asche zu legen. Sammy Agnew ahnt, dass sein Sohn Mark dahintersteckt, denn er kennt die Faszination zerstörerischer Gewalt aus der eigenen Jugend. Längst hat er dem Hass abgeschworen, aber er spürt, dass er nie völlig davon loskommen wird. Soll er seinen Sohn an die Polizei ausliefern, um zu vermeiden, dass die Situation vollends aus dem Ruder läuft? Verzweifelt bittet er den Arzt Jonathan Murray um Rat. Der jedoch befindet sich selbst in einer fatalen Lage. Er fürchtet, seine Tochter könnte allein mit ihrer Stimme Leben zerstören ... Mit »Firestarter« hat Jan Carson einen außergewöhnlichen Roman über Nordirland geschrieben, humorvoll und bewegend, schonungslos und doch voller Magie. Aber sie erzählt auch eine universale Geschichte über Selbstbehauptung und Verantwortung - in einer Welt, die einmal mehr zu entgleisen droht.

Jan Carson wuchs als Kind einer protestantischen Familie im nordirischen County Antrim auf, bevor sie als Jugendliche nach Belfast zog und danach einige Jahre an der amerikanischen Westküste verbrachte. Ihr Debütroman erschien 2014, danach folgten mehrere Erzählungsbände und zwei weitere Romane, von denen »Firestarter« 2019 mit dem Literaturpreis der Europäischen Union ausgezeichnet wurde. Jan Carson lebt heute wieder in Belfast.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783954381616
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum23.01.2023
AuflageDeutsche Erstausgabe
Seiten360 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1188 Kbytes
Artikel-Nr.10814302
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2
Belfast, Stadt der Liebenden

Ich wurde immer nur Jonathan genannt. Niemals John. John ist der Name meines Vaters. Er ist schon vergeben. Und ich will schon gar nicht Jonny genannt werden, auch wenn ich mich zu Hause manchmal selbst so nenne und mit vorgerecktem Kinn wie ein Gauner von einem Zimmer ins nächste stolziere. Jonny Murray - das ist ein Name für einen Rugbyspieler oder einen jungen Mann, mit dem man in der Toilette eines Nachtclubs in Cookstown quatscht, während er sich die Hände unter dem kalten Wasserhahn wäscht. Jonny Murray fühlt sich wohl in seiner Haut. Er steuert sein Auto lässig mit einer Hand und trägt jeden Tag ein anderes Slogan-T-Shirt: »Loser«, »Harvard«, »Hello Ladies«. Jonny redet mit Frauen, als ob sie dieselbe Sprache sprechen würden. Er hat keine Angst davor, zu tanzen oder angestarrt zu werden, während mir schon allein der Gedanke daran Panik verursacht.

Ich glaube, ich wäre gerne Jonny gewesen, oder vielleicht jemand ganz anderer.

Aber ich bin Jonathan, jetzt und schon von Anfang an, mit allen drei Silben. Ich habe mir den Namen nicht ausgesucht. Meine Eltern haben mich so genannt, immer mit gereiztem Unterton, und dann wurde ich Arzt. Dazwischen war keine Zeit zur Selbstentfaltung. Ich habe durchaus darüber nachgedacht, meinen Namen zu ändern, aber mit dreißig ist es zu spät, und meine Patienten würden einem Arzt namens Jonny nicht vertrauen.

Früher habe ich manchmal versucht, meinen Namen abzukürzen. Vor allem an der Uni, als ich schüchtern Mädchen angebaggert habe. »Hi«, sagte ich dann, fasste quer über den Tisch und nahm die Hand der Unbekannten mir gegenüber - jede, die einigermaßen vernünftig aussah, war mir recht. »Jonny Murray, schön, dich kennenzulernen.« Aber Jonny passte noch nie richtig zu Murray, wegen der zwei Ypsilons hintereinander. Mir blieb der eigene Name an den Zähnen hängen wie getrocknete Spucke. Die Mädchen wandten sich von mir ab und unterhielten sich demonstrativ mit anderen; meist erfuhr ich nicht einmal ihre Namen. Irgendwann gab ich es auf. Ich wurde wieder zu Jonathan oder sagte einfach gar nichts mehr, was weit häufiger vorkam.

Im Gesundheitszentrum bin ich für Patienten wie für Kolleginnen und Kollegen gleichermaßen Dr. Murray. Was meine Kollegen angeht, frage ich mich, ob sie mich nicht leiden können oder ob das zum höflichen Umgang zwischen Fachleuten gehört. Ich lausche vor dem Personalraum, um herauszufinden, ob sich die anderen Ärztinnen und Ärzte mit Vornamen anreden. Aber ich erfahre nichts. Sie tauschen nur Plattitüden aus wie: »Können wir noch einen Teelöffel haben?« oder »Ist noch Milch im Kühlschrank?« Sie reden sich fast nie mit Vornamen an. Trotzdem fühle ich mich ausgeschlossen. Ich bin mir so gut wie sicher, dass die anderen Ärzte Chris, Sarah und Martin/Marty genannt werden, wenn ich nicht dabei bin, und ich vermute, dass alle zusammen nach der Arbeit einen trinken gehen und mich niemand einlädt. Ich versuche mir einzureden, dass mich das nicht sonderlich stört, und beobachte sie abends durch einen dünnen Schlitz in meinen Bürojalousien, wie sie den Parkplatz verlassen. Sie fahren in getrennten Autos weg, aber das beweist nichts.

In letzter Zeit habe ich die Vorstellung entwickelt, dass mich die Empfangsdamen »Doc« nennen. Ihre Stimmen, wenn sie meinen Namen sagen, sind wie warme Milch in einem Becher. Ich weiß, dass diese Vorstellung lächerlich und unrealistisch ist, denn es gibt vier Ärztinnen und Ärzte in der Praxis, von denen jeder den gleichen Anspruch auf die Bezeichnung Doc hat. Besser, ich erfinde mir einen eigenen Spitznamen. »Minty« vielleicht, nach den Murray-Mint-Bonbons. Aber ich weiß, dass von den Damen an der Rezeption keine besonders gebildet ist. Sie sind freundliche Wesen, die tippen und Anrufe beantworten. Von alleine würden sie nicht auf etwas so Pfiffiges wie »Minty« kommen. Inzwischen habe ich die Fantasie aufgegeben. Ich bin durch und durch Pragmatiker, sogar wenn ich von den Empfangsdamen träume und mir vorstelle, was sie unter ihren Blusen tragen.

Ich habe keinen zweiten Vornamen. Das liegt an meinen Eltern. Sie wollten eigentlich keine Kinder. Wären sie gefragt worden, hätten sie vielleicht lieber Hunde oder Gartenzwerge als Miniaturausgaben von sich selbst gehabt. Ich war und bin ein »Unfall«, obwohl ich glaube, dass dieses Wort eine ungenaue Bezeichnung für den Akt ist, ein Kind in den Bauch deiner Frau zu pflanzen. Unfälle sind zufällige Ereignisse wie zerbrochenes Geschirr oder ein Autounfall. Oft ist Alkohol im Spiel. Trotzdem wurde meine Zeugung im Hause Murray immer als »Unfall« bezeichnet. »Enttäuschendes Ergebnis« oder »unglücklicher Ausgang« wäre vielleicht eine bessere Bezeichnung gewesen, denn mir wurde gesagt, dass der Akt selbst sorgfältig geplant und sogar von Kerzenlicht begleitet wurde.

Nach dem »Unfall« genossen meine Eltern noch neun Monate lang ihre Zweisamkeit. Das sollte ja eigentlich mehr als genug Zeit gewesen sein, um sich an den Gedanken an Nachwuchs zu gewöhnen. Doch sie gewöhnten sich nicht an den Gedanken und verbrachten die Monate stattdessen damit, zu trinken, essen zu gehen und mit Freunden an der Côte d´Azur Urlaub zu machen, wobei sie ihr immer größer werdendes Problem unter Tuniken und wallenden Sommerkleidern verbargen. Mein Vater hat mir erzählt, dass der Anblick von Mutters Bauch im letzten Drittel der Schwangerschaft jedes Mal wieder ein Schock war, wenn sie sich zum Schlafengehen auszog. Er brachte es nicht fertig, ihn direkt anzusehen, und schielte stattdessen an seiner Frau vorbei, so wie bei einer besonders erschütternden Szene im Fernsehen, die man nicht sehen, aber auch nicht verpassen will. »Was sollen wir denn jetzt damit machen?«, fragte Mutter und deutete auf die Stelle, an der sie ihre Hosen nicht mehr zubekam, woraufhin Vater mit den Schultern zuckte und sagte: »Lass uns morgen darüber reden.« Dann wurde Wein eingeschenkt, meistens Rotwein, und am nächsten Abend spielte sich die gleiche Szene ab, wie in der letzten Staffel einer Sitcom. Als das Baby kam, fragte meine Mutter immer noch: »Was sollen wir denn jetzt damit machen?«, aber die Antwort ließ sich nicht länger aufschieben.

Das, so sollte man hinzufügen, wurde mir in meiner Kindheit gerne als Gutenachtgeschichte erzählt. Eigentlich kein Wunder, dass ich so geworden bin.

Keiner von beiden wollte ein Kind haben. Die Option, es wegzugeben, kam jedoch auch nicht infrage. Meine Eltern waren berufstätig: Sie war Anwältin, er machte irgendetwas mit Finanzen, nicht unbedingt wie ein Buchhalter, aber so ähnlich. Sie bewegten sich nicht in Kreisen, in denen man ein Baby weggeben konnte. Ihre Freunde und Bekannten wären schockiert darüber gewesen, wenn sie erfahren hätten, dass sie sich ein Kind zugelegt hatten, ohne es wirklich zu wollen. So etwas passierte nur Asozialen in Brennpunktvierteln. Hätte sich das herumgesprochen, hätte man sie nicht mehr zu Dinnerpartys eingeladen. In den Speisesälen von Belfasts besten Hotels hätte man sie tuschelnd angestarrt. Meine Eltern wollten nicht als Ausgestoßene enden, also behielten sie das Baby und nannten es Jonathan.

Ihre Fantasie war ebenso begrenzt wie ihr Enthusiasmus und reichte nicht für einen zweiten Vornamen. Dann ließen sie mich taufen, und damit war es dann geschehen. Ohne einen zweiten Vornamen war ich nicht zu unterscheiden von den Tausenden anderen Jonathan Murrays, die die westliche Welt bevölkern, zweifellos alles solide Männer mit Ingenieursberufen, Ehefrauen und Familienautos, die sie drei Jahre lang behalten und dann gegen bessere eintauschen. Es hat keinen Sinn, nur so zum Spaß meinen Namen zu googeln. Allein in Belfast gibt es mindestens zehn andere Jonathan Murrays, und sicher an die hundert, wenn ich die Suche auf ganz Irland ausweite.

Ich gebrauchte meinen Namen als Vorwand, um mich zu einem unauffälligen Kind zu entwickeln. Meine Eltern unternahmen nichts, um mich vom Gegenteil zu überzeugen. Sie haben mich nicht direkt misshandelt, weder körperlich noch verbal. Ich hatte immer genug zu essen und alles an materiellen Dingen, was ich brauchte, denn meine Mutter betrachtete Erziehung als eine Art Wettkampfsport. Sie konnte es nicht ertragen, von ihren Altersgenossinnen überflügelt zu werden. Andererseits waren meine Eltern nicht sonderlich engagiert. Es kam durchaus vor, dass sie den Babysitter dafür bezahlten, meine Schulkonzerte mit einer Videokamera aufzuzeichnen. Sie schauten sich diese Videos hinterher nicht an, sondern bewahrten sie in einem Regal im Arbeitszimmer auf, für den Fall, dass ein Beweis für ihr Interesse benötigt wurde. Mehrmals vergaßen sie meinen Geburtstag und beschenkten mich einige Tage vor oder nach dem eigentlichen Datum. Sie waren weder freundlich noch unfreundlich zu mir. Als ich sechzehn Jahre alt wurde, wanderten sie nach Neuseeland aus und behaupteten,...
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Autor

Jan Carson wuchs als Kind einer protestantischen Familie im nordirischen County Antrim auf, bevor sie als Jugendliche nach Belfast zog und danach einige Jahre an der amerikanischen Westküste verbrachte. Ihr Debütroman erschien 2014, danach folgten mehrere Erzählungsbände und zwei weitere Romane, von denen »Firestarter« 2019 mit dem Literaturpreis der Europäischen Union ausgezeichnet wurde. Jan Carson lebt heute wieder in Belfast.