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Der letzte Tag der Schöpfung - Midas - Das Cusanus-Spiel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
1136 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am08.07.2013
Das Wesen der Zeit
Eine Zeitreise Millionen Jahre in die Vergangenheit; eine Zukunft, in der es möglich ist, Menschen immer wieder zu kopieren; ein faszinierendes Spiel mit der Tatsache, dass unser Universum nur eines von vielen ist ... Mit Der letzte Tag der Schöpfung, Midas und Das Cusanus-Spiel hat Wolfgang Jeschke drei Romane geschrieben, die zum Besten gehören, was die Science Fiction zu bieten hat. Nun sind diese Romane erstmals in einem Band versammelt.

Wolfgang Jeschke (1936-2015) war der Großmeister der deutschen Science-Fiction. Lange Jahre als Herausgeber und Lektor für den Heyne Verlag tätig, hat er vor allem auch mit seinen eigenen Romanen und Erzählungen das Bild des Genres geprägt. Jeschke wurde mehrmals mit dem renommierten Kurd Lasswitz Preis ausgezeichnet. Er starb im Juni 2015.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR17,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextDas Wesen der Zeit
Eine Zeitreise Millionen Jahre in die Vergangenheit; eine Zukunft, in der es möglich ist, Menschen immer wieder zu kopieren; ein faszinierendes Spiel mit der Tatsache, dass unser Universum nur eines von vielen ist ... Mit Der letzte Tag der Schöpfung, Midas und Das Cusanus-Spiel hat Wolfgang Jeschke drei Romane geschrieben, die zum Besten gehören, was die Science Fiction zu bieten hat. Nun sind diese Romane erstmals in einem Band versammelt.

Wolfgang Jeschke (1936-2015) war der Großmeister der deutschen Science-Fiction. Lange Jahre als Herausgeber und Lektor für den Heyne Verlag tätig, hat er vor allem auch mit seinen eigenen Romanen und Erzählungen das Bild des Genres geprägt. Jeschke wurde mehrmals mit dem renommierten Kurd Lasswitz Preis ausgezeichnet. Er starb im Juni 2015.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641104283
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum08.07.2013
Seiten1136 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2307 Kbytes
Artikel-Nr.1276962
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



ARTEFAKT 3: Die Flöte des hl. Veit

Anachronismen sind schwer zu erkennen. Man muss Zeitgenosse von Dingen sein, um sie anhand ihrer Funktion und ihres Aussehens einzuordnen, oder ein Spätgeborener, der von ihnen aus Überlieferungen weiß. Dem Frühgeborenen werden sie allenfalls als Kuriositäten erscheinen - oder als magische oder heilige Gegenstände, ganz nach Einfalt des Herzens, nach Gläubigkeit oder wissenschaftlicher Einsicht.

Tatsächlich gab es seit Jahrhunderten Hinweise darauf, dass im westlichen Mittelmeerraum irgendwann in vorgeschichtlicher Zeit ein Ereignis stattgefunden haben musste, das man als »Zeitfraktur« bezeichnen könnte. Es waren merkwürdige Funde, die im Küstengebiet von Südspanien und Süditalien, auf Malta, Sardinien, Korsika und den Balearen, vor allem aber in Sizilien gemacht wurden und die man ihrer nahezu unzerstörbaren Beschaffenheit und Unerklärlichkeit wegen weit und breit als Reliquien verehrte und zum Teil heute noch verehrt. Es handelt sich in der Regel um Splitter eines leichten Materials von schmutzig weißer bis gelblich brauner Färbung, das man für sehr altes Elfenbein halten kann oder für Überreste von Totenschädeln und Knochen, die das Meer und der Sand in Jahrhunderten glatt geschliffen und so bis zur Unkenntlichkeit deformiert haben. Umso mehr findet die Phantasie Anreiz, in diese beinernen Fragmente Gestalt, Geschichtlichkeit, gar Heiligkeit zu legen und sie als wunderbarerweise gerettete Körperteile aller möglichen Heiligen zu interpretieren, die einst auf Erden wandelten.

So wird in San Lorenzo, unweit von Reggio, in Calabrien seit mehr als fünfhundert Jahren ein zwanzig Zentimeter langes Stück dieses Materials als der Zeigefinger des Propheten Jeremias verehrt. In Algeciras vor Gibraltar bewahrt man ein Bruchstück von quadratischer Form und etwa zwölf Zentimetern Seitenlänge als Reliquie auf, die angeblich die Schädeldecke Johannes des Täufers darstellt, dessen abgeschlagenes Haupt auf wunderbare Weise an spanische Gestade geschwemmt wurde. Und in mindestens siebenunddreißig Kirchen Siziliens ruhen Finger- und Zehenknöchelchen, Ober- und Unterkiefer, Rippen und Schienbeine von mindestens siebenundzwanzig Heiligen, Propheten und ähnlichen verdienstvollen Männern und Frauen.

Der merkwürdigste Fund indes ruhte bislang in einem Silberschrein zu Sta. Felicità in Palermo: das Allerheiligste des hl. Veit oder Vitus, wie er dort genannt wird. Vitus, als Heiliger heute unter anderem zuständig für Bierbrauer und Bergleute, Epileptiker und Kesselschmiede, Schauspieler, Apotheker und Winzer, angefleht bei Bettnässen und Feuersbrünsten, Schlangenbiss und Tollwut, Veitstanz und Fallsucht, Aufregung und bedrohter Keuschheit, stammte aus Mazara del Valla an der Südwestküste Siziliens und hatte bekanntermaßen unter den Häschern Diokletians um 304/305 Schreckliches zu erleiden. Er war der Sohn eines wohlhabenden Heiden namens Hylas und trat zu dessen Verdruss schon im zarten Alter von sieben Jahren der Sekte der Christen bei. Um den Nachstellungen des erbosten Vaters zu entgehen, floh er mit seiner Amme Crescentia und seinem Erzieher Modestus nach Lukanien. Er wurde jedoch erkannt, ergriffen und nach Rom gebracht, wo man ihn auf besonders grausame Weise vom Leben zum Tode befördern wollte, indem man ihn in einen Kessel siedendes Öl steckte. Engel retteten ihn im letzten Moment aus der Frittüre und trugen das arme Kerlchen zurück in die ferne Heimat, wo er aber bald darauf gestorben sein soll.

Im Jahre 583 begann man die sterblichen Überreste des Märtyrers zu zerlegen. Während der Leib nach Unteritalien überführt wurde, blieb das abgetrennte Glied in Sizilien. Der rührige Abt Fulrad von St. Denis ließ den verstümmelten Leichnam 756 in sein Kloster bringen, doch nicht alle seiner Nachfolger scheinen dem ölgesottenen Veit die gleiche Hochachtung entgegengebracht zu haben, denn Abt Hilduin schenkte die Leiche 836 dem Weserkloster Corvey. Dort wurde der Märtyrer - inzwischen zum Reichspatron avanciert - weiter zerlegt; 922 erhielt Herzog Wenzel einen Arm, als er zu Ehren Veits in Prag eine Kirche bauen ließ, eben an der Stelle, wo sich heute der berühmte Veitsdom auf dem Hradschin erhebt. 1355 versuchte Kaiser Karl IV. die fehlenden, in alle Winde verstreuten Teile der sterblichen Hülle einzusammeln, konnte aber nur in Pavia ein paar Knöchelchen erwerben, von deren Echtheit die Gottesgelehrten nie so ganz zu überzeugen waren. Heute gibt es mehr als einhundertfünfzig Orte in Mittel- und Südeuropa, die Körperteile des Heiligen zu besitzen glauben.

Die delikateste Reliquie, der Veit das Patronat über bedrohte Keuschheit verdankt, tauchte im zehnten Jahrhundert in Palermo auf. Sie wird urkundlich erwähnt im Jahre 938 anlässlich des Neubaus der Kirche von Sta. Felicità, wo sie einen sicheren Hort fand. Welch ungewissem Schicksal sie während der verflossenen dreihundertfünfundfünfzig Jahre ausgesetzt gewesen war, verschweigen uns die Legenden, die sich sonst so üppig um die Gestalt des jugendlichen Märtyrers ranken.

Eine lokale Überlieferung will ihren Ursprung wissen und kommt der Wahrheit möglicherweise ziemlich nahe: Ein braver Fischersmann namens Rosso war des Nachts von einem Sturm überrascht und weit hinaus aufs Meer verschlagen worden. Er litt zwei Tage und zwei Nächte lang Unsägliches, bis der Sturm sich endlich legte und er am Morgen des dritten Tages wieder heimatliches Gestade sichtete. Als er sein Netz einholte, befand sich neben zwölf Fischen (dieser Zahl ist freilich zu misstrauen, denn gewiss handelt es sich um einen Hinweis auf die zwölf Apostel) ein seltsamer Gegenstand darin: ein gekrümmtes, schlauchähnliches, geripptes Gebilde von anderthalb Fuß Länge und einer halben Spanne Durchmesser aus einem unbekannten Material, das zugleich elastisch und brüchig wirkte und von blassgrauer Färbung war.

Dankbar für seine wunderbare Errettung übergab der Fischer seinen Fund dem Prior von Sta. Felicità, der das merkwürdige Ding unter Verschluss nahm, es vor allem den Blicken der Damenwelt entzog, da es möglicherweise zu unkeuschen Gedanken hätte Anlass geben können. So geschehen um die Mitte des neunten Jahrhunderts.

Wie durch ein Wunder überstand es unversehrt den Brand, der 922 das alte Sta. Felicità in Schutt und Asche legte. 932 wurde mit dem Bau des neuen Gotteshauses begonnen, wie es noch bis heute zum größten Teil erhalten ist.

Im Jahre 1277 erwirkte Ambrosius, ein junger und ehrgeiziger Prior von Sta. Felicità, beim Erzbischof von Palermo die Erlaubnis, beim Heiligen Vater um eine Beglaubigung der Reliquie anzusuchen. Papst Nikolaus III. konnte sich nicht entscheiden, obwohl er gleich zwei Expertenkommissionen nach Palermo entsandte, die das Gebilde an Ort und Stelle untersuchten. Dann ruhte der Antrag, bis Bonifatius VIII. 1296 eine dritte Expertenkommission schickte; doch erst 1303, kurz vor seinem Tode, konnte sich der Heilige Vater zu einer positiven Entscheidung durchringen und erteilte seinen apostolischen Segen.

Seit dem 13. Jahrhundert ruhte das seltsame Stück Schlauch, von höchster Instanz der katholischen Kirche als Sinnbild christlicher Keuschheit und Zeugnis erstaunlicher sizilianischer Mannbarkeit bestätigt, in einem kunstvoll ziselierten und mit Seide ausgekleideten Silberschrein, der nur alle hundert Jahre zur Feier des Centenariums von Sta. Felicità geöffnet und zur Schau gestellt wurde, damit jedermann das wundersam der Verwesung entzogene Glied des Heiligen in Augenschein nehmen könne.

Professor Angelo Buenocavallo, Lehrer der Medizin zu Palermo, verfasste über diese Reliquie - im Volksmund »Der Unaussprechliche des hl. Vitus« oder auch manchmal ganz ordinär »Il gazzo di Santa Felicità« genannt - 1439 eine gelehrte Abhandlung, in der er entschieden bestritt, dass es sich bei besagtem Gegenstand um ein menschliches Glied im Allgemeinen oder gar Besonderen handeln könne, auf welch wundersame Weise auch immer es sich durch das Sieden in Öl verändert haben möge, denn es weise anatomisch nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem solchen auf - von der Länge ganz zu schweigen. Zwar habe man etwa bei Schweineschwänzen wiederholt feststellen können, dass sie nach einiger Zeit in siedendem Öl aufquellen und schaumig verkrusten, wodurch sie größer und härter erschienen. Aber bei dem besagten Gegenstand handele es sich nicht um ausgebrutzeltes Fleisch, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach um Elfenbein. Alles deute eher darauf hin, dass es sich um eines jener heidnischen, aus Elfenbein gefertigten Musikinstrumente handeln könne, auf denen muselmanische Musikanten ihre schaurigen Töne hervorbrachten, die angeblich der Stauferkönig bei Hof so gern mochte.

Buenocavallo erhielt von seiner Fakultät keine Druckerlaubnis. Neider denunzierten ihn bei kirchlichen Stellen, er habe auf häretische Weise das Glied des hl. Vitus mit ausgebrutzelten Schweineschwänzen verglichen. Die Schrift wurde konfisziert und öffentlich verbrannt. Das tapfere Professorlein entging mit Not der Anklage wegen Ketzerei und erhielt zwei Jahre Lehrverbot. Er ging nach Padua, wo er noch drei fruchtbare Jahrzehnte als Anatom wirkte. Sein Ruhm drang weit über die Grenzen seiner Wahlheimat hinaus.

Inzwischen ruhte das Musikinstrument des hl. Vitus in seinem Silberschrein, widerstand dem Zahn der Zeit, überdauerte die Jahrhunderte und geriet fast in Vergessenheit.

Als 1938 der Schrein anlässlich der Tausendjahrfeier von Sta. Felicità erneut geöffnet und das hl. Glied den Blicken des Publikums preisgegeben wurde, nahm ein gewisser Luigi Risotto,...


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Autor

Wolfgang Jeschke (1936-2015) war der Großmeister der deutschen Science-Fiction. Lange Jahre als Herausgeber und Lektor für den Heyne Verlag tätig, hat er vor allem auch mit seinen eigenen Romanen und Erzählungen das Bild des Genres geprägt. Jeschke wurde mehrmals mit dem renommierten Kurd Lasswitz Preis ausgezeichnet. Er starb im Juni 2015.