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Die Partitur des Glücks

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
303 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am15.05.20151. Aufl. 2015
Teresa, die virtuose Violinistin.

Anna, die kühle Perfektionistin.

Maria, die treue Haushälterin.



Drei Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Und doch sind ihre Leben eng miteinander verknüpft. Ein Konzert zu Ehren des berühmten Dirigenten Karl führt alle drei von Barcelona nach Berlin. Und weckt Erinnerungen an ein Haus, das stets von Musik erfüllt war, eine Geige mit magischem Klang und einen Mann, der nur eines mehr liebte als die Musik: die Frauen -



'Jedes Konzert, jede Oper war für Karl so etwas wie eine Liebesgeschichte mit der Solistin oder der Sängerin in der Hauptrolle. Er arbeitete gern mit Frauen, es war verblüffend zu erleben, wie viel schöner er ein Werk zum Klingen brachte, wenn er mit Frauen musizierte.'


Blanca Busquets, geboren 1961 in Barcelona, ist eine der bekanntesten katalanischen Schriftstellerinnen. Seit sie im Alter von zwölf Jahren ihre erste Geschichte geschrieben hat, ist das Schreiben der Mittelpunkt ihres Lebens. Heute arbeitet sie als Journalistin und Romanautorin. 2011 wurde Blanca Busquets mit dem Premi Lliberter, dem katalanischen Buchhändler-Preis, ausgezeichnet.
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Produkt

KlappentextTeresa, die virtuose Violinistin.

Anna, die kühle Perfektionistin.

Maria, die treue Haushälterin.



Drei Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Und doch sind ihre Leben eng miteinander verknüpft. Ein Konzert zu Ehren des berühmten Dirigenten Karl führt alle drei von Barcelona nach Berlin. Und weckt Erinnerungen an ein Haus, das stets von Musik erfüllt war, eine Geige mit magischem Klang und einen Mann, der nur eines mehr liebte als die Musik: die Frauen -



'Jedes Konzert, jede Oper war für Karl so etwas wie eine Liebesgeschichte mit der Solistin oder der Sängerin in der Hauptrolle. Er arbeitete gern mit Frauen, es war verblüffend zu erleben, wie viel schöner er ein Werk zum Klingen brachte, wenn er mit Frauen musizierte.'


Blanca Busquets, geboren 1961 in Barcelona, ist eine der bekanntesten katalanischen Schriftstellerinnen. Seit sie im Alter von zwölf Jahren ihre erste Geschichte geschrieben hat, ist das Schreiben der Mittelpunkt ihres Lebens. Heute arbeitet sie als Journalistin und Romanautorin. 2011 wurde Blanca Busquets mit dem Premi Lliberter, dem katalanischen Buchhändler-Preis, ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732506118
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum15.05.2015
Auflage1. Aufl. 2015
Seiten303 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2271697
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


MARIA

Als Erstes ist die Opernsängerin auf die Bühne gekommen. Senyora Teresa und Senyora Anna spielen später. Davor ist zunächst einmal diese Frau dran, die nicht ganz so blond und ganz so drall ist wie die von Senyor Karl. Senyor Mark gibt ihr das Zeichen für den Einsatz, als das Orchester schon ein paar Takte gespielt hat, und sie fängt an, mit einer zarten Stimme zu singen, die viel schöner ist als die der anderen Sängerin, viel harmonischer, und die tief in meinem Inneren eine empfindliche Saite berührt, die dieser Art von Erschütterung nichts entgegenzusetzen hat, sondern zu zittern beginnt und reißt.

Als ich damals vor vielen Jahren vom Schlüsselloch abrückte, durch das ich Senyor Karl und die Opernsängerin zum ersten Mal beobachtet hatte, beschloss ich, mir einen netten Jungen zu suchen, der mich auch so küsste wie Senyor Karl diese Frau, die, nebenbei bemerkt, noch ein paar Mal kam und mit der sich die Szene auf dem Sofa ebenso oft wiederholte. Jedenfalls war Senyor Karl nach solch einer Sofaszene deutlich ruhiger, als hätte er sich von einer Last befreit. Ich muss zugeben, dass dieser Besucherin mein spezielles Interesse galt, denn jedes Mal, wenn sie kam, der Himmel möge mir vergeben, hing ich wieder mit dem Auge vor dem Schlüsselloch.

Allerdings wurde das Bedürfnis, jemanden zu finden, der mich küsste, dabei immer größer. Da ich nur donnerstagnachmittags ausging, und immer mit einer Freundin, die auch Hausmädchen war, würde das nicht leicht sein. Letztlich musste ich aber gar nicht lange suchen, er kam von ganz allein. Ich meine, ich traf ihn nicht etwa, als ich mit meiner Freundin unterwegs war, sondern in der Sonntagsmesse. Der junge Mann war mir schon ein paar Mal aufgefallen, weil er so fromm aussah und sehr einsam zu sein schien. Er kniete immer in einer der letzten Reihen, genau wie ich, denn es war eine Kirche für die Herrschaften, in der sich unsereins in die hintersten Bänke zwängte. Anscheinend war auch ich ihm ins Auge gefallen, denn eines Tages wartete er vor der Tür auf mich. »Hallo, wie heißt du?«, fragte er, als er mich sah. Ich sagte es ihm. Sein Name war Pepe. Es war ein strahlender Wintertag, und er stand genau zwischen mir und der Sonne. Im Gegenlicht konnte ich sein Gesicht kaum erkennen, und ich sah nicht, ob er lächelte. Und doch kam er mir vor wie eine zweite Sonne. »Was hältst du von einem Spaziergang?«, schlug er vor.

»Einverstanden.«

So fing es mit uns an. Bevor ich heimging, machten wir eine Runde durch den Park. Er erzählte mir, dass er, zusammen mit seinen Eltern, die schon seit vielen Jahren im Dienst ihrer Herrschaften standen, in einem großen Haus ganz in der Nähe wohnte.

»Ich habe immer mit ihren Kindern gespielt.« Wichtigtuerisch reckte er das Kinn. Dann holte er eine Zigarette heraus und fragte mich, ob ich rauchen würde. Und obwohl das gar nicht stimmte, sagte ich ja. Ich steckte mir die Zigarette zwischen die Lippen und machte alles genauso wie er, das heißt, ich inhalierte den Rauch und kann von Glück sagen, dass ich nicht erstickt bin, denn ich musste heftig husten und bekam keine Luft mehr. Er klopfte mir auf den Rücken und sagte grinsend, ich müsste mir keinen Zwang antun, ich bräuchte nicht zu rauchen, wenn ich nicht wollte.

Ich erhob mich von der Parkbank, und während ich mir die Tränen abwischte, die mir der Rauch und der Husten in die Augen getrieben hatten, sagte ich: »Ich muss los.«

Er stand ebenfalls auf, lächelte und sagte: »Dann sehen wir uns nächsten Sonntag, ja?«

»Ja, nächsten Sonntag.« Erst als er sich von mir verabschiedete, bemerkte ich, dass ihm zwei Schneidezähne fehlten. Deswegen gefiel er mir nicht mehr ganz so gut, aber ich dachte, dass das sicher kein Hindernis war, um so zu küssen, wie Senyor Karl es mit der Opernsängerin tat.

Die Sonntage unterschieden sich von den übrigen Wochentagen. Frühmorgens ging ich zur Messe, und bei meiner Rückkehr saß Senyor Karl immer mit geschlossenen Augen auf dem Sofa und tat so, als dirigierte er eins von diesen endlos langen Liedern ohne Text, eins, das, wie ich inzwischen weiß, Doppelkonzert für zwei Violinen heißt und von einem Komponisten namens Bach ist. Wie man seinen Namen ausspricht, hat Senyor Karl mir irgendwann beigebracht. Da kannte ich die Melodie schon in- und auswendig und hatte sogar einen Text dazu gedichtet, der ging so: »Ich putze jetzt das Haus, das ganze, ganze Haus.«

Seither sang ich immer leise vor mich hin, während ich, mit der Musik im Hintergrund, die Büste von Beethoven abstaubte. Den Namen konnte ich aussprechen. Ich sagte »Gut´n Tag« zu ihm, wie Senyor Karl, auch wenn ich die Worte nicht verstand. Danach kam ein anderer, langsamerer Teil des Konzerts, eine Art Tanzmusik, und weil ich keinen anderen Tanzpartner hatte, legte ich das Staubtuch zur Seite und schnappte mir den Besen. Darauf folgte wieder ein schnelleres Stück, und ich begann erneut zu singen. So ging das jeden Sonntag, bis mich, wie es nicht anders zu erwarten war, eines Tages Senyor Karl erwischte.

Ich drehte gerade mit dem Besen meine Kreise und summte »Na-na-na«, um mich im Takt zu wiegen, als ich plötzlich über Senyor Karls Schuh stolperte, ins Straucheln kam und mit einem leisen Aufschrei der Länge nach zu Boden stürzte. Zornig fuhr ich ihn an, worüber er mindestens so verblüfft war wie ich selbst. »Was soll das? Sehen Sie nicht, dass ich die Augen zuhabe?«

Kaum war es raus, da merkte ich auch schon, dass ich mich gewaltig vergaloppiert hatte. Jemand wie ich durfte Senyor Karl gegenüber nicht einfach so loszetern. Ich wurde rot wie eine Tomate und entschuldigte mich hastig. Aber Senyor Karl fing an zu lachen, er bekam einen regelrechten Lachanfall wie damals, als wir in der Küche Schokolade löffelten. Er half mir auf, sagte, ich solle mitkommen, und führte mich ins Musikzimmer, wo ich mich auf die Klavierbank setzen sollte.

»Aber was machen Sie denn, Senyor Karl?«, protestierte ich.

»Schluss jetzt, Maria. So schön, wie Sie singen und tanzen, mögen Sie doch Musik, oder?«

»Nun, ja, aber ...«

»Kein Aber«, fiel er mir ins Wort. »Geben Sie mir Ihre Hand.«

Verschämt reichte ich ihm meine rechte Hand. Ich hatte keine penibel manikürten Finger wie eine Dame, sondern eine Dienstmädchenhand, die nach Putz- und Desinfektionsmitteln roch. Doch er scherte sich nicht darum. Er nahm meine Finger und legte sie auf die Tasten, dann ließ er mich eine mit dem Daumen herunterdrücken und sagte, als der Ton erklang: »C.« Beim nächsten Finger »D«, dann »E«, »F« und »G«.

Schon allein mit diesen paar Tönen war mir, als ob alle Glühwürmchen, die ich nachts vom Wohnzimmerfenster aus im Park gesehen hatte, hereinkämen, um meinen Geist zu erleuchten. Ich spürte, wie mir Tränen der Rührung über die Wangen liefen.

Da sagte Senyor Karl: »Maria, Sie werden Klavierspielen lernen.«

Im ersten Moment war ich sprachlos. Erst als er Anstalten machte zu gehen, rief ich ihm hinterher: »Senyor Karl.«

Er drehte sich um. »Ja?«

»Aber das bleibt unter uns.«

Er schmunzelte. »Einverstanden. Das bleibt unter uns.« Dann ging er, und ich trocknete meine Tränen.

Die anderen Tränen, die, die mir vom Rauch der Zigarette meines Verehrers in die Augen gestiegen waren, hatte ich auf dem Heimweg abgewischt. Als ich zu Hause ankam, war Senyor Karl schon mit dem ganzen Bach-Konzert fertig, was mir einen leisen Stich versetzte. Er tauchte urplötzlich hinter der Beethoven-Büste auf.

»Sie sind heute aber spät dran«, sagte er fröhlich.

»Oh, ich bin aufgehalten worden.« Ich wandte mich ab, damit er nicht bemerkte, dass ich rot wurde.

»Wie sieht es aus? Wollen wir mit dem Unterricht anfangen?«

»Welchem Unterricht?«

»Na, der Klavierstunde.«

»Ach so, ja, natürlich«, stammelte ich.

Ich folgte ihm ins Musikzimmer und streifte auf dem Weg Hut und Mantel ab.

»Proben Sie denn heute nicht für die Oper?«, fragte ich zweideutig, doch er bemerkte den Unterton nicht. »Ach, das ist vorbei, als Nächstes gebe ich mit dem Orchester ein paar Konzerte.« Ich enthielt mich weiterer Kommentare und konzentrierte mich auf den Unterricht. Senyor Karl nahm behutsam meine Finger und ließ mich etwas spielen, was er eine Tonleiter nannte - vom tiefen bis zum hohen C -, indem er meinen Daumen unter den anderen Fingern hindurchführte, als ich beim kleinen Finger angekommen war, denn diese Tonleiter hatte acht Noten und meine Hand nur fünf Finger, und irgendwoher mussten die anderen drei ja kommen.

»Und jetzt mit links«, sagte er, und wir wiederholten das Ganze mit der linken Hand. Tonleiter rauf, Tonleiter runter. Anfangs half er mir dabei, dann machte ich es allein. »Nächste Woche versuchen wir es mit beiden Händen gleichzeitig, Sie werden schon sehen.«

Am liebsten wäre ich an diesem Tag einfach sitzengeblieben. Wenn man diese Tonleitern schnell rauf- und runterspielen konnte, musste das für den, der zuhörte, einfach herrlich klingen. Vielleicht war Klavierspielen doch nicht so kompliziert. Vielleicht konnte das sogar eine einfache Frau wie ich.

In dieser Woche passierten eine ganze Reihe wichtiger Dinge. Das erste war, dass ich lernte, mit beiden Händen langsam Tonleitern zu spielen. Ich konnte es kaum glauben, aber ich tat es wirklich. Es war wunderbar. Wenn ich Klavier übte, wurde ich von meinen Gefühlen regelrecht mitgerissen. Senyor Karl wirkte sehr zufrieden, er klatschte sogar Beifall und sagte schließlich: »Ich glaube, wir haben uns eine Schokolade mit Sahne...

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Blanca Busquets, geboren 1961 in Barcelona, ist eine der bekanntesten katalanischen Schriftstellerinnen. Seit sie im Alter von zwölf Jahren ihre erste Geschichte geschrieben hat, ist das Schreiben der Mittelpunkt ihres Lebens. Heute arbeitet sie als Journalistin und Romanautorin. 2011 wurde Blanca Busquets mit dem Premi Lliberter, dem katalanischen Buchhändler-Preis, ausgezeichnet.
Die Partitur des Glücks