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Tochter des Windes

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am15.10.2013
Im Land der aufgehenden Sonne wartet ihr Schicksal auf sie ...
Die japanische Architektin Mia stammt von den Windmenschen ab - Ninjas, die nicht nur gefährliche Kämpfer waren, sondern auch begabte Baumeister, die uneinnehmbare Festungen entwarfen. Auf einer Reise in Europa begegnet sie dem deutschen Historiker Rainer - es ist Liebe auf den ersten Blick. Bereits nach einigen Tagen muss Mia jedoch nach Japan zurück, und Rainer trifft zum ersten Mal eine spontane Entscheidung: Er kündigt seine Stelle und folgt ihr nach Tokyo - im Gepäck nur eines: den Wunsch auf ein neues Leben. Im Land der aufgehenden Sonne erwartet ihn aber nicht nur eine völlig fremde Welt, sondern auch die ruhmreiche Vergangenheit von Mias Familie - sowie ein unglaubliches Geheimnis ...

Federica de Cesco, geboren in der Nähe von Venedig, verbrachte ihre Kindheit in Italien, Eritrea, Deutschland und Belgien. Bereits mit sechzehn Jahren schrieb sie ihr erstes Jugendbuch, das sofort ein großer Erfolg wurde. Seitdem hat sie Millionen von Leserinnen begeistert. Wie keine Zweite versteht sie es, starke, selbstbewusste Figuren zu schaffen und großartige Panoramen fremder Kulturen zu entwerfen. Heute lebt sie mit ihrem Mann, einem japanischen Fotografen, in der Schweiz.
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Produkt

KlappentextIm Land der aufgehenden Sonne wartet ihr Schicksal auf sie ...
Die japanische Architektin Mia stammt von den Windmenschen ab - Ninjas, die nicht nur gefährliche Kämpfer waren, sondern auch begabte Baumeister, die uneinnehmbare Festungen entwarfen. Auf einer Reise in Europa begegnet sie dem deutschen Historiker Rainer - es ist Liebe auf den ersten Blick. Bereits nach einigen Tagen muss Mia jedoch nach Japan zurück, und Rainer trifft zum ersten Mal eine spontane Entscheidung: Er kündigt seine Stelle und folgt ihr nach Tokyo - im Gepäck nur eines: den Wunsch auf ein neues Leben. Im Land der aufgehenden Sonne erwartet ihn aber nicht nur eine völlig fremde Welt, sondern auch die ruhmreiche Vergangenheit von Mias Familie - sowie ein unglaubliches Geheimnis ...

Federica de Cesco, geboren in der Nähe von Venedig, verbrachte ihre Kindheit in Italien, Eritrea, Deutschland und Belgien. Bereits mit sechzehn Jahren schrieb sie ihr erstes Jugendbuch, das sofort ein großer Erfolg wurde. Seitdem hat sie Millionen von Leserinnen begeistert. Wie keine Zweite versteht sie es, starke, selbstbewusste Figuren zu schaffen und großartige Panoramen fremder Kulturen zu entwerfen. Heute lebt sie mit ihrem Mann, einem japanischen Fotografen, in der Schweiz.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641130053
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum15.10.2013
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2186 Kbytes
Artikel-Nr.1311591
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Kapitel

Ich werde oft gefragt, warum ich denn eigentlich in Japan lebe. Was soll ich antworten? Die Wahrheit sagen? Dass meine Frau mich verlassen und eine andere mir Wein über die Hose geschüttet hatte? »Ein Trankopfer für die Götter« lässt sich dann noch in galantem Ton hinzufügen, was bei jedem Small Talk Amüsement auslöst. Ich vereinfache natürlich. Was wirklich geschah, kann ich leider nicht in ein paar Worten zusammenfassen, und ich bin auch heute noch nicht imstande, die Ereignisse in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen. Der Brocken war einfach zu hart für mich. Eigentlich fing alles ganz harmlos an, und der erste Anblick Japans war mir freundlich erschienen. Diesem Land hatte ich mich sogleich nahe gefühlt. Ich glitt sozusagen wie auf Flügeln in mein neues Leben. Nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir jemals vorstellen können, in eine derart verrückte Geschichte zu geraten. Eine Geschichte mit einem Spukhaus, einem Gespenst, das sich in mich verguckte, und Katastrophen jeglicher Art, bei denen die Erdachse geradezu ins Wackeln geriet. Und das meine ich nicht nur als rhetorische Floskel.

 


Aber zunächst stand ich, Rainer Wilhelm Steckborn, Kunsthistoriker (oder -hysteriker?), Dozent an der Universität Hamburg, Spezialist für italienische Renaissance, wie ein begossener Pudel da und schwelgte in Selbstmitleid. Den großen Crash hatte ich nicht kommen sehen. SOS, Bauchlandung. Amalia - meine Mutter hatte mich vorgewarnt; ich aber hatte Stöpsel in den Ohren und hörte Mozart. Mutter hat ziemlich viel Lebenserfahrung. Sie hatte im Laufe der Jahre genug Munition für ihre Misanthropie gesammelt. Meinem Vater  - um ihn kurz zu erwähnen  - war die Welt wurscht gewesen, für ihn zählte nur die Musik. Er war freundlich, unpünktlich, total geistesabwesend. »Macht, was ihr wollt, aber lasst mich in Frieden«  - so ungefähr lautete sein Motto. Die Familie nannte er sein emotionales Umfeld, was auch immer er darunter verstand. Als er starb  - Herzinfarkt  -, war ich vierzehn. Worauf Mutter sich ihre längst fällige Depression mit Schlafmitteln und Alkohol leistete  - auf meinen Vater, den sie sehr liebte, war ja nie Verlass gewesen  -, und ich prompt durchs Examen fiel. Daraufhin färbte ich mir die Haare grün, soff, rauchte und schluckte alles Mögliche und Unmögliche. No future  - weder für mich noch für Amalia, und für die Schule schon gar nicht. Die ganze Welt war eine Mülldeponie, und ich hockte obendrauf, in bewährter Fötusposition, wobei mir kotzübel war.

Tja, und dann fuhren Mutter und ich nach Italien, sie mit ihren Schlaftabletten, ich mit Sicherheitsnadeln in den Ohren. Eine trug ich sogar im Nasenloch, was sich als reichlich unpraktisch erwies, als ich Schnupfen bekam. Ich zog die Nadel unter Schmerzen heraus und konnte mir endlich die Nase putzen. Danach fühlte ich mich besser.

Der Grund dafür, dass wir, um es mal hochtrabend auszudrücken, in Goethes Fußstapfen wanderten, hieß Liselotte, die Amalia Lilo nannte, eine ihrer zahlreichen glücklich geschiedenen Freundinnen. Lilo hatte ein Haus in der Toskana und fuhr für zwei Wochen nach Amalfi, mit jemandem, den sie eben nur als »jemand« bezeichnete. Wir sollten ihre Katzen und ihre Salate hüten. Mich bat sie freundlich, nichts kaputt zu schlagen. Sie sah ja ein, dass wir vor dem dritten Weltkrieg standen, dass im Golf von Mexiko gerade vierhunderttausend Tonnen Öl ins Meer gelaufen waren  - höchst bedauerlich das Ganze, aber ob ich inzwischen wohl so nett wäre, ihren Kräutergarten zu begießen? Am besten frühmorgens oder abends, wenn die Hitze nachließ. Sie zeigte mir, wo der Gartenschlauch war und wo die Gießkannen standen. Und weg war sie, tschüss. Es war August, der Garten duftete nach Jasmin und Myrte. Ich hatte nicht viel Erfahrung mit dem Sommer. Der italienische Sommer war eben anders. Mutter kochte Tagliatelle und Rigatoni, ich pflückte die reifen Tomaten, und sie schmeckten sonnenwarm. Die drei schwarz-weißen Katzen sahen wir nicht oft. Sie kamen nur, wenn sie gefüttert werden wollten, starrten uns gebieterisch an und ließen sich bedienen. Gelegentlich strichen sie uns distanziert um die Beine. Das war alles.

Lilo kam zurück, quietschvergnügt und mit prachtvollem Sonnenbrand. Sie sah aus, als hätte sie Honig geschleckt. Und kaum war sie da, lagen plötzlich die Katzen auf dem Sofa, nahmen mir den Platz vor dem Fernseher weg und schnurrten verzückt. Ihren »jemand« hatte Lilo vorläufig zurückgelassen, er würde aber bald nachkommen. Mutter verstand den Wink mit dem Zaunpfahl. Ja, ja, sie hatte sowieso mal im Sinn, mit Rainer einige Kulturstätten zu besichtigen. Ich hatte null Bock auf Kulturstätten  - was hieß das überhaupt? Obendrein war ich beleidigt. Ich mochte Katzen, die drei da mochten Lilo lieber als mich, ich kam mir wie ein abgewiesener Liebhaber vor. In mieser Laune warf ich meinen Rucksack in den Toyota, knallte den Kofferraum zu, und Amalia drehte den Zündschlüssel. Wir fuhren unter Schirmakazien die staubige Straße hinauf, Lilo stand vor dem Gartentor, trug weiße Shorts und ein Tuch um die Brust geknotet und winkte munter mit rot gekochten Armen. Als sie unserer Sicht entschwand, begann ich das zu erleben, was ich später in meiner komplizierten Art meine »wunderbar verstrickte« Lebensphase nennen würde. Was ich eigentlich damit sagen will: Ich hatte plötzlich eine Energie in mir, die im Unterbewusstsein arbeitete und das psychische Räderwerk antrieb. Und somit begann ich, aus den Sackgassen, Winkeln und Abzweigungen meines inneren Labyrinths, aus den Gängen und Fallen, die da Kindheit, Schule, Familie, Religion und Weltanschauung hießen, zu entkommen und erwachsen zu werden.

Ende August ließen die Touristenströme nach. Schulanfang in ganz Europa. Wir nahmen uns noch ein paar Tage. Am Anfang also Florenz. Spaziergänge zunächst. Ist diese Stadt nicht schön?, fragte Mutter. Ich zog die Schultern hoch. Na ja ... Auf ganz besondere Weise, das musste ich schon zugeben. Zu jeder Stunde wechselte das Licht, die Stimmung gefiel mir. Auf den Piazzas, unter Kastanienbäumen, kamen und gingen die Mädchen. Ihr Haar funkelte, ihre Busen hüpften, ihre Hüften schwangen. Ich glotzte mir die Augen nach ihnen aus. Leider zeigten mir ihre Seitenblicke unmissverständlich, dass ich nicht genug Bart hatte. Und grüne Haare? Anzügliches Kichern in jeder Gelateria. Ich nahm kummervoll wahr, dass man mich unsexy fand. Das war bitter für meine junge Männlichkeit.

Mutter forderte mich auf, sie ins Museum zu begleiten. Ich sträubte mich vergeblich. Einmal in deinem Leben, ja? Wenn wir schon mal hier sind! Ich trabte hinter ihr her, ohne mir die geringste Mühe zu geben, mich in Schwung zu halten. Zu viele Ragazze auf der Piazza Duomo, aber keine, die mich beachtete. Ich sah ihnen kummervoll nach und knallte gegen Marmorsäulen. Amalia drehte sich von Zeit zu Zeit zu mir um, um zu sehen, ob ich ihr immer noch folgte. Dabei redete sie wie eine Lehrerin, erklärte mir die Statuen, die anatomisch perfekt alles zeigten, was man sonst verbarg, setzte sich auf kalte Steinbänke, um mit mir die Bilder zu betrachten, die da hingen. Ich gab dann und wann einen Grunzlaut von mir, aber erstaunlicherweise sah ich mir die Bilder an und hörte auch zu. Ein starkes Interesse fesselte mich, aber ich wollte nicht, dass sie es merkte. So redete Mutter unbefangen mit jemandem, der finster Kaugummi fletschte und nie Antwort gab, was ihr offenbar nichts ausmachte. Auf diese Weise erfuhr ich, dass Filippo Brunelleschi (1377-1446) nicht nur Goldschmied war, sondern gleichzeitig auch Bildhauer und Architekt, und  - so ganz nebenbei  - auch noch die Perspektive in der Malerei erfand. Ein Multitalent, würde man heute sagen. Dass Michelangelo sich nicht wie ein Engel benahm, obwohl er so hieß und ständig welche malte, und dass Caravaggio einer meiner punkigen Vorläufer war, sozusagen ein Prototyp. Mit der Bemerkung, er habe in meinem Alter schon im Knast gesessen, vermittelte mir Mutter wichtiges Bildungsmaterial.

»Was würdest du dazu sagen«, geruhte ich zu fragen, »wenn ich auch mal verhaftet würde, he?«

Mutter nahm keinen Anstoß daran.

»Ich würde dich nicht bedauern. Könnte dir sogar guttun, unbedingt.«

Das fand ich nicht nett von Amalia, aber ich fragte mich bereits, ob solcherlei Know-how überhaupt noch Sinn für mich hatte. Nur ein Genie macht sich gut im Knast, und mit meiner Malerei war es nicht so weit her.

Ich sah die italienische Renaissance mit den Augen eines Halbwüchsigen, dem allmählich klar wurde, dass schon andere vor ihm Zähneknirschen, Wut und Frust erlebt und trotzdem irgendwas Großartiges zustande gebracht hatten. Dabei beschränkte ich den Erkenntnisbegriff von vornherein auf den Bereich der seelischen Innerlichkeit, auch wenn Mutter wenig Sinn für neurologische Störungen bei Teenagern hatte und mir bei Gelegenheit gerne lustvoll eine geklebt hätte. Sie nahm sich zusammen. Man war antiautoritär.

Egal. Das Unbewusste ist nicht nur Abfallkübel für verdrängte Probleme, sondern bietet auch wertvollen Energien Platz. Die Kirchen und Museen, die wir besichtigten, waren Räume für alle guten und vielfältigen menschlichen Möglichkeiten. So schien es mir zumindest. Und danach wusste ich, was ich studieren wollte. Heute bin ich Dozent, und bisher gab es noch immer, trotz privater und allgemeiner Katastrophen, ein Future. So leicht geht die Welt nicht unter.

 


Allerdings gab es Nachwirkungen. Ich kam in meine Wohnung, und niemand war da. Tanja...

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Autor

Federica de Cesco, geboren in der Nähe von Venedig, verbrachte ihre Kindheit in Italien, Eritrea, Deutschland und Belgien. Bereits mit sechzehn Jahren schrieb sie ihr erstes Jugendbuch, das sofort ein großer Erfolg wurde. Seitdem hat sie Millionen von Leserinnen begeistert. Wie keine Zweite versteht sie es, starke, selbstbewusste Figuren zu schaffen und großartige Panoramen fremder Kulturen zu entwerfen. Heute lebt sie mit ihrem Mann, einem japanischen Fotografen, in der Schweiz.