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Das Sonnentau-Kind

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am02.01.20121. Auflage
Wie schafft man es nur, Job und Kind unter einen Hut zu bekommen? Die Auricher Kriminalkommissarin Wencke Tydmers ist verzweifelt: Soeben aus der Babypause zurück, fordert der erste Fall ihre gesamte Aufmerksamkeit. Ein rumänischer Au-pair-Junge wird tot in einer alten Torfhalle in Moordorf aufgefunden. Die Gasteltern vermuten Selbstmord, doch Wencke glaubt nicht daran. Die Spuren führen nach Rumänien - und zu einer zweiten Leiche. «Ein atmosphärisch dichtes, sehr spannendes und manchmal ironisches Leseabenteuer. Damit hat die Autorin wieder einmal bewiesen, dass sie der wirkliche Nachwuchsstar der deutschen Krimiszene ist, denn ihr fabelhaftes Buch ist bereits das fünfte aus der Reihe. ... Ein Krimi wie eine frische Brise.» (NDR 1 Bücherwelten) «Dieser Krimi ist eine stimmige Komposition - bis zum letzten Happen spannend und gut abgeschmeckt.» (Westdeutsche Allgemeine) «Kurzweiliger Krimi, der sich mit brisanten Themen auseinandersetzt.» (Frau von Heute) «Spannend.» (neue woche)

Sandra Lüpkes wurde 1971 in Göttingen geboren und lebte viele Jahre auf der Nordseeinsel Juist. Sie ist Autorin zahlreicher Romane, Sachbücher, Erzählungen und Drehbücher. Heute wohnt sie gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen Kehrer in Berlin.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR8,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextWie schafft man es nur, Job und Kind unter einen Hut zu bekommen? Die Auricher Kriminalkommissarin Wencke Tydmers ist verzweifelt: Soeben aus der Babypause zurück, fordert der erste Fall ihre gesamte Aufmerksamkeit. Ein rumänischer Au-pair-Junge wird tot in einer alten Torfhalle in Moordorf aufgefunden. Die Gasteltern vermuten Selbstmord, doch Wencke glaubt nicht daran. Die Spuren führen nach Rumänien - und zu einer zweiten Leiche. «Ein atmosphärisch dichtes, sehr spannendes und manchmal ironisches Leseabenteuer. Damit hat die Autorin wieder einmal bewiesen, dass sie der wirkliche Nachwuchsstar der deutschen Krimiszene ist, denn ihr fabelhaftes Buch ist bereits das fünfte aus der Reihe. ... Ein Krimi wie eine frische Brise.» (NDR 1 Bücherwelten) «Dieser Krimi ist eine stimmige Komposition - bis zum letzten Happen spannend und gut abgeschmeckt.» (Westdeutsche Allgemeine) «Kurzweiliger Krimi, der sich mit brisanten Themen auseinandersetzt.» (Frau von Heute) «Spannend.» (neue woche)

Sandra Lüpkes wurde 1971 in Göttingen geboren und lebte viele Jahre auf der Nordseeinsel Juist. Sie ist Autorin zahlreicher Romane, Sachbücher, Erzählungen und Drehbücher. Heute wohnt sie gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen Kehrer in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644455115
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum02.01.2012
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.5
SpracheDeutsch
Dateigrösse2643 Kbytes
Artikel-Nr.1249167
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Lagerschuppen in einem Wald bei Aurich, Deutschland

dämmrig und staubig

«Schade» war das erste Wort, welches Wencke in den Sinn kam, als sie nach einem Jahr Abstinenz ihre erste Leiche sah. Sie erinnerte sich an viele andere Worte, die ihr im Laufe ihres Kriminalbeamtinnendaseins durch den Kopf gesprungen waren, wenn sie an einem Tatort eintraf. «Kopfschuss» war eines davon oder «Fehlalarm», manchmal auch «Igitt» oder ein deftiges «Scheiße». Doch noch nie hatte sie angesichts eines vermeintlich gewaltsamen Todes «Schade» gedacht.

Der Junge, den man heute Morgen in einer abgelegenen alten Lagerhalle im Südbrookmerländer Moor gefunden hatte, hatte dichte schwarze Wimpern, die ihm fast bis zu den sichelförmigen Brauen reichten. Seine Augen mussten einmal geglänzt haben, als sie noch lebten. Die dunkle Haut war samtig, und das war es auch, was Wencke so schade fand, dass diese Haut weder warm noch pulsierend sein würde, wenn sie den Mut hätte, die Finger darauf zu legen. Manche Leichen sahen aus, als seien sie schon immer tot gewesen. Doch bei diesem jungen Mann hatte man das Gefühl, das Leben stünde noch neben ihm und wartete nur darauf, wieder in den Körper zu schlüpfen.

Meint Britzke jedoch machte wie immer dasselbe: Er suchte sich in dem riesigen, schlecht beleuchteten Lagerraum eine Sitzgelegenheit - in diesem Fall einen derben Holzbalken -, zückte seinen Notizblock und begann mit der Aufklärung des Falles an Ort und Stelle. Während er mit dem Stift über das karierte Papier flog, murmelte er leise vor sich hin.

«Männliche Leiche, Tod durch Erhängen, Seil bereits durchtrennt, Knoten unprofessionell, aber effektiv, Augen geöffnet, Hocker umgestoßen ...»

«Britzke», unterbrach Wencke ihren Kollegen. «Du kannst dir die Kritzelei sparen. Die Spurensicherung ist bereits auf dem Weg.»

«Manche Dinge ändern sich nie: Wencke Tydmers wehrt sich mal wieder gegen bodenständige Polizeiarbeit.» Er blickte auf und grinste, sodass sein Oberlippenbart eine ganz neue Form bekam, nicht mehr nach Seehund aussah, eher nach den Schwingen einer Möwe. Sie hatte ihn schrecklich vermisst. Diesen Blick, diesen Kollegen, diesen Job.

Ein Jahr lang hatte sie sich mehr um das Leben als um den Tod gekümmert. Es war eine Umstellung gewesen, sich auf das Windelwechseln zu konzentrieren statt auf Schusswunden. Brei zu kochen, statt Verdächtige zu vernehmen. Nun stand sie seit Anfang des Monats wieder im Dienst der Polizei Aurich, halbtags nur, aber immerhin. Sie vermisste ihren Sohn Emil schon, wenn sie sich auf den Weg zur Arbeit machte, winkte ihm zu, wenn er am Fenster klebte und die Welt nicht mehr verstand, weil die Mama auf einmal wegfuhr. Zwar hatte sie seit zwei Monaten ein Au-pair-Mädchen aus Serbien, das sich liebevoll um Emil kümmerte, doch das erleichterte den Abschied nur geringfügig. Als sie noch Tag für Tag zu Hause geblieben war, war die Sehnsucht nach ihrem Job ebenso stark gewesen. Vielleicht - hoffentlich - war es jetzt nur eine Sache der Gewohnheit, bis sie beides unter einen Hut bekam, ohne sich ständig zerrissen zu fühlen.

Britzke hatte sich wieder in seine Studien vertieft: «... nicht älter als fünfundzwanzig ... Strangulationsfurche weist starke Einblutungen auf, hat wohl länger gedauert, der arme Kerl ... sieht nach Selbstmord aus ...»

«Sieht nach Selbstmord aus?», hakte Wencke nach und trat noch einen Schritt näher an den Leblosen. «Warum sollte sich ein so junger hübscher Kerl in einem solch finsteren Loch freiwillig einen Strick um den Hals legen?»

«Man merkt, dass du eine zu lange Auszeit gehabt hast, liebe Wencke.» Meint Britzke schaute diesmal nicht auf, als er mit ihr sprach. «Du hast vergessen, dass die Welt voller Verzweiflung ist, auch hier in Ostfriesland. Selbst wenn man hübsch und jung ist, kann es einen umhauen.»

«Aber wir sind hier in Moordorf!», entgegnete Wencke und biss sich gleich auf die Zunge, weil sie sich zu dieser unbedachten Bemerkung hatte hinreißen lassen.

«Moordorf, das Land der fliegenden Messer», kommentierte Meint ironisch. «Nur weil wir hier eine der höchsten Kriminalitätsraten in Norddeutschland haben, muss es sich nicht bei jedem unnatürlichen Tod um ein Verbrechen handeln.»

Er schrieb weiter und sang dabei leise ein Lied, es war ein Kalauer hier in Ostfriesland, die bissige Variante mit der Melodie des traditionellen Bergvagabundenliedes: «Ja wenn die Fahrtenmesser blitzen und die Victorburer flitzen und die Moordorfer greifen an, was kann das Leben Schöneres geben, ich will ein Moordorfer sein.»

«Wer sich den Mist wohl ausgedacht hat», überlegte Wencke.

«Das ist eine der wenigen Sachen, die ich nicht weiß. Aber den Text kannte ich schon als kleiner Junge in- und auswendig.» Meint summte weiter.

Wencke schaute sich um. Die Fläche der Lagerhalle war fast so groß wie ein Fußballfeld, die löchrige Holzdecke, in etwa so hoch wie ein zweigeschossiges Haus, wurde von Stempeln gestützt, die in Form und Farbe alten Galgen glichen. An einem der Balken baumelte das abgeschnittene Stück Seil, es war aus rauer Naturfaser, hellbraun und kratzig. Wencke fasste sich unwillkürlich an den Hals, auch wenn es ein seltsamer Gedanke war, sie würde sich niemals ein solch unbequemes Material aussuchen, sollte sie sich irgendwann einmal erhängen wollen. Und der Junge hier auf dem Boden sah mit seiner weichen, gepflegten Haut auch nicht aus, als sei ihm egal, welche Fasern mit seinem Körper in Berührung kamen. Er trug ein weißes T-Shirt, darüber einen hellblauen Pullover mit V-Ausschnitt, beides schien aus Baumwolle zu sein, dazu eine Jeans aus weichem Denim. Sportmode, praktisch und bequem. Das borstige Seil passte nicht ins Bild. Doch Wencke ahnte, Meint Britzke würde diese intuitiven Gedankengänge ohnehin nicht verstehen, deswegen behielt sie ihr Bauchgefühl für sich, auch wenn es ihr sagte, dass hier kein Selbstmord passiert sein konnte.

Die Maisonne blitzte durch die fast blinden Scheiben der kleinen Fensterchen, und in ihrem Licht flirrten dicht an dicht winzige Körnchen, dünne Fädchen, Heufasern. Auf dem Boden stand nicht viel herum, ein paar alte Maschinen und Werkzeuge zum Torfstechen, die wahrscheinlich besser verschrottet werden könnten, daneben einige Bretterkästen und Paletten. Es roch nach feuchter Erde und Schimmelpilz.

«Statt so verdattert herumzustehen, könntest du mit Sebastian Helliger reden. Er hat den Toten gefunden.»

Wencke zuckte zusammen. Vor ihrer Babypause war sie Meints Vorgesetzte gewesen, und wenn sie in absehbarer Zeit wieder voll ins Berufsleben einstieg, wäre dies wieder der Fall. Trotzdem ließ sie sich von ihm Anweisungen geben, was nun zu tun sei. Hatte sie in den letzten Monaten denn alles verlernt?

«Meinst du den Moorkönig Helliger?»

«Ihm gehört diese Halle hier. Er wohnt in dem Haus ein paar Schritte weiter den Weg hinauf und dann links. Geh doch schon mal vor, ich warte auf Rieger und Co., und wenn die ihre weißen Plastikanzüge übergeworfen haben, komme ich zu dir.»

Wencke nickte nur.

Meint blickte besorgt. «Alles klar, Wencke? Du bist blasser als der Tote hier.»

«Alles klar so weit.» Sie ging durch die schief in den Angeln hängende Tür hinaus. Draußen war es zum Glück wärmer als im kühlen Lager. Meine Güte, war der Winter schnell vergangen. Es war heute fast dasselbe Wetter wie am Tag von Emils Geburt, als sie sich mit Axel Sanders auf den Weg ins Krankenhaus gemacht hatte. Eine helle Sonne, ein blauer Himmel, wenige Bauschwolken, Friedefreudeeierkuchenwetter. Trotzdem lag unweit hinter ihr ein toter Mann in einem scheußlichen Schuppen.

Zwei Welten so nah beieinander. Nie war Wencke die Diskrepanz zwischen dem, was sie im Job zu sehen bekam, und dem, was sie sonst um sich hatte, so deutlich geworden wie in diesem Moment. Es lag alles an dem Kind. Emil hatte ihr Leben aufgewühlt. Nie wieder würde sie so unbefangen an Mordfälle herangehen können wie vor ihrem Mutterdasein.

Wencke ging in die Richtung, die Meint ihr beschrieben hatte. Da das Wetter seit einigen Wochen ausnahmslos sonnig gewesen war, war der ungepflasterte Weg hellbraun und fest. Im regennassen Zustand musste er unbefahrbar sein, Schlaglöcher und die Wadis ausgetrockneter Rinnsale zeugten davon. Feiner Sand legte sich auf ihre Schuhe, und bei jedem Schritt fabrizierten Wenckes Sohlen kleine Wolken aus Staub. Zwischen den hellgrünen Blättern der Bäume hindurch konnte sie das gewaltige Backsteinhaus erkennen, in dem die Familie Helliger lebte oder - besser - residierte. Jeder in Aurich und Umgebung kannte den Namen Helliger. Er war fest verknüpft mit dem Zusatz die Moorkönige, denn die Familie gehörte schon seit mehr als einem Jahrhundert zu den hiesigen Großgrundbesitzern, die sich mit dem Abbau von Torf ein mehr als imposantes Finanzpolster geschaffen hatten, auf dem sie sich jetzt ausruhten. Zumindest lauteten so die Gerüchte. Insbesondere in Moordorf fiel Reichtum auf. Die Mehrzahl der Bevölkerung zählte zu den Geringverdienern, wenn sie nicht sogar arbeitslos war. In dieser Umgebung stach er hervor, der Gutshof der Helligers, ungewöhnlich groß und chic, wie er war, machte er sich zwischen den geduckten Bauernkaten und den stillosen Einfamilienhäusern in der Nachbarschaft breit.

So nah wie heute war Wencke dem Helliger-Hof nie gekommen, normalerweise fuhr sie lediglich in Sichtweite daran vorbei, wenn sie mit dem Fahrrad zum Biobauern unterwegs war. Doch neugierig war sie schon immer darauf gewesen. Der Hof wirkte wie eine Filmkulisse, zu malerisch, um Wirklichkeit zu sein. Manchmal hatte...
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