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Billy Elliot

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Carlsen Verlag GmbHerschienen am25.06.2013Auflage
Billy Elliot ist der jüngste Sohn einer Bergarbeiterfamilie. Vater Jackie schlägt sich durch, so gut er kann, während er mit anderen Kumpels gegen die drohende Schließung der Minen streikt. Logisch, dass Billy boxen lernen soll. Doch der entdeckt in der Sporthalle seine Vorliebe fürs Ballett - ein Skandal in der rauen Arbeiterwelt. Fast schon gibt Billy seinen Traum vom Tanzen auf. Als dann aber ein Engagement an der Royal Ballet School winkt, steht er vor der Entscheidung seines Lebens.

Melvin Burgess wurde in London geboren und ist in Surrey und Sussex aufgewachsen. Er hat als Journalist gearbeitet, bevor er sich der Schriftstellerei zuwandte. Seine Jugendbücher wurden unter anderem mit dem Guardian Fiction Award und mit der Carnegie Medal ausgezeichnet. Burgess lebt in Hebden Bridge, in der Nähe von Manchester.
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Produkt

KlappentextBilly Elliot ist der jüngste Sohn einer Bergarbeiterfamilie. Vater Jackie schlägt sich durch, so gut er kann, während er mit anderen Kumpels gegen die drohende Schließung der Minen streikt. Logisch, dass Billy boxen lernen soll. Doch der entdeckt in der Sporthalle seine Vorliebe fürs Ballett - ein Skandal in der rauen Arbeiterwelt. Fast schon gibt Billy seinen Traum vom Tanzen auf. Als dann aber ein Engagement an der Royal Ballet School winkt, steht er vor der Entscheidung seines Lebens.

Melvin Burgess wurde in London geboren und ist in Surrey und Sussex aufgewachsen. Er hat als Journalist gearbeitet, bevor er sich der Schriftstellerei zuwandte. Seine Jugendbücher wurden unter anderem mit dem Guardian Fiction Award und mit der Carnegie Medal ausgezeichnet. Burgess lebt in Hebden Bridge, in der Nähe von Manchester.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783646924916
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum25.06.2013
AuflageAuflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1342 Kbytes
Artikel-Nr.1233967
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Billy

Mein Bruder ist ein Idiot, ich hasse ihn. Aber gute Musik hat er. Wenn ich da bin, setzt er immer die Kopfhörer auf, damit ich nichts hören kann. Als ob ihm die Luft gehört oder was. Der würde sich seine Musik einwickeln und sie sich in den Arsch schieben, wenn er könnte.

In letzter Zeit kann ich kaum noch für mich alleine sein, nur noch früh am Morgen, wenn mein Dad und Tony auf Streikposten sind. Als sie noch gearbeitet haben, war es besser. Ich kam aus der Schule und konnte stundenlang alles hören, was ich wollte. Nan mag die Musik auch. Dad meint, das ist moderner Müll, aber Nan ist zu alt, der ist das egal. Sie verpetzt mich nie. Wahrscheinlich kann sie sowieso nicht behalten, was wir beide immer gerade gemacht haben. Sobald Dad und Tony aus dem Haus sind, stelle ich die Musik an und mache dabei Frühstück. Nan liegt noch im Bett, da höre ich sie schon mitsingen. Sie kann ihre Füße nicht still halten. Manchmal steht sie auf und wir beide hopsen im Zimmer herum. Oder sie stellt sich in Position, reckt die Arme, versucht auf einem Bein zu balancieren und sich wie eine Balletttänzerin zu drehen - bloß, sie geht auf die achtzig zu, kann nicht mehr besonders gut gehen und tanzen schon gar nicht.

»Na los, Nan! Boogie-Woogie!«

Mein Dad und Tony lassen sie nicht tanzen, weil sie meinen, Nan macht sich zum Affen. Bloß - wer sieht sie schon? Sind doch nur wir, und wir sind ihre Familie. Wenn sie nicht mal vor ihrer Familie rumalbern kann, wo denn sonst?

Sie sollte den ganzen Tag lang tanzen und Musik hören dürfen, wenn sie das will, aber mein Bruder, der ist so gemein, bei dem kriegt niemand was anderes zu hören als dem seine Stimme.

»Cosmic Boogie« dröhnte durchs Haus.

I danced myself right out the womb,

I danced myself right out the womb.

Is it strange to dance so soon?

Is it strange to dance so soon?

Kannst du dir das vorstellen? Das ganze Haus bis oben hin voll mit Musik. Und, Mann, eh, das war einfach ... schön.

Ich tanzte um den Tisch, tat so, als spielte ich Gitarre, und setzte dabei die Frühstückseier auf. Solche Musik bringt einen in Schwung.

Mein bester Freund Michael und ich, wir haben früher immer gespielt, wir sind Rockstars.

Michael hat sich den Satin-Pyjama seiner Schwester angezogen - so glamrockmäßig -, sich geschminkt und so, dass er aussah wie Bowie oder Marc Bolan. Mir war egal, wie ich aussah, ich mochte einfach die Musik. Toll war das. Zu Michael habe ich immer Tunte gesagt, und er ist dann jedes Mal auf mich los und wollte mir Prügel verpassen.    

»Cosmic Boogie« dauert so lange, wie die Eier brauchen, um so weich zu werden, wie Nan sie mag. Ich holte die Eier raus, versenkte sie in die Eierbecher und stellte alles schön ordentlich aufs Tablett. Dann nahm ich das Tablett hoch, drückte mit dem Fuß die Schiebetür zu Nans Zimmer auf und boogiete in ihr Zimmer.

»Halli, hallo, Nan, hier kommt der tanzende Kellner!« Ich wirbelte durch die Tür, gab mir dabei große Mühe, dass die Eier stehen blieben und ... verdammt, die Alte war nicht da.

Scheiße! Ich knallte das Tablett auf den Tisch und rannte aus der Tür. Mein Dad bringt mich um, wenn mir meine Nan wegkommt. Einmal war sie einen ganzen Vormittag lang verschwunden. Schließlich hatte die Polizei Nan in der Nähe des Bahnhofs von Jesmond aufgesammelt, wo sie herumirrte. Gott weiß, wie sie dahin gekommen war. Dad meinte, sie wollte wahrscheinlich jemanden besuchen, der vor etwa fünfzig Jahren gestorben ist.

Ich stürzte aus der Hintertür, raste die Straße lang und brüllte, so laut ich konnte: »Nan! Nan!« Sie jagt mir schreckliche Angst ein, meine Nan. Sie kann sich nicht mehr selber versorgen. Du brauchst ihr nur eine Minute lang den Rücken zuzudrehen und paff! - weg ist sie. Dabei ist sie gar nicht so besonders schnell, aber es ist schon erstaunlich, wie weit sie kommt. Wenn sie erst mal unterwegs ist, bleibt sie einfach nicht mehr stehen.

Ich hätte sie umbringen können! Ich musste zur Schule. Aber gut, ist ja nicht ihre Schuld, dass sie alt ist, oder?

Wohin ist sie, wohin bloß, verdammt noch mal? Könnte sein, sie ist zum Meer. Von uns aus kann man das Meer sehen. Manchmal geht sie runter und guckt die Wellen an. Ich blieb stehen und guckte in die eine Richtung, dann in die andere. Wo lang? Ein paar Türen weiter saß die kleine Alison und knabberte an einem Zwieback oder so was, und die zeigte mit dem Finger den Hügel rauf.

Ich brauste los. Wenn Nan in die Richtung gegangen war, konnte ich mir vorstellen, wo sie war.

Ich war ganz schön alle, als ich dort ankam, aber da war Nan, auf dem Feld unter dem Viadukt. Na bitte. Sie geht immer dorthin und das ist echt blöd: Dort ist ein Teich, sie könnte reinfallen und ertrinken. Niemand weiß, warum sie dorthin geht - sowieso weiß niemand, warum sie was tut. Wenn man sie fragt, guckt sie einen bloß an. Ich vermute, sie hat als Kind hier gespielt. Sie hat ihr ganzes Leben lang hier gelebt. Achtzig Jahre. Achtzig Jahre. Meine Fresse!

»Nan!«, brüllte ich. Sie drehte sich um und blickte mich an. Ich schob mich durch das hohe Gras. Es war nass. Die arme Alte, sie war patschnass. Und guckte ganz erschrocken. Das Problem ist nämlich, dass nicht nur wir meistens nicht wissen, was sie tut - sie weiß es selber nicht. Sie erschrickt sich selber mehr als alle anderen.

»Deine Eier sind fertig«, sagte ich.

»Du bist neu hier«, sagte sie.

»Nan, ich bin´s, Billy.«

Sie nickte und lächelte vorsichtig.

Es gibt einen Grund, warum ich mich gerade an den Morgen erinnere: Auf der Brücke, die sich über das Ende des Feldes spannt, hielten drei schwarze Mannschaftswagen und Polizisten stiegen aus. Das war wie eine Szene aus der Fernsehserie Dr. Who - die Wagen spuckten hinten unaufhörlich Polizisten aus, sie krabbelten raus wie Käfer aus Erdritzen. Die Polizisten trugen große Plastikschilde und Schlagstöcke. Wie im Kino sah das aus.

Nan merkte, dass ich hochguckte, und sie blickte auch dorthin. »Was sind das für welche?«, fragte sie.

»Polizisten, Nan. Polizisten.«

»Mistkerle!« Sie schüttelte drohend die Faust. »Mistkerle!«, schrie sie. Einige guckten zu uns runter, aber wir waren viel zu weit weg von ihnen, so dass sie nichts machten.

»Sind die wegen uns hier, Billy?«, flüsterte Nan. Sie mag eine verrückte alte Frau sein, meine Nan, aber sie hat schon allerhand erlebt.

Sie lebte in den Dreißigerjahren und während des Krieges. Sie kennt sich aus. Sie weiß alles über die Polizei. Sie weiß, auf welcher Seite die steht.

»Nicht wegen uns, Nan, uns beide wollen die nicht.«

»Aber Jackie, deinen Vater? Oder Tony?«, fragte sie. Ich antwortete nicht. Manchmal jagt mir meine Nan mehr Angst ein, wenn sie weiß, was los ist. Ich nahm sie am Arm und führte sie nach Hause.

Ich suchte mir mit einem Finger die Melodie von »Cosmic Boogie« auf dem Klavier zusammen und dachte an Mam. Tony rannte in der Küche hin und her, stopfte sich Margarinestullen in den Mund und bewunderte seine Pappschilder: »Nicht aufgeben!«, »Thatcher raus!«, »STREIKBRECHER! STREIKBRECHER! STREIKBRECHER!« Dad wuselte herum, spülte Geschirr, wischte den Boden, stellte die Tassen in den Schrank. Manchmal macht auch Susan - Susan Breitmaul, wie wir sagen - aus unserer Straße ein bisschen was bei uns im Haushalt. Nan saß nebenan auf dem Bett und sang laut mit. Das heißt, auf alle Fälle sang sie, ich meine aber, dass es nicht das war, was ich spielte.

Mam ist jetzt seit zwei Jahren tot. Ich glaube nicht, dass außer mir noch jemand an sie denkt. Ich vermisse sie, jeden Tag vermisse ich sie. Keiner sieht mir das an, aber es ist so. Ich vermisse sie, wenn ich in den Spiegel gucke, wenn ich die Türen aufmache und von einem Zimmer ins andere gehe oder wenn ich auf dem Klavier klimpere. Ich denke mir, hier, diesen Türknauf hat sie in der Hand gehabt, als sie die Tür öffnete. Auf die Art erinnere ich mich an vieles. Wie sie sich vor dem Spiegel im Flur geschminkt hat, wenn sie es eilig hatte. Unter dem Spiegel steht eine kleine Schachtel, in der sie ihr Zeug aufbewahrte. Da liegt tatsächlich immer noch ein Lippenstift drin. Und die Schachtel riecht noch ein kleines bisschen, wie Mam gerochen hat, aber der Geruch ist abgestanden. Wenn ich in den Spiegel im Flur gucke, ganz lange, überlege ich manchmal: Werde ich ihr Gesicht finden? Ich habe inzwischen schon jahrhundertelang dort reingeguckt und versucht ihr Gesicht in meinem zu finden. Wenn man sich selber lange genug anstarrt, scheint sich das Gesicht zu verändern, und das macht mir fürchterliche Angst. Erinnern und vermissen ist nicht ganz genau dasselbe, aber beides liegt dicht beieinander und eins geht nicht ohne das andere.

Ich habe einen Brief von meiner Mam, den sie mir vor langer Zeit geschrieben hat. Hör zu.

»Lieber Billy«.

Hörst du das? Hörst du die Stimme meiner Mutter?

Also.

»Lieber Billy, ich weiß, dass ich für Dich nur eine ferne Erinnerung bin. Was wahrscheinlich ganz gut ist. Es ist für Dich schon so lange her. Und ich habe nicht erleben dürfen, wie Du erwachsen geworden bist, wie Du geweint und gelacht und gebrüllt hast und wie ich Dich ausgeschimpft habe. Aber Du sollst wissen, dass ich immer bei Dir war, bei allem, was Du getan hast. Und das werde ich auch immer sein. Und ich bin stolz darauf, Dich gekannt zu haben. Und ich bin stolz, dass Du mein warst. Sei immer Du selbst. Ich liebe Dich für immer.«

Das ist meine Mam. Für immer, sagt sie. Bloß es gibt gar kein »für immer«, oder? Jedenfalls nicht für sie. Ich sollte den Brief erst lesen,...

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Autor

Melvin Burgess wurde in London geboren und ist in Surrey und Sussex aufgewachsen. Er hat als Journalist gearbeitet, bevor er sich der Schriftstellerei zuwandte. Seine Jugendbücher wurden unter anderem mit dem Guardian Fiction Award und mit der Carnegie Medal ausgezeichnet. Burgess lebt in Hebden Bridge, in der Nähe von Manchester.Heike Brandt wurde 1947 in Jever geboren und ist in Berlin aufgewachsen. Die Diplom-Pädagogin ist seit 1986 freiberuflich als Übersetzerin, Autorin und Rezensentin tätig. Heike Brandt lebt in Berlin-Kreuzberg.