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Das Ferienhaus

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Berlin Verlagerschienen am14.05.2013Auflage
Endlich Ferien am Meer! Eva hat das wunderschöne Sommerhaus ihrer Mutter geerbt und freut sich auf ruhige Wochen an der schwedischen Schärenküste. Doch plötzlich stehen ihre beiden Geschwister vor der Tür und wollen das Haus verkaufen. Der Streit ist vorprogrammiert. Erst als die Situation eskaliert, wird allen dreien klar, dass sie sich jahrelang etwas verheimlicht haben...

Anna Fredriksson arbeitete viele Jahre als Drehbuchautorin für Film- und TV-Produktionen in Schweden, u.a. für die Wallander-Filme. Außerdem war sie als Lektorin und Verlegerin tätig. Sie lebt in Stockholm mit ihrem Mann und drei Söhnen.
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Produkt

KlappentextEndlich Ferien am Meer! Eva hat das wunderschöne Sommerhaus ihrer Mutter geerbt und freut sich auf ruhige Wochen an der schwedischen Schärenküste. Doch plötzlich stehen ihre beiden Geschwister vor der Tür und wollen das Haus verkaufen. Der Streit ist vorprogrammiert. Erst als die Situation eskaliert, wird allen dreien klar, dass sie sich jahrelang etwas verheimlicht haben...

Anna Fredriksson arbeitete viele Jahre als Drehbuchautorin für Film- und TV-Produktionen in Schweden, u.a. für die Wallander-Filme. Außerdem war sie als Lektorin und Verlegerin tätig. Sie lebt in Stockholm mit ihrem Mann und drei Söhnen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783827076205
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum14.05.2013
AuflageAuflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse973 Kbytes
Artikel-Nr.1268274
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Sie muss durchs grelle Sonnenlicht gehen, Meter für Meter. Sie sieht, wie ihre beiden Schuhe sich auf dem Kies voranbewegen, wie sie sie immer näher zu dem bringen, was sie jetzt erwartet. Sie ist erwachsen, 42 Jahre alt, sie wird das schon schaffen. Die Pfarrerin hat sich an den Eingang gestellt. Sie trägt ein weißes, bodenlanges Gewand und hat sich ein breites, besticktes Band um den Nacken gelegt, das auf der Vorderseite rechts und links herunterhängt. Sie empfängt die schwarz gekleideten Trauergäste.

Einer der Bäume vor der kleinen Kapelle blüht nicht. Er reckt nur hilflos seine nackten Zweige in die Luft und protestiert dagegen, dass es bald Ende Mai ist. Ein paar Krähen krächzen sich etwas zu. Eva hat bis jetzt noch nie darüber nachgedacht, wie grässlich dieses Gekrächze klingt.

»Eva?«

Die Pfarrerin steht vor ihr und beugt sich leicht vor, um Augenkontakt mit ihr zu bekommen. Eva blickt auf. Die verkleidete Frau hat eine Bibel mit schwarzem, abgegriffenem Einband in der Hand.

»Wie geht es Ihnen?«

»Ach. Ganz gut.«

»Sie sehen blass aus. Sie sagen Bescheid, wenn Sie ...?«

»Aber ja. Es geht schon. Keine Sorge.«

Sie ringt sich ein kleines Lächeln ab. Die Pfarrerin sieht besorgt aus und tätschelt ihr die Schulter, und Eva weicht ihr aus und geht rasch weiter in die Kapelle.

Sie zwingt sich, Schritt für Schritt auf die Bankreihen zuzugehen. Ein paar Leute sitzen schon auf ihren Plätzen und richten ihre Blicke auf Eva, doch sie weicht ihren Augen aus. Sie kennt sie nicht mal. Die Pfarrerin hat etwas von Kollegen gesagt, mit denen Mama noch zusammengearbeitet hat, kurz bevor sie in Pension ging.

Eva geht an den Bankreihen vorbei und wird von den Anwesenden beobachtet, als würde sie auf eine Bühne treten. Sie umklammert ein kleines Sträußchen Maiglöckchen, das ihr die Pfarrerin aus irgendeinem Grund in die Hand gedrückt hat. Hatte sie der Frau gesagt, dass Mama Maiglöckchen mochte? Sie kann sich nicht entsinnen. Sie erinnert sich nur noch daran, wie im Frühjahr plötzlich immer die ganze Wiese voll damit war, der ganze Hügel hinauf bis zum Gästehäuschen.

Sie geht an der Seitenwand der Kapelle entlang, geradeaus und ohne sich umzusehen. Dann ist sie am Ziel: Die Stühle in der vordersten Reihe, direkt vorm Sarg. Sie lässt sich auf einen gepolsterten Stuhl sinken und versucht ganz ruhig zu atmen. Steif sitzt sie da. Schließlich wagt sie, den Blick geradeaus zu richten.

Da ist der weiße Sarg. Auf dem Boden liegen Kränze und Sträuße, umwunden mit Seidenbändern. Sie kann schwülstige Abschiedsgrüße in Goldlettern erkennen. Freunde und Kollegen. Die Namen ihrer Verwandten. Ihren eigenen und Elias´. Die Namen von Anders, Katrin und den Kindern. Majas und Tomas´. Wer auch immer dieser Tomas sein mag.

Auf dem Sarg liegt ein Blumengesteck. Protzig und vulgär, weit entfernt von Mamas schlichtem Stil. Aber die Pfarrerin und das Bestattungsinstitut haben ihre Arbeit gemacht. Alles sieht so aus, wie es auf einer Beerdigung aussehen soll. Sie liest das Wort Bildungsministerium auf einer Schleife. Auf einer anderen steht Berufsinformationszentrum. Was hat Mama eigentlich genau gemacht? Sie hat eine Studie geleitet, aber was genau bedeutete das eigentlich? Eva weiß es nicht so genau. Im Grunde hat sie es nie so genau gewusst. Sie weiß nur, dass Bildungsministerium eines der ersten Wörter war, die sie gelernt hat. Das hat ihr irgendjemand mal vor langer Zeit erzählt.

Bewegung im Mittelgang. Ihr kleiner Bruder Anders, seine Frau Katrin und ihre drei Kinder kommen nach vorne und setzen sich in die Reihe hinter sie. Sie dreht sich um - die Höflichkeit gebietet es -, nickt ihnen leicht zu und bekommt ein leichtes Nicken zurück.

Anders und Katrin haben sich vor langer Zeit kennengelernt, sie sind schon zehn, zwölf Jahre zusammen. Anders ist jetzt 35. Eva weiß eigentlich gar nichts über ihr Leben, sie hat keine Ahnung, ob die beiden glücklich sind oder nicht. Anders hat sich die Haare kürzer schneiden lassen, seit sie sich zum letzten Mal gesehen haben. Sie hat den Eindruck, dass sein Haar auch ein wenig dünner geworden ist, und vielleicht ist da sogar ein erster Bauchansatz. Schwarze Jeans, schwarzes Hemd und schwarze Jacke. Staubige Schuhe.

Katrin hat sich die Haare hochgesteckt und sieht gepflegter aus als sonst. Sie trägt ein langes schwarzes Gewand, eine Art Mittelding aus Tunika und Kleid. Die Kinder sind gewachsen, alle drei sind wesentlich größer, als Eva sie in Erinnerung hat. Wie lange ist es eigentlich her, dass sie sie das letzte Mal gesehen hat?

Anders und Katrin sind ausnahmsweise genauso ernst wie sie selbst. Sonst lachen und kichern sie ständig. Zu viel, zu laut, im falschen Moment. Wenn Eva mit ihnen zusammen ist, wirkt sie immer wie die ernste große Schwester oder Schwägerin. Sie kann sich geradezu selbst sehen: schweigsam, verschlossen, grau. Während Anders und Katrin schillernd und extrovertiert sind. Einnehmende Persönlichkeiten. Beide gleich oberflächlich und gleich leer.

Ihre drei Kinder wirken gelangweilt. Was werden sie von ihrer Großmutter im Gedächtnis behalten haben? Mama interessierte sich so gut wie gar nicht für ihre Enkel, worüber Anders sich gewaltig ärgerte, als er zum ersten Mal Vater wurde. Aber irgendwann gab er es auf, genau wie Eva ein paar Jahre vor ihm. Er sah wohl selbst ein, dass er nichts ausrichten konnte und sich auf die Dauer kein einigermaßen regelmäßiger Kontakt halten ließ.

»Wo ist Elias?«, flüstert Katrin.

Eva weiß nicht, was sie antworten soll. Sie hofft, dass er nicht zu spät kommt. Sie findet es wichtig, allen Anwesenden zu beweisen, dass ihr Sohn sich zu benehmen weiß. Aber da sieht sie Elias auch schon die Kapelle betreten. Er trägt einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und blitzblank geputzte schwarze Schuhe. Das ist so seine Art, die Dinge ernst zu nehmen, sich Mühe zu geben. Er sucht sie mit den Augen und entdeckt sie, geht nach vorn und setzt sich auf den Stuhl neben sie. Jetzt ist er bei ihr, zumindest eine Weile. Sie bilden ihre eigene kleine Familie.

Maja kommt in Gesellschaft eines fremden Mannes, der ihr neuer Freund sein muss. Und der offenbar Tomas heißt. Maja sieht aus wie immer, mit der dicken Mähne, die ihr auf den Rücken fällt. Sie trägt ein hübsches schwarzes Kleid. Diskret, aber nicht langweilig. Maja hat Stil. Sie ist 33.

Tomas ist ein unauffälliger Typ. Mittelgroß, schwarze Jacke, ausdrucksloses Gesicht. Unbegreiflich, dass Maja seinen Namen mit auf die Kranzschleife hat setzen lassen. Er hatte Mama nie kennengelernt.

Die beiden setzen sich neben Anders.

Eva wirft einen Seitenblick auf Maja. Wenn man sie so im Profil sieht, mit diesem Teint, sieht sie Mama so ähnlich. Auch die Haarfarbe, genau dasselbe Dunkelbraun, das Mama hatte. Und die braunen Augen, die genauso geschnitten sind wie Mamas. Und der Mund? Ja, der auch. Maja hat denselben Schwung in der Oberlippe, eine hübsche Rundung. Es fällt Eva zum ersten Mal auf.

Die Beerdigungszeremonie beginnt. Musik wird abgespielt, Reden werden gehalten. Die Pfarrerin hält sich an das, worauf sie sich mit Eva geeinigt hat: so wenig wie möglich über Gott und den Herrn, absolut minimal. Eva selbst sagt nichts. Das Angebot der Pfarrerin, ein paar Worte zu sagen, hat sie abgelehnt. Anscheinend haben Maja und Anders sich auch nicht berufen gefühlt. Die Pfarrerin da vorne redet und redet und singt am Ende sogar ein bisschen.

Dann ist der Moment gekommen, an den Sarg zu treten und die Blumen abzulegen. Eva macht es genau so, wie es sich gehört. Sie legt den Strauß aufs Kopfende des Sarges, nickt kurz und bleibt ein paar Sekunden so stehen.

Unter den Blumen, unter dem weißen Holz: Mamas Gesicht. Nur wenige Dezimeter entfernt. Das Gesicht, in dem sie jede Linie, jede Pore kennt, jeden Zahn, der beim Lächeln entblößt wird. Die Augen, die sie auf dieser Welt als erste angesehen haben. Als allererste.

Anders und Maja müssen auch gefragt worden sein, ob sie Mama noch einmal sehen wollen. Eva hat Nein gesagt, auch wenn sie immer noch nicht weiß, ob das die richtige Entscheidung war. Vielleicht hätte sie Auf Wiedersehen sagen wollen, das Gesicht noch ein letztes Mal sehen. Das Gesicht, das sie ihr Leben lang kennt. Aber wie sollte so ein Auf Wiedersehen aussehen? Vielleicht war es doch das Beste, sich so zu trennen. Mitten im Nichts.

Jetzt ist nur noch ihr eigenes Leben übrig. Sie wird versuchen weiterzumachen, ganz vorsichtig. Damit es nicht wieder kaputtgeht.

Sie verlässt die Kapelle als Letzte, Arm in Arm mit Elias. Ein paar Schritte weiter sieht sie Anders und Katrin mit Maja und ihrem Freund zusammenstehen und reden. Sie haben sicher stundenlang diskutiert, wie sie in dieser heiklen Situation mit ihr umgehen sollen. Sie wissen, dass sie »unflexibel« sein kann, wie Anders vor ein paar Jahren einmal gesagt hat, als er vorschlug, dass sie alle zusammen Weihnachten feiern sollten. Daraus wurde nie etwas. Wie immer feierten Eva und Elias weiterhin den Heiligabend mit Mama, während die Geschwister am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag dran waren. Sie hatten schließlich alle einen Partner, also war das nur mehr als gerecht. Doch Maja beschwerte sich natürlich.

Und dann schlief auch diese Tradition langsam ein.

Sie lässt Elias allein stehen und geht zu ihren Geschwistern, wobei sie versucht, ruhig und gesammelt zu erscheinen. Die anderen Gäste sollen keinen Grund zum Klatschen haben. Es muss keiner sehen, dass das Gespräch der drei Erben so...


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Autor

Anna Fredriksson arbeitete viele Jahre als Drehbuchautorin für Film- und TV-Produktionen in Schweden, u.a. für die Wallander-Filme. Außerdem war sie als Lektorin und Verlegerin tätig. Sie lebt in Stockholm mit ihrem Mann und drei Söhnen.