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Religion ohne Gott

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
146 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am19.05.20141. Auflage
Das Zentrum wahrer Religiosität, so der bekennende Atheist Albert Einstein, sei die Ehrfurcht vor den Mysterien des Universums, »deren höchste Weisheit und strahlende Schönheit wir mit unseren matten Erkenntnisvermögen nur rudimentär begreifen können«. In diesem Sinne sei er, Einstein, ein tiefreligiöser Mensch. Aber was ist religiös an einer solchen Haltung, in der Gott offensichtlich keine Rolle spielt? Mit dieser Frage beschäftigte sich Ronald Dworkin in seinen Einstein-Vorlesungen, die er bis kurz vor seinem Tod zu diesem Buch ausgearbeitet hat. Religion, so seine Antwort, bezeichnet eine Sicht auf die Welt, die von einem tiefen Glauben an objektive Werte getragen wird - etwa daran, dass Geschöpfe eine Würde haben, dass ein Leben erfüllt oder verfehlt sein kann oder dass Schönheit, die uns den Atem raubt, sich nicht als pures Produkt unserer Sinnesorgane erklären lässt. Auch Theisten teilen diese Werte, meinen aber, sie seien gottgegeben. Für Dworkin verhält es sich genau umgekehrt: Die Idee eines Gottes rührt daher, dass es diese Werte wirklich gibt. Und an Gott (oder Götter) zu glauben ist eine Weise, dies auszudrücken, aber nicht die einzige. Von der Physik über die Politik bis hin zum Recht erkundet »Religion ohne Gott« den Perspektivwechsel, der mit einem solchen gottlosen Verständnis von Religion verbunden ist. Das Buch, das mit einer eindrucksvollen Reflexion über Tod und Unsterblichkeit schließt, ist das Vermächtnis eines bekennenden religiösen Atheisten. Es weitet den Blick für das, was wichtig ist.


Ronald Dworkin war Professor für Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie an der New York University und am University College in London. Er ist am 14. Februar 2013 im Alter von 81 Jahren in London verstorben.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR19,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextDas Zentrum wahrer Religiosität, so der bekennende Atheist Albert Einstein, sei die Ehrfurcht vor den Mysterien des Universums, »deren höchste Weisheit und strahlende Schönheit wir mit unseren matten Erkenntnisvermögen nur rudimentär begreifen können«. In diesem Sinne sei er, Einstein, ein tiefreligiöser Mensch. Aber was ist religiös an einer solchen Haltung, in der Gott offensichtlich keine Rolle spielt? Mit dieser Frage beschäftigte sich Ronald Dworkin in seinen Einstein-Vorlesungen, die er bis kurz vor seinem Tod zu diesem Buch ausgearbeitet hat. Religion, so seine Antwort, bezeichnet eine Sicht auf die Welt, die von einem tiefen Glauben an objektive Werte getragen wird - etwa daran, dass Geschöpfe eine Würde haben, dass ein Leben erfüllt oder verfehlt sein kann oder dass Schönheit, die uns den Atem raubt, sich nicht als pures Produkt unserer Sinnesorgane erklären lässt. Auch Theisten teilen diese Werte, meinen aber, sie seien gottgegeben. Für Dworkin verhält es sich genau umgekehrt: Die Idee eines Gottes rührt daher, dass es diese Werte wirklich gibt. Und an Gott (oder Götter) zu glauben ist eine Weise, dies auszudrücken, aber nicht die einzige. Von der Physik über die Politik bis hin zum Recht erkundet »Religion ohne Gott« den Perspektivwechsel, der mit einem solchen gottlosen Verständnis von Religion verbunden ist. Das Buch, das mit einer eindrucksvollen Reflexion über Tod und Unsterblichkeit schließt, ist das Vermächtnis eines bekennenden religiösen Atheisten. Es weitet den Blick für das, was wichtig ist.


Ronald Dworkin war Professor für Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie an der New York University und am University College in London. Er ist am 14. Februar 2013 im Alter von 81 Jahren in London verstorben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518737323
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum19.05.2014
Auflage1. Auflage
Seiten146 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1407773
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1;[Cover];1
2;[Informationen zum Buch / zum Autor];2
3;[Impressum];4
4;[Widmung];5
5;Inhalt;7
6;Editorische Notiz;9
7;1 Religiöser Atheismus?;11
7.1;Einleitung;11
7.2;Was ist der metaphysische Kern der Religion?;19
7.3;Wissenschaft und Werte im Rahmen der Religion;29
7.4;Rätselhaftigkeit und Verständlichkeit;35
7.5;Nichtpersonale Götter: Tillich, Spinoza und der Pantheismus;36
8;2 Das Universum;47
8.1;Die Physik und das Erhabene;47
8.2;Könnte Schönheit forschungsleitend sein?;53
8.3;Aber welche Art von Schönheit könnte das sein?;63
8.4;Ist das Universum einfach so, wie es ist?;72
8.5;Zwangsläufigkeit und das Universum;77
8.6;Die Schönheit der Zwangsläufigkeit;89
9;3 Religionsfreiheit;95
9.1;Die Frage der Verfassungen;95
9.2;Geht es bei der Religionsfreiheit ausschließlich um Gott?;99
9.3;Entgrenzte Freiheit?;104
9.4;Konflikte im Innern der Freiheit;111
9.5;Gibt es wirklich ein Recht auf Religionsfreiheit?;115
9.6;Die neuen Religionskriege;123
10;4 Tod und Unsterblichkeit;132
11;Register;141
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Leseprobe
472
Das Universum
Die Physik und das Erhabene

Wir finden viele Dinge in der Natur schön: atemberaubende Canyons, prachtvolle Sonnenuntergänge, Panther auf der Pirsch oder die kleine weiße Rose, die uns das Herz bricht, wie der Dichter sagt. Für einen Naturalisten hat diese Schönheit ausschließlich etwas mit unseren Reaktionen auf solche Anblicke zu tun: mit dem Vergnügen, das sie uns bereiten. Aus Sicht der religiösen Einstellung handelt es sich hingegen in all diesen Fällen um Entdeckungen inhärenter Schönheit: All diese Dinge sind an sich wunderbar, und nicht kraft ihrer Wirkung auf uns. Das ist kein bedingter Realismus, da wir nicht unterstellen, eine besondere Befähigung zum Erkennen von Schönheit zu besitzen, die auf irgendeine Weise separat validiert werden kann. Trotzdem erkennen wir, dass der Sonnenuntergang schön ist.

Doch die Schönheit, die wir in der Natur vorfinden, ist in einer bestimmten Hinsicht ungewöhnlich und seltsam. Sie sehen das erste Mal den Grand Canyon und es verschlägt Ihnen die Sprache. Ehrfurcht erfüllt Sie. Dann erfahren Sie, dass - anders als allgemein angenommen - der Canyon vor nicht allzu langer Zeit von ein paar begnadeten Architekten und Künstlern des Disney-Konzerns angelegt wurde, um ihn zum Schauplatz des größten Themenparks aller Zeiten zu machen. Auch wenn Sie nun vielleicht diese Künstler und die Kühnheit des Projekts 48bewundern - das besondere Staunen wäre verschwunden. Oder denken Sie an die wunderschöne Blume. Sie finden heraus, dass es sich dabei um eine brillante Reproduktion aus Japan handelt, die sich in keiner Hinsicht - Farbe, Form, Geruch oder Textur - von einer echten Blume unterscheidet. Sie bewundern die Geschicklichkeit, die das erfordert, aber auch hier ist der besondere Zauber verschwunden. Die Lektion scheint klar: Nicht nur gibt es in der Natur Dinge, die inhärent schön sind, sondern es ist die Natur, und nicht die Intelligenz oder das Geschick der Menschen, die diese Dinge hervorgebracht hat. Und das macht ihren Zauber aus.

Es gibt aber auch Fälle, in denen wir ein Menschenwerk für wertvoll erachten, einen zufällig entstandenen, ansonsten aber identischen Gegenstand hingegen geringschätzen würden. Jackson Pollocks Gemälde Blue Poles ist fabelhaft, wohingegen ein irgendwie im Rahmen einer Explosion in einer Farbenfabrik zustande gekommenes Objekt höchstens als Kuriosität interessant wäre, auch wenn es dem Pollock in jeder Hinsicht gliche. Und dennoch ist der Grand Canyon eben gerade deswegen atemberaubend, weil er durch Zufall entstanden ist, und nicht nach einem Bauplan. Wie lässt sich das erklären? Vielleicht so: Die Natur kann im Kleinen auf ganz besondere Weise schön sein, weil sie als Ganze schön ist. Der Grand Canyon ist nicht irgendein Zufall, sondern ein ganz exzeptioneller: Er ist Teil jener in unseren Augen großartigen, ja sogar ehrwürdigen Geschichte über Entstehung und Entwicklung, als deren Autorin wir die Natur betrachten.

In diesem Kapitel wenden wir uns ab von den religiösen Werten, die das Leben der meisten von uns prägen - unseren diversen Verantwortlichkeiten uns selbst und 49anderen gegenüber -, um einem ganz anderen religiösen Wert nachzugehen, nämlich jener Schönheit des Kosmos, von der Einstein und viele seiner Kollegen so berauscht waren. Theisten glauben, dass Gott der Urheber dieser Schönheit ist: Sie glauben, dass ein Gott absichtlich den Grand Canyon erschaffen hat, mit der Explosion in der Farbenfabrik hingegen wohl eher nichts zu tun hatte. Ein Atheist muss auf andere Weise erklären, warum das so ist, das heißt, warum die Tatsache, dass jene Schlucht Teil eines umfassenden evolutionären Prozesses ist, ihr eine besondere Dramatik verleiht. Diese Erklärung muss darauf hinauslaufen, dass dieser Prozess und das gewaltige Universum, das er hervorgebracht hat, ihrerseits eine Quelle von Schönheit sind. Ein Naturalist kann diesen Gedanken nicht denken. Für ihn können lediglich diejenigen Aspekte des Universums schön sein, deren Anblick uns erfreut. Das Universum als Ganzes hält er für eine unfassbar große zufällige Ansammlung von Gasen und Energie. Aus Sicht der Religion hingegen ist es eine unergründliche und komplexe Ordnung von leuchtender Schönheit. Dieser Gedanke hat eine sehr lange Tradition. Philosophen, Theologen und Wissenschaftler aller Epochen hingen ihm an, so zum Beispiel Platon, Augustinus, Tillich und Einstein. Theisten leuchtet es unmittelbar ein, warum das Universum erhaben ist: Es wurde erschaffen, um erhaben zu sein. Die Frage ist nun, welchen Grund ein religiöser Atheist für dieselbe Überzeugung anführen könnte.

Er muss bei seiner eigenen Wissenschaft ansetzen, also nicht bei der Theologie, sondern bei der Physik und der Kosmologie. Diese müssen ihm zumindest einen flüchtigen Blick auf ein Universum ermöglichen, das zur Schönheit fähig ist. Die Überzeugung, dass es das wirklich ist, 50ist aber selbst nicht wissenschaftlich, denn egal was uns die Physik über dunkle Materie und Galaxien, über Photonen und Quarks lehrt - die religiöse Frage, inwiefern ein aus all diesen Teilen zusammengesetztes Universum schön ist, bleibt bestehen. Und ich bin der Meinung, dass es auf diese Frage noch keine gute Antwort gibt. Trotz all der beeindruckenden Errungenschaften der Kosmologie und der Teilchenphysik wurde bisher keine Beschreibung unseres Universums gefunden, die einfängt, was religiöse Wissenschaftler in ihm sehen; der Physik ist es noch nicht gelungen, uns ein Universum zu präsentieren, dessen Schönheit wir tatsächlich begreifen können. Daher ist die religiöse Überzeugung diesbezüglich der Wissenschaft, die sie eigentlich voraussetzen muss, einen Schritt voraus. In dieser Hinsicht gibt es zwischen der theistischen und der atheistischen religiösen Haltung einen Berührungspunkt: Sie beruhen beide, wenn auch in je anderer Weise, auf einem Glauben.

Im ersten Kapitel habe ich Einstein mit der Aussage zitiert, Einsicht in die »leuchtendste Schönheit« des Universums mache »wahre Religiosität« aus. Außerdem schrieb er: »Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen.«[1] Einstein dachte dabei an all die Rätsel, deren Lösung er sein Leben gewidmet hat, und die uns im Folgenden beschäftigen werden. Ich gehe davon aus, dass Ihnen das Wort »Schönheit« zu unspezifisch und limitiert vorkommt, um die von 51Einstein beschriebenen Reaktionen wie Staunen, Begeisterung und Ehrfurcht einfangen zu können. Und in der Tat sind das sehr unterschiedliche emotionale Zustände, aber die Wissenschaftler, deren Schriften ich gelesen habe, bezeichnen sie unterschiedslos mit »Schönheit«, und ich denke, dass dieses Wort in all seiner Breite und Vagheit die Phänomene abdecken kann, um die es mir geht.

Allem Anschein nach wird Einsteins Glaube an die Schönheit der Natur zwar nicht von allen, aber doch von den meisten Physikern geteilt, die in den dramatischen Grenzbereichen ihrer Disziplin arbeiten. Hier ist eine kleine Auswahl von Buchtiteln, auf die ich gestoßen bin: The Elegant Universe; Fearful Symmetry: The Search for Beauty in Modern Physics und Deep Down Things: The Breathtaking Beauty of Particle Physics.[2] Und hier ein Zitat, das im Rückgriff auf die Ambitionen ihres Anführers beispielhaft zum Ausdruck bringt, was diese Wissenschaftler für ihre Mission halten: »Einstein wollte die Gesetzmäßigkeit des Universums mit nie zuvor erreichbarer Klarheit beschreiben, damit es sich der erstaunten Menschheit in seiner ganzen Schönheit und Eleganz erschließe.«[3] In diesen Büchern wird mit keinem Wort angedeutet, dass unser Universum nur deswegen schön ist, weil ein Gott es erschaffen hat. Die Autoren leugnen das zwar nicht, aber sie legen dar, dass das Universum, im Größten wie im Kleinsten, an sich schön ist, ganz unabhängig davon, wer (52wenn überhaupt jemand) es gemacht hat. Sie sagen, es sei objektiv schön.

Meine zugegebenermaßen nicht erschöpfende Recherche lässt mich aber vermuten, dass die beiden Fragen, um die es in diesem Kapitel geht, von ihnen weder adäquat beantwortet noch überhaupt als solche erkannt wurden. Die erste lautet: Welche Rolle spielt der Glaube an die objektive Realität der Schönheit für die tatsächliche physikalische Forschung? Der Nobelpreisträger Steven Weinberg schreibt:

Immer wieder haben Physiker sich von ihrem Schönheitssinn leiten lassen, nicht nur, wenn sie neue Theorien erarbeiten, sondern auch, wenn sie die Gültigkeit bereits entwickelter physikalischer Theorien beurteilen. Anscheinend lernen wir, die Schönheit der Natur auf ihrem grundlegendsten Niveau vorwegzunehmen. Nichts könnte uns mehr in der Zuversicht bestärken, daß wir uns tatsächlich auf dem Wege zur Entdeckung der endgültigen Gesetze der Natur befinden.[4]

Das legt nahe, dass die Schönheit einer wissenschaftlichen Hypothese für ihre Wahrheit spricht. Doch wie sollte das möglich sein? Ob eine Theorie schön ist, scheint eine ganz andere Frage zu sein als die, ob sie wahr ist. Was aber ist die Alternative? Sollten wir stattdessen sagen, die Schönheit einer wissenschaftlichen Hypothese sei pure Koinzidenz? Wäre es bloß ein glücklicher Zufall, wenn sich die »endgültigen Gesetze der Natur« als schön herausstellten? Aber wie kommt Weinberg dann auf die Idee, es »bestärkte« die »Zuversicht«, dass die Theorien, die derzeit...
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Autor

Ronald Dworkin war Professor für Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie an der New York University und am University College in London. Er ist am 14. Februar 2013 im Alter von 81 Jahren in London verstorben.