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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Carlsen Verlag GmbHerschienen am31.03.2010Auflage
Von seiner Mutter kann Johannes, der Defender, nichts erwarten, aber immerhin gibt es in seinem Leben Mimi Kaminski - Kioskbesitzerin, gute Freundin, unverheiratet, übergewichtig und schwer zuckerkrank. Und noch jemand glaubt an Defender, Hosianna, der zerstreute, belesene Menschenfreund, der ihm die Möglichkeit gibt, Bücher und vor allen Dingen sein eigenes Leben neu zu sortieren. Der Tod des Vaters und Ehemannes, der Anruf des ehemaligen Geliebten, die Befreiung der Schwester aus der Psychiatrie, die Inszenierung der ersten Liebe - in den ''Geschichten aus der Mitte der Welt'' geht es um Momente, in denen die Weichen in einem Menschenleben gestellt werden. Nach seinem erfolgreichen Roman ''Die Mitte der Welt'' legt Andreas Steinhöfel nun einen Band mit Erzählungen vor. Es sind Geschichten mit uns bekannten Helden aus dem erfolgreichen Roman, die geschickt miteinander verbunden sind. '

Andreas Steinhöfel wurde 1962 in Battenberg geboren. Er ist Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher, wie z. B. »Die Mitte der Welt«. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach Peter Rühmkorf, Loriot, Robert Gernhardt und Tomi Ungerer hat Andreas Steinhöfel 2009 den Erich Kästner Preis für Literatur verliehen bekommen. 2013 wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk ausgezeichnet und 2017 folgte der James-Krüss-Preis. Zudem wurde er für den ALMA und den Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert. Andreas Steinhöfel ist als erster Kinder- und Jugendbuchautor Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Seine Serie über Rico und Oskar wurde sehr erfolgreich fürs Kino verfilmt. Zusätzlich zu seiner Autorentätigkeit arbeitet er als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher. Seit 2015 betätigt er sich in seiner Filmfirma sad ORIGAMI als Produzent von Kinderfilmen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR7,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextVon seiner Mutter kann Johannes, der Defender, nichts erwarten, aber immerhin gibt es in seinem Leben Mimi Kaminski - Kioskbesitzerin, gute Freundin, unverheiratet, übergewichtig und schwer zuckerkrank. Und noch jemand glaubt an Defender, Hosianna, der zerstreute, belesene Menschenfreund, der ihm die Möglichkeit gibt, Bücher und vor allen Dingen sein eigenes Leben neu zu sortieren. Der Tod des Vaters und Ehemannes, der Anruf des ehemaligen Geliebten, die Befreiung der Schwester aus der Psychiatrie, die Inszenierung der ersten Liebe - in den ''Geschichten aus der Mitte der Welt'' geht es um Momente, in denen die Weichen in einem Menschenleben gestellt werden. Nach seinem erfolgreichen Roman ''Die Mitte der Welt'' legt Andreas Steinhöfel nun einen Band mit Erzählungen vor. Es sind Geschichten mit uns bekannten Helden aus dem erfolgreichen Roman, die geschickt miteinander verbunden sind. '

Andreas Steinhöfel wurde 1962 in Battenberg geboren. Er ist Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher, wie z. B. »Die Mitte der Welt«. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach Peter Rühmkorf, Loriot, Robert Gernhardt und Tomi Ungerer hat Andreas Steinhöfel 2009 den Erich Kästner Preis für Literatur verliehen bekommen. 2013 wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk ausgezeichnet und 2017 folgte der James-Krüss-Preis. Zudem wurde er für den ALMA und den Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert. Andreas Steinhöfel ist als erster Kinder- und Jugendbuchautor Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Seine Serie über Rico und Oskar wurde sehr erfolgreich fürs Kino verfilmt. Zusätzlich zu seiner Autorentätigkeit arbeitet er als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher. Seit 2015 betätigt er sich in seiner Filmfirma sad ORIGAMI als Produzent von Kinderfilmen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783646920413
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum31.03.2010
AuflageAuflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse839 Kbytes
Artikel-Nr.1012789
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



HERBSTASTERN

Früher war das abgelegene, vor langer Zeit vom Angelverein erstandene Grundstück sein Lieblingsort gewesen. Wie ein spitzwinkliges Dreieck lag es in der Landschaft, von Hecken umstanden, die über die Jahre hinweg mehr als mannshoch gewachsen waren. Ansonsten gab es nur Wiesen und Felder hier draußen, keinen Menschen weit und breit. Die Hecken versperrten den Blick auf das Vereinshäuschen und auf den zum Fluss hin angelegten Teich. Vor allem aber verbargen sie den Garten vor den Blicken gelegentlicher Sonntagsspaziergänger; den großen Garten mit seinen alten Obstbäumen und den verwilderten Blumenbeeten, um den nie jemand sich wirklich gekümmert hatte. Herbstastern wuchsen in diesem Garten. Wegen der Astern waren sie hierher gekommen.

Nachdem sie auf der weitläufigen Wiese vor dem Grundstück geparkt und den Motor abgestellt hatten, schien das Trommeln des Regens auf dem Wagendach lauter geworden zu sein. Jule zog den Schlüssel aus dem Zündschloss. »Da wären wir also.«

Er nickte langsam. »Ja. Da wären wir.«

»Ich ... kann noch nicht. Gib mir noch eine Minute, okay? Ich muss mich nur kurz daran gewöhnen, dass wir hier sind.« Sie lächelte ein wenig unschlüssig. »Ist ein komisches Gefühl, nach all den Jahren.«

»Kein Problem. Lass dir Zeit.«

»Aber ich komme mit«, verkündete Hendrik vom Rücksitz. »Wo ist der Teich? Sind da wirklich Fische drin?«

»Sei nicht so ungeduldig, Kleiner.«

»Ich bin kein Kleiner!«

Dennis grinste. »Dann eben nicht.«

Die Autoreifen hatten, wie er beim Aussteigen bemerkte, eine tiefe Doppelschneise im hohen Gras hinterlassen. Unter der Karosserie war ein Schaben wie von Armeen kleiner Tiere gewesen, die alle gleichzeitig versuchten, sich durch das Blech nach oben zu fressen. Es hatte nie eine anständige Zufahrt zum Grundstück gegeben. Immer hatten sich irgendwelche Landwirte oder Dorfbewohner dagegen gesperrt, die Besitzer der umliegenden Wiesen und Felder.

Er wartete, bis Hendrik aus dem Wagen gekrabbelt war, dann warf er die Beifahrertür hinter sich zu und atmete tief durch. Frühherbst. Es roch nach abgeflammten Feldern und frisch umgestochener Erde, dazu kam der satte, vom nahen Fluss herangetragene Duft des Uferröhrichts; schließlich das würzige Aroma verfaulenden Obstes, es stach vom Grundstück herüber durch die Hecken. Offenbar hatte niemand sich die Mühe gemacht, die Äpfel, Birnen und Pflaumen einzusammeln, die im Laufe des Sommers an den Bäumen gereift waren. Das Obst musste jetzt über den ganzen Garten verstreut liegen - sehen konnte man es nicht, dazu waren die Hecken zu hoch und zu dicht. Auch nichts dran gemacht, an den Hecken. Seit einer Ewigkeit nicht beschnitten.

Er drehte sich um, erstaunt darüber, wie vertraut ihm alles geblieben war. Weit hinten der aufgeschüttete Bahndamm, über den sie gekommen waren; da war der Weg noch befestigt. Ein paar hundert Meter weiter entfernt das Dorf, sichtbar nur die roten Häuserdächer, der Rest war verdeckt durch den Bahndamm. Die Dächer hatte er früher von hier aus nicht sehen können, fiel ihm ein, dazu war er zu klein gewesen. Nach links schlossen die Wiesen sich an, ein grüner Teppich löste den nächsten ab. An manchen Stellen war der Boden feuchter als an anderen, dort wuchs das Gras besonders dunkel und saftig. Zur Rechten schwangen Hügel sich auf, unten stand jetzt, das war neu, ein Klärwerk. Den gewundenen Weg, den der Fluss nahm, konnte man ebenfalls erkennen; abwechselnd drängten entlang seines Verlaufs auf beiden Uferseiten Pappeln und Erlen gegeneinander.

»Gehen wir endlich rein?«, quengelte Hendrik. »Ich werde ganz nass auf dem Kopf!«

»Du bist schon ganz nass.«

»Mir ist kalt außerdem.«

»Gleich.«

Nur ein paar Kilometer weiter flussabwärts, überlegte Dennis, musste irgendwo die Furt kommen, in der er als Kind einmal ein Mädchen mit dem Taschenmesser verletzt hatte. Kaum zu fassen, wie leichtsinnig er damals gewesen war. Ein Kind eben. Falls das Mädchen noch in der Stadt wohnte, schoss es ihm durch den Kopf, könnte er sie besuchen. Sich bei ihr entschuldigen. Damals hatte er es entweder nicht für nötig gehalten oder einfach den Mut nicht aufgebracht, er wusste es nicht mehr genau. Mein Gott, er war kaum älter gewesen, als Hendrik jetzt war, das alles lag so lange zurück. Und viel Zeit war ihm damals nicht geblieben. Etwa drei Monate nach dem Vorfall am Fluss hatte seine Mutter ihn und Jule geweckt, mitten in der Nacht. Nur zwei gepackte Koffer, das war alles. Raus in die Kälte, es hatte noch nicht geschneit, aber gerochen hatte es bereits nach Schnee. Kalt. Frostig. Anfang Dezember. Schlaftrunken ins Auto, eine lange, lange Fahrt. Wieder eingeschlafen, aufgewacht in einem neuen Leben.

Neben ihm kickte Hendrik gelangweilt nach einem imaginären Ball, sein Fuß durchpflügte das nasse Gras. Regentropfen nahmen unter seinen Tritten die falsche Richtung, sausten von unten nach oben, fielen wieder herab. Hendrik war der Einzige von ihnen, der Gummistiefel trug. Seltsam, überlegte Dennis, dass ausgerechnet sein kleiner Bruder der Vorausschauendste unter ihnen war. Fuhr von zu Hause weg, fuhr hunderte von Kilometern weit, und dachte daran, seine Gummistiefel mitzunehmen. Eigentlich hätte diese Rolle Jule zukommen müssen. Waren ältere Geschwister nicht dafür da, an alles zu denken?

»Den-ni-his!«, nörgelte Hendrik.

»Reg dich ab, okay?«

Auf dem Weg zur Gartentür sah er nach links, zum Fluss. Man ahnte nur wegen des beständigen, vom Regen fast übertönten Gluckerns und Plätscherns, dass er keine zwanzig Meter entfernt von der Hütte verlief. Goldrute und Springkraut wuchsen hoch an seinem Ufer, dazwischen graugrünes Schilf. Der Regen hatte alles zerhämmert, die Köpfe der Pflanzen hingen traurig und matt nach unten. Seit drei Tagen kam es nur so vom Himmel runter, es hatte ununterbrochen geschüttet, zu Hause schon. Gewitterwolken über dem ganzen Land, von Süden bis Norden. Man begann bereits zu vergessen, wie ein normaler, lichter Sommertag aussah. Wie Sonnenschein sich auf der Haut anfühlte. Einen ungünstigeren Zeitpunkt, hierher zu kommen, zum Häuschen, zum Fluss, auf diese Wiese, haben wir kaum erwischen können, dachte er.

Nun, man konnte sich eben nicht alles aussuchen. Er hoffte, dass die Herbstastern im Garten die Unwetter der letzten Tage besser überstanden hatten als die Pflanzen am Flussufer. Keine schöneren Blumen als diese gebe es auf der Welt, hatte sein Vater einmal gesagt. Dennis schloss die Gartentür auf, dann die Tür zur Hütte. Hendrik drängelte sich an ihm vorbei.

»Hey, Kleiner, wolltest du dir nicht den Teich angucken?«

»Nee, nicht mehr. Ich bleib hier, bis der Regen aufhört.«

»Da kannst du lange warten.«

»Mir doch egal.«

Es war auffallend aufgeräumt in der Hütte. Trübes Licht sickerte durch das einzige Fenster. Auf der Fensterbank scharten sich allerlei Nippes um einen vertrockneten Kaktus. Staub überall, eine millimeterfeine Schicht. An der rückwärtigen Wand standen ein Kühlschrank und eine kleine Spüle. Ein Tisch, zwei nüchterne Holzstühle, ein alter Sessel mit zerschlissenem Polster. Das Sofa mit den geschwungenen Lehnen stand da, wo es immer gestanden hatte. Neu bezogen irgendwann, stellte er fest, mit billigem Stoff. Rechts davon, auf dem Fußboden, stapelten sich Zeitschriften: Der Blinker, Fisch und Fang. Dazwischen Wochenend, Neue Revue, der Stern. Genau wie früher. Zahllose Urkunden und Fotografien schmückten die Wände. Und überall dazwischen hingen präparierte Fischköpfe. Sie stachen aus dem Mauerwerk. Als Kind hatte er geglaubt, ihre Körper seien dahinter versteckt, ragten tief in die Wand, so dass auf der Außenseite des Hauses ihre Schwänze herausschauen mussten. An die zwei Dutzend mochten es sein. Alle mit weit aufgerissenen starren Mäulern, die nadelspitze, gefährlich wirkende Zähne entblößten. Hechte vor allem, ein paar Zander, ein einzelner mächtiger Barschkopf. Gelbgrüne Glasaugen starrten ins Leere.

»Viele Fische«, sagte Hendrik.

»Mhm.«

Dennis betrachtete neugierig die alten Fotos. Manche der darauf abgebildeten Gesichter kamen ihm vage bekannt vor. Er versuchte, sich an die dazugehörigen Namen zu erinnern. Nichts. Eigentlich interessierten sie ihn auch nicht, diese vergessenen Gesichter. Er suchte nach etwas anderem, nach einem ganz speziellen Foto. Seine Augen huschten von links nach rechts, auf und ab. Da war es. Er hatte zu weit oben danach gesucht, ganz automatisch. Als Kind hatte er immer ein wenig aufschauen müssen, um es zu betrachten. Aber jetzt ... Mit jedem Zentimeter, den du wächst, dachte er, verändert sich dein Bild von der Welt. Er schloss die Augen, öffnete sie wieder.

Gelb vom Rauch unzähliger Zigaretten und ein wenig verblasst war das Foto. Schwarzweiß. Das einzige existierende Bild, das ihn gemeinsam mit seinem Vater zeigte. Er konnte sich nicht entsinnen, wann es aufgenommen worden war oder von wem. Der Junge auf dem Bild musste sechs oder sieben Jahre alt sein. Der Fisch, den der Vater geangelt hatte, war von erbärmlichen Maßen, doch der Kleine war sich dessen nicht bewusst. Er hielt das tote Tier mit der traurig herabhängenden Schwanzflosse auf beiden Händen der Kamera entgegen, als wäre es die großartigste Trophäe der Welt. Sein Vater war ein Held.

»Hey, hier ist ein Radio!«, rief Hendrik hinter ihm begeistert.

»Mach ruhig an«, sagte Dennis abwesend. Er studierte den Fisch. Es war ein ... Schwierig, schwarzweiß. Und es war ewig her, dass er die Namen von Fischen hatte aufsagen können wie das kleine Einmaleins. Ein Karpfen? Eine Schleie, ein Döbel? Oder...


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Autor

Andreas Steinhöfel wurde 1962 in Battenberg geboren. Er ist Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher, wie z. B. »Die Mitte der Welt«. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach Peter Rühmkorf, Loriot, Robert Gernhardt und Tomi Ungerer hat Andreas Steinhöfel 2009 den Erich Kästner Preis für Literatur verliehen bekommen. 2013 wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk ausgezeichnet und 2017 folgte der James-Krüss-Preis. Zudem wurde er für den ALMA und den Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert. Andreas Steinhöfel ist als erster Kinder- und Jugendbuchautor Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Seine Serie über Rico und Oskar wurde sehr erfolgreich fürs Kino verfilmt. Zusätzlich zu seiner Autorentätigkeit arbeitet er als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher. Seit 2015 betätigt er sich in seiner Filmfirma sad ORIGAMI als Produzent von Kinderfilmen.