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Honigkuckuckskinder

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Carlsen Verlag GmbHerschienen am01.11.2018Auflage
Die zwölfjährige Lena und ihre Mutter verlieren ihre Wohnung und müssen ins heruntergekommene »Hotel Paradies« am Hafen ziehen, wo Asylbewerber und Obdachlose zusammengepfercht werden. Dort freundet sich Lena mit dem Mädchen Ajoke aus Angola an. Gemeinsam mit dem kleinen Efrem versuchen die beiden dahinterzukommen, wer für die Diebstähle verantwortlich ist, die sich in letzter Zeit im Haus ereignen. Doch die Ausmaße des Betrugs sind größer als gedacht und die Spur führt zum Besitzer und Aufseher, Herrn Schmuck ...

Andreas Steinhöfel wurde 1962 in Battenberg geboren. Er ist Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher, wie z. B. »Die Mitte der Welt«. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach Peter Rühmkorf, Loriot, Robert Gernhardt und Tomi Ungerer hat Andreas Steinhöfel 2009 den Erich Kästner Preis für Literatur verliehen bekommen. 2013 wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk ausgezeichnet und 2017 folgte der James-Krüss-Preis. Zudem wurde er für den ALMA und den Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert. Andreas Steinhöfel ist als erster Kinder- und Jugendbuchautor Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Seine Serie über Rico und Oskar wurde sehr erfolgreich fürs Kino verfilmt. Zusätzlich zu seiner Autorentätigkeit arbeitet er als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher. Seit 2015 betätigt er sich in seiner Filmfirma sad ORIGAMI als Produzent von Kinderfilmen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR6,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextDie zwölfjährige Lena und ihre Mutter verlieren ihre Wohnung und müssen ins heruntergekommene »Hotel Paradies« am Hafen ziehen, wo Asylbewerber und Obdachlose zusammengepfercht werden. Dort freundet sich Lena mit dem Mädchen Ajoke aus Angola an. Gemeinsam mit dem kleinen Efrem versuchen die beiden dahinterzukommen, wer für die Diebstähle verantwortlich ist, die sich in letzter Zeit im Haus ereignen. Doch die Ausmaße des Betrugs sind größer als gedacht und die Spur führt zum Besitzer und Aufseher, Herrn Schmuck ...

Andreas Steinhöfel wurde 1962 in Battenberg geboren. Er ist Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher, wie z. B. »Die Mitte der Welt«. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach Peter Rühmkorf, Loriot, Robert Gernhardt und Tomi Ungerer hat Andreas Steinhöfel 2009 den Erich Kästner Preis für Literatur verliehen bekommen. 2013 wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk ausgezeichnet und 2017 folgte der James-Krüss-Preis. Zudem wurde er für den ALMA und den Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert. Andreas Steinhöfel ist als erster Kinder- und Jugendbuchautor Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Seine Serie über Rico und Oskar wurde sehr erfolgreich fürs Kino verfilmt. Zusätzlich zu seiner Autorentätigkeit arbeitet er als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher. Seit 2015 betätigt er sich in seiner Filmfirma sad ORIGAMI als Produzent von Kinderfilmen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783646924725
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum01.11.2018
AuflageAuflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4688 Kbytes
Artikel-Nr.3410911
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel

Der Sozialarbeiter hieß Wichert, und er war Lena auf Anhieb sympathisch gewesen. Das Erste, was ihr an ihm aufgefallen war, als sie und ihre Mutter vor einer halben Stunde sein nüchtern eingerichtetes Amtszimmer betreten hatten, waren die unzähligen Lachfältchen, die seine blauen Augen umkränzten. Sie machten daraus zwei kleine, strahlende Sonnen.

Von ihrem Platz auf dem wenig gemütlichen Sessel in der Ecke beobachtete sie, wie Wichert etwas auf ein Stück Papier kritzelte. Wie alt mochte der Mann sein? Nicht so alt wie Mama, aber auch nicht viel jünger.

Er schob den Zettel über den Schreibtisch. »Es ist nicht gerade das, was man als erste Adresse bezeichnen würde. Aber vorläufig das Einzige, was ich Ihnen zur Verfügung stellen kann.«

Ihre Mutter würdigte das Papier keines Blickes. So wie sie sich auch seit einer halben Stunde bemühte, die Akte nicht zu bemerken, die aufgeschlagen vor Wichert lag. »Ich brauche keine Almosen.«

»Wir verteilen hier keine Almosen, Frau Behrend.« Wichert beugte sich vor und legte, wie um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, die Ellbogen auf die Schreibtischplatte. »Wir sorgen lediglich dafür, dass Sie und Ihre Tochter aufgrund einer unverschuldeten Notlage nicht dazu gezwungen sind, auf der Straße zu sitzen.«

»Was doch wohl bedeutet -«

»Was bedeutet«, unterbrach Wichert, »dass wir Ihnen zu Ihrem Recht verhelfen, nicht mehr und nicht weniger.«

»Mein Recht?«, rief ihre Mutter ungehalten. »Was wissen denn Sie vom Recht? Wo war mein Recht, als ich die Schulden meines Mannes übernehmen musste, nachdem er sich aus dem Staub gemacht hat? Wo war mein Recht, als unser Vermieter uns vor die Tür gesetzt hat?«

»Ich mache die Gesetze nicht.«

»Nein, Sie führen sie nur aus! Hangeln sich von Erlass A über Paragraf B zu Absatz C, und wenn Sie dort angekommen sind, werden wir abgehakt!«

»Niemand wird abgehakt.« Wichert lehnte sich zurück. Er verschränkte die Arme, seine ganze Haltung drückte Abwehr aus. Mama hatte keine guten Karten. »Frau Behrend, Sie helfen weder sich selbst noch Ihrer Tochter weiter, indem Sie alles negativ sehen und mit dem Schicksal hadern! Sie sind nicht der erste Mensch, dem so etwas passiert.«

»Nein. Ich bin nicht der erste Mensch, der seine Würde verliert. Aber Sie«, ein Finger schoss auf Wichert zu, »sind bestimmt der Letzte, von dem ich sie mir nehmen lasse!«

»Würde hat man, oder man hat sie nicht, Frau Behrend. Ich sehe nichts Verwerfliches darin, arm zu sein. Im Gegensatz zu Ihnen. Sie graben sich mit Ihrer Haltung selbst das Wasser ab.«

Entweder, dachte Lena, sie klinkt jetzt völlig aus, oder sie hält endlich die Klappe und gibt klein bei. Warum schnappte Mama sich nicht einfach die Adresse, damit sie endlich aus diesem langweiligen Amt verschwinden konnten? Warum befolgte sie nicht einfach Wicherts Rat und versuchte, das Beste aus ihrer Lage zu machen?

Ihre Mutter schürzte die Lippen und überlegte eine Weile. Schließlich ergriff sie das Papier. »Hotel Paradies?«, sagte sie nach einem kurzen Blick darauf. »Paradies? Machen Sie Witze?«

»Keineswegs.«

»Wer wohnt da sonst noch? Noch mehr ... Sozialfälle?«

»Weitere Wohnungslose, das ist richtig«, bestätigte Wichert. Er klang leicht verärgert. »Außerdem Asylbewerber. Eigentlich fast ausschließlich.«

Lena verdrehte die Augen. Das war´s. Damit war der Tag gelaufen. Sie kannte ihre Mutter. Auf Sozialfälle folgten in der Reihe aller denkbaren Schrecken nur noch Ausländer. Falls danach noch etwas Schlimmeres kam, war es mit Sicherheit nichts Menschliches. Insekten vielleicht. Kakerlaken.

»Asylanten?«, brauste ihre Mutter auf. »Sie erwarten im Ernst von mir, dass ich mit Asylanten zusammenwohne?«

Die Stimme des Sozialarbeiters dröhnte so laut, dass Lena zusammenzuckte. »Nein, das erwarte ich nicht!« Vom einen auf den anderen Moment hatten die beiden Sonnen sich verdunkelt. »Ich organisiere Ihnen auch gerne einen Platz unter einer der städtischen Brücken, falls Sie es vorziehen, dort ein Zelt aufzuschlagen!«

Ein Wunder, dass er nicht schon viel früher ausgerastet ist, dachte Lena. Seit Wichert damit begonnen hatte, ihnen ihre nicht gerade rosige Lage zu erklären, hatte ihre Mutter sich abwechselnd uneinsichtig oder beleidigt gezeigt. Dabei hatte Wichert recht, er war für ihre Lage nicht verantwortlich. Er war die ganze Zeit nett gewesen, aber Mama hatte ja nichts Besseres zu tun, als sich zu benehmen wie die letzte blöde Kuh.

Der schneidende Ton des Sozialarbeiters hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Ihre Mutter schwieg. Ihre schlanken Hände schlossen sich um den Griff ihrer Handtasche, drückten einmal fest zu, zweimal. Schließlich sagte sie knapp: »Nun gut, dann eben dieses Hotel - vorerst!«, betonte sie. »Könnten Sie mir ein Taxi rufen?«

»Können Sie sich«, fragte Wichert langsam zurück, »ein Taxi leisten?«

»Wir nehmen den Bus«, schaltete Lena sich schnell ein. Sie erhob sich aus dem Sessel. »Der 137er fährt nach dort draußen. Und mehr als unsere zwei Koffer haben wir doch nicht.«

»Das scheint Herrn Wichert nicht weiter zu stören«, gab ihre Mutter bitter zurück. »Kommst du?«

In einer einzigen fließenden Bewegung ergriff sie den Zettel mit der Adresse, stopfte ihn achtlos in ihre Handtasche, stand auf und hatte in der nächsten Sekunde den Raum verlassen.

»Tut mir leid, das war keine gute Vorstellung«, wandte Wichert sich an Lena. Er hob die Hände in einer hilflosen Geste. »Aber deine Mutter scheint zu den Menschen zu gehören, mit denen man Klartext reden muss. Das bedeutet nicht, dass ich euch nicht wirklich bedauere.«

»Sie ist sonst nicht so«, erwiderte Lena. »Früher war sie ganz anders, aber seit Papa weg ist und das mit den Schulden rauskam ...«

»Ich weiß«, sagte Wichert.

Woher will er das wissen? Sie sah zu Boden, den Blick auf die Spitzen ihrer Turnschuhe gerichtet. Woher will er das, verdammt noch mal, wissen? Die Schuhe waren kaum getragen, so gut wie neu. Teuer waren sie gewesen, Markenschuhe, das letzte Geburtstagsgeschenk von Papa. Mit teuer war nun auch Schluss.

»Tust du mir einen Gefallen, Lena?«

Sie sah auf. »Hm?«

»Kümmere dich ein bisschen um deine Mutter, okay? Gib ihr einen Tritt in den Hintern, damit sie sich demnächst ans Arbeitsamt wendet. Wird schwer genug für sie werden, ohne Berufsausbildung und in ihrem Alter einen Job zu finden.«

Lena nickte.

»Und falls du ein Problem hast, falls du Hilfe brauchen solltest - du weißt, wo du mich findest.« Er schien es ehrlich zu meinen. Die beiden blauen Sonnen waren wieder aufgegangen. »Im Übrigen schaue ich bald mal vorbei, um zu sehen, wie es euch da draußen so geht.«

Lena nickte noch einmal. Wichert schloss die schmale Akte, auf der unter einer langen Zahlenreihe in säuberlicher Druckschrift ihr Familienname stand. Eigentlich müsste man ein Drittel der Akte abreißen und wegwerfen, dachte Lena. Oder war man auch dann noch eine Familie, wenn der Vater verschwunden war? Die altbekannte Traurigkeit stieg in ihr auf wie Quecksilber in einem Fieberthermometer.

Bloß das nicht!

Entschlossen drehte sie sich um und ging auf die Tür zu. Mehr als laufen, stellte sie fest, konnte man in teuren Turnschuhen auch nicht. Unwillkürlich musste sie grinsen. Eigentlich gab es sowieso keinen Grund für Traurigkeit oder schlechte Laune. Schließlich erwartete sie irgendwo jenseits dieser Tür das Paradies.

*

Efrem war müde, und er fror. Asrat schritt kräftig neben ihm aus, er schien weder Kälte noch Müdigkeit zu spüren. Vielleicht waren es die Wut und die Angst, die ihn so schnell vorantrieben, dass Efrem auf seinen ungleich kürzeren Beinen ihm kaum folgen konnte.

»Asrat, geh langsamer!«

Sein großer Bruder sah nicht zu ihm herab, aber wenigstens verkürzte er seinen Schritt. Die dunklen Augen blieben weiter starr geradeaus gerichtet, dahin, wo der verschlungene, von Weidezäunen gesäumte Feldweg zwischen lichten Bäumen verschwand.

Die Sonne stand hoch, es musste Mittag sein, vielleicht schon früher Nachmittag. Efrem hätte nicht sagen können, wann er zuletzt geschlafen hatte. Oft hatte die Aufregung ihn wach gehalten. Dann wieder hatte er nicht zwischen Tag und Nacht unterscheiden können, weil während der meisten Zeit ihrer langen Reise Dunkelheit geherrscht hatte: im Bauch des Schiffes mit den dröhnenden, stampfenden Motoren; später dann in dem großen Lastwagen, der so beängstigend finster gewesen war, erfüllt von Hitze und dem sauren Schweißgeruch der darin zusammengepferchten Menschen. Diesen Geruch würde Efrem nie vergessen.

Keinen der Gerüche, die ihn auf seiner Reise begleitet hatten, würde er vergessen. Im Geiste sah er sie, abgefüllt in kleine, bunte Flaschen, in einem hohen Regal stehen. Man musste nur nach einer der Flaschen greifen, sie öffnen ...

Hier roch es anders. Er sah sich links und rechts des Weges um. Überall wiegten sich Feldblumen im Wind. Auf den angrenzenden Wiesen lag getrocknetes, zu großen Ballen zusammengerolltes Gras. Es verströmte einen Duft, den er bis vor wenigen Stunden nicht gekannt hatte: beinahe muffig, von einer stechenden und dabei dennoch wohltuenden Süße.

»Heu«, hatte der Fahrer des Traktors gesagt, der sie die letzten Kilometer ihrer langen Reise bis zur Grenze gebracht...

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Autor

Andreas Steinhöfel wurde 1962 in Battenberg geboren. Er ist Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher, wie z. B. »Die Mitte der Welt«. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach Peter Rühmkorf, Loriot, Robert Gernhardt und Tomi Ungerer hat Andreas Steinhöfel 2009 den Erich Kästner Preis für Literatur verliehen bekommen. 2013 wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk ausgezeichnet und 2017 folgte der James-Krüss-Preis. Zudem wurde er für den ALMA und den Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert. Andreas Steinhöfel ist als erster Kinder- und Jugendbuchautor Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Seine Serie über Rico und Oskar wurde sehr erfolgreich fürs Kino verfilmt. Zusätzlich zu seiner Autorentätigkeit arbeitet er als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher. Seit 2015 betätigt er sich in seiner Filmfirma sad ORIGAMI als Produzent von Kinderfilmen.