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Die imaginäre Freundin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am22.05.20121. Auflage
Mit 19 wusste Irving schon genau, was er wollte: ringen und Romane schreiben. Bis zum Durchbruch von Garp machte er Wien mit seinem Motorrad unsicher und trainierte an amerikanischen Universitäten Ringermannschaften und angehende Schriftsteller. John Irving ganz privat, unspektakulär und sympathisch.

John Irving, geboren 1942 in Exeter, New Hampshire, lebt in Toronto und ist einer der begnadetsten Autoren Nordamerikas. Seine bisher 15 Romane wurden alle Weltbestseller, vier davon verfilmt. 2000 erhielt er einen Oscar für die beste Drehbuchadaption für die Verfilmung seines Romans ?Gottes Werk und Teufels Beitrag?.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR13,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextMit 19 wusste Irving schon genau, was er wollte: ringen und Romane schreiben. Bis zum Durchbruch von Garp machte er Wien mit seinem Motorrad unsicher und trainierte an amerikanischen Universitäten Ringermannschaften und angehende Schriftsteller. John Irving ganz privat, unspektakulär und sympathisch.

John Irving, geboren 1942 in Exeter, New Hampshire, lebt in Toronto und ist einer der begnadetsten Autoren Nordamerikas. Seine bisher 15 Romane wurden alle Weltbestseller, vier davon verfilmt. 2000 erhielt er einen Oscar für die beste Drehbuchadaption für die Verfilmung seines Romans ?Gottes Werk und Teufels Beitrag?.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257601282
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum22.05.2012
Auflage1. Auflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3422 Kbytes
Artikel-Nr.1293629
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

[20] Die Halbpfund-Scheibe Toast

Während meiner Zeit an der Exeter Academy erlebten die Ringer unter Coach Seabrooke zwei entscheidende Veränderungen. Als erstes wurde die Ringerhalle aus dem Souterrain der alten Sporthalle in den oberen Bereich der Hallenbahn verlegt, die allgemein der Käfig hieß. Der neue Raum mit seinen hohen Deckenbalken war extrem warm. Von der Laufbahn unter uns, die aus gestampfter Erde bestand, und von der Holzbahn, die um das obere Geschoß herumlief, kam das gleichmäßige Trampeln der Läufer. Doch sobald wir mit dem Mattentraining begannen, hörten wir die Läufer nicht mehr, da die Ringerhalle durch eine schwere Schiebetür von der Holzbahn abgetrennt wurde. Vor und nach dem Training stand diese Tür offen; solange wir trainierten, war sie geschlossen.

Die zweite Veränderung, die die Ringer betraf, waren die Matten. Ich habe auf Roßhaarmatten zu ringen angefangen, die mit einer hauchdünnen, elastischen Plastikschicht überzogen waren. Als vorbeugende Maßnahme gegen Mattenbrand war diese Plastikverkleidung einigermaßen wirkungsvoll, nur gab sie nach - wie ein Betttuch -, sobald man sich darauf bewegte. Die losen Falten führten zu Knöchelverletzungen; und aufpralldämpfende Eigenschaften besaßen diese alten Roßhaarmatten im Vergleich zu den [21] komfortablen neuen Matten, die rechtzeitig zur Einweihung der neuen Ringerhalle eintrafen, so gut wie gar nicht.

Die neuen Matten hatten eine weiche Oberfläche ohne Überzug. Wenn sie warm waren, konnte man aus Kniehöhe ein Ei darauf fallen lassen, ohne daß es zerbrach. (Wenn doch einmal ein Ei kaputt ging, behaupteten wir einfach, die Matte sei nicht warm genug gewesen.) Auf einem kalten Hallenboden veränderte sich die Beschaffenheit der Matte grundlegend. In späteren Zeiten hatte ich in meiner ungeheizten Scheune in Vermont eine Ringermatte, die im Winter beinhart war.

Die meisten unserer Freundschaftskämpfe wurden in der sogenannten Grube ausgetragen und nicht in der Ringerhalle, in der wir trainierten. Von der Holzbahn, die an einer Stelle eine über die Grube reichende Ausbuchtung hatte, zweigte außerdem eine L-förmige, hölzerne Galerie ab. Von dort oben konnten insgesamt zwei- bis dreihundert Zuschauer auf ein nicht ganz der Normgröße entsprechendes Basketballfeld hinunterblicken, auf dem wir unsere Matten ausgerollt hatten. Daneben blieb kaum ausreichend Platz für ein rundes Dutzend Zuschauerstühle, so daß sich die meisten Fans über unseren Köpfen befanden, auf der Holzbahn und der Galerie. Es war, als würde man auf dem Boden einer Teetasse ringen, während die Zuschauer über den Tassenrand spähten.

Dieser Raum, in dem unsere Wettkämpfe stattfanden, wurde zu Recht die Grube genannt. Der Erdgeruch der angrenzenden Laufbahn rief seltsamerweise Erinnerungen an den Sommer wach, obwohl Ringen ein Wintersport ist. Da die Tür nach draußen ständig auf und zu ging, war es in [22] der Grube nie warm, und die Matten, die in der Ringerhalle so warm und weich waren, fühlten sich bei den Wettkämpfen kalt und hart an. Und wenn unsere Freundschaftskämpfe zeitlich mit Wettkämpfen der Läufer im Käfig zusammenfielen, hallte der Knall der Startpistole in der Grube wider. Ich habe mich oft gefragt, was die Ringer, die bei uns zu Gast waren, von den Schüssen halten mochten.

Mein erster Kampf in der Grube war eine lehrreiche Erfahrung. An halbwegs niveauvollen Mannschaftswettkämpfen der Prep-Schools und High-Schools nehmen nur selten Leute teil, die erst ein oder zwei Jahre ringen. In den fünfziger Jahren gehörte Ringen - im Gegensatz zu Baseball, Basketball, Hockey oder Skifahren - nicht zu den Sportarten, mit denen jedes Kind in New Hampshire selbstverständlich aufwuchs. Bei jedem Sport muß man bestimmte unlogische Dinge lernen; speziell Ringen fällt einem nicht auf Anhieb leicht. Denn ein Doppelbeingriff mit folgendem Niederwurf ist eben nicht dasselbe wie wenn man beim Football versucht, den Gegner frontal zu stoppen. Beim Ringen geht es nicht darum, den Gegner zu Boden zu werfen - es geht darum, ihn zu kontrollieren. Will man den anderen mit einem Beinangriff zu Boden bringen, gehört mehr dazu, als ihm die Beine unter dem Körper wegzuschlagen: Man muß die eigenen Hüften unter den Gegner bekommen, damit man ihn von der Matte heben kann, bevor man ihn zu Boden bringt - und das ist nur ein Beispiel. Eins jedenfalls steht fest: Beim Ringen befindet sich ein Anfänger, auch wenn er noch soviel Kraft und Kondition hat, einem erfahrenen Gegner gegenüber immer im Nachteil.

Ich habe vergessen, welche Kombination aus [23] Krankheiten, Verletzungen oder Todesfällen in der Familie mir meinen ersten Wettkampf in der Grube bescherte; da ich erst in dem Jahr zu ringen begonnen hatte, genügte es mir völlig, mit anderen Anfängern oder etwas Geübteren zu ringen. In der Ringerhalle war eine nach Gewichtsklassen gestaffelte Leiter aufgehängt, auf der ich im ersten Jahr als vierter oder fünfter in der Gewichtsklasse bis 60 Kilo weit unten rangierte. Aber die Nummer Eins war krank oder verletzt, der zweitbeste Mann konnte das Gewichtslimit nicht erreichen, und der nächste auf der Liste war vermutlich übers Wochenende nach Hause gefahren, weil sich seine Eltern scheiden ließen. Wer weiß? Jedenfalls war ich aus irgendwelchen Gründen der beste verfügbare Mann in der 60-Kilo-Klasse.

Diese unerfreuliche Nachricht erreichte mich im Speisesaal, wo ich an einem der Lehrertische bediente; zum Glück hatte ich noch kein Frühstück im Magen, sonst hätte ich es garantiert ausgespuckt. Da ich knapp zwei Kilo über dem Gewichtslimit lag, lief ich zunächst eine knappe Stunde auf der Holzbahn des Käfigs - in Skianorak und Winterkleidung. Dann absolvierte ich, in Schwitzanzug und einem Kapuzen-Sweatshirt darüber, eine halbe Stunde Seilspringen in der Ringerhalle. Beim Wiegen - ich lag knapp 50 Gramm unter 60 Kilo - sah ich zum ersten Mal meinen Gegner, Vincent Buonomano von der Mount Pleasant High School in Providence, Rhode Island, einen amtierenden New-England-Champion.

Hätten wir die Gewichtsklasse unbesetzt gelassen, hätten wir nicht schlechter abschneiden können, denn Nichtantreten wurde genauso bewertet wie ein Schultersieg - mit sechs Punkten. Coach Seabrooke hatte die Hoffnung, daß ich [24] keine Schulterniederlage hinnehmen mußte. Wenn man zu jener Zeit einen Kampf aufgab, bedeutete das einen Verlust von drei Punkten für die Mannschaft, egal wie groß die Punktdifferenz bei den Einzelkämpfen ausfiel. Mein Ziel war es mit anderen Worten, mir eine Schlappe beibringen zu lassen, damit die Mannschaft statt sechs Punkten nur drei einbüßte.

Während der ersten fünfzehn bis zwanzig Sekunden erschien dieses Ziel erreichbar. Dann landete ich rücklings auf der Matte und verbrachte den Rest der Runde in der Brückenlage - zum Glück hatte ich einen kräftigen Nacken. In der zweiten Runde konnte ich mir die Kampfstellung aussuchen. Auf Coach Seabrookes Rat hin entschied ich mich für die Oberlage. (Ted wußte, daß ich in der Bodenlage so gut wie keine Chance hatte.) Aber Buonomano drehte mich sofort, so daß ich auch die zweite Runde weitgehend damit verbrachte, in der Bodenlage zu kämpfen. Die einzigen Punkte bekam ich dafür, daß ich wiederholt auf die Beine kam - unverdient, weil Buonomano es zuließ. Vermutlich erschien es ihm einfacher, mich direkt aus dem Stand zu schultern, das heißt, mit beiden Schultern auf die Matte zu bringen. Bei einem solchen Niederwurf landete ich auf der Nase - beide Hände waren gefesselt, so daß ich den Aufprall nicht abbremsen konnte. (Es stimmt übrigens, daß man »Sternchen« sieht.)

Muß ein Ringkampf wegen einer Blutung unterbrochen werden, wird diese Verletzungszeit nicht gerechnet, da man in dem Fall nicht simulieren kann. Bei anderen Verletzungen werden einem Ringer nicht mehr als neunzig Sekunden Verletzungszeit für die gesamte Wettkampfdauer zugestanden. [25] Die Zeit für meine blutende Nase wurde also nicht gestoppt. Nachdem mir mein Betreuer genügend Watte in die Nasenlöcher gestopft hatte, um das Blut zu stillen, legte sich meine Benommenheit; ich warf einen Blick auf die Wettkampfuhr - nur noch fünfzehn Sekunden! Ich war voller Zuversicht, daß ich es schaffen würde, in den nächsten 15 Sekunden nicht auf dem Rücken zu landen, und sagte das auch Ted Seabrooke.

»Es ist erst die zweite Runde«, meinte Seabrooke.

Ich überstand die fünfzehn Sekunden, mußte aber etwa in der Mitte der dritten Runde eine Schulterniederlage hinnehmen - »und das knapp eine Minute vor Schluß«, meinte meine Mutter bedauernd.

Das Schlimmste an einer Schulterniederlage waren die vielen Gesichter, die auf einen herabblickten und die man so schnell nicht vergaß. Wenn man gewann, lärmten die Fans, lag man auf dem Rücken, waren sie still und machten eigenartig gleichgültige Gesichter, als wollten sie sich schon jetzt von deiner Niederlage distanzieren.

Ich wurde nie in der Grube geschultert, sondern habe dort nur noch einen Kampf wegen einer Verletzung verloren - ich brach mir die Hand. Als mir der Betreuer den Eimer hinhielt, weil ich mich übergeben mußte, sah ich darin die orangefarbenen Krusten und ein blutiges Handtuch und fiel prompt in Ohnmacht. Doch abgesehen von diesem Mißgeschick und meinem allerersten Wettkampf mit Vincent Buonomano von der Mount Pleasant High School, war die Grube für mich mit Siegen verknüpft; meine besten Kämpfe habe ich dort ausgetragen. Dort habe ich gegen den New-England-Champion Anthony Pierannunzi von der [26] East Providence High School 1 zu 1 unentschieden...
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Autor

John Irving, geboren 1942 in Exeter, New Hampshire, lebt in Toronto und ist einer der begnadetsten Autoren Nordamerikas. Seine bisher 15 Romane wurden alle Weltbestseller, vier davon verfilmt. 2000 erhielt er einen Oscar für die beste Drehbuchadaption für die Verfilmung seines Romans >Gottes Werk und Teufels Beitrag