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Die Lilieninsel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
464 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am24.07.20141. Auflage
Ein verwunschenes Haus an den Klippen von Guernsey. Ein Verbrechen, das Jahrzehnte zurückliegt. Eine junge Frau, die einen Neuanfang wagt. Nach dem Tod ihres Mannes zieht Marie mit ihren zwei kleinen Kindern in ein Landhaus an der schroffen Küste der Kanalinsel Guernsey. Bereits bei der Ankunft erwartet sie eine Enttäuschung: Das Haus liegt zwar direkt an den malerischen Klippen, ist jedoch völlig heruntergekommen. Zudem gibt es einen feindseligen Nachbarn, Bartholomé de Clairmont, Besitzer eines prachtvollen Anwesens. Dennoch beschließt Marie, mit Hilfe des attraktiven Architekten Vincent ihr Cottage zu renovieren. Doch da taucht in den Fundamenten das Skelett einer Frau auf, die vor vielen Jahrzehnten spurlos verschwunden ist. Als Marie mehr über die Hintergründe ihres Todes herausfinden will, enthüllt sie das Schicksal der rätselhaften Liliane de Clairmont... Zwei Frauenschicksale vor einer atemberaubenden Kulisse - stimmungsvoll, mysteriös und voller überraschenden Wendungen.

Sophia Cronberg wurde 1975 in Linz geboren. Seit einigen Jahren ist sie hauptberuflich Schriftstellerin. Sie spielt gern Klavier und liebt das Reisen. Sophia Cronberg ist Mutter einer kleinen Tochter und lebt abwechselnd in Frankfurt am Main und in Österreich. Bei FISCHER Taschenbuch sind von ihr »Das Efeuhaus«, »Die Lilieninsel« und »Der Palazzo am See« erschienen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextEin verwunschenes Haus an den Klippen von Guernsey. Ein Verbrechen, das Jahrzehnte zurückliegt. Eine junge Frau, die einen Neuanfang wagt. Nach dem Tod ihres Mannes zieht Marie mit ihren zwei kleinen Kindern in ein Landhaus an der schroffen Küste der Kanalinsel Guernsey. Bereits bei der Ankunft erwartet sie eine Enttäuschung: Das Haus liegt zwar direkt an den malerischen Klippen, ist jedoch völlig heruntergekommen. Zudem gibt es einen feindseligen Nachbarn, Bartholomé de Clairmont, Besitzer eines prachtvollen Anwesens. Dennoch beschließt Marie, mit Hilfe des attraktiven Architekten Vincent ihr Cottage zu renovieren. Doch da taucht in den Fundamenten das Skelett einer Frau auf, die vor vielen Jahrzehnten spurlos verschwunden ist. Als Marie mehr über die Hintergründe ihres Todes herausfinden will, enthüllt sie das Schicksal der rätselhaften Liliane de Clairmont... Zwei Frauenschicksale vor einer atemberaubenden Kulisse - stimmungsvoll, mysteriös und voller überraschenden Wendungen.

Sophia Cronberg wurde 1975 in Linz geboren. Seit einigen Jahren ist sie hauptberuflich Schriftstellerin. Sie spielt gern Klavier und liebt das Reisen. Sophia Cronberg ist Mutter einer kleinen Tochter und lebt abwechselnd in Frankfurt am Main und in Österreich. Bei FISCHER Taschenbuch sind von ihr »Das Efeuhaus«, »Die Lilieninsel« und »Der Palazzo am See« erschienen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104024905
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum24.07.2014
Auflage1. Auflage
Seiten464 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1262 Kbytes
Artikel-Nr.1391643
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2


1918

Lilian fiel dem fremden Mann um den Hals und küsste ihn auf die Wangen. Zunächst sah er sie entgeistert an, doch er erwiderte ihr breites Lächeln, als sie rief: »Ist es nicht herrlich?«

»Ja«, entgegnete er, »heute ist in der Tat ein Freudentag.«

Lilian nickte strahlend, löste sich von ihm und ging weiter - oder vielmehr versuchte sie es: Genau betrachtet war an ein rasches Fortkommen nicht zu denken. Obwohl es November und das Wetter regnerisch war, begann sie, inmitten der vielen Menschen auf Londons Straßen und Plätzen zu schwitzen.

Seit Stunden war sie auf den Beinen. Eigentlich hatte sie mit dem Bus hierher fahren wollen, doch der war bis zum letzten Platz besetzt gewesen. Männer und junge Burschen hatten sich an Türen und Fenster geklammert, um mitzufahren. Schließlich hatte sie sich zu Fuß bis zum Trafalgar Square durchgekämpft und überlegte nun, ob sie Richtung St. James Park gehen oder lieber den Buckingham Palace ansteuern sollte. Natürlich könnte sie über die Whitehall auch bis zur Downing Street gelangen, wo der Menschenauflauf kaum geringer war: Schließlich wollte jeder einen Blick auf David Lloyd George, den Premierminister, erhaschen.

Ehe sie sich entschieden hatte, wurden die Jubelschreie, die nun schon seit Stunden nicht abrissen, plötzlich lauter: Berittene Polizisten folgten einem offenen Pferdewagen, in dem König George V. und seine Gattin Mary Platz genommen hatten.

»Was für eine würdige Erscheinung!«, sagte eine Frau dicht neben ihr.

Im Grunde bekam Lilian nichts von der königlichen Kutsche zu sehen, war ihr die Sicht doch nicht nur von Köpfen, sondern obendrein von Regenschirmen verstellt, aber sie nickte dennoch eifrig.

»Wir können wirklich stolz auf unseren König sein.«

Die Frau tätschelte ihren Arm, und Lilian lächelte strahlend. Insgeheim musste sie jedoch daran denken, wie verhasst der König seinem Volk lange Zeit gewesen war - und nicht nur diesem. Als der britische Premierminister einmal zu ihm bestellt wurde, hatte er zuvor abfällig erklärt: »Ich möchte wissen, was mir mein kleiner deutscher Freund zu sagen hat.«

Doch man mochte dem König viel nachsagen, an Gerissenheit, so war Lilian überzeugt, fehlte es ihm nicht: Erst im letzten Jahr hatte er für sich und alle seine Nachkommen auf seine deutschen Namen und Titel verzichtet, um künftig den Namen Windsor tragen zu können, und ob die Menschen nun schlichtweg dumm, vergesslich oder gutmütig waren: Kaum einer dachte mehr an seine wahre Herkunft, schon gar nicht an einem Tag wie heute.

Lilian fiel auch der fremden Frau um den Hals: »Ich bin so froh, dass der Krieg endlich vorbei ist!«, rief sie.

Die Frau erwiderte ihre Umarmung, und als Lilian sich von ihr löste, war ihr Lächeln noch breiter. Sie drängte sich weiter durch die Menge und kam an einer Gruppe junger Männer vorbei, die schon ziemlich betrunken waren. Sie schwenkten den Union Jack, aber auch das amerikanische Sternenbanner und sangen ebenso laut wie falsch.

Lilian legte ihren Kopf schief: »Darf ich mit euch tanzen?«

»Wer könnte zu einer so hübschen Frau nein sagen?«

Lilians Lächeln war nicht länger strahlend, sondern kokett. Sie wusste, dass sie keine klassische Schönheit war: Ihre Haut war nicht vornehm blass, sondern mit Sommersprossen übersät, das Haar fiel nicht in goldenen Locken über ihre Schultern, sondern in Form ungebärdiger, brauner Krausen, aber ihre dunklen Augen waren groß und glänzten, die Grübchen auf den Wangen wirkten neckisch, und sie konnte sich ebenso leichtfüßig wie wendig bewegen.

Eine Weile tanzte sie mit den jungen Männern, ehe sie sie stehen ließ und Richtung Green Park aufbrach. Immer wieder fiel sie weiteren fremden Menschen um den Hals und beteuerte, wie glücklich sie sich alle schätzen konnten.

»Welche Erleichterung, dass der Krieg vorbei ist.«

»Unsere Jungs haben so tapfer gekämpft.«

»Den Hunnen haben wir es aber gezeigt.«

Schließlich entfernte sie sich aus dem dichten Gedränge und zog sich in eine stille Ecke zurück. Sie lehnte sich an die Wand eines Tabakwarenladens und genoss es, das Gewicht in ihrer Tasche zu spüren. Noch war nicht der rechte Zeitpunkt, das Diebesgut, das sie den Menschen unbemerkt abgenommen hatte, eingehend zu betrachten und seinen Wert zu bestimmen. Aber sie war sicher, dass sie seit langem nicht mehr mit solch einer üppigen Ausbeute nach Hause gekommen war. Sie lächelte in sich hinein.

Ja, heute war ein guter Tag.

 

Als Lilian in die ärmliche Mietwohnung im Eastend zurückkehrte, war sie völlig vom Regen durchnässt. Sie pustete in ihre eiskalten Hände, spürte aber dennoch fast nichts. Ihre Finger waren zu steif, um das Diebesgut Stück für Stück aus der Tasche zu ziehen, weswegen sie es einfach auf dem Boden ausleerte.

»Suzie, schau! Die Taschenuhr ist von einem jungen Mann. Als ich ihn umarmte, wurde er ganz steif, und hinterher war er so wild darauf, den Staub von der Jacke zu wischen, dass dieser Dummkopf gar nicht bemerkt hat, was ich habe mitgehen lassen. Die Brosche ist von einem alten Weib. Die hatte so viel Schmuck, da fällt ein fehlendes Stück nicht weiter auf. Und außerdem machen sie alle die Juwelen auch nicht schöner, im Grunde kann sie mir dankbar sein. Die Münzen stammen von ein paar jungen Männern. Auch die sind besser dran, weil ich das Geld habe - sie würden es ja doch nur für Schnaps ausgeben, und besoffen waren sie schon genug.«

»Wenn man dir zuhört, könnte man denken, du tust den Menschen einen Gefallen, wenn du sie bestiehlst!«

Suzie runzelte skeptisch die Stirn. Obwohl sie zu Hause geblieben war, fröstelte auch sie - kein Wunder, da sie bislang keine Kohle hatten kaufen können.

»Nun können wir endlich einheizen!«, schwärmte Lilian. »Und uns einmal richtig satt essen. Wir werden feiern!«

»Was denn?«, fragte Suzie skeptisch. »Weil der Krieg vorbei ist oder weil du so viel erbeutet hast?«

»Weder noch! Vielmehr, dass wir jung sind und ein Dach über dem Kopf haben. Die Zukunft gehört uns!«

Lilian eilte auf sie zu, zog sie an sich und drehte sich ein paarmal mit ihr im Kreis.

»Hör auf!«, wehrte sich Suzie. »Mir wird ganz schwindlig! Und was das Dach über dem Kopf anbelangt - Mrs Merrywether war vorhin gerade hier und wollte ihre Miete haben.«

Lilian unterdrückte ein Seufzen. Mrs Merrywether zeigte gegenüber den zwei jungen unverheirateten Dingern, wie sie sie nannte, großes Misstrauen. Immer wieder fragte sie neugierig, was sie den ganzen Tag so trieben. Dass Suzie als Näherin fleißig zu Hause arbeitete, hatte sie irgendwann zufriedengestellt, doch dass Lilian den ganzen Tag über fort war und nie sagte, welcher Arbeit sie nachging, nahm sie ihr sichtlich übel.

»Sie kann froh sein, dass wir für dieses Loch überhaupt etwas bezahlen.«

Dieses Loch war ein winziger Raum mit einem Herd, einem wackeligen Tisch, zwei noch wackeligeren Stühlen und zwei durchgelegenen Matratzen anstelle von Betten. Im Winter war es so kalt, dass sie zusammengekuschelt auf einer lagen - so wie einst schon im Waisenhaus, wo sie sich nicht nur gegenseitig gewärmt, sondern sich die Läuse geteilt hatten, den Hunger und die Sehnsucht nach den Eltern, die sie beide in früher Kindheit verloren hatten. Mittlerweile hatten sie die Eltern vergessen, waren einander wie Schwestern und kämmten sich die Läuse gegenseitig aus dem Haar - was bei Lilians kräftigen Krausen eindeutig schmerzhafter war als bei Suzies rötlichen, glatten Strähnen. Was wiederum den Hunger anbelangte, hatte Lilian diesen im Waisenhaus stoisch ertragen, doch als sie alt genug waren, um von dort zu fliehen, hatte sie geschworen, dass sie von nun an gut und reichlich essen würde, koste es, was es wolle. Auch wenn sie irgendwann in die Hölle kommen sollte - lieber wollte sie mit vollem Bauch sündigen, als darbend, fahl und schwach vor Gott auf den Knien zu rutschen.

Satt zu sein war etwas, was auch Suzie genoss - nur bei der Wahl der Mittel, den Magen zu füllen, war sie etwas zimperlicher.

Sie machte sich von Lilian los: »Eigentlich ist es gemein, die Freude der Menschen über das Ende des Krieges so schamlos auszunutzen.«

»Wir haben endlich Frieden, und dafür mussten die meisten größere Opfer bringen als eine Brosche oder eine Taschenuhr. Ich werde zusehen, dass ich sie in den nächsten Tagen zu Geld mache. Nimm einstweilen die Münzen und geh einkaufen.«

»Und was machst du?«, fragte Suzie entgeistert.

»So leicht und viel wie heute habe ich es noch nie gehabt - das muss ich ausnutzen. Die Menschenmenge hat sich langsam zerstreut, aber die, die noch auf den Straßen rumlungern, sind so betrunken, dass sie leichte Beute sind.«

Suzie schüttelte mahnend den Kopf. »Kannst du denn gar nicht genug bekommen?«

»Genug? Was soll das sein? Vom Geld hat man immer nur zu wenig ... nie zu viel.«

Suzie wollte noch einen Einwand hervorbringen, aber Lilian hob die Hand. »Kannst du dich erinnern, wovor wir im Waisenhaus immer gewarnt wurden? Wenn wir uns nicht brav und sittsam benähmen, würden wir dereinst in der Gosse landen. Das war natürlich Unsinn, denn rechtes Benehmen bewahrt nicht vor der Gosse - nur Reichtum. Aber dass keiner in der Gosse landen will, das stimmt, und du siehst das genauso. Schlimmer als zu stehlen ist es, den eigenen Körper zu verkaufen, und lieber bestehle ich den König höchstpersönlich, als so tief zu sinken.«

Suzie blickte etwas missmutig. »Du denkst also, es gibt für Frauen wie uns nur diese zwei Wege: zu huren oder zu stehlen? Wie wär´s mit rechtmäßiger...
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Sophia Cronberg wurde 1975 in Linz geboren. Seit einigen Jahren ist sie hauptberuflich Schriftstellerin. Sie spielt gern Klavier und liebt das Reisen. Sophia Cronberg ist Mutter einer kleinen Tochter und lebt abwechselnd in Frankfurt am Main und in Österreich. Bei FISCHER Taschenbuch sind von ihr »Das Efeuhaus«, »Die Lilieninsel« und »Der Palazzo am See« erschienen.