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Gerechtigkeit für Igel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
813 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am02.07.20122. Auflage
»Der Fuchs weiß viele Dinge, aber der Igel weiß eine große Sache.« Der griechische Dichter Archilochos hat diesen Satz formuliert, Isaiah Berlin hat ihn mit seinem Tolstoi-Essay berühmt gemacht. Aber was ist diese »eine große Sache«? Ronald Dworkin liefert eine Antwort: Es sind Werte in all ihren Erscheinungsformen. Wenn wir verstehen wollen, was Wahrheit und Schönheit sind, was dem Leben Sinn verleiht, was die Moral fordert und die Gerechtigkeit verlangt, so müssen wir der Spur jener moralischen Einstellungen nachgehen, die menschliches Denken, Fühlen und Handeln durchdringen und zu einer Einheit formen. »Gerechtigkeit für Igel« ist eines jener Bücher, wie es sie in Zeiten der Füchse - der Spezialisten und Skeptiker - immer seltener gibt: eines, das aus einem einzigen Prinzip eine ganze Welt erklären und zugleich Orientierung geben möchte.


Ronald Dworkin war Professor für Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie an der New York University und am University College in London. Er ist am 14. Februar 2013 im Alter von 81 Jahren in London verstorben.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR24,99

Produkt

Klappentext»Der Fuchs weiß viele Dinge, aber der Igel weiß eine große Sache.« Der griechische Dichter Archilochos hat diesen Satz formuliert, Isaiah Berlin hat ihn mit seinem Tolstoi-Essay berühmt gemacht. Aber was ist diese »eine große Sache«? Ronald Dworkin liefert eine Antwort: Es sind Werte in all ihren Erscheinungsformen. Wenn wir verstehen wollen, was Wahrheit und Schönheit sind, was dem Leben Sinn verleiht, was die Moral fordert und die Gerechtigkeit verlangt, so müssen wir der Spur jener moralischen Einstellungen nachgehen, die menschliches Denken, Fühlen und Handeln durchdringen und zu einer Einheit formen. »Gerechtigkeit für Igel« ist eines jener Bücher, wie es sie in Zeiten der Füchse - der Spezialisten und Skeptiker - immer seltener gibt: eines, das aus einem einzigen Prinzip eine ganze Welt erklären und zugleich Orientierung geben möchte.


Ronald Dworkin war Professor für Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie an der New York University und am University College in London. Er ist am 14. Februar 2013 im Alter von 81 Jahren in London verstorben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518780206
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum02.07.2012
Auflage2. Auflage
Seiten813 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1187241
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1;[Cover];1
2;[Informationen zum Buch oder Autor];2
3;[Titel];3
4;[Impressum];4
5;[Widmung];5
6;Inhalt;7
7;Vorwort;9
8;Kapitel 1 Ein Reiseführer;13
8.1;Füchse und Igel;13
8.2;Gerechtigkeit;15
8.3;Interpretation;21
8.4;Werte und Wahrheit;24
8.5;Verantwortung;31
8.6;Ethik;33
8.7;Moral;35
8.8;Politik;37
8.9;Eine einfache Geschichte;37
9;Teil I Unabhängigkeit;45
10;Kapitel 2 Moralische Wahrheit;47
10.1;Die Herausforderung;47
10.1.1;Die gewöhnliche Sichtweise;53
10.1.2;Bedenken;56
10.2;Zwei wichtige Unterscheidungen;59
10.2.1;Interner und externer Skeptizismus;59
10.2.2;Fehlerskeptizismus und Statusskeptizismus;61
10.3;Interner Skeptizismus;64
10.4;Warum ist der Statusskeptizismus so attraktiv?;66
10.5;Enttäuscht?;70
11;Kapitel 3 Externer Skeptizismus;75
11.1;Eine wichtige These;75
11.2;Das Hume´sche Prinzip;82
11.3;Fehlerskeptizismus;85
11.3.1;Vielfalt;86
11.3.2;Moral und Motivation;88
11.3.3;Moral und Gründe;90
11.4;Statusskeptizismus;95
11.4.1;Zwei Versionen;95
11.4.2;Sprechakttheoretischer Skeptizismus: Die Herausforderung;97
11.4.3;Semantischer Expressivismus;102
11.4.4;Nochmals: Moral und Motivation;103
11.4.5;Primäre und sekundäre Eigenschaften;106
11.5;Verschiedene Sprachspiele?;108
11.5.1;Richard Rorty;108
11.5.2;Expressivisten und Quasirealisten;112
11.6;Konstruktivismus;114
11.7;Ja, die Metaethik beruht auf einem Irrtum;120
12;Kapitel 4 Moral und Ursachen;123
12.1;Zwei entscheidende Fragen;123
12.2;Die KE-Hypothese;125
12.2.1;Was steht auf dem Spiel?;125
12.2.2;Ein Mythos;127
12.3;Die kausale Abhängigkeitshypothese;134
12.3.1;Zu schnell?;134
12.3.2;Peinliche Erklärungen?;136
12.4;Überzeugung und Zufall;141
12.5;Integrierte Epistemologie;144
12.6;Moralischer Fortschritt?;151
13;Kapitel 5 Interner Skeptizismus;154
13.1;Typologie;154
13.2;Ist Unbestimmtheit eine Grundeinstellung?;157
14;Teil II Interpretation;169
15;Kapitel 6 Moralische Verantwortung;171
15.1;Verantwortung und Interpretation;171
15.1.1;Agenda;171
15.1.2;Arten von Verantwortung;176
15.2;Moralisch verantwortliches Handeln;179
15.2.1;Arten der Verantwortungslosigkeit;179
15.2.2;Filter;185
15.2.3;Verantwortung und Philosophie;187
15.2.4;Der Wert der Verantwortung;191
15.3;Verantwortung und Wahrheit;195
15.3.1;Belege, Argumente und Grundlagen;195
15.3.2;Gibt es Konflikte zwischen verschiedenen Werten?;202
15.3.3;Brauchen wir den Wahrheitsbegriff überhaupt?;207
16;Kapitel 7 Interpretation im allgemeinen;212
16.1;Interpretative Wahrheit?;212
16.1.1;Ambivalenz;215
16.1.2;Mentale Zustände;221
16.1.3;Die Werttheorie;224
16.2;Wichtige Unterscheidungen;231
16.2.1;Kollaborative, erklärende und begriffliche Interpretation;231
16.2.2;Unabhängigkeit, Ergänzung und Konkurrenz;239
16.3;Interpretativer Skeptizismus;248
16.4;Radikale Übersetzung;252
16.5;Eine Zusammenfassung der Werttheorie;256
16.6;Wissenschaft und Interpretation;260
17;Kapitel 8 Begriffliche Interpretation;268
17.1;Wie ist Uneinigkeit möglich?;268
17.2;Begriffsarten;269
17.3;Interpretative Begriffe;274
17.3.1;Paradigmen;274
17.3.2;Begriffe und ihr Gebrauch;278
17.3.3;Migration der Begriffe;280
17.3.4;Moralische Begriffe;283
17.4;Relativismus?;290
17.5;Wahrheit;293
17.5.1;Uneinigkeit über die Wahrheit;293
17.5.2;Noch einmal Skeptizismus;303
17.5.3;Wahrheit und Methode;305
17.6;Dichte und dünne Begriffe;307
17.7;Platon und Aristoteles;313
18;Teil III Ethik;321
19;Kapitel 9 Würde;323
19.1;Ist die Moral ein geschlossener Bereich?;323
19.2;Das gute Leben und die gelungene Lebensführung;329
19.3;Unmoralisches Handeln und moralischer Zufall;338
19.4;Zwei ethische Prinzipien;342
19.5;Selbstachtung;348
19.6;Authentizität;355
19.6.1;Verantwortung;357
19.6.2;Ethische Unabhängigkeit;359
19.6.3;Authentizität und Objektivität;362
19.7;Das religiöse Temperament;365
20;Kapitel 10 Freier Wille und Verantwortung;372
20.1;Zwei Gefahren für die Verantwortung;372
20.1.1;Die Probleme;374
20.1.2;Was auf dem Spiel steht;378
20.2;Sechs Milliarden Personen suchen ein Leben;383
20.2.1;Das System der Verantwortung;383
20.2.2;Zwei Verständnisse von Kontrolle;386
20.3;Kausale Kontrolle?;393
20.3.1;Epiphänomenalismus;394
20.3.2;Determinismus und Zufall;396
20.3.3;Determinismus und Rationalität;399
20.3.4;Psychologische und metaphysische Unmöglichkeit;402
20.3.5;Das System der Verantwortung;403
20.3.6;Zusammenfassung: Kausale Kontrolle?;408
20.4;Fähigkeitenkontrolle;410
20.4.1;Die irreduzible Wichtigkeit der Entscheidung;410
20.4.2;Eine ethische Rechtfertigung von Ausnahmen;413
20.4.3;Die moralische Anwendung;419
20.4.4;Eine Illusion?;420
20.5;Verantwortung in der Praxis;423
20.5.1;Die Verteidigung unter Berufung auf Unzurechnungsfähigkeit;423
20.5.2;Nötigung, Ungerechtigkeit und Verantwortung;427
21;Teil IV Moral;431
22;Kapitel 11 Von der Würde zur Moral;433
22.1;Selbstachtung und Achtung vor anderen;433
22.1.1;Universell oder besonders?;433
22.1.2;Und Nietzsche?;438
22.2;Zwei Strategien: Balance und Integrität;442
22.3;Weitere moralphilosophische Ansätze;448
22.3.1;Kant;448
22.3.2;Rawls;454
22.3.3;Scanlon;457
23;Kapitel 12 Hilfe in Not;460
23.1;Ein Kalkül der Aufmerksamkeit;460
23.1.1;Würde und moralisch falsches Handeln;460
23.1.2;Würde und Wohlergehen;461
23.1.3;Eine Schadensmetrik;466
23.1.4;Eine Kostenmetrik;468
23.1.5;Konfrontation;471
23.2;Zählen Zahlen?;476
23.3;Bizarre Fälle;481
24;Kapitel 13 Schädigung;483
24.1;Konkurrenz und Schädigung;483
24.2;Unabsichtliche Schädigung;491
24.3;Doppelwirkung;494
24.3.1;Schwierige Fälle;494
24.3.2;Noch mehr bizarre Fälle;503
24.3.3;Der Natur ihren Lauf lassen;506
25;Kapitel 14 Verpflichtungen;508
25.1;Konvention und Verpflichtung;508
25.2;Versprechen;514
25.2.1;Ein Rätsel;514
25.2.2;Ermutigung und Verantwortung;516
25.2.3;Die Rolle von Versprechen;522
25.2.4;Versprechen und Interpretation;525
25.3;Assoziative Verpflichtungen;527
25.3.1;Verantwortung und soziale Rollen;527
25.3.2;Konvention und Verantwortung;533
25.3.3;Soziale Rollen und Interpretation;535
25.4;Politische Verpflichtung;538
25.4.1;Ein Paradox;538
25.4.2;Legitimität;545
25.5;Verpflichtungen unter »Stammesmitgliedern«?;548
26;Teil V Politik;551
27;Kapitel 15 Politische Rechte und Begriffe;553
27.1;Rechte;553
27.1.1;Rechte und Trümpfe;553
27.1.2;Politische und juridische Rechte;559
27.2;Menschenrechte;561
27.2.1;Was sind Menschenrechte?;561
27.2.2;Menschenrechte und Religion;574
27.3;Begriffe;583
27.3.1;Kriteriumsabhängige Fehler;583
27.3.2;Freiheit;584
27.3.3;Gleichheit;585
27.3.4;Demokratie;588
27.4;Ein besseres Programm;590
28;Kapitel 16 Gleichheit;594
28.1;Philosophie und Scham;594
28.2;Falsche politische Konzeptionen;596
28.2.1;Laisser-faire;596
28.2.2;Nutzen;599
28.2.3;Wohlfahrt;600
28.3;Ressourcengleichheit;602
28.3.1;Der Neidtest;602
28.3.2;&gew;Ex ante oder ex post?;605
28.3.3;Hypothetische Versicherung;610
28.3.4;Paternalismus?;612
28.3.5;Noch einmal Laisser-faire;614
29;Kapitel 17 Freiheit;616
29.1;Die Dimensionen der Freiheit;616
29.1.1;Zwei Arten von Freiheit?;616
29.1.2;Ist ein Konflikt unvermeidlich?;618
29.2;Eine integrierte Auffassung von Freiheit;623
29.2.1;Noch einmal Würde;623
29.2.2;Ethische Unabhängigkeit;624
29.2.3;Weitere Freiheiten: Rechtssicherheit und Redefreiheit;629
29.2.4;Ein Recht auf Eigentum?;634
29.2.5;Religionsfreiheit und ethische Unabhängigkeit;636
30;Kapitel 18 Demokratie;641
30.1;Positive Freiheit;641
30.1.1;Phrasen und Fragen;641
30.1.2;Wer ist das Volk?;642
30.1.3;Zwei Modelle der Selbstregierung;646
30.2;Welches Modell ist überzeugender?;652
30.2.1;Fairneß?;652
30.2.2;Politische Gleichheit?;656
30.3;Repräsentative Regierung;663
30.4;Judicial review;669
31;Kapitel 19 Recht;676
31.1;Recht und Moral;676
31.1.1;Die klassische Sichtweise;676
31.1.2;Der entscheidende Fehler;680
31.1.3;Analytische Rechtswissenschaft?;682
31.2;Recht als Moral;684
31.2.1;Eine baumartige Struktur;684
31.2.2;Sein und Sollen: Familienmoral;688
31.3;Welchen Unterschied macht es?;692
31.3.1;Theorie;692
31.3.2;Unmoralisches Recht;693
31.3.3;Partielle Durchsetzung;696
31.3.4;Moral und Verfahren;699
32;Nachwort: Die Unteilbarkeit der Würde;703
32.1;Noch einmal zurück zur Wahrheit;703
32.2;Gute Leben und eine gelungene Lebensführung;707
33;Anmerkungen;715
33.1;1. Ein Reiseführer;715
33.2;2. Moralische Wahrheit;716
33.3;3. Externer Skeptizismus;718
33.4;4. Moral und Ursachen;734
33.5;5. Interner Skeptizismus;752
33.6;6. Moralische Verantwortung;753
33.7;7. Interpretation im allgemeinen;754
33.8;8. Begriffliche Interpretation;759
33.9;9. Würde;764
33.10;10. Freier Wille und Verantwortung;767
33.11;11. Von der Würde zur Moral;778
33.12;12. Hilfe in Not;780
33.13;13. Schädigung;782
33.14;14. Verpflichtungen;784
33.15;15. Politische Rechte und Begriffe;788
33.16;16. Gleichheit;792
33.17;17. Freiheit;801
33.18;18. Demokratie;803
33.19;19. Recht;807
33.20;Nachwort: Die Unteilbarkeit der Würde;809
34;Namenregister;811
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Leseprobe




47Kapitel 2
Moralische Wahrheit







Die Herausforderung




»Wenn man über Werte sprechen will - also darüber, was eine gelungene Lebensführung ausmacht und wie Menschen miteinander umgehen sollten -, muß man zuvor auf einige sehr allgemeine philosophische Fragen eingehen. Um vernünftig darüber nachdenken zu können, ob es sich zum Beispiel bei Ehrlichkeit oder Gleichheit um wirkliche Werte handelt, müssen wir zunächst separat eine Antwort darauf geben, ob es überhaupt so etwas wie Werte gibt. Solange wir keine Meinung darüber haben, ob es überhaupt Engel gibt, ist es absurd zu debattieren, wie viele zugleich auf einer Nadelspitze sitzen können, und genauso sinnlos wäre es zu erörtern, ob Selbstaufopferung erstrebenswert ist, ohne zunächst zu fragen, ob es so etwas wie das Gute überhaupt gibt, und wenn ja, um was für eine Art von Ding es sich dabei handelt.

Können Meinungen in Wertfragen, wie etwa die, daß Diebstahl falsch ist, wirklich wahr oder falsch sein? Und wenn ja, wie sind die relevanten Wahrheitsbedingungen beschaffen? Woher kommen die entsprechenden Werte? Von Gott? Was aber, wenn es keinen Gott gibt? Ist es möglich, daß Werte einfach da draußen vorhanden sind und zu dem gehören, was letztendlich wirklich existiert? Und wenn ja, wie können wir Menschen dann mit ihnen in Kontakt stehen? Angenommen, bestimmte Werturteile sind tatsächlich wahr (oder falsch); wie können wir Menschen erkennen, welche das sind? Selbst enge Freunde sind sich nicht immer einig, was richtig und was falsch ist, und von Menschen anderer Kulturen oder Zeitalter sind wir natürlich noch weiter entfernt. Wie können wir behaupten, daß wir 48recht haben und alle anderen einfach falschliegen, ohne daß dieser Gedanke in sehr unguter Weise arrogant ist? Von welchem neutralen Standpunkt aus ließe sich die Wahrheitsfrage letztgültig prüfen und entscheiden?

Unsere Werturteile einfach ein weiteres Mal zu artikulieren, ist keine angemessene Antwort auf diese Fragen; darauf zu beharren, daß es so etwas wie Falschheit oder Verwerflichkeit in unserer Welt geben muß, da es falsch ist, zum Spaß Babys zu foltern, bringt uns nicht weiter. Ebensowenig hilft es zu behaupten, wir stünden in Kontakt mit der moralischen Wahrheit, da wir ja wüßten, daß es falsch ist, Babys zu foltern. Wir würden das zu Beweisende voraussetzen, da es nicht falsch wäre, wenn so etwas wie Falschheit nicht existiert, und ich nicht wissen kann, ob es wirklich verwerflich ist, Babys zu foltern, ohne in irgendeiner Weise Zugang zur Wahrheit über die Verwerflichkeit zu haben. Bei diesen tiefgründigen philosophischen Fragen über das Wesen des Universums oder den Status von Werturteilen geht es nicht darum, was gut oder schlecht, richtig oder falsch, wunderbar oder häßlich ist. Sie gehören nicht zur alltäglichen Beschäftigung mit Ethik, Moral oder Ästhetik, sondern sind Teil eines >technischerenmetaethischenüber diese Werturteile; um letztere zu beantworten, greifen wir nicht auf weitere Werturteile zurück, sondern auf philosophische Theorien einer anderen Art.«

Ich muß mich entschuldigen. Diese drei einführenden Absätze waren nicht ernst gemeint, und ich glaube kein Wort von dem, was ich gerade in Anführungszeichen gesetzt habe. Es ging mir darum, eine philosophische Sichtweise vorzustellen, die 49dem Fuchs gefallen würde und die meines Erachtens einem korrekten Verständnis der in diesem Buch diskutierten Themen im Wege steht. Im ersten Kapitel habe ich bereits eine alternative Position vorgeschlagen, der zufolge die Moral und andere Wertsphären philosophisch unabhängig sind. Die Antworten auf alle großen Fragen über moralische Wahrheit und moralisches Wissen sind stets in ebenjenen Sphären selbst zu finden und nicht außerhalb von ihnen. Eine Theorie der Wahrheit von Werten muß Teil einer jeden substantiellen Theorie der Werte sein, anstatt von ihr vorausgesetzt zu werden.

Daß es in Wertfragen um Wahrheit geht, ist eine offensichtliche Tatsache, der wir nicht aus dem Weg gehen können. Wenn wir gezwungen sind, uns für oder gegen etwas zu entscheiden, sind wir unausweichlich mit der Frage konfrontiert, für was wir uns entscheiden sollen. Um sie zu beantworten, müssen wir auf Gründe rekurrieren, die für bestimmte Handlungsoptionen sprechen. Weil diese Fragestellung begrifflich ebendies und nichts anderes verlangt, können wir sie nicht anders beantworten. Zweifellos lautet die beste Antwort in manchen Fällen, daß keine der konkreten Alternativen wirklich besser ist als die anderen, und es gibt bedauernswerte Menschen, die glauben, die sehr dramatische Antwort geben zu müssen, daß es nie eine beste oder richtige Option gibt. Bei diesen beiden negativen Positionen handelt es sich aber ebenso um substantielle Werturteile erster Ordnung wie bei jeder positiven Aussage. Sie werden mit Argumenten derselben Art gerechtfertigt und erheben auf dieselbe Weise Wahrheitsansprüche.

Dem ersten Kapitel haben Sie sicher entnommen, wie ich die wichtigen Begriffe »Ethik« und »Moral« verwende. Ein ethisches Urteil ist eine Aussage darüber, was Menschen tun sollten, um ein gelungenes Leben zu führen, oder anders ausgedrückt, was sie im Rahmen ihres Lebens zu sein und zu erreichen anstreben sollten. Ein moralisches Urteil hingegen sagt etwas darüber aus, wie man andere behandeln sollte.?1 Wir alle müssen uns der Frage stellen, was wir tun sollen, und diese Frage hat 50immer eine moralische und eine ethische Dimension. Auch wenn uns das natürlich nicht in jeder Situation bewußt ist, bleiben beide Dimensionen stets relevant. Ein großer Teil dessen, was ich tue, macht mein eigenes Leben besser oder schlechter, und oft hat mein Handeln zudem Konsequenzen für andere. Was soll ich angesichts dessen tun? Vielleicht ist Ihre Antwort hierauf im obenerwähnten Sinn negativ. Vielleicht glauben Sie, daß es keinen Unterschied macht, wie Sie Ihr Leben leben, und daß es ein Fehler wäre, die Interessen anderer zu berücksichtigen. Aber selbst wenn das der Fall sein sollte, können Sie für diese ziemlich beunruhigenden Ansichten nur ethische oder moralische Gründe anführen.

Umfassende metaphysische Theorien darüber, was für Arten von Entitäten es im Universum gibt, können in diesem Zusammenhang keinerlei Relevanz besitzen. Um in moralischen Fragen einen radikalen Skeptizismus vertreten zu können, muß man auf einer tieferen Ebene eine nichtskeptische Einstellung zur Natur von Werten einnehmen. Vielleicht glauben Sie, daß Moral Unsinn ist, weil es keinen Gott gibt; das können Sie aber nur tun, wenn Sie einer Moraltheorie anhängen, die ausschließlich jenem übernatürlichen Wesen moralische Autorität zuschreibt. Damit habe ich die Hauptthesen des ersten Teils dieses Buches umrissen. Ich argumentiere hier noch nicht gegen den moralischen oder ethischen Skeptizismus - auf dieses Thema werde ich später näher eingehen -, wohl aber gegen den archimedischen Skeptizismus, der seine eigene Basis in Moral oder Ethik leugnet. Die Idee einer externen metaethischen Antwort auf die Frage der moralischen Wahrheit lehne ich ab; meines Erachtens muß jeder ernstzunehmende moralische Skeptizismus intern sein.

Diese Sichtweise ist in der Philosophie nicht sehr beliebt. Viele würden dem zustimmen, was ich in den ersten drei Absätzen in Anführungszeichen vorgebracht habe, und darauf bestehen, daß die grundlegenden Fragen bezüglich der Moral selbst metaphysischer und nicht moralischer Natur sind. Die51ser Sichtweise zufolge würde die Erkenntnis, daß unsere gewöhnlichen ethischen oder moralischen Überzeugungen wiederum auf nichts anderem als weiteren ebenfalls ethischen oder moralischen Überzeugungen beruhen, unsere Alltagsüberzeugungen in Frage stellen. Die Auffassung, es sei sinnlos, etwas anderes zu verlangen, wird als »Quietismus« bezeichnet, womit suggeriert wird, es gehe darum, ein schmutziges Geheimnis zu verstecken. Meines Erachtens beruht diese Ansicht auf einem vollkommen falschen Verständnis von Werturteilen, und ich werde versuchen zu zeigen, daß dem so ist. Weil diese Sichtweise gegenwärtig aber ungemein verbreitet ist, werden wir uns nur mit einer gewissen Anstrengung von ihrem Einfluß freikämpfen können und zu akzeptieren lernen, was eigentlich offensichtlich sein sollte: daß eine bestimmte Antwort auf die Frage, was man tun soll, die richtige ist, auch wenn diese Antwort besagt, daß keine Option anderen, alternativen Optionen vorzuziehen ist. Von Interesse ist nicht, ob moralische oder ethische Urteile wahr sein können, sondern welche von ihnen wahr sind.

In der moralphilosophischen Diskussion wird an dieser Stelle häufig eingewendet, man müsse sich das Recht, ethische oder moralische Urteile als wahrheitsfähig zu verstehen, erst verdienen - diese Redeweise ist in diesem Zusammenhang besonders beliebt. Damit ist gemeint, daß wir eine überzeugende Begründung aufstellen müssen, wie sie in den drei nicht ernstgemeinten Absätzen am Anfang dieses Kapitels gefordert wurde: Auf...


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Kritik
»Der amerikanische Philosoph Ronald Dworkin kennt den Weg zu Toleranz und Weltoffenheit.«mehr

Autor

Ronald Dworkin war Professor für Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie an der New York University und am University College in London. Er ist am 14. Februar 2013 im Alter von 81 Jahren in London verstorben.