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Nachtprogramm

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am02.12.2013
Oft kopiert - nie erreicht: Sedaris ist das Original, denn niemand kann die Schrecken des Jungseins und des Familienlebens so haarsträubend komisch und charmant schildern.


David Sedaris, geboren 1956 in Johnson City, New York, aufgewachsen in Raleigh, North Carolina, lebt in England. Er schreibt u. a. für den New Yorker und BBC Radio 4. Mit seinen Büchern Naked, Fuselfieber, Ich ein Tag sprechen hübsch und Schöner wird's nicht wurde er zum Bestsellerautor. Zuletzt erschienen im Blessing Verlag Das Leben ist kein Streichelzoo. Fiese Fabeln (2011), Sprechen wir über Eulen - und Diabetes (2013), Calypso (2018) und Bitte lächeln! (2023) sowie seine vielbeachteten Tagebücher Wer's findet, dem gehört's (2017) und Kleine Happen (2023).
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Produkt

KlappentextOft kopiert - nie erreicht: Sedaris ist das Original, denn niemand kann die Schrecken des Jungseins und des Familienlebens so haarsträubend komisch und charmant schildern.


David Sedaris, geboren 1956 in Johnson City, New York, aufgewachsen in Raleigh, North Carolina, lebt in England. Er schreibt u. a. für den New Yorker und BBC Radio 4. Mit seinen Büchern Naked, Fuselfieber, Ich ein Tag sprechen hübsch und Schöner wird's nicht wurde er zum Bestsellerautor. Zuletzt erschienen im Blessing Verlag Das Leben ist kein Streichelzoo. Fiese Fabeln (2011), Sprechen wir über Eulen - und Diabetes (2013), Calypso (2018) und Bitte lächeln! (2023) sowie seine vielbeachteten Tagebücher Wer's findet, dem gehört's (2017) und Kleine Happen (2023).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641135683
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum02.12.2013
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1286 Kbytes
Artikel-Nr.1335577
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Klar Schiff

Meine Mutter und ich standen in der Reinigung hinter einer Frau, die wir noch nie gesehen hatten. »Eine attraktive Frau«, sagte meine Mutter später. »Gute Figur. Sehr elegant.« Die Frau trug passend zur Jahreszeit ein leichtes Baumwollkleid mit übergroßen Gänseblümchen. Ihre Schuhe hatten die Farbe der Blütenblätter, und ihre Tasche, die schwarz-gelb gestreift war, hing lose über ihre Schulter und umschwirrte die Blüten wie ein träges Bienchen. Sie reichte den Abholschein herüber, nahm ihre Kleider in Empfang und bedankte sich für den schnellen und zuverlässigen Service. »Wissen Sie«, sagte sie, »es wird viel über Raleigh geredet, aber das stimmt alles nicht, nicht wahr?«

Der Koreaner hinter der Theke nickte in der Art eines Ausländers, der verstanden hat, dass sein Gegenüber gerade einen Satz beendet hat. Er war nicht der Geschäftsinhaber, sondern bloß eine Aushilfskraft, die normalerweise hinten im Laden arbeitete, und es war offensichtlich, dass er keine Ahnung hatte, wovon die Rede war.

»Meine Schwester und ich sind zu Besuch hier«, sagte die Frau, diesmal ein wenig lauter, und wieder nickte der Mann. »Ich würde gerne noch etwas bleiben und mich umsehen, aber mein Heim - ich meine, eins meiner Heime  - steht bereit für die Gartensaison, und ich muss zurück nach Williamsburg.«

Ich war elf Jahre alt, doch selbst mir kam der Satz merkwürdig vor. Wenn sie damit den Koreaner beeindrucken wollte, war ihre Mühe vergebens, für wen also war die Information?

»Mein Heim - ich meine, eins meiner Heime«: Bis zum Abend hatten meine Mutter und ich den Satz garantiert fünfzigmal wiederholt. Die Gartensaison war nebensächlich, aber der erste Teil ihres Satzes war ein echter Knüller. Es gab, wie der Gedankenstrich zeigt, eine Pause zwischen den Wörtern »Mein Heim« und »ich meine«, ein kurzer Moment, in dem sie gedacht haben muss: Ach, warum nicht? Das darauf folgende Wort - »eins« - war wie ein sanfter Hauch aus ihrem Mund gekommen, und genau das war der schwierigste Teil. Man musste es genau hinbekommen, sonst verlor der Satz seine Wirkung. Irgendwo zwischen einem selbstbewussten Lachen und einem Seufzer zufriedener Verwirrung, verschaffte das »eins« der Aussage eine doppelte Bedeutung. Für Leute ihres Standes hieß er: »Seht her, ich bin ständig unterwegs!«, und den weniger Betuchten signalisierte er: »Macht euch nur keine falschen Vorstellungen, mehr als ein Haus zu haben bedeutet jede Menge Arbeit.«

Die ersten Dutzend Male klangen unsere Stimmen gezwungen und hochnäsig, doch gegen Nachmittag näherten wir uns ihrem weichen Tonfall. Wir wollten, was diese Frau hatte. Sie nachzuäffen ließ den Wunsch nur umso unerreichbarer erscheinen, sodass wir zu unserer eigenen Ausdrucksweise zurückkehrten.

»Mein Heim - ich meine, eins meiner Heime …« Meine Mutter sagte es so schnell, als fühle sie sich zu größerer Genauigkeit verpflichtet. Genau wie wenn sie sagte: »Meine Tochter - ich meine, eine meiner Töchter«, nur machte ein zweites Heim deutlich mehr her als eine zweite Tochter, sodass es nicht wirklich funktionierte. Ich ging in die entgegengesetzte Richtung und betonte das »eins« so stark, dass meine Zuhörer es als aufdringlich empfinden mussten.

»Wenn du es so sagst, machst du die Leute bloß neidisch«, sagte meine Mutter.

»Aber das wollen wir doch, oder?«

»In gewisser Weise schon«, sagte sie. »Aber vor allem sollen sie sich für uns freuen.«

»Wer freut sich denn für jemanden, der mehr hat als man selbst?«

»Ich denke, das kommt ganz auf die Person an«, sagte sie. »Ist aber auch egal. Wir werden die richtige Aussprache schon hinbekommen. Wenn der Tag kommt, da bin ich mir sicher, wird es wie von selbst gehen.«

Und so warteten wir.

 


Irgendwann zwischen Mitte und Ende der sechziger Jahre begann North Carolina sich selbst als »Ferienland für jeden Geschmack« zu bezeichnen. Der Slogan erschien auf den Autokennzeichen, und eine Reihe von Fernsehspots erinnerte uns daran, dass wir anders als gewisse Nachbarn sowohl Strand als auch Berge hatten. Es gab Leute, die zwischen beiden ständig hin und her hüpften, doch die meisten entschieden sich einmal für eine Landschaft und blieben dabei. Wir beispielsweise waren Strandurlauber, Emerald-Isle-Urlauber, auch wenn das hauptsächlich an meiner Mutter lag. Ich glaube nicht, dass mein Vater sich überhaupt etwas aus Urlaub machte. Sobald er von zu Hause fort war, wurde er reizbar und nervös, doch unsere Mutter liebte das Meer. Sie konnte nicht schwimmen, aber sie stand gerne mit einer Rute in der Hand am Ufer. Man hätte es nicht unbedingt als Angeln bezeichnen können, da sie nie etwas fing und ebenso wenig je Hoffnung oder Enttäuschung bezüglich ihrer Anstrengungen äußerte. Worüber sie nachdachte, während sie auf die Wellen hinausblickte, war ein einziges Rätsel, doch war ihr anzusehen, dass es angenehme Gedanken waren und dass sie sich selbst besser dabei gefiel.

In einem Jahr war mein Vater sehr spät dran mit der Reservierung, und wir mussten etwas zur Landseite nehmen. Es war kein Sommerdomizil, sondern ein heruntergekommenes Haus, wie es arme Leute bewohnen. Das Grundstück war mit einem Maschendrahtzaun umgeben, und in der Luft hingen Schwärme von Fliegen und Mücken, die normalerweise vom Seewind fortgeweht werden. In der Mitte der Ferien fiel eine abscheuliche pelzige Raupe aus einem Baum und biss meine Schwester Amy in die Wange. Ihr Gesicht schwoll an und verfärbte sich, und eine Stunde später war sie nur noch dank ihrer Arme und Beine als menschliches Wesen zu erkennen. Meine Mutter fuhr mit ihr ins Krankenhaus, und nach ihrer Rückkehr behandelte sie meine Schwester wie ein seltenes Ausstellungsstück, auf das sie mit dem Finger zeigte, als handle es sich nicht um ihre Tochter, sondern um einen hässlichen Fremdling, den man zu uns ins Quartier gesteckt hatte. »Das hat man nun davon, wenn man bis zum letzten Moment wartet«, sagte sie zu unserem Vater. »Keine Dünen, keine Wellen, nur das hier.«

Von dem Jahr an übernahm unsere Mutter die Reservierungen. Jedes Jahr im September verbrachten wir eine Woche auf Emerald Isle, und zwar immer auf der Meerseite, ein Wort, das einen gewissen Anspruch signalisierte. Die Ferienhäuser zum Meer hin standen auf Stelzen, was sie nicht größer, aber zumindest eindrucksvoller erscheinen ließ. Einige waren bunt angemalt, andere im Stil von Cape Cod an den Seiten mit Holzschindeln vertäfelt, und alle hatten einen Namen, wobei Langschläferparadies noch der originellste war. Die Besitzer hatten dem Schild die Form von zwei nebeneinander stehenden Filzpantoffeln gegeben. Die Schuhe waren realistisch gemalt, und die Buchstaben des Schriftzugs lehnten schlapp und träge an dem vermeintlich weichen Stoff.

»Also, das ist mal ein Schild«, sagte mein Vater, und wir alle stimmten ihm zu. Die anderen hießen »Der Sturmvogel«, »Onkel Toms Hütte«, »Moby Dick«, »Die kleine Meerjungfrau«, »Zur Sandburg« oder »Piratennest«, und dahinter folgten jedes Mal Name und Heimatort der Besitzer: der Duncan Clan - Charlotte, die Graftons - Rocky Mount, Hal und Jean Starling aus Pinehurst - Schilder, deren zentrale Botschaft lautete: »Mein Heim - ich meine, eins meiner Heime.«

Am Strand spürten wir mehr noch als sonst, wie sehr unser Leben vom Zufall abhing. War das Glück uns gewogen und es schien die Sonne, rechneten meine Schwestern und ich uns dies als persönliches Verdienst an. Wir waren eine glückliche Familie, und deshalb durften alle anderen um uns herum schwimmen oder im Sand buddeln. Wenn es regnete, hatte uns das Glück verlassen, und wir blieben im Haus und erforschten unsere Seelen. »Nach dem Mittagessen klart es auf«, sagte unsere Mutter, und wir aßen mit Bedacht und benutzten die Tischsets, die uns schon früher Glück gebracht hatten. Wenn auch das nicht half, gingen wir über zu Plan B. »Aber Mutter, du musst dich nicht so plagen«, sagten wir. »Lass uns nur das Geschirr waschen. Lass uns nur den Sand vom Boden fegen.«

Wir redeten wie die Kinder im Märchen, in der Hoffnung, durch unser vorbildliches Betragen die Sonne aus ihrem Versteck zu locken. »Du und Vater seid immer so gut zu uns. Setz dich und lass dir von uns den Nacken massieren.«

Wenn es bis zum späten Nachmittag immer noch nicht aufgeklart hatte, ließen meine Schwestern und ich das Theater und fielen übereinander her auf der Suche nach dem Schuldigen, der für unser Pech verantwortlich war. Wer von uns war am wenigsten enttäuscht? Wer hatte sich mit einem Buch und einem Glas Schokomilch auf eine der schimmeligen Matratzen gefläzt, als sei der Regen gar nicht so schlimm? Wir würden diese Person finden, meistens war es Gretchen, und sie verprügeln.

In dem Sommer, als ich zwölf wurde, zog ein tropischer Sturm die Küste entlang und färbte den Himmel in dem gleichen fleckigen Zinnober wie die blauen Flecken, die Gretchen davontrug, aber im darauf folgenden Jahr begannen wir mit einer Glückssträhne. Mein Vater entdeckte einen Golfplatz, der ihm gefiel, und schien zum ersten Mal überhaupt den Urlaub zu genießen. Er hockte entspannt mit einem Gin Tonic in der Hand auf der Sonnenterrasse, umgeben von seiner toastbraunen Frau und seinen Kindern, und gab zu, dass dies tatsächlich nicht schlecht war. »Ich habe mir gedacht, zur Hölle mit diesen gemieteten Ferienhäusern«, sagte er. »Warum machen wir nicht Nägel mit Köpfen und kaufen selbst eins?«

Er redete in dem Ton, in dem er uns sonst zum Eis einlud. »Wer hat Lust auf was Süßes?«, fragte er, und wir alle zwängten uns in den Wagen und sahen zu, wie er am...

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David Sedaris, geboren 1956 in Johnson City, New York, aufgewachsen in Raleigh, North Carolina, lebt in England. Er schreibt u. a. für den New Yorker und BBC Radio 4. Mit seinen Büchern Naked, Fuselfieber, Ich ein Tag sprechen hübsch und Schöner wird's nicht wurde er zum Bestsellerautor. Zuletzt erschienen im Blessing Verlag Das Leben ist kein Streichelzoo. Fiese Fabeln (2011), Sprechen wir über Eulen - und Diabetes (2013), Calypso (2018) und Bitte lächeln! (2023) sowie seine vielbeachteten Tagebücher Wer's findet, dem gehört's (2017) und Kleine Happen (2023).