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Durchs Feuer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
260 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am19.02.20161. Auflage
Die Kunst des Liebens Die junge Iris hat für ihre Eltern nur Verachtung übrig. Mutter Hanna sieht nicht nur aus wie eine Barbiepuppe, sondern ist genauso leblos, und Stiefvater Lowell, der verkrachte Soap-Darsteller, ignoriert sie. Und dann tritt Ernest, Iris` leiblicher Vater, in ihr Leben und ändert alles. Er liegt im Sterben. Iris` Mutter hat keinerlei Respekt für ihren todkranken Ex-Mann. Stattdessen sieht sie sich bereits erben und in Golddukaten schwimmen, denn Ernest ist ein hoch betuchter Kunstsammler. Doch Ernests Tod ist ein Abgang wie ein Paukenschlag und die letzte große Liebeserklärung an seine Tochter Iris.

Jenny Valentine wurde 1970 in Cambridge geboren und schreibt von der Kritik hochgelobte Kinder- und Jugendbücher, die mehrfach ausgezeichnet und in 19 Ländern veröffentlicht wurden. Jenny Valentine lebt an verschiedenen Orten und hat zwei Töchter.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextDie Kunst des Liebens Die junge Iris hat für ihre Eltern nur Verachtung übrig. Mutter Hanna sieht nicht nur aus wie eine Barbiepuppe, sondern ist genauso leblos, und Stiefvater Lowell, der verkrachte Soap-Darsteller, ignoriert sie. Und dann tritt Ernest, Iris` leiblicher Vater, in ihr Leben und ändert alles. Er liegt im Sterben. Iris` Mutter hat keinerlei Respekt für ihren todkranken Ex-Mann. Stattdessen sieht sie sich bereits erben und in Golddukaten schwimmen, denn Ernest ist ein hoch betuchter Kunstsammler. Doch Ernests Tod ist ein Abgang wie ein Paukenschlag und die letzte große Liebeserklärung an seine Tochter Iris.

Jenny Valentine wurde 1970 in Cambridge geboren und schreibt von der Kritik hochgelobte Kinder- und Jugendbücher, die mehrfach ausgezeichnet und in 19 Ländern veröffentlicht wurden. Jenny Valentine lebt an verschiedenen Orten und hat zwei Töchter.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423429092
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum19.02.2016
Auflage1. Auflage
Seiten260 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1677 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.1852666
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
ZWEI

Ernest musste die Hoffnung längst aufgegeben haben, mich jemals wiederzusehen, als meine Mutter aus heiterem Himmel bei ihm anrief. Wir waren erst seit fünf Tagen wieder im Land. Es war ein Montagmorgen, und es regnete. Die Uhr an seinem Bett zeigte 11:32. Die Pflegerin übergab ihm das Telefon, während es noch klingelte. Später dann meinte er, wenn er eine Liste von tausend möglichen Anrufern erstellt hätte, dann wären wir nicht mal an deren Ende aufgetaucht. Wir waren über zwölf Jahre fort gewesen. Er glaubte schon lange nicht mehr, mich finden zu können.

Hannah und Lowell hatten am Vorabend darüber gesprochen. Tatsächlich hatten sie seit Tagen, noch ehe wir abgereist waren, über nichts anderes geredet als darüber, wie die Sache anzugehen sei. Lowell meinte, sie solle ganz blasiert so tun, als wäre nichts passiert, und das machte sie dann wohl auch.

»Wir sind wieder da«, sagte sie zu Ernest, als wären wir übers Wochenende einfach mal weg gewesen.

Hätte sich ein Wurmloch an der Wand gegenüber aufgetan, es hätte Ernest weniger überrascht und in Angst versetzt. Er sah sich um, wollte sich vergewissern, dass er wach war und lebte, nicht schon tot, nicht rückwärts in die Zeit gesaugt, nicht träumte.

»Hannah?« Er hauchte ihren Namen in die Sprechmuschel. »Bist du das?«

Ich konnte seine Stimme hören, leise und blechern durch den Hörer, wie die eines Mannes, der in einer Keksdose gefangen war. Ich blieb nah dran und lauschte. Meinen richtigen Vater hatte ich noch nie sprechen hören, ich konnte mich überhaupt nicht an ihn erinnern. Er hatte sich unserer vor langer Zeit entledigt, und das war´s.

»Ja, Ernest«, sagte meine Mutter und kontrollierte ihr Gesicht im Spiegel, straffte mit der freien Hand die Falten um ihren Mund und ließ dann los, Zeitreise mit ihrem Gesicht, immer wieder, vor und zurück. »Ich bin´s.«

Ihr plötzlicher Anruf, dass sie so tat, als wären all die Jahre belanglos vorbeigegangen, musste ihm das kalte Grausen bereitet haben. Damals war es mir nicht bewusst, heute allerdings lässt es mich nicht mehr los.

»Mein Gott, dieses Land ist ein Müllhalde«, sagte sie, während er noch sprachlos war. »So was von grau - und so was von kalt.«

»Ist Iris bei dir?«, fragte Ernest.

Sie antwortete ihm nicht direkt. Das ist eine der wenigen Eigenschaften Hannahs, auf die man sich immer verlassen kann - ihre mangelnde Großzügigkeit, die unbedingte Weigerung, jemandem zu geben, was er möchte. Die Frage perlte an ihr ab, sie machte stur weiter.

»Wir haben ein Projekt bei der BBC.«

»Das ist mir neu«, murmelte ich, denn soweit ich wusste, waren wir vor einem Schuldenberg und sonstigem Ärger geflohen und nicht auf dem Weg in eine glanzvolle Zukunft. Hannah versetzte mir einen Klaps auf den Arm und gab mir gestikulierend zu verstehen, dass ich die Klappe halten oder verschwinden solle.

»Es war eine sehr gute Entscheidung«, sagte sie, »abgesehen vom Wetter.«

»Warum rufst du an, Hannah?«, hörte ich ihn sagen. »Was willst du?«

Für geschäftliche Dinge hat meine Mutter ihre eigene Stimmlage. Schroff und harsch wie eine Felswand, wie zusammengebissene Zähne. Sie verschließt alles in einem Safe, dann öffnet sie den Mund. »Können wir uns treffen?«

Eine Pause trat ein, es war einfach stumm in der Leitung, als ob er darüber nachdenken würde. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht gerade erpicht war auf diese Gelegenheit.

»Weshalb jetzt?«, sagte er.

»Möchtest du nicht?« Hannah legte die Hand auf die Sprechmuschel und zischte »Siehst du?«, als ob dies der Beweis wäre, dass sie, was ihn anging, immer recht gehabt hätte. Ich wappnete mich für den Fall, dass ich erneut zurückgewiesen wurde. Das hatte ich ohnehin erwartet. Es war kein großes Drama.

»Darum geht es nicht«, sagte er.

»Um was dann?«

»Ihr müsstet hierherkommen.«

Das war´s, dachte ich. Am liebsten hätte ich das Zimmer und Ernest für den Rest meines Lebens vergessen. Hannah hatte mir mal gesagt, er lebe allein und sie würde niemals zurückgehen, weil es dort unendlich langweilig sei, ohne Läden und Internet und Bars und Leute und Asphalt und Häuser. An einem solchen Ort war meine Mutter ein Fisch ohne Wasser, ein Paradiesvogel in einer Jauchegrube.

»Nichts als Schafe«, sagte sie immer, »und Wiesen. Und Ernest.« Es schauderte sie bei dieser grauenhaften Vorstellung. »Nie wieder.«

»Wieso das denn?«, fragte sie jetzt, als hätte sie alle Karten in der Hand, als wäre sie der Berg, der nicht zum Propheten kommt, als würde das alles nur über ihre Leiche gehen. »Wieso kommst du nicht nach London? Ich dachte, wir könnten uns in der Royal Academy treffen. Du kannst mich bei Fortnum´s zum Tee einladen, wie früher.«

Eine solche Reise kam für ihn nicht infrage. Schon aus dem Bett zu klettern war eine halbstündige Prozedur, gefolgt von einem dreistündigen Schlaf. Ernest ging nirgendwo mehr hin. Und das sagte er auch.

»Bring Iris mit, wenn irgend möglich«, sagte er. »Ich möchte sie wirklich gerne noch mal sehen, bevor ich den Abgang mache.«

»Noch mal sehen?«, flüsterte ich. »Für was hält er mich? Für eine Vase?«

»Abgang?«, sagte sie und fuchtelte mich beiseite. »Wo gehst du hin?«

»Ich bin krank«, sagte er.

»Was hast du?«

Er stockte. Ich konnte es hören. »Lunge, Leber, Knochen«, sagte er. »Oh, und Hirn. Hirn hab ich vergessen.«

Er hätte lügen können. Er hätte etwas erfinden können, schätze ich, aber er tischte es ihr einfach auf. Er lag im Sterben.

Ich hatte das Gefühl, als drehte sich mir der Magen, nur für eine Sekunde, wie in der Achterbahn, wenn du ganz oben angelangt bist und gleich nach unten kippen wirst und es zu spät ist umzukehren. Thurston jagte diesem Gefühl immer hinterher. Er suchte es, meinte er, weil er nie wissen konnte, ob er sich gerade auf ein Abenteuer einließ oder im nächsten Moment alles bereuen würde. Vielleicht beides, sagte ich, das wäre doch möglich, und er meinte, genau deshalb würde er mich mögen, deshalb seien wir Freunde geworden.

Hannahs Pupillen wurden tief wie Brunnen, und sie umklammerte den Hörer so fest, dass ihre Knöchel weiß wurden. Sie machte die richtigen Geräusche, ohne dass sie zu ihrem Gesichtsausdruck passten.

»Mein Gott«, sagte sie. »Wie lange hast du noch?«

»Schwer zu sagen«, hörte ich Ernest. »Paar Wochen, wenn ich Glück habe.«

»Und wie lange weißt du es schon?«

»Bei Weitem nicht lange genug.«

»Und du bist sicher?«

»Ich bin sicher, Hannah«, sagte er. »Es ist aus. Ich bin am Ende.«

Ich sah, wie Hannah die Lippen mit der Zungenspitze benetzte, als würde sie von etwas Süßem kosten. Sie bemerkte, dass ich sie beobachtete, und wandte sich ab.

»Sie ist sechzehn, musst du wissen«, sagte sie, wickelte Haarsträhnen um die Finger und zog sie an den Zähnen vorbei, um sie auf Spliss zu prüfen. »Iris. Wie die Zeit vergeht, nicht wahr?«

Ernest atmete eine Weile, es klang, als würde jemand auf Blisterfolie gehen, dann sagte er: »Es gibt ein paar Dinge, die ich ihr seit Langem übergeben will. Erbstücke. Es würde mir viel bedeuten, wenn ich es ihr persönlich sagen könnte.«

Mir lag nicht viel daran, ob das klappte oder nicht, damals jedenfalls. Ich war vor allem damit beschäftigt auszutüfteln, wie ich wieder nach Hause kommen könnte, machte mir Gedanken, wie ich Thurston aufspüren könnte. Die Familie stand nicht oben auf meiner Liste. Blut ist nicht dicker als Wasser, nicht wenn du den größten Teil deines Lebens auf der anderen Seite des Atlantiks verbracht hast, nicht wenn der einzige Mensch, der dir was wert ist, immer noch dort drüben ist und nicht mit dir redet und du keine Chance gehabt hast zu sagen, dass es dir leidtut oder dich zu verabschieden. Hannah sah mich an, völlig durch den Wind und mit aufgerissenen Augen, aber ich zuckte nur die Achseln.

»Was für Sachen?«, sagte sie, zu schnell, wenn du mich fragst, zu hungrig.

»Nur ein paar Gemälde.«

»Nur ein paar Gemälde«, wiederholte sie grinsend wie ein Honigkuchenpferd.

»Falls sie überhaupt will.«

»Oh, Iris steht auf Kunst«, schleimte sie. »Sie wird sich bestimmt freuen.«

»Gut, dann bring sie mit«, sagte er. »Kommt mich besuchen.«

Sie legte diese schmollende, zuckergetränkte Stimme auf, um das Bäumchen zu schütteln. »Und was bekomm ich, wenn ich das mache? Hast du auch was für mich, wofür es sich lohnt?«

Ich schämte mich für sie, ehrlich. Ich wusste nicht, wo ich hinsehen sollte. Und zugleich ging mir durch den Kopf, dass es Ernest vielleicht verdiente, ausgespielt zu werden, wie man sich bettet, so liegt man am Ende. Ich weiß noch genau, dass ich so etwas dachte.

»Reden wir drüber, wenn du hier bist«, sagte er.

»Falls ich komme«, sagte Hannah nun frostiger, »nicht wenn. Ich kann es dir nicht versprechen, Ernest. Es ist nicht selbstverständlich. Ich kann nicht alles stehen und liegen lassen.«

Ich fragte mich, was sie denn stehen lassen müsste, was sie denn liegen lassen könnte außer ihren Kreditkarten und Zigaretten und Kaugummis.

Stille trat ein. Ich hörte ihn feucht rasselnd ins Telefon seufzen. Hannah...
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Autor

Jenny Valentine wurde 1970 in Cambridge geboren und schreibt von der Kritik hochgelobte Kinder- und Jugendbücher, die mehrfach ausgezeichnet und in 19 Ländern veröffentlicht wurden. Jenny Valentine lebt an verschiedenen Orten und hat zwei Töchter.