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Als die Zeit stillstand

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
944 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am05.10.20171. Auflage
Ein vergessenes Meisterwerk, das es zu entdecken gilt, ein einmaliges Zeitzeugnis: »Als die Zeit stillstand«, das bewegende Tagebuch des großen Schriftstellers und Journalisten Léon Werth aus dem besetzten Frankreich zur Zeit des Vichy-Regimes der Jahre 1940 bis 1944. Im Sommer 1940 besetzen die Deutschen Paris. Der französische Publizist und Kritiker Léon Werth, jüdischer Herkunft, Pazifist und Antikolonialist, flieht und versteckt sich in einem Dorf im Jura. Flüchtlinge und Dorfbewohner leben hier zusammen, begierig auf Nachrichten, abgekapselt und doch ganz nah am Geschehen. Frankreich ist im Innersten gespalten, Republik und Demokratie sind bedroht, Nationalisten begrüßen den deutschen Sieg. Léon Werth schildert diesen Kosmos in seinem einzigartigen Tagebuch. Eine Welt zwischen Angst und Hoffnung, in der die Menschen ihren Weg suchen, sich aufgeben, kollaborieren oder an einer Zivilisation festhalten, die zutiefst bedroht ist. Werths zeitlose Einsichten in menschliches Denken und Handeln in einer verstörenden Zeit sind ein Meisterwerk der Literatur und ein visionäres Vermächtnis. Mit einem Vorwort von Georges-Arthur Goldschmidt, der herausstreicht, wie aktuell Léon Werths Gedanken immer noch sind: Denn wie damals stellt sich auch heute wieder die Frage, wie man sich als Mensch in einem Land verhalten kann, in dem Freiheit und Demokratie gefährdet sind. »Ein bewundernswertes historisches Dokument. Ich kenne keines, das wertvoller wäre.« Lucien Febvre

Léon Werth (1878-1955) war ein französischer Schriftsteller und Kunstkritiker. Er war Pazifist, Linker, Kritiker Stalins und Antikolonialist. Sein Roman ?Das weiße Zimmer? wurde 1913 für den Prix Goncourt vorgeschlagen. 1914 zog er als Soldat in den Ersten Weltkrieg. Seine Erlebnisse fasste er in der kriegskritischen Erzählung ?Clavel Soldat? zusammen, die einen Skandal auslöste. 1931 machte er die Bekanntschaft von Antoine de Saint-Exupéry, woraus sich eine große Freundschaft entwickelte. Saint-Exupéry widmete ihm sein bekanntestes Werk, ?Der Kleine Prinz?. Das Manuskript zu seiner Erzählung »33 Tage«, die 2016 bei S. Fischer erstmals auf Deutsch erschien, war bis 1992 verschollen. Sein Tagebuch »Als die Zeit stillstand«, 2017 endlich ins Deutsche übersetzt, ist sein literarisches Vermächtnis.
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Produkt

KlappentextEin vergessenes Meisterwerk, das es zu entdecken gilt, ein einmaliges Zeitzeugnis: »Als die Zeit stillstand«, das bewegende Tagebuch des großen Schriftstellers und Journalisten Léon Werth aus dem besetzten Frankreich zur Zeit des Vichy-Regimes der Jahre 1940 bis 1944. Im Sommer 1940 besetzen die Deutschen Paris. Der französische Publizist und Kritiker Léon Werth, jüdischer Herkunft, Pazifist und Antikolonialist, flieht und versteckt sich in einem Dorf im Jura. Flüchtlinge und Dorfbewohner leben hier zusammen, begierig auf Nachrichten, abgekapselt und doch ganz nah am Geschehen. Frankreich ist im Innersten gespalten, Republik und Demokratie sind bedroht, Nationalisten begrüßen den deutschen Sieg. Léon Werth schildert diesen Kosmos in seinem einzigartigen Tagebuch. Eine Welt zwischen Angst und Hoffnung, in der die Menschen ihren Weg suchen, sich aufgeben, kollaborieren oder an einer Zivilisation festhalten, die zutiefst bedroht ist. Werths zeitlose Einsichten in menschliches Denken und Handeln in einer verstörenden Zeit sind ein Meisterwerk der Literatur und ein visionäres Vermächtnis. Mit einem Vorwort von Georges-Arthur Goldschmidt, der herausstreicht, wie aktuell Léon Werths Gedanken immer noch sind: Denn wie damals stellt sich auch heute wieder die Frage, wie man sich als Mensch in einem Land verhalten kann, in dem Freiheit und Demokratie gefährdet sind. »Ein bewundernswertes historisches Dokument. Ich kenne keines, das wertvoller wäre.« Lucien Febvre

Léon Werth (1878-1955) war ein französischer Schriftsteller und Kunstkritiker. Er war Pazifist, Linker, Kritiker Stalins und Antikolonialist. Sein Roman ?Das weiße Zimmer? wurde 1913 für den Prix Goncourt vorgeschlagen. 1914 zog er als Soldat in den Ersten Weltkrieg. Seine Erlebnisse fasste er in der kriegskritischen Erzählung ?Clavel Soldat? zusammen, die einen Skandal auslöste. 1931 machte er die Bekanntschaft von Antoine de Saint-Exupéry, woraus sich eine große Freundschaft entwickelte. Saint-Exupéry widmete ihm sein bekanntestes Werk, ?Der Kleine Prinz?. Das Manuskript zu seiner Erzählung »33 Tage«, die 2016 bei S. Fischer erstmals auf Deutsch erschien, war bis 1992 verschollen. Sein Tagebuch »Als die Zeit stillstand«, 2017 endlich ins Deutsche übersetzt, ist sein literarisches Vermächtnis.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104902869
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum05.10.2017
Auflage1. Auflage
Seiten944 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1894 Kbytes
Artikel-Nr.2368062
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Georges-Arthur Goldschmidt
Ein Franzose unter der deutschen Besatzung (1940-1944)


Léon Werth, ein Freund von Antoine de Saint-Exupéry, der ihm den Kleinen Prinz widmete, wurde am 17. Februar 1878 in Remiremont geboren, in einer Familie des Mittelstands, jüdischer Herkunft väterlicherseits, der Vater betrieb einen Tuchladen, die Mutter war die Schwester des Philosophen Frédéric Rauh. Als Kind war Werth ein brillanter Schüler, er wurde später Journalist und Schriftsteller, 1913 verfehlte er den Goncourt-Preis um zwei Stimmen, er sollte ihm für seinen Roman La Maison blanche (Das weiße Zimmer) verliehen werden. Er starb im Dezember 1955 in Paris.

Léon Werth ist ein typischer Zögling des französischen »enseignement laïque«, der republikanischen Schule, wo man die großen Texte der aufmüpfigen, skeptischen und antiautoritären französischen Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts kennenlernt, so wie La Bruyère, Voltaire, Diderot usw. Seine ganze »Bildung« ist daher völlig auf Denkfreiheit ausgerichtet, er war kein Intellektueller im herkömmlichen Sinn des Wortes, das er hasste (siehe Eintrag vom 6. Dezember 1940). Werth war links, Anarchist und antiklerikal, aber immer offen für Unerwartetes und Originelles, auch von der anderen Seite, so hat er sich immer die Möglichkeit des Umdenkens bewahrt. Er hatte Freunde nicht nur bei Schriftstellern und Malern (er war unter anderem mit Henri Matisse und Maurice de Vlaminck befreundet), sondern auch bei Arbeitern und Bauern, deren Kultur und Wesen er mit besonderem Verständnis und Sensibilität erfasst hat (z.B. Eintrag vom 2. Dezember 1940). Ohne diesen historischen und literarisch-kulturellen Hintergrund kann sein Tagebuch nicht verstanden werden.

Als Journalist war ihm vor allem die Aufrichtigkeit wichtig. Werth war ein freier Geist, der keiner Partei angehörte und sich von keiner, sei es auch der kommunistischen, der er damals sehr nahestand, eine Denkweise vorschreiben ließ, so stand er gerade deshalb jenseits aller Vorurteile. Er verabscheute die manipulierten Hampelmänner der Partei, die unterwürfig deren Edikte wie Messwein tranken und für die Engagement fast nur Gehorsam bedeutete. Was auffällt, ist Werths Wachsamkeit, sein deutlich orientiertes Denken, das niemals kluge Optionen und Einwände ablehnt.

Man kannte ihn als widerspenstig und unbeugsam. Seine Feder war scharf und präzise. Ehrliches Denken braucht keine Umschweife.

 

Im Ersten Weltkrieg, an dem er als Freiwilliger teilnahm, auch wenn er schon sechsunddreißig Jahre alt war, wurde er nach fünfzehn Monaten an der Front verwundet. Daraus entstand das Buch Clavel soldat, ein pazifistisches Buch, in dem der Krieg wie bei Henri Barbusse, Maurice Genevoix oder Roland Dorgelès als verbrecherisch beschrieben wird. Er schreibt darin von der passiven Unterwerfung der Menschen, »sie gehorchen wie die Maschinen«, von einem eingeschlafenen Soldaten, dem ein Offizier eine Kugel in den Kopf jagt. Das Volk gibt es nicht mehr, schreibt er, »es ist im Schlamm des Grabenkrieges untergegangen«.

Zuerst unterstützte er die leninistische Revolution, sollte aber sehr bald ihren totalitären Charakter erkennen. 1926 reist er nach Cochinchina, wo er sieht, wie kleine Beamte die einheimische Bevölkerung schikanieren und ihrer Frustration freien Lauf lassen.

1931 trifft er zufällig Antoine de Saint-Exupéry, mit dem ihn seitdem eine tiefe Freundschaft verbindet. 1940 zieht er sich in sein Haus im Jura zurück, um nicht die deutsche Besatzung von Paris erleben zu müssen.

 

Als die Zeit stillstand besteht aus dem Zusammenfallen von Erinnerung und Gegenwart. Jedes der täglichen Ereignisse findet vor einem historischen wie persönlichen Hintergrund statt, von dem aus man zur aktuellen Realität gelangt, der deutschen Besatzung Frankreichs 1940-1944, das Anekdotische wird zum Zeitdokument. Der ständige Wechsel zwischen Anekdoten, Beschreibungen und Reflexionen aller Art bildet die lebendige Substanz dieses Buches.

 

Als die Zeit stillstand ist eine Darstellung der französischen Geschichte zwischen 1940 und 1944. Alle wichtigen Persönlichkeiten der Zeit, Politiker und Schriftsteller spielen eine Rolle oder werden zumindest erwähnt. Nicht dass Léon Werth eine wesentliche politische oder gesellschaftliche Rolle gespielt hätte, er war aber ein wichtiger, fast unumgänglicher Zeitzeuge der politischen, literarischen und sozialen Bewegungen seiner Zeit. Freies Denken und Literatur gestalteten das öffentliche Leben, nicht dass die französische Literatur bedeutender gewesen wäre, aber sie war nicht von der Gesellschaft isoliert. Literatur war und ist vielleicht heute noch in Frankreich eine öffentliche, »engagierte« Angelegenheit, ohne dass sich der Staat irgendwie einmischt und versucht, eine Form der Zensur einzuführen. Man denke an Voltaire, an Victor Hugo, an Émile Zola oder an Jean-Paul Sartre. Die Schriftsteller spielen eine gesellschaftliche Rolle.

 

Obwohl die Republik schon seit sechzig Jahren etabliert war, war sie ab 1936 immer mehr bedroht, besonders, weil sie von Teilen der extremen Rechten als illegitim betrachtet und sogar angefochten wurde. Diese Anfeindung begann mit der Dreyfus-Affäre, die Frankreich an den Rand eines Bürgerkriegs gedrängt hatte.

Dreyfus war ein jüdischer Offizier, der des Landesverrats zugunsten des deutschen Kaiserreichs angeklagt und verurteilt wurde und 1895 auf eine einsame, unwirtliche Insel im Atlantischen Ozean deportiert worden war. Erst zwölf Jahre nach seiner Verhaftung wurde das Urteil aufgehoben und Dreyfus vollständig rehabilitiert.

Frankreich teilte sich in zwei völlig entgegengesetzte Lager, die die ganze Nation erfassten und keinen unbeteiligt ließen, das kleinste Dorf Frankreichs nahm an diesem Ideenkrieg teil und spaltete sich in »Dreyfusards« und »Anti-Dreyfusards«.

Doch trotz der sozialen Spannungen und der aufeinander folgenden Krisen hatte Frankreich Vertrauen in seine zivile Mission, die Idee der Menschenrechte und Toleranz zu verbreiten, so dachte damals mehr oder weniger das französische Kolonialreich.

Aber die Nachkommen der Anti-Dreyfusards hatten vor allem Léon Blum und die Volksfrontregierung von 1936 im Visier, die zahlreiche Sozialreformen, u.a. die ersten »congés payés«, den bezahlten Urlaub, durchsetzten. Gewisse Kreise der Oberschicht waren Anfang des Zweiten Weltkriegs bereit, Frankreich den Deutschen auszuliefern, um einer eventuellen Rückkehr der Volksfrontregierung vorzubeugen. Daher der bekannte Ausruf französischer Nationalisten nach der Niederlage 1940, dass der deutsche Sieg eine »göttliche Überraschung sei«, also lieber Hitler als der »Front populaire«. Es war jedoch eine Niederlage, an die wochenlang keiner glauben wollte. Man meinte nicht nur, dass die Großmacht Frankreich nicht besiegt werden könnte, war sie doch das Wahrzeichen der menschlichen Zivilisation, auch hörte man, sie verfüge über die stärkste Armee Europas.

Daher glaubten viele, die französische Niederlage und die deutsche Besatzung seien ohne Verrat kaum zu erklären. Das Tagebuch ist nichts anderes als der Versuch, das Ausmaß dieser Niederlage und dieses »Verrats« zu beschreiben.

 

In Frankreich suchten von Hitler verfolgte Exilanten aus Deutschland eine rettende Zuflucht. Dass es Frankreich gab, garantierte schon 1934 das Fortbestehen der Menschheit angesichts des Aufstiegs krimineller politischer Regime in Europa.

Bis 1939 war die französische Asylpolitik eher großzügig, ab 1936 nahm Frankreich - unter sehr schwierigen Bedingungen, nichts war vorbereitet - 500000 von Franco verjagte spanische Republikaner, vor allem Frauen, Greise und Kinder auf. Ungefähr 30000 deutsche Juden ließen sich in Frankreich nieder. Schon zwischen 1933 und 1937 waren bereits 40000 deutsche politische Flüchtlinge, darunter viele Journalisten und Schriftsteller, nach Frankreich geflohen, um dem Naziterror zu entkommen, aber auch, weil die Literatur zum nationalen Selbstverständnis Frankreichs gehörte.

So empfindet es auch Werth, wie es die von ihm im Tagebuch herangezogenen Autoren zum Beispiel des 17. Jahrhunderts zeigen. Sie stehen nie für sich alleine da, sondern werden immer in einem bestimmten Kontext herangezogen. Sie werden erwähnt, weil ihre Texte zu den Sorgen der damaligen Zeit passen: der Situation in Frankreich. Werths Hauptgedanke ist, dass das Land wie ausgehöhlt von der Schändung durch die deutsche Besatzung und die Kollaboration ist, durch die auch alles Private in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Die deutsche Besatzung Frankreichs und die Kollaboration der Vichy-Regierung bedeuteten einen Rückfall in reaktionäre Herrschaftsformen, wie wir ihn heute, 2016/2017, in vielen Ländern erleben. Für die Nazideutschen galt es, aus Frankreich die Proviantkammer Deutschlands zu machen. Darauf kommt Werth immer wieder zurück, jeder Satz seines Buches drückt den vehementen Abscheu vor der deutschen Okkupation aus, mehr noch vor der Kollaboration des Vichy-Regimes.

Die französische Bourgeoisie war bereit, solange ihre Privilegien nicht aufgehoben wurden, vor dem...
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Autor

Léon Werth (1878-1955) war ein französischer Schriftsteller und Kunstkritiker. Er war Pazifist, Linker, Kritiker Stalins und Antikolonialist. Sein Roman >Das weiße ZimmerClavel SoldatDer Kleine Prinz