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Ein Tag und ein ganzes Leben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
180 Seiten
Deutsch
Kanon Verlagerschienen am13.03.20241. Auflage
Der holländische Himmel am frühen Abend Zusammen hören sie Beethoven und sitzen am Kanal: Henk und sein Hund Schurk sind beste Freunde. Als Schurk sterben muss, erkennt Henk, dass das Leben noch mehr bereithält, zum Beispiel eine neue Liebe. Ein Tag aus dem Leben von Henk van Doorn, 56, geschieden, Krankenpfleger. Man könnte seinem Leben ein Armutszeugnis ausstellen, denkt Henk manchmal. Wäre da nicht sein Hund und treuester Begleiter Schurk. Ein Kooikerhondje, eine alte holländische Hunderasse, wie auf den Gemälden aus dem Goldenen Zeitalter. Als sich herausstellt, dass Schurk in absehbarer Zeit sterben wird, muss Henk sich entscheiden: Will er in Trauer versinken oder leben? Doch dann lernt er Mia kennen, die aussieht wie Patti Smith, nach Gewürzen duftet und auf einem Hausboot lebt... Ein tröstlicher, ein warmherziger Roman über das gewöhnliche Glück, das das Leben lebenswert macht.

Sander Kollaard wurde 1961 in Amstelveen geboren und lebt seit 2006 mit seiner Familie in einem ehemaligen Pfarrhaus in Schweden. Im Jahr 2015 veröffentlichte er seinen ersten Roman. Sein Roman »Ein Tag und ein ganzes Leben« wurde 2020 mit der wichtigsten Buch Auszeichnung der Niederlande gewürdigt, dem Libris-Literaturpreis.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextDer holländische Himmel am frühen Abend Zusammen hören sie Beethoven und sitzen am Kanal: Henk und sein Hund Schurk sind beste Freunde. Als Schurk sterben muss, erkennt Henk, dass das Leben noch mehr bereithält, zum Beispiel eine neue Liebe. Ein Tag aus dem Leben von Henk van Doorn, 56, geschieden, Krankenpfleger. Man könnte seinem Leben ein Armutszeugnis ausstellen, denkt Henk manchmal. Wäre da nicht sein Hund und treuester Begleiter Schurk. Ein Kooikerhondje, eine alte holländische Hunderasse, wie auf den Gemälden aus dem Goldenen Zeitalter. Als sich herausstellt, dass Schurk in absehbarer Zeit sterben wird, muss Henk sich entscheiden: Will er in Trauer versinken oder leben? Doch dann lernt er Mia kennen, die aussieht wie Patti Smith, nach Gewürzen duftet und auf einem Hausboot lebt... Ein tröstlicher, ein warmherziger Roman über das gewöhnliche Glück, das das Leben lebenswert macht.

Sander Kollaard wurde 1961 in Amstelveen geboren und lebt seit 2006 mit seiner Familie in einem ehemaligen Pfarrhaus in Schweden. Im Jahr 2015 veröffentlichte er seinen ersten Roman. Sein Roman »Ein Tag und ein ganzes Leben« wurde 2020 mit der wichtigsten Buch Auszeichnung der Niederlande gewürdigt, dem Libris-Literaturpreis.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783985681075
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum13.03.2024
Auflage1. Auflage
Seiten180 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1341 Kbytes
Artikel-Nr.14132002
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Die Sonne steht höher am Himmel und zeichnet ein Muster aus Licht und Schatten in Henks Wohnzimmer. Dieses Muster hat Henk in den drei Jahren, die er hier wohnt, lesen gelernt, mit seiner Hilfe kann er genau sagen, wie spät es ist, aber nicht jetzt, denn jetzt schläft er auf dem Sofa. Sein Körper hat sich von seinem Ich abgekoppelt, um sich auszuruhen, um - das ist augenscheinlich die Bedeutung des Wortes Ausruhen - dem Klammergriff des Bewusstseins für ein paar Stunden zu entkommen. Ein guter Moment also, uns Henk genauer anzusehen. Er ist, wie gesagt, kräftig gebaut und ziemlich groß, hat leichtes, aber durchaus sichtbares Übergewicht, und auf seinem runden Kopf wächst kurzes graues Haar. Er hat große, rehbraune Augen, die jetzt natürlich geschlossen sind, aber anfangen zu glänzen, wenn er gerührt ist, was nicht eben selten vorkommt. Die Augenbrauen sind buschig und noch dunkelbraun - seine ursprüngliche Haarfarbe - und extrem beweglich, was ihm ein sehr ausdrucksvolles Gesicht verleiht. Seine Nase ist kurz und gerade und fällt nicht weiter ins Gewicht. Sein Mund ist schwer zu beschreiben. Die Lippen sind steif und gerade, vor allem die Oberlippe, also bewegt sich fast nur - und ziemlich mechanisch - die Unterlippe, wenn er spricht, wie bei den Marionetten in den Thunderbirds, die er als kleiner Junge gern geschaut hat.

Für alle, die jünger sind als Henk: die Thunderbirds war eine der ersten animierten Fernsehserien, und sie drehte sich um International Rescue, eine Organisation, die mit ihrer hervorragenden technischen Ausstattung jedem Bösewicht das Handwerk legen konnte. Ihre Mitglieder waren Helden mit kantigem Kiefer und ultramodernem Outfit, und dass man die Fäden sehen konnte, an denen sie hingen, tat der Sache keinen Abbruch. Was für eine Aufregung, wenn eine Rettungsaktion losging und die ehrfurchtgebietenden Maschinen der Thunderbirds in Bereitschaft versetzt wurden! Vor allem die Thunderbird 2 hatte es Henk angetan, ein dickbauchiges Raumfahrzeug mit variablen Laderäumen. Man stelle sich den kleinen Henk vor, sieben Jahre alt und spindeldürr, wie er am Samstagabend auf knochigen Knien vor dem Schwarzweißfernseher hockte, im gestreiften und vom vielen Waschen plüschig weich gewordenen Schlafanzug, die Haare noch feucht von der wöchentlichen Dusche, mit einem Glas grelloranger Limo in der Hand, den Blick auf den Bildschirm geheftet, wo der Pilot der TB2 über ein ausgefeiltes System von Rutschen zu seiner unterirdisch geparkten Maschine gelangte (!) und sich dann eine ganze Felswand beiseiteschob (!), damit die ehrfurchtgebietende Maschine freie Bahn zur Startrampe bekam, auf den ersten Blick eine normale Straße, doch wenn sich die Palmen zur Seite klappten (!) in Wirklichkeit eine Plattform, die hochfuhr (!), auf dreißig, vierzig Grad gekippt wurde, und somit der Maschine erlaubte, mit dröhnenden Motoren zu starten. Sein Herz raste, sein Mund stand offen und seine Lippen glänzten, wenn auch nicht von der mittlerweile lauwarmen Limo, die er komplett vergessen hatte.

»Coming in for target. Permission to open fire ...«

»Go ahead ... and good shooting!«

Wenn wir uns schon mal im Jahr 1968 befinden: Im Wohnzimmer der Pluimessenlaan 11 in Amstelveen waren neben dem Schwarzweißfernseher auch ein olivgrüner Dreisitzer, ein dunkelbrauner Drehsessel, ein eckiger Couchtisch mit drehbarer Tischplatte (Mahagoni/weißes Furnier) und ein über die halbe Länge zwischen Ess- und Wohnzimmer angebrachtes Metallregal, auf dem unter anderem eine Sammlung bunter Glaskunst stand. Hin und wieder steigen Gegenstände aus diesem Regal in Henks Erinnerung auf, dieses Glas zum Beispiel, aber auch eine kleine ausgestopfte Schildkröte, der ein Fuß fehlte (stattdessen baumelte ein Stück Draht aus dem Panzer), ein hohler Apfel aus Holz, in dem Briefmarken aufbewahrt wurden, am häufigsten jedoch ein kleines Holzpferd - leicht, lebendig und herzergreifend mit seiner Mähne und dem Schwanz aus aufgerautem Seil. Wenn er an das Pferdchen denkt, überkommt Henk immer eine große Rührung, unmittelbar gefolgt von vagem Kummer, weil er wirklich nicht die geringste Ahnung hat, wo es abgeblieben ist. Seine Eltern leben nicht mehr, sein ältester Bruder ist tot, und Freek ist ein Banause, der die Schönheit des Pferdchens bestimmt nicht zu schätzen weiß. Wo ist es also? Henk fürchtet, es könnte bei einer Aufräumaktion verschwunden sein, zum Beispiel in einem Karton, der später lieblos weggeworfen oder bei einem Trödler abgeladen wurde. Manchmal, in erhabeneren Momenten, gelingt es ihm, sich einzureden, dass das Pferdchen unversehrt ist und immer noch irgendwo steht, auf einer Fensterbank, und dass jemand es gelegentlich aufmerksam betrachtet. Das - diese Aufmerksamkeit - ist von grundlegender Bedeutung für ihn, sich Zeit nehmen, richtig hinzuschauen, damit das Leben - hier, jetzt, vor seiner Nase - nicht genauso plötzlich wieder verschwindet, wie es eingetreten ist, ein Schatten ohne Bedeutung, weiter nichts.

Wie gesagt, Henk schläft. So, auf dem Sofa, kommt seine kräftige Statur gut zur Geltung. Durch die schlafbedingte Entspannung hat er eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Walross, das nicht nur das Sofa in voller Breite einnimmt, sondern darüber hinausschwappt und einen erheblichen Teil des Wohnzimmers belegt. Ein Segen, dass Henk dieser Anblick erspart bleibt. Er wäre zutiefst gedemütigt. Er würde einen ausgelaugten alten Dickwanst sehen. Unbeteiligte Beobachter würden mit Sicherheit auch schöne und anmutige Seiten an ihm entdecken. Zum Beispiel seine Ohren, die klein und kompakt sind und noch gar keine Ähnlichkeit haben mit dem Knubbeligen, Austernpilzartigen, das man bei alten Männern oft sieht. Obendrein kann Henk mit den Ohren wackeln, was ihm schon mal den einen oder anderen Lacher beschert, am liebsten von Rosa. Ein weiteres Detail ist seine jugendlich glatte Stirn, die er seltsamerweise nicht zu schätzen weiß. Er findet seine Stirn unmännlich. Bei näherer Betrachtung eine kindische Einschätzung, dessen ist sich Henk durchaus bewusst, trotzdem kommt er nicht davon los. Zu guter Letzt lohnt es sich, seine Hände näher zu betrachten. Sie sind nicht schön im klassischen Sinn - klein, grob behaart, mit dicken Fingern und kleinen weißen Flecken auf den Nägeln -, aber außergewöhnlich geschickt; einmal in Bewegung zeigt sich ihre wahre Schönheit. Das lässt sich gut beobachten, wenn Henk arbeitet und die komplizierten medizinisch-technischen Handgriffe verrichtet, die Teil dieser Arbeit sind, wie das Anlegen eines Verbands, das Einführen einer Kanüle oder das Wechseln eines Katheters. Diese Handgriffe führt er so geschickt und akkurat aus, dass man von Schönheit sprechen muss. Womöglich ein Erbe seiner Mutter. Er kann sich gut an ihre Hände erinnern, früher, in der Küche in Amstelveen, wenn sie dort hantierte. Manchmal schienen sich ihre Hände vom Körper zu lösen und frei durch den Raum zu schweben; ganz gleich, ob sie einen Topf auf den Herd stellte, Kartoffeln schälte oder ein Gericht salzte, immer taten es ihre Hände mit einer Anmut, die ihn faszinierte, obwohl ein Wort wie anmutig ihm natürlich nicht in den Sinn gekommen wäre, er war ja erst fünf oder sechs Jahre alt. Damals saß er oft auf der Fensterbank und sah seiner Mutter zu, an die ständig beschlagene Scheibe gelehnt, an der die weißen Vorhänge mit dem grünorangen Blümchenmuster klebten, wodurch der Geruch von nassem Stoff eine unselige Verbindung mit den Essensgerüchen einging, wie Süß- und Salzwasser in einem Flussdelta. Er sah sich immer noch da sitzen, auf der Fensterbank, und er sah immer noch seine Mutter, ihre Schürze, die Art, wie sie eine vor die Augen gefallene Strähne wegblies, und ihre Hände natürlich, den Tanz, den sie vollführten, obwohl auch der längst zum Erliegen gekommen war, im Jahr 1986, an einem Dienstagvormittag, bei Regenwetter, nach einem Riss der Aorta.

Offenbar träumt Henk gerade, denn hinter seinen Lidern bewegen sich die Augäpfel unruhig in ihren Höhlen. Vielleicht ist es ja der Traum, der ihn hin und wieder beschäftigt und den er in den letzten Monaten öfter geträumt hat. Es gibt ihn in unterschiedlichen Varianten, im Kern ist es aber immer derselbe: Henk wohnt in einem Haus, das an den Rändern verschwimmt. Seine Wohnung geht auf merkwürdige Weise in andere Wohnungen über; ein paar Wände fehlen; hier und da öffnet sich ein Durchblick, der ihm intime Einsichten in das Leben anderer Menschen verschafft; manchmal betritt ein Fremder das Zimmer, in dem er gerade ist und das er für seines hält, was sich jedoch als falsch erweist, und plötzlich wird ihm das Zimmer fremd.

Henk deutet diesen Traum als den Ausdruck seines alten Unbehagens über sein unzusammenhängendes Ich - das Gefühl, zu zerfallen wie Sand. Ihm ist schon klar, warum dieses größtenteils bezwungene Unbehagen in seinen...
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Autor

Sander Kollaard wurde 1961 in Amstelveen geboren und lebt seit 2006 mit seiner Familie in einem ehemaligen Pfarrhaus in Schweden. Im Jahr 2015 veröffentlichte er seinen ersten Roman. Sein Roman »Ein Tag und ein ganzes Leben« wurde 2020 mit der wichtigsten Buch Auszeichnung der Niederlande gewürdigt, dem Libris-Literaturpreis.