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Bis dass der Zufall uns vereint

Roman
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2011
Wenn die Vergangenheit plötzlich vor dir steht Seine Einschaltquoten sind gigantisch: Sergi ist der bekannteste Radiomoderator des Landes. Und so viel Berühmtheit verpflichtet. Kaum hat er erfahren, dass sein IT-Techniker tödlich verunglückt ist, eilt er darum auch in die Leichenhalle zum Kondolieren. Zu spät merkt er, dass die hübsche Frau mit dem üppigen Busen gar nicht die Witwe seines Kollegen ist. Während er fieberhaft überlegt, wie er aus der peinlichen Situation wieder herauskommt, beginnt Cristina ihm ihr Leben zu erzählen - und zu seinem Entsetzen stellt Sergi fest, dass er ihr vor Jahren schon einmal begegnet ist. Es könnte seinen Untergang bedeuten, wenn es publik würde ... 

Blanca Busquets, 1961 in Barcelona geboren, arbeitet seit 1986 als Fernseh- und Radiojournalistin für Televisió de Catalunya und Catalunya Ràdio, wo sie diverse Kulturprogramme moderiert. Nach mehreren preisgekrönten Erzählungen und ihrem Romandebüt >Presó de NeuDie Woll-Lust der Maria Dolors< die Herzen aller Generationen erobert.
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Produkt

KlappentextWenn die Vergangenheit plötzlich vor dir steht Seine Einschaltquoten sind gigantisch: Sergi ist der bekannteste Radiomoderator des Landes. Und so viel Berühmtheit verpflichtet. Kaum hat er erfahren, dass sein IT-Techniker tödlich verunglückt ist, eilt er darum auch in die Leichenhalle zum Kondolieren. Zu spät merkt er, dass die hübsche Frau mit dem üppigen Busen gar nicht die Witwe seines Kollegen ist. Während er fieberhaft überlegt, wie er aus der peinlichen Situation wieder herauskommt, beginnt Cristina ihm ihr Leben zu erzählen - und zu seinem Entsetzen stellt Sergi fest, dass er ihr vor Jahren schon einmal begegnet ist. Es könnte seinen Untergang bedeuten, wenn es publik würde ... 

Blanca Busquets, 1961 in Barcelona geboren, arbeitet seit 1986 als Fernseh- und Radiojournalistin für Televisió de Catalunya und Catalunya Ràdio, wo sie diverse Kulturprogramme moderiert. Nach mehreren preisgekrönten Erzählungen und ihrem Romandebüt >Presó de NeuDie Woll-Lust der Maria Dolors< die Herzen aller Generationen erobert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423409285
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum01.07.2011
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse190
Artikel-Nr.1039898
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1


Ich habe es vom Programmchef erfahren. Wie bei schlechten Neuigkeiten so üblich, servierte er mir die Botschaft häppchenweise, als ich heute Mittag zu ihm ins Büro kam. So, als handele es sich um den Aufmacher der Hauptnachrichten: »Ramon ist tot.« Dann folgten die Details: Mein Kollege sei letzte Nacht mit dem Motorrad verunglückt. Auf dem Heimweg habe er eine rote Ampel überfahren und sei auf der Kreuzung voll in ein Auto gerast. »Er hat wohl zu viel getrunken. Aber keine Sorge, Sergi, wir haben schon einen Neuen. Die anderen IT-ler weisen ihn gerade ein«, hatte der Programmchef zum Schluss erklärt, bevor er sich erneut den Unterlagen auf seinem Schreibtisch zuwandte.

»Alles klar«, hatte ich cool erwidert und war gegangen. Erst auf dem Weg in die Redaktion überlief es mich kalt; wie bei den Ameisen, dachte ich, wenn eine stirbt, wird sie gleich durch eine andere ersetzt, damit alles weiter seinen gewohnten Gang gehen kann.

An die Wand des Waschraums gelehnt, steht mir jetzt die Szene im Büro des Chefs wieder deutlich vor Augen, während ich darüber nachgrübele, wo die Sache aus dem Ruder gelaufen ist. Es ist mir nämlich echt ein Rätsel, wie ich in eine solch peinliche Lage geraten konnte. Fassen wir also noch einmal zusammen, Sergi: Dein Kollege hieß Ramon Garcia. Genau wie der fremde Tote. So weit, so gut: Ramon Garcia ist nun mal ein Allerweltsname. Und wenn ich Cristina vorhin richtig verstanden habe, ist ihr Mann ebenfalls Tontechniker gewesen: Folglich sind in der letzten Nacht zwei Männer gestorben, die nicht nur den gleichen Namen hatten, sondern auch noch den gleichen Beruf! Also, Zufälle gibt s, die gibt s gar nicht â¦ Und obendrein sind die beiden auch noch in derselben Leichenhalle aufgebahrt. Denn ich habe vorher in der Hektik sicher übersehen, dass auf dem Anschlagbrett in der Eingangshalle zwei »Ramon Garcia« stehen. Allerdings finde ich es schon verwunderlich, dass ich sonst niemandem vom Radiosender begegnet bin â¦ Na ja, die letzte halbe Stunde hat mich ja auch die falsche Witwe in Beschlag genommen â¦ Die Frage ist: Was mache ich jetzt? Wie komme ich aus dem Schlamassel wieder raus? Ich sollte die Gelegenheit beim Schopf packen und verschwinden. Schließlich bin ich dieser Cristina keine Rechenschaft schuldig; ich habe ihr bloß zugehört, weil sonst keiner bei ihr war und sie mir leidtat; sie dürfte etwa gleich alt sein wie ich und mein Kollege und vermutlich auch wie ihr Mann. Ja, Sergi, du solltest dich aus dem Staub machen, denn wenn du jetzt zu deinem Ramon gehst, begegnest du ihr nachher garantiert auf dem Flur, und wie bringst du ihr dann bei, dass du doch nicht der Kollege ihres verstorbenen Mannes bist, wie du anfangs behauptet hast?

»Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, wenn einen nachts das Telefon aus dem Schlaf reißt und man von der Polizei gesagt bekommt: Ihr Mann â¦ Kommen Sie schnell ins Krankenhaus â¦ Es sieht nicht gut aus «, hatte Cristina geschluchzt und mich dabei verzweifelt angesehen, wohl, weil sie mir nicht besser zu erklären wusste, welch ungeheuren Schreck der Anruf ihr eingejagt hatte. »Das hätte man dir aber wirklich ein bisschen schonender mitteilen können«, hatte ich erwidert, um irgendwas zu sagen, worauf sie den Polizisten allerdings in Schutz nahm: »Vielleicht hat er so etwas bisher ja noch nie tun müssen.«

Jetzt im Waschraum fällt mir wieder ein, dass mich das vorhin auf eine Idee für einen Livetalk gebracht hat. Ich würde gern erfahren, ob einem Polizisten irgendwann beigebracht wird, wie man schlechte Nachrichten überbringt, oder ob sie einen eigens dafür ausgebildeten Unglücksboten haben. Und ob man besser gleich mit der Wahrheit herausplatzt oder erst nach einer Weile. Ich muss unbedingt Rosa davon erzählen. Sie muss allerdings verhindern, dass sie uns die gleichen Beamtenköppe wie immer schicken, die nur über die berühmten Kriminalfälle und die entsprechenden politischen Verwicklungen schwafeln wollen; in meinem Interview soll es um den ganz gewöhnlichen Polizeialltag gehen. »Und er hat dir nicht gesagt, dass dein Mann tot ist?«, hatte ich Cristina gefragt. »Nein, hat er nicht. Und natürlich klammert man sich an die Hoffnung, dass dem nicht so ist â¦ ach, was weiß ich, Sergi â¦«

Gerade ziehe ich mein Notizbuch aus der Jackentasche, damit ich die Idee nicht vergesse, da kommt ein junger Mann in den Waschraum. Während ich mir ein paar Stichworte zu dem Interview notiere, mustere ich ihn verstohlen von der Seite. Er starrt in den Spiegel und lässt Wasser über seine zitternden Hände laufen. Tränen stehen ihm in den Augen. Zu einer jungen Frau würde ich jetzt hingehen und ein paar freundliche Worte sagen, ihr eventuell sogar tröstend die Hand auf die Schulter legen, aber bei einem Mann traue ich mich das nicht, das ist mir irgendwie peinlich. Was ziemlich albern ist, wie ich zugeben muss. Ich breche mir sicher keinen Zacken aus der Krone, wenn ich ihm mein Beileid ausspreche, denn ganz offensichtlich trauert er um jemanden, der ihm sehr nahegestanden hat, vielleicht ja sogar um seine Mutter. Und er ist eindeutig zu jung, um das einfach so wegzustecken, gerade mal knapp über zwanzig. Als ich so alt war, war aus meinem Umfeld noch niemand gestorben, und ich war damals â¦ na ja, ich war so wie alle in dem Alter, ich lebte sorglos in den Tag hinein und machte mir nur Gedanken über Dinge, die mir seinerzeit unheimlich wichtig vorkamen, aus heutiger Sicht aber absolut belanglos sind. Nichts als Blödsinn hast du im Kopf gehabt, Sergi, mit den Jahren dir aber eingebildet, reifer und selbstsicherer geworden zu sein - und dann kondolierst du der verkehrten Witwe und hast keinen Schimmer, wie du aus der Nummer wieder herauskommen sollst â¦

»Entschuldigen Sie, dürfte ich mal â¦?«

Der Junge steht auf einmal neben mir und deutet mit dem Kinn auf seine nassen Hände. Er fürchtet wohl, mich nass zu spritzen, denn ich lehne genau neben dem Handtuchautomaten.

»Ach ja, natürlich, Verzeihung«, entgegne ich schnell, drücke mich an ihm vorbei und trete ans Waschbecken.

Das Handtuch. Als Kind legte ich mir nach dem Baden oft das Duschhandtuch um und stellte mir vor, ich sei ein König und herrsche über ein stattliches Reich. Ich war damals noch ein schmächtiges Bürschchen, doch mit meinem Königsmantel glaubte ich, es mit der ganzen Welt aufnehmen zu können. Manchmal blieb ich so eine ganze Weile vor dem Spiegel stehen - besonders, wenn meine Eltern in der Küche stritten - und übte Blicke ein, die meine Untertanen einschüchtern sollten.

Im Spiegel sehe ich jetzt, dass dem jungen Mann beim Händeabtrocknen die Tränen über die Wangen laufen. Schnell zieht er ein Tempotaschentuch aus der Hosentasche, mit dem er sich energisch die Nase putzt, wirft es dann in den Papierkorb und lässt mich mit meinem ungelösten Problem wieder allein.

Völlig verschwitzt war ich vorhin in die Leichenhalle gehetzt, in Gedanken immer noch beim letzten Talk-Gast des Nachmittags, einem drögen Professor. Diese vergeistigten Unitypen können nichts, aber auch gar nichts allgemeinverständlich erklären, hatte ich noch verärgert gedacht, als ich am Schwarzen Brett im Eingangsbereich den Namen meines tödlich verunglückten Kollegen suchte. Erster Stock, Zimmer 6, hatte hinter seinem Namen gestanden. 2 â¦ 3 â¦ 5 â¦ Als ich die Tür zu Nummer 6 öffnete, erwartete ich eigentlich, jede Menge Leute vorzufinden, doch bei der Witwe saß bloß ein Paar, das anscheinend nur darauf gewartet hatte, dass jemand anderes zum Kondolieren kam, denn die beiden sprangen sofort auf und verabschiedeten sich.

»Mein herzliches Beileid. Ich bin Sergi, ein Kollege von Ramon, sicher hat er dir schon von mir erzählt«, stellte ich mich der Witwe vor und drückte ihr die Hand. Kaum waren die Worte heraus, bereute ich sie allerdings schon: Sollte Ramon je von mir gesprochen haben, dann sicher nicht in den höchsten Tönen. Wie viele Male hatte ich an dem armen Kerl meine Wut ausgelassen, wenn ich um zehn vor vier, kurz bevor wir auf Sendung gingen, noch kein Skript in Händen hatte. Dabei konnte er am allerwenigsten dafür.

Zu meiner Überraschung starrte die Witwe mich eine ganze Weile mit großen Augen an, bevor ein Ruck durch ihren Körper fuhr und sie in Tränen ausbrach.

»Ja sicher â¦ Sergi â¦ natürlich hat er von dir erzählt â¦ du warst â¦ du warst ja der Einzige â¦ der â¦ der ihm ein offenes Ohr geschenkt â¦ der ihn ernst genommen hat. Danke, vielen Dank«, hatte sie schluchzend gestammelt und mich zu dem Sofa neben der Tür gezogen. »Ich heiße übrigens Cristina.«

Sie trug ein schwarzes Kleid mit einem beachtlichen Ausschnitt. Eine nette Art zu trauern, dachte ich kurz voller Ironie. Letztlich geschieht es nicht alle Tage, dass man es mit einer Witwe zu tun bekommt, die einem darüber hinaus noch einen so tiefen Einblick in ihr Dekolleté gewährt. Allerdings stand mir in dem Augenblick nicht unbedingt der Sinn nach einer näheren Betrachtung: Dass Ramon gut über mich gesprochen hatte, hatte mir gerade noch gefehlt: In dem einen Jahr beim Sender war er für mich ein Niemand gewesen, Mittel zum Zweck, ein Blitzableiter für meine Launen - und zu Hause erzählte er, ich sei der Einzige, der ihn ernst nahm! Ich, der Tyrann, wie Rosa mich immer nannte! Das haute mich echt um und bereitete...

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Blanca Busquets, 1961 in Barcelona geboren, arbeitet seit 1986 als Fernseh- und Radiojournalistin für Televisió de Catalunya und Catalunya Ràdio, wo sie diverse Kulturprogramme moderiert. Nach mehreren preisgekrönten Erzählungen und ihrem Romandebüt >Presó de NeuDie Woll-Lust der Maria Dolors