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Der Medicus

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
864 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am30.04.2013
Der Waisenjunge Rob findet bei einem Bader Schutz und wird sein gelehriger Schüler. Nach dem Tod seines Meisters bricht er nach Persien auf, denn dort, im fernen Isfahan, lehrt Avicenna, der berühmteste aller Ärzte. Rob trotzt mutig den Gefahren seiner weiten Reise, Hunger, Pest und den Überfällen religiöser Fanatiker. Unbeirrt folgt er seiner Berufung als Arzt und Heiler.

Noah Gordon (1926 bis 2021) lebte in Boston, Massachusetts, und arbeitete lange Jahre als Journalist beim »Boston Herald«. Mit »Der Medicus« gelang ihm ein internationaler Bestseller, der auch in Deutschland viele Monate auf der Bestsellerliste stand. Noah Gordon wurde weltweit mit mehr als einem Dutzend literarischer Preise ausgezeichnet. Alle seine Romane waren sensationelle Erfolge.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextDer Waisenjunge Rob findet bei einem Bader Schutz und wird sein gelehriger Schüler. Nach dem Tod seines Meisters bricht er nach Persien auf, denn dort, im fernen Isfahan, lehrt Avicenna, der berühmteste aller Ärzte. Rob trotzt mutig den Gefahren seiner weiten Reise, Hunger, Pest und den Überfällen religiöser Fanatiker. Unbeirrt folgt er seiner Berufung als Arzt und Heiler.

Noah Gordon (1926 bis 2021) lebte in Boston, Massachusetts, und arbeitete lange Jahre als Journalist beim »Boston Herald«. Mit »Der Medicus« gelang ihm ein internationaler Bestseller, der auch in Deutschland viele Monate auf der Bestsellerliste stand. Noah Gordon wurde weltweit mit mehr als einem Dutzend literarischer Preise ausgezeichnet. Alle seine Romane waren sensationelle Erfolge.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641119201
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum30.04.2013
Reihen-Nr.1
Seiten864 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3196 Kbytes
Artikel-Nr.1267246
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

DER TEUFEL IN LONDON

Es waren Robs letzte ruhige und geborgene Augenblicke seliger Unschuld, doch in seiner Arglosigkeit hatte er es als ungerecht empfunden, dass er mit seinen Geschwistern zu Hause bleiben musste. Der Frühling hatte gerade erst begonnen, und die Sonne stand tief am Himmel, so dass ihre warmen Strahlen unter die Traufe des Strohdachs drangen. Rob hatte es sich auf den groben Trittsteinen vor der Tür bequem gemacht. Eine Frau suchte sich vorsichtig ihren Weg über die holprige Carpenter´s Street. Die Straße musste dringend instand gesetzt werden, und das galt auch für die meisten der kleinen Arbeiterhäuser. Sie waren achtlos von Handwerkern zusammengezimmert worden, die ansonsten ihr Geld mit dem Bau stabiler Häuser für die Reichen und vom Glück Begünstigten verdienten.

Er war damit beschäftigt, einen Korb Früherbsen zu enthülsen, und versuchte gleichzeitig, seine jüngeren Geschwister im Auge zu behalten, wie er es immer tat, wenn Mam unterwegs war. William Stewart, sechs Jahre alt, und Anne Mary, vier, buddelten neben dem Haus im Dreck und spielten kichernd geheime Spiele. Der achtzehn Monate alte Jonathan Carter lag auf einem Lammfell, schmatzte, machte Bäuerchen und gluckste zufrieden. Der siebenjährige Samuel Edward war Rob entwischt. Irgendwie schaffte es der gerissene Samuel immer, sich zu verdrücken, statt bei der Arbeit zu helfen, und Rob hielt wütend nach ihm Ausschau. Er schlitzte eine grüne Hülse nach der anderen auf und schabte die Erbsen mit dem Daumen aus den wächsernen Samenkapseln, so wie Mam es machte. Auch als er die Frau bemerkte, die direkt auf ihn zukam, unterbrach er seine Arbeit nicht.

Sie trug ein schmutziges Mieder, dessen Stäbchen den Busen hochdrückten, so dass bei manchen ihrer Bewegungen eine rotbemalte Brustwarze zu sehen war; ihr fleischiges Gesicht strotzte vor Schminke. Rob war erst neun Jahre alt, aber als Londoner Kind erkannte er eine Dirne auf den ersten Blick.

»He du. Wohnt hier Nathanael Cole?«

Er musterte sie gereizt; es war nicht das erste Mal, dass eine Hure bei ihnen auftauchte und zu seinem Vater wollte. »Wer will das wissen?«, fragte er barsch. Er war froh, dass sein Pa auf Arbeitssuche war und sie ihn nicht antraf, froh, dass seine Mam unterwegs war, um ihre Stickarbeiten auszuliefern, und ihr so die Peinlichkeit erspart blieb.

»Seine Frau braucht ihn. Sie hat mich hergeschickt.«

»Was soll das heißen, sie braucht ihn?« Die geschickten jungen Hände hatten aufgehört, Erbsen zu enthülsen.

Die Dirne hatte an seinem Ton und Verhalten erkannt, welche Meinung er von ihr hatte, und sah ihn kühl an. »Deine Mutter?«

Er nickte.

»Sie hat schlimme Wehen. Liegt in Egglestans Stall am Puddle Dock. Such lieber deinen Vater und sag ihm Bescheid.« Damit wandte sich die Frau zum Gehen.

Der Junge blickte sich verzweifelt um. »Samuel!«, schrie er, aber der verdammte Samuel war wieder mal Gott weiß wo, und Rob holte William und Anne Mary vom Spielen weg. »Pass auf die Kleinen auf, William«, sagte er. Dann rannte er los.

 


Für die, auf deren Schwatzhaftigkeit man bauen konnte, war das Jahr des Herrn 1021, in dem Agnes Cole zum achtenmal schwanger war, das Jahr des Satans. Es stand im Zeichen verhängnisvoller Geschehnisse und furchtbarer Naturkatastrophen. Bereits im Herbst des Vorjahres hatten bittere Fröste, die sogar die Flüsse mit Eis überzogen, die Ernte auf den Feldern vernichtet. Es hatte geregnet wie nie zuvor, und als dann Tauwetter einsetzte, trat die Themse über die Ufer und riss Brücken und Häuser mit sich. Sternschnuppen jagten strahlend hell über den stürmischen Winterhimmel, und ein Komet wurde gesichtet. Im Februar erschütterte ein Beben die Erde. Ein Blitz schlug in ein Kruzifix ein, und die Menschen raunten sich zu, dass Christus und seine Heiligen im Schlaf lägen. Man munkelte, dass aus einer Quelle drei Tage lang Blut geflossen sei, und Reisende wussten zu berichten, dass der Teufel sich in Wäldern und an geheimen Orten gezeigt habe.

Agnes hatte ihrem Ältesten gesagt, er solle auf das Geschwätz nichts geben. Aber beklommen hatte sie hinzugefügt, dass Rob sich bekreuzigen müsse, sollte er etwas Ungewöhnliches sehen oder hören.

In diesem Jahr haderten die Menschen mit Gott, denn nach der Missernte herrschten nun schwere Zeiten. Nathanael hatte seit mehr als vier Monaten kein Geld verdient, er lebte vom Talent seiner Frau, feine Stickarbeiten auszuführen.

Als Jungvermählte waren sie und Nathanael ganz krank vor lauter Liebe und voller Hoffnungen für die Zukunft; er hatte vor, als selbstständiger Baumeister reich zu werden. Aber in der Zimmermannszunft waren die Aufstiegsmöglichkeiten rar und von einem Prüfungsausschuss abhängig, der Probebauten so genau in Augenschein nahm, als ob jeder einzelne Bauteil für den König gedacht wäre. Nathanael hatte sechs Jahre als Zimmermannslehrling und doppelt so lange als Geselle gearbeitet. Jetzt wäre die Prüfung zum Zimmermannsmeister fällig, die Voraussetzung zur Selbstständigkeit. Doch um den Meister zu schaffen, brauchte man Kraft und günstige Umstände, und ihm fehlte der Mut, es zu versuchen.

Noch immer drehte sich ihr Leben um die Handwerksgilde, aber nun war selbst von der Londoner Zimmermannszunft keine Hilfe mehr zu erwarten, denn jeden Morgen, wenn Nathanael sich am Zunfthaus meldete, musste er erfahren, dass es keine Arbeit gab. Gemeinsam mit anderen Enttäuschten suchte er Trost in einem Gebräu, das sie Pigment nannten: Einer der Zimmerleute hatte Honig dabei, ein anderer holte ein paar Gewürze hervor, und einen Krug Wein hatte die Zunft immer parat.

Die Zimmermannsfrauen verrieten Agnes, dass oftmals einer der Männer loszog und von irgendwoher eine Frau anschleppte, mit der sich die arbeitslosen und trunkenen Ehemänner nacheinander vergnügten.

Trotz Nathanaels Schwächen konnte sie sich nicht von ihm abwenden, dazu liebte sie die Freuden des Fleisches zu sehr. Er sorgte dafür, dass ihr Bauch immer dick war. Kaum hatte sie ein Kind zur Welt gebracht, machte er ihr gleich wieder eins, und immer, wenn sie kurz vor der Niederkunft war, hielt er sich von zu Hause fern. Ihr Leben gestaltete sich fast genauso trostlos, wie ihr Vater es prophezeit hatte, als sie, schon in anderen Umständen, den jungen Zimmermann heiratete, der nach Watford gekommen war, um beim Bau einer Scheune für ihren Nachbarn mitzuhelfen. Ihr Vater hatte ihre Schulbildung dafür verantwortlich gemacht, denn seiner Ansicht nach führte Bildung bei einer Frau nur zu törichter Lüsternheit.

Ihr Vater besaß ein kleines Gehöft, das ihm Aethelred von Wessex zum Dank für soldatische Dienste übereignet hatte. Er war der Erste in der Familie Kemp, der es zum Freisassen brachte. Walter Kemp hatte seine Tochter zur Schule geschickt, in der Hoffnung, dass sie einen Grundbesitzer zum Mann bekäme, denn für einen Eigentümer großer Ländereien war es von Vorteil, eine Vertrauensperson zu haben, die lesen und rechnen konnte, und warum sollte das nicht die eigene Ehefrau sein? Er war bitter enttäuscht, als er erleben musste, dass sie so weit unter ihrem Stand heiratete. Nicht einmal enterben konnte er sie, der Arme. Nach seinem Tod war sein kleiner Besitz wegen ausstehender Steuerabgaben wieder an die Krone gefallen.

Aber sein Ehrgeiz hatte ihr Leben geprägt. In ihrer Erinnerung waren die fünf Jahre, die sie als Kind in der Klosterschule verbracht hatte, die glücklichste Zeit ihres Lebens gewesen. Die Nonnen hatten scharlachrote Schuhe getragen und weiß-violette Gewänder und Schleier, so zart wie Wolken. Sie hatten ihr Lesen und Schreiben beigebracht und ein bisschen Latein, die Sprache des Katechismus. Sie hatten ihr beigebracht, wie man Kleider zuschnitt und einen unsichtbaren Saum nähte und die kunstvollen Goldstickereien anfertigte, die in Frankreich, wo man sie als »englische Stickereien« bezeichnete, sehr gefragt waren. Von dem »Unfug«, den sie bei den Nonnen gelernt hatte, lebte nun ihre Familie.

An diesem Morgen hatte sie hin und her überlegt, ob sie sich auf den Weg machen sollte, ihre Stickarbeiten auszuliefern. Sie stand kurz vor der Niederkunft, und sie fühlte sich unförmig und schwerfällig, aber die Speisekammer war fast leer. Sie musste zum Billingsgate Market, um dunkles und weißes Mehl zu kaufen, aber dazu brauchte sie das Geld, das ihr der Stickereihändler zahlte, der auf der anderen Seite des Flusses in Southwark wohnte. Mit ihrem kleinen Bündel ging sie langsam über die Thames Street in Richtung London Bridge.

Wie immer herrschte auf der Thames Street ein Gedränge von Packtieren und Schauerleuten, die zwischen den höhlenartigen Lagerhäusern und dem Wald von Schiffsmasten an den Kais Waren hin- und herschleppten. Trotz aller Sorgen war sie Nathanael dankbar, dass er sie von Watford und vom Geschäft ihres Vaters weggeholt hatte.

Wie sehr sie diese Stadt liebte!

»Du Hurensohn. Du kommst auf der Stelle zurück und gibst mir mein Geld. Los, her damit«, schrie eine wütende Frau jemandem zu, den Agnes nicht sehen konnte.

Lachsalven vermischten sich mit Wortfetzen in fremden Sprachen. Flüche klangen wie liebevolle Segenssprüche.

Sie ging an zerlumpten Unfreien vorbei, die Eisenbarren auf Schiffe schleiften. Hunde bellten die bedauernswerten Männer an, die unter ihren grausamen Lasten ächzten, Schweißperlen glänzten auf den kahl geschorenen Schädeln. Sie atmete den Knoblauchgeruch ein, den diese ungewaschenen Körper verströmten, und den Metallgeruch der Eisenbarren und dann einen weit angenehmeren Duft, der von einem Karren kam, auf dem einer Fleischpasteten feilbot. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen, doch sie hatte bloß eine einzige Münze in der Tasche und hungrige Kinder...

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Autor

Noah Gordon (1926 bis 2021) lebte in Boston, Massachusetts, und arbeitete lange Jahre als Journalist beim »Boston Herald«. Mit »Der Medicus« gelang ihm ein internationaler Bestseller, der auch in Deutschland viele Monate auf der Bestsellerliste stand. Noah Gordon wurde weltweit mit mehr als einem Dutzend literarischer Preise ausgezeichnet. Alle seine Romane waren sensationelle Erfolge.