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Nebel über der Themse

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am21.04.2014
An einem stürmischen Morgen wird in der Themse die Leiche eines Mannes in Frauenkleidern entdeckt. Die Ermittlungen führen Oberinspektor Pitt ins Zentrum der Londoner Boheme, zum Theater und in Ateliers, in denen mit der neuen Kunst der Fotografie experimentiert wird.

Die Engländerin Anne Perry, 1938 in London geboren, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Ihre historischen Kriminalromane begeistern ein Millionenpublikum und gelangten international auf die Bestsellerlisten. Anne Perry verstarb 2023 in Los Angeles.
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Produkt

KlappentextAn einem stürmischen Morgen wird in der Themse die Leiche eines Mannes in Frauenkleidern entdeckt. Die Ermittlungen führen Oberinspektor Pitt ins Zentrum der Londoner Boheme, zum Theater und in Ateliers, in denen mit der neuen Kunst der Fotografie experimentiert wird.

Die Engländerin Anne Perry, 1938 in London geboren, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Ihre historischen Kriminalromane begeistern ein Millionenpublikum und gelangten international auf die Bestsellerlisten. Anne Perry verstarb 2023 in Los Angeles.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641140380
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum21.04.2014
Reihen-Nr.20
SpracheDeutsch
Dateigrösse1590 Kbytes
Artikel-Nr.1401146
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel eins

DUNSTSCHLEIER STIEGEN TRÄGE vom silbergrauen Wasser der Themse auf, das im ersten Sonnenlicht schimmerte. Im Hintergrund zeichneten sich vor dem perlmuttfarbenen Himmel die düsteren roten Bogen der Brücke ab, die zum südlich der Themse liegenden Stadtteil Lambeth hinüberführte. Sofern schon Schleppzüge mit dem Tidenstrom zum Londoner Hafen unterwegs waren, verbarg sie der Septembernebel.

Schutzlos dem Wind ausgesetzt stand Oberinspektor Thomas Pitt auf der obersten Stufe der nassen Steintreppe und sah auf den unten angebundenen Kahn hinab, der mit dem sachten Wellenschlag gegen den Fähranleger von Horseferry stieß. Er war eineinhalb Stunden zuvor einem Streifenbeamten aufgefallen, der ihn im Wasser hatte treiben sehen. Doch nicht dem Kahn galt die Aufmerksamkeit des Leiters der Polizeiwache von Bow Street, sondern dem, was darin lag und auf ihn wie eine groteske Parodie von Millais' Gemälde der ertrunkenen Ophelia wirkte.

Der Streifenbeamte wandte den Blick ab und sah Pitt viel sagend an.

»Ich habe gedacht, wir sollten Ihnen das besser melden, Sir.«

Pitt sah auf die Leiche im Kahn, deren Handgelenke ebenso wie die Fußgelenke an die Bordwände gekettet waren. Die Knie waren leicht gespreizt und der Kopf wie in Ekstase nach hinten geworfen. Das lange grüne Gewand, in das sie gehüllt war, sah aus wie ein Kleid, war aber so zerfetzt und verheddert, dass sich unmöglich hätte sagen lassen, wie es ursprünglich ausgesehen hatte. Obwohl auch die Körperhaltung wie die einer Frau wirkte, handelte es sich unverkennbar um einen Mann. Er war blond, dürfte um die Mitte dreißig sein, hatte ein angenehm geschnittenes Gesicht und trug einen sauber gestutzten Schnurrbart.

»Warum denn?«, fragte Pitt. »Was hat das mit der Bow Street zu tun? Das hier gehört doch gar nicht zu meinem Revier.«

Mit schmatzendem Geräusch schlug das Wasser an die Stufen des Anlegers, vielleicht die Wellen eines vorüberfahrenden Bootes, das man im Nebel nicht sehen konnte.

Voller Unbehagen trat der Polizist von einem Fuß auf den anderen. »Die Sache könnte Kreise ziehen, Mr. Pitt.« Er vermied es nach wie vor, zu dem Kahn und dem Mann darin hinzusehen. »Vielleicht gibt es einen Skandal. Deshalb habe ich gedacht, es wäre das Beste, wenn Sie das von Anfang an in die Hand nehmen würden.«

Äußerst vorsichtig, um nicht auf den nassen Stufen auszugleiten, ging Pitt zu dem Kahn hinab. Schwermütig dröhnte ein Nebelhorn über das Wasser, und von irgendeinem Schleppkahn hörte man den Warnruf eines Mannes. Die Antwort wurde vom Nebel verschluckt. Erneut sah Pitt auf den Mann im Kahn. Aus diesem Winkel ließ sich unmöglich erkennen, auf welche Weise er ums Leben gekommen war. Weder eine Wunde noch eine Waffe waren zu sehen, doch sofern er einem Schlaganfall oder Herzinfarkt erlegen war, hatte jemand anschließend mit Bedacht dies groteske Bild gestellt. Seine Angehörigen, wer auch immer sie sein mochten, würden ab heute in einem Albtraum leben, und womöglich würde das Leben dieser Menschen ab sofort nie mehr sein wie zuvor.

»Ich nehme an, dass Sie nach dem Polizeiarzt geschickt haben?«, erkundigte sich Pitt.

»Gewiss, Sir. Er müsste eigentlich jeden Augenblick hier sein.« Der Mann schluckte und trat von einem Fuß auf den anderen, wobei die Sohlen seiner Stiefel auf den Steinen scharrten. »Mr. Pitt - Sir.«

»Ja?« Pitt hielt nach wie vor den Blick auf den Kahn gerichtet, dessen Bug gegen die Stufen stieß und mit den Wellen ein wenig auf und ab tanzte.

»Ich habe Sie nicht nur gerufen, weil das so merkwürdig aussah.«

Etwas in seiner Stimme erregte Pitts Aufmerksamkeit, und so hob er den Blick zu dem Mann. »Sondern warum?«

»Nun ja, Sir. Ich glaube, ich weiß, wer das ist, und deswegen nehme ich auch an, dass die Sache großes Aufsehen erregen wird.«

Pitt spürte, wie ihm die Kälte des Flusses in die Knochen drang. »Aha. Und um wen handelt es sich Ihrer Ansicht nach, Konstabler?«

»Entschuldigung, Sir, aber das könnte Mussjöh Bonnard sein, der seit vorgestern vermisst gemeldet ist. In dem Fall würden die Franzosen mächtig Wirbel schlagen.«

»Die Franzosen?«, fragte Pitt argwöhnisch.

»Ja, Sir. Er ist in der Botschaft angestellt.«

»Und Sie meinen also, das könnte er sein?«

»Ich habe den Eindruck, Mr. Pitt. Man sieht, dass er ein feiner Herr ist, und die Personenbeschreibung passt auch auf ihn: ungefähr einsfünfundsiebzig, schlank, helle Haare, gut aussehend, kleiner Schnurrbart. Es sieht ganz so aus, als wäre er ein bisschen überkandidelt - er geht gern auf Gesellschaften, ins Theater und so weiter.« In seiner Stimme schwangen unüberhörbar Verständnislosigkeit und Abscheu mit. »Er verkehrt in den Kreisen von so genannten Schöngeistern …«

Hufgeklapper und das Rattern von Rädern auf der Straße über ihnen ersparte es Pitt, auf diese Äußerungen eingehen zu müssen, und schon bald kam der ihm wohlbekannte Polizeiarzt, dem der Hut ein wenig schief auf dem Kopf saß, mit seiner Tasche in der Hand die Stufen herab. Er sah an Pitt vorüber auf die im Kahn liegende Leiche und hob die Brauen.

»Ist das wieder einer von Ihren Skandalfällen, Pitt?«, fragte er trocken. »Um die Aufgabe, den zu lösen, beneide ich Sie nicht. Wissen Sie, wer das ist?« Er seufzte tief auf, als er den Fuß der Treppe erreicht hatte und nur zwei Handbreit über dem an die Stufen klatschenden Wasser stand. »Da sieht man es wieder. Ich hatte immer gedacht, es gibt nicht mehr viel, was ich nicht über die Menschennatur weiß, aber ich schwöre Ihnen, ich werde nie begreifen, wie weit manche Leute in ihrem Bestreben gehen, sich zu amüsieren.« Mit größter Vorsicht setzte er einen Fuß in den Kahn und zog das andere Bein nach. Als das flachbödige Gefährt zu schwanken anfing, kniete er sich rasch nieder und begann mit der Untersuchung des Toten.

Obwohl es nicht wirklich kalt war, sondern nur feuchtkühl, überlief Pitt unwillkürlich ein Schauer. Sein Mitarbeiter Tellman, nach dem er geschickt hatte, war noch nicht eingetroffen. Er wandte sich erneut dem Streifenbeamten zu.

»Wer hat den Mann gefunden, und wann war das?«

»Ich, Sir. Das hier gehört zu meiner Streife. Ich wollte mich gerade einen Augenblick auf die Stufen setzen und einen Happen essen, als ich den Kahn entdeckte. Das war gegen halb sechs, Sir. Natürlich kann er schon eine ganze Weile da gewesen sein, ohne dass ihn in der Dunkelheit jemand entdeckt hat.«

»Aber Sie haben ihn gesehen? War es da nicht noch ziemlich dunkel?«

»Ich habe gehört, wie der Kahn an die unterste Stufe stieß, und bin hingegangen, um nachzusehen. Wie ich mit meiner Laterne hineingeleuchtet habe, hätte mich fast der Schlag getroffen. Ich verstehe die feinen Leute nicht, ehrlich nicht.«

»Und Sie meinen also, dass er so einer ist?« Unwillkürlich fühlte sich Pitt ein wenig belustigt.

Der Mann verzog das Gesicht. »Woher sollte denn jemand, der von seiner Hände Arbeit lebt, solche Sachen kriegen, wie der sie anhat? Das ist echter Samt. Und sehen Sie sich nur seine Hände an. Mit denen hat er noch nie gearbeitet.«

Zwar befand Pitt, dass in den Äußerungen des Mannes Vorurteile mitschwangen, doch hatte er mit seiner Beobachtung vermutlich Recht, und das sagte Pitt ihm auch.

»Vielen Dank, Sir«, erwiderte der Streifenpolizist erfreut. Es war sein Ziel, eines Tages zur Kriminalpolizei versetzt zu werden.

»Jetzt sollten Sie sich am besten zur französischen Botschaft aufmachen und zusehen, dass Sie da jemanden finden, der den Mann identifizieren kann«, fuhr Pitt fort.

»Wer - ich, Sir?« Der Beamte war verblüfft.

Lächelnd bestätigte Pitt: »Ja, Sie. Schließlich haben Sie die Ähnlichkeit mit dem Vermissten entdeckt. Aber warten Sie ruhig noch ab, was der Arzt zu sagen hat.«

Eine Weile herrschte völlige Stille, bis der Kahn wieder leicht schaukelte und sich knirschend an der steinernen Ufermauer rieb. »Er hat einen Schlag auf den Kopf bekommen, und zwar mit einem sehr harten, abgerundeten Gegenstand. Das könnte beispielsweise ein Polizeiknüppel oder ein Nudelholz gewesen sein«, sagte der Arzt bestimmt. »Um einen Unfall dürfte es sich kaum handeln. Mit Sicherheit hat er sich nicht selbst so gefesselt.« Er schüttelte den Kopf. »Weiß der Himmel, ob er sich selbst oder jemand anders ihn so verkleidet hat. Meiner Einschätzung nach müsste er es gewesen sein, denn es ist verflucht schwer, einer Leiche etwas anzuziehen.«

Obwohl Pitt mehr oder weniger vermutet hatte, dass es sich so verhielt, traf ihn diese Erklärung hart. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn es sich um einen Unfall gehandelt hätte - zwar wäre das unangenehm und hässlich, aber kein Verbrechen. Jetzt hoffte er inständig, es möge sich bei der Leiche nicht um den vermissten französischen Diplomaten handeln.

»Am besten sehen Sie sich den Mann selbst einmal an«, sagte der Arzt. Schwerfällig kletterte Pitt in den auf und ab tanzenden Kahn und beugte sich über den Toten, um ihn aufmerksam zu betrachten. Im Licht der inzwischen vollständig aufgegangenen Sonne konnte er alle Einzelheiten erkennen.

Der Mann schien gepflegt und gut genährt, ohne dick zu sein. Seine Gliedmaßen wirkten weich, eher von Fettgewebe als von Muskeln bedeckt. Auch seine feingliedrigen Hände waren weich. An der Linken trug er einen goldenen Siegelring. Man sah weder Schwielen noch Tintenflecke, wohl aber eine dünne Narbe am linken Zeigefinger, wo er sich mit einem Messer geschnitten haben mochte. Sein im Tode ausdrucksloses Gesicht ließ keine Rückschlüsse auf irgendwelche Wesensmerkmale zu. Das dichte Haar war...

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Autor

Die Engländerin Anne Perry, 1938 in London geboren, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Ihre historischen Kriminalromane begeistern ein Millionenpublikum und gelangten international auf die Bestsellerlisten. Anne Perry lebt und schreibt in Schottland.