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Himmel und Hölle

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am21.10.20131. Auflage
Nobelpreis für Literatur 2013 In neun Geschichten, die vordergründig alltäglich-harmlos wirken wie ein Kinderspiel, lässt Alice Munro rätselvolle Beziehungen und verdrängte Schuld aufblitzen. Sie erzählt von bestürzend kühnen Momenten des Ausbrechens aus dem eigenen Leben: das ist der Stoff, aus dem ihre Erzählungen sind. Die Geschichten entführen den Leser an jenen einzigartigen Ort, an dem eine unerwartete Wendung den Bogen eines ganzen Lebens zum Aufleuchten bringen kann.

Alice Munro, geboren am 10. Juli 1931 in Wingham, Ontario, Kanada, ist eine der bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart. Sie erhielt 2013 die höchste Auszeichnung für Literatur, den Nobelpreis. Ihr umfangreiches erzählerisches Werk wurde bereits zuvor mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Giller Prize, dem Book Critics Circle Award und dem Man Booker International Prize. Alice Munro starb am 13. Mai 2024 in Port Hope, Ontario.  Im S. FISCHER Verlag bzw. FISCHER Taschenbuch Verlag liegen vor: ?Himmel und Hölle?, ?Die Liebe einer Frau?, ?Der Traum meiner Mutter?, ?Tricks?, ?Wozu wollen Sie das wissen??, ?Zu viel Glück?, ?Tanz der seligen Geister?, ?Offene Geheimnisse?, ?Glaubst du, es war Liebe??, ?Das Bettlermädchen?, ?Der Mond über der Eisbahn?, ?Liebes Leben?, ?Was ich dir schon immer sagen wollte?, ?Die Jupitermonde?, ?Ferne Verabredungen. Die schönsten Erzählungen? und Munros einziger Roman ?Kleine Aussichten?. Literaturpreise (Auswahl):Canada-Australia Literary Prize (1977)Commonwealth Writers' Prize (1991)Giller Prize for Fiction (1998 und 2004)Man Booker International (2009)Trillium Award (2013)Nobelpreis für Literatur (2013)
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Produkt

KlappentextNobelpreis für Literatur 2013 In neun Geschichten, die vordergründig alltäglich-harmlos wirken wie ein Kinderspiel, lässt Alice Munro rätselvolle Beziehungen und verdrängte Schuld aufblitzen. Sie erzählt von bestürzend kühnen Momenten des Ausbrechens aus dem eigenen Leben: das ist der Stoff, aus dem ihre Erzählungen sind. Die Geschichten entführen den Leser an jenen einzigartigen Ort, an dem eine unerwartete Wendung den Bogen eines ganzen Lebens zum Aufleuchten bringen kann.

Alice Munro, geboren am 10. Juli 1931 in Wingham, Ontario, Kanada, ist eine der bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart. Sie erhielt 2013 die höchste Auszeichnung für Literatur, den Nobelpreis. Ihr umfangreiches erzählerisches Werk wurde bereits zuvor mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Giller Prize, dem Book Critics Circle Award und dem Man Booker International Prize. Alice Munro starb am 13. Mai 2024 in Port Hope, Ontario.  Im S. FISCHER Verlag bzw. FISCHER Taschenbuch Verlag liegen vor: ?Himmel und Hölle?, ?Die Liebe einer Frau?, ?Der Traum meiner Mutter?, ?Tricks?, ?Wozu wollen Sie das wissen??, ?Zu viel Glück?, ?Tanz der seligen Geister?, ?Offene Geheimnisse?, ?Glaubst du, es war Liebe??, ?Das Bettlermädchen?, ?Der Mond über der Eisbahn?, ?Liebes Leben?, ?Was ich dir schon immer sagen wollte?, ?Die Jupitermonde?, ?Ferne Verabredungen. Die schönsten Erzählungen? und Munros einziger Roman ?Kleine Aussichten?. Literaturpreise (Auswahl):Canada-Australia Literary Prize (1977)Commonwealth Writers' Prize (1991)Giller Prize for Fiction (1998 und 2004)Man Booker International (2009)Trillium Award (2013)Nobelpreis für Literatur (2013)
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104026541
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum21.10.2013
Auflage1. Auflage
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1453 Kbytes
Artikel-Nr.1287937
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Eine schwimmende Brücke

Einmal hatte sie ihn verlassen. Der unmittelbare Anlass war relativ unbedeutend gewesen. Er hatte sich zwei jugendlichen Straftätern angeschlossen (zwei Jujus, wie er sie nannte) und mit ihnen einen Ingwerkuchen aufgefuttert, den sie gerade gebacken hatte und am selben Abend nach einem Meeting auftischen wollte. Unbemerkt - zumindest von Neal und den Jujus - hatte sie das Haus verlassen und war zu dem Wartehäuschen an der Hauptstraße gelaufen, wo der Bus in die City zweimal am Tag hielt. Sie hatte sich noch nie darin aufgehalten und gut zwei Stunden Wartezeit vor sich. Also saß sie da und las alles, was an die hölzernen Wände geschrieben oder in sie eingeritzt worden war. Diverse Monogramme liebten sich für immer. Laurie G. lutschte Schwänze. Dunk Cultis war schwul. Ebenso Mr Garner (Mathe).

Leck mich H. W. Dope an die Macht. Skaten oder Sterben. Gott hasst Schmutz. Kevin S. hat verschissen. Amanda W. ist ganz süß und ich wünsche mir, sie kommt bald aus dem Knast, denn ich sehne mich so nach ihr. Ich will V.P. nageln. Hier müssen Frauen sitzen und das Dreckzeug lesen, was ihr hinschreibt.

Beim Betrachten dieses Hagelschauers menschlicher Botschaften - und besonders angesichts des von Herzen kommenden, sehr säuberlich geschriebenen Satzes über Amanda W. - überlegte Jinny, ob die Verfasser wohl allein waren, wenn sie solche Dinge hinschrieben. Und sie stellte sich weiter vor, wie sie selbst hier oder an einem ähnlichen Ort saß, ganz allein, und auf einen Bus wartete, was ihr sicherlich bevorstand, wenn sie den Plan ausführte, für den sie sich gerade entschieden hatte. Würde auch sie unter dem Zwang stehen, auf öffentlichen Wänden Erklärungen abzugeben?

Sie fühlte sich in diesem Augenblick dem Zustand nahe, in dem sich Menschen befanden, wenn sie bestimmte Dinge hinschreiben mussten - nahe durch ihren Zorn, ihr Gefühl des Verletztseins (vielleicht war es nur ein Gefühl?) und ihre Erregung über das, was sie Neal antat, um es ihm heimzuzahlen. Aber das Leben, in das sie sich begab, bot ihr vielleicht niemanden, über den sie sich ärgern konnte, niemanden, der ihr etwas schuldig war, niemanden, der von dem, was sie tat, in irgendeiner Weise belohnt oder bestraft oder ernsthaft berührt werden konnte. Möglich, dass dann ihre Gefühle für niemanden außer ihr selbst von Bedeutung waren, und trotzdem würden sie in ihrem Innern anschwellen, ihr das Herz und den Atem abdrücken.

Sie war schließlich keine Person, die alle Menschen sofort für sich einnahm. Dennoch war sie auf ihre Art wählerisch.

Vom Bus war immer noch nichts zu sehen, als sie aufstand und nach Hause ging.

Neal war nicht da. Er brachte die Jungen in die Schule zurück, und als er zurückkam, hatte sich schon jemand zu früh für das Meeting eingefunden. Was sie getan hatte, erzählte sie ihm erst, als sie darüber hinweg war und daraus eine spaßige Geschichte machen konnte. Es wurde tatsächlich zu einer Anekdote, die sie in geselliger Runde oft erzählte. Das, was sie an den Wänden gelesen hatte, ließ sie dabei aus oder beschrieb es nur ganz allgemein.

»Wäre dir je der Gedanke gekommen, mir nachzugehen?«, fragte sie Neal.

»Sicher. So mit der Zeit.«

* * *

Der Onkologe gab sich priesterlich. Unter dem weißen Kittel trug er sogar ein schwarzes Stehkragenhemd - eine Uniform, die wirkte, als käme er gerade von einer Zeremonie des Mischens und Dosierens. Seine Haut war jung und glatt - sie sah aus wie Karamellbonbons. Nur auf der Kuppe seines Schädels fand sich spärlicher schwarzer Haarwuchs, ein zartes Sprießen, ganz ähnlich dem Flaum, den Jinny auf dem Kopf trug. Bei ihr war er allerdings graubraun, wie Mäusefell. Anfangs hatte Jinny sich gefragt, ob er vielleicht nicht nur Arzt, sondern auch selbst Patient war. Dann, ob er sich diesen Stil zugelegt hatte, damit die Patienten sich wohler fühlten. Aber wahrscheinlich war es ein Transplantat. Oder einfach nur die Frisur, die ihm gefiel.

Man konnte ihn nicht fragen. Er kam aus Syrien oder Jordanien oder einem Land, wo die Ärzte ihre Würde wahrten. Seine Höflichkeit war frostig.

»Zunächst einmal«, sagte er, »möchte ich nicht, dass Sie einen falschen Eindruck bekommen.«

 

Sie begab sich aus dem klimatisierten Gebäude in die grelle Glut eines späten Augustnachmittags in Ontario. Manchmal brannte sich die Sonne durch die Schleierwolken, manchmal blieb sie dahinter - auf die Hitze hatte das keinen Einfluss. Die geparkten Autos, das Pflaster, die Backsteine der Gebäude, so kam es Jinny vor, bombardierten sie regelrecht, als wären sie alle gesonderte Begebenheiten, in absurder Reihenfolge aneinander gefügt. Sie wurde derzeit nicht gut mit Veränderungen der Umgebung fertig, sie wollte alles vertraut und gleich bleibend haben. Ebenso erging es ihr mit wechselnden Informationen.

Sie sah, wie der Transporter sich von seinem Platz am Bordstein entfernte und die Straße herauffuhr, um sie abzuholen. Er war hellblau, eine schimmernde, Ekel erregende Farbe. Helleres Blau, wo die Roststellen übermalt worden waren. Seine Aufkleber verkündeten ICH WEISS, ICH FAHRE EINEN SCHROTTHAUFEN, ABER SIE SOLLTEN ERST MAL MEIN HAUS SEHEN und EHRE DEINE MUTTER - DIE ERDE und (der war neueren Datums) BENUTZT PESTIZIDE, ROTTET DAS UNKRAUT AUS, FÖRDERT DEN KREBS.

Neal kam ums Auto, um ihr behilflich zu sein.

»Sie ist im Transporter«, sagte er. Seine Stimme hatte einen ungeduldigen Unterton, der sich als unbestimmte Warnung oder Bitte übertrug. Eine Geschäftigkeit, eine Spannung um ihn, die Jinny verriet, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war, um ihm ihre Neuigkeiten mitzuteilen, wenn man sie überhaupt Neuigkeiten nennen konnte. Wenn andere Menschen um Neal waren, auch nur eine andere Person außer Jinny, dann änderte sich sein Verhalten, wurde lebhafter, enthusiastischer, liebenswürdiger. Jinny machte das inzwischen kaum noch zu schaffen - sie waren seit einundzwanzig Jahren zusammen. Außerdem hatte sie sich verändert - als Reaktion darauf, dachte sie immer - und war reservierter und ein wenig ironisch geworden. Manche Maskeraden waren eben notwendig oder zu sehr zur Gewohnheit geworden, um abgelegt zu werden. Wie Neals antiquierte Erscheinung - das bunte Tuch um die Stirn, der struppige graue Pferdeschwanz, der kleine goldene Ohrring, der im Licht so blitzte wie die Goldeinfassungen seiner Zähne, dazu seine abgetragenen Revoluzzerklamotten.

Während sie beim Arzt war, hatte er das Mädchen abgeholt, das ihnen jetzt zur Hand gehen sollte. Er kannte sie aus dem Jugendgefängnis, in dem er Lehrer war und in dem sie in der Küche gearbeitet hatte. Das Jugendgefängnis lag gleich außerhalb der Stadt, in der sie wohnten, ungefähr zwanzig Meilen entfernt. Das Mädchen hatte den Küchenjob vor ein paar Monaten aufgegeben und den Haushalt einer Farmersfamilie besorgt, in der die Mutter erkrankt war. Irgendwo nicht weit von dieser größeren Stadt. Zum Glück war sie jetzt frei.

»Was ist aus der Frau geworden?«, hatte Jinny gefragt. »Ist sie gestorben?«

Neal sagte: »Sie ist ins Krankenhaus gekommen.«

»Läuft aufs selbe hinaus.«

 

Sie mussten in verhältnismäßig kurzer Zeit eine ganze Reihe von Vorkehrungen treffen. Aus dem Vorderzimmer ihres Hauses alle Akten rausschaffen, die Zeitungen und Zeitschriften mit wichtigen Artikeln, die noch nicht auf Diskette waren - sie hatten die Regale gefüllt, die an den Wänden des Zimmers bis zur Decke reichten. Auch die beiden Computer, die alten Schreibmaschinen, den Drucker. All das musste - vorübergehend, obwohl das niemand aussprach - im Haus von jemand anders untergebracht werden. Das Vorderzimmer war als Krankenzimmer vorgesehen.

Jinny hatte zu Neal gesagt, dass er wenigstens einen Computer behalten sollte, im Schlafzimmer. Aber er hatte das abgelehnt. Er sprach es nicht aus, aber sie verstand, dass er der Meinung war, dafür würde er keine Zeit haben.

Neal hatte in den Jahren, seit sie mit ihm zusammen war, fast seine gesamte Freizeit mit dem Organisieren und Durchführen von Aktionen verbracht. Nicht nur politische Aktionen (die auch), sondern Bürgerinitiativen, um historische Gebäude und Brücken und Friedhöfe zu retten, um zu verhindern, dass Bäume entlang der städtischen Straßen und in verbliebenen Waldstücken gefällt wurden, um Flüsse vor giftigen Einleitungen und schöne Landschaften vor Immobilienhaien und die Stadtbewohner vor Spielcasinos zu bewahren. Ständig waren Briefe und Eingaben geschrieben, Behörden bestürmt, Plakate verteilt, Demonstrationen organisiert worden. Das Vorderzimmer war die Bühne für empörte Ausbrüche (die den Leuten offensichtlich gut taten, fand Jinny) und verwirrte Vorschläge und Streitereien und Neals nervende Lebhaftigkeit gewesen. Und als es nun plötzlich leer stand, musste sie daran denken, wie sie zum ersten Mal dieses Haus betreten hatte, geradewegs aus dem Halbgeschosshaus ihrer Eltern mit den gerafften Portieren an den Fenstern kommend, und all die mit Büchern gefüllten Regale betrachtet hatte, die hölzernen Fensterläden und die schönen Orientteppiche, deren Namen sie immer wieder vergaß, auf den gefirnissten Dielen. Der Canaletto-Druck, den sie für ihr Zimmer im College gekauft hatte, an der einzigen leeren Wand. Lord Mayor´s Day auf der Themse. Sie hatte ihn selbst aufgehängt, auch wenn sie ihn inzwischen gar nicht mehr wahrnahm.

Sie mieteten ein Krankenhausbett - sie brauchten es...
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Autor

Alice Munro, geboren am 10. Juli 1931 in Wingham, Ontario, Kanada, ist eine der bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart. Sie erhielt 2013 die höchste Auszeichnung für Literatur, den Nobelpreis. Ihr umfangreiches erzählerisches Werk wurde bereits zuvor mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Giller Prize, dem Book Critics Circle Award und dem Man Booker International Prize. Alice Munro starb am 13. Mai 2024 in Port Hope, Ontario. Im S. FISCHER Verlag bzw. FISCHER Taschenbuch Verlag liegen vor: >Himmel und HölleDie Liebe einer FrauDer Traum meiner MutterTricksWozu wollen Sie das wissen?Zu viel GlückTanz der seligen GeisterOffene GeheimnisseGlaubst du, es war Liebe?Das BettlermädchenDer Mond über der EisbahnLiebes LebenWas ich dir schon immer sagen wollteDie JupitermondeFerne Verabredungen. Die schönsten ErzählungenKleine Aussichten