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Sündenbock

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am06.03.2015Auflage
Ein Jahr ist Ruth Holländer bereits Schöffin, aber dieses Ehedrama erschüttert sie besonders: Rentner Jürgen Dombroschke ist angeklagt, seine an Parkinson erkrankte Frau vergiftet zu haben. Ein deprimierender Fall, bei dem alles klar zu sein scheint. Doch Ruth spürt, dass ein Puzzleteil fehlt. Hin und her gerissen zwischen Schöffinnendasein und Privatleben, hört Ruth sich - gegen den Rat ihres Freundes, Staatsanwalt Hannes Eisenrauch - ein bisschen um. Auch in Dombroschkes Schrebergarten. Und entdeckt die dramatische Wahrheit ...

Judith Arendt ist das Pseudonym der Autorin Henrike Engel. Sie schreibt gelegentlich Drehbücher für deutsche Fernsehserien und sieht umso lieber amerikanische. Ihre Leidenschaft gilt dem Kriminalroman, insbesondere dem skandinavischen und britischen. Judith Arendt lebt mit ihrer Familie seit einigen Jahren in der Nähe von München.
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Produkt

KlappentextEin Jahr ist Ruth Holländer bereits Schöffin, aber dieses Ehedrama erschüttert sie besonders: Rentner Jürgen Dombroschke ist angeklagt, seine an Parkinson erkrankte Frau vergiftet zu haben. Ein deprimierender Fall, bei dem alles klar zu sein scheint. Doch Ruth spürt, dass ein Puzzleteil fehlt. Hin und her gerissen zwischen Schöffinnendasein und Privatleben, hört Ruth sich - gegen den Rat ihres Freundes, Staatsanwalt Hannes Eisenrauch - ein bisschen um. Auch in Dombroschkes Schrebergarten. Und entdeckt die dramatische Wahrheit ...

Judith Arendt ist das Pseudonym der Autorin Henrike Engel. Sie schreibt gelegentlich Drehbücher für deutsche Fernsehserien und sieht umso lieber amerikanische. Ihre Leidenschaft gilt dem Kriminalroman, insbesondere dem skandinavischen und britischen. Judith Arendt lebt mit ihrer Familie seit einigen Jahren in der Nähe von München.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843709668
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum06.03.2015
AuflageAuflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3274 Kbytes
Artikel-Nr.1410151
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Landgericht Berlin-Moabit, Turmstrasse,
Kleiner Saal, ein Mittwoch im Januar des Folgejahres

Ruth sah zum Fenster des kleinen Gerichtssaales hinaus und beobachtete die weißen Flocken, die dicht und sanft zu Boden trudelten. Es war ein schönes Schneetreiben, ruhig und idyllisch. All die unangenehmen schrillen Geräusche der Stadt wurden gedämpft. Berlin lag seit dem Morgen unter einer Daunendecke; leuchtend weiß und von fedriger Leichtigkeit bedeckten die Schneeflocken die Stadt und verordneten ihr eine wohlverdiente Ruhepause. Der Schneefall hatte in der Nacht eingesetzt und riss bis jetzt, elf Uhr vormittags, nicht ab. Binnen weniger Stunden hatte das Treiben den Verkehr lahmgelegt, man kam nur langsam und mit viel Geduld ans Ziel.

Als Ruth nach dem Aufstehen aus dem Fenster ihres Schlafzimmers geblickt hatte - so wie hier aus dem Gerichtssaal sah sie auch dort in den Hinterhof -, beschloss sie, sich die Fahrt zum Großmarkt zu sparen. Sie hatte noch einen Einkauf für das Bistro vorgehabt, bevor sie sich auf den Weg zum Gericht begab, doch dann rief sie Jamila kurzerhand an und informierte sie, dass sie bei dieser Verkehrslage nicht mit dem Auto unterwegs sein wollte. Jamila war einverstanden, die Kammern und Kühlschränke des »La Paysanne« waren noch gut gefüllt. Auf der Mittagskarte würden dann eben keine frischen Perlhuhnbrüste ­stehen, aber für ein klassisches Coq au Vin war alles vorhanden.

Beruhigt ließ Ruth sich viel Zeit für ein gemütliches Frühstück, zog dann ihren schicken Hosenanzug an - eine Neuerwerbung, extra für ihre Einsätze bei Gericht, schlüpfte in den kuscheligen langen Wollmantel, die dicken Winter­stiefel und packte ihre Wildlederpumps in eine Tüte. Dann schlenderte sie langsam durch Moabits Straßen zum Landgericht und genoss das Schneetreiben. Überall waren Leute damit beschäftigt, den Schnee aus Einfahrten, vom Bürgersteig und vor den Läden zu beseitigen, aber das war eine Sisyphusarbeit. Die geräumten Abschnitte schneiten sofort wieder zu. Im Radio war hysterisch von Schneekatastrophe und Unwetterwarnung die Rede. Aber Ruth streckte ihr Gesicht in die Flocken und spürte entzückt, wie die zarten Kristalle sich sanft auf ihrer Haut niederließen und, kaum waren sie geschmolzen, einen feinen feuchten Film bildeten.

Auf den Holzzäunen hatte der Schnee dicke Zwergenmützen hinterlassen, und Ruth machte sich einen Spaß ­daraus, die Hauben mit ihrem Fäustling von den hölzernen Spitzen zu schubsen. Dabei plumpste der Schnee nicht nass zu Boden, sondern zerstob in einer Wolke in der Luft.

Nun saß sie im warmen Gerichtssaal, den Blick in das weiße Treiben vor dem Fenster gerichtet, und lauschte dem Rechtsmediziner.

Es war der erste Prozess im neuen Jahr, und Ruth war dem Fall der vergifteten Rentnerin zugeteilt worden. Kein spektakulärer Fall, auch das Interesse der Journalisten hielt sich in Grenzen. Publikum gab es gar nicht, nicht einmal die obligatorischen Rentner, die sich ihren gleichförmigen arbeitslosen Alltag damit vertrieben, in den warmen Räumen des Landgerichts den Schwurgerichtsprozessen beizuwohnen.

Der Fall »Das Land Berlin vs. Jürgen Dombroschke« wurde daher nicht im großen Saal 500 verhandelt, sondern in einem der kleineren Säle des weitverzweigten wilhelminischen Prachtbaus.

Ruth war dennoch froh darüber, dass sie diesem Fall zugelost worden war. Zum einen, weil sich die Befürchtungen von Hannes Eisenrauch, dass sie wieder gemeinsam einem Prozess würden beiwohnen müssen, als ungerechtfertigt erwiesen hatte, zum anderen, weil sie im vergangenen Jahr nach dem Fall der getöteten Kurdin zwei gähnend langweilige Betrugsfälle begleitet hatte. Insgeheim musste Ruth Holländer sich eingestehen, dass sie sich für schwere Verbrechen eher begeistern konnte ... laut hätte sie das aber nie gesagt.

Sie war in diesem Fall allein unter Männern. Die drei Berufsrichter, allesamt über fünfzig, und der Mitschöffe, ein Ingenieur in den Vierzigern, hatten sie freundlich und inter­essiert begrüßt, aber zu näherem Kontakt war es bislang nicht gekommen, da sie nach einer kurzen Verständigung sofort mit der Verhandlung begonnen hatten. Ruth hatte bis jetzt von allen vieren einen guten Eindruck, der Vorsitzende Richter Helmut Weißhäuptl schien ein sehr ruhiger und besonnener Mann zu sein. Er unterbrach den Rechtsmediziner, der seit einer halben Stunde vortrug, woran die getötete Seniorin gestorben war, nur selten und wenn, dann lenkte er dessen sehr ausführlichen Bericht nur wieder sanft in die richtigen Bahnen.

Es hatte den Anschein, als sei Margit Dombroschke, so hieß die Getötete, an einer sehr seltenen Thallium-Ver­giftung gestorben. Der Tod war nicht plötzlich eingetreten, sondern musste sich über einen Zeitraum von zwei Wochen hingezogen haben.

Der Rechtsmediziner schilderte im Moment den Verlauf der Vergiftung.

»In einer letzten Phase, die ungefähr nach dem zehnten Tag der Inkorporation einsetzt«, führte Prof. Dr. Rieperlinger soeben aus, »stellen sich schwere Sehstörungen ein, die durch die Lähmung der entsprechenden Hirnnerven bewirkt werden. Des Weiteren können Herzrhythmusstörungen auftreten ...« Der Professor unterbrach sich, nahm die Brille ab und putzte sie. Dann setzte er die saubere Brille wieder auf und fuhr fort. »Oder nein, das war nicht korrekt. Herzrhythmusstörungen treten in jedem Fall auf! Hervorgerufen durch eine Tachykardie. Diese wiederum erklärt sich durch Einwirkung des Thalliums auf die Erregungs­bildung des Sinusknotens und auf die Erregungsweiterleitung.«

»Herr Professor«, unterbrach Weißhäuptl den Rechtsmediziner vorsichtig, »könnten Sie vielleicht die Begrifflichkeiten ...?«

Der Professor starrte den Richter irritiert an, vermutlich konnte er nicht verstehen, dass es im Saal Menschen gab, denen nicht alle von ihm verwendeten medizinischen Fachbegriffe geläufig waren, nickte dann aber.

»Natürlich. Unter Tachykardie versteht der Mediziner eine erhöhte Herzaktivität, Herzrasen, im Volksmund. Der Sinusknoten ...«

Der Vorsitzende Richter hob unterbrechend die Hand. »Danke, den Sinusknoten müssen wir nicht verstehen. Das habe ich schon in der Schule nicht kapiert.«

Dafür erntete der Richter Erheiterung im Publikum, nur der Professor zeigte keine Reaktion.

Richter Weißhäuptl nickte ihm lächelnd zu. »Fahren Sie fort, Herr Professor.«

Der Mediziner räusperte sich und wandte sich dann erneut an die Anwesenden. Man merkte ihm an, dass er es gewohnt war, vor Publikum zu sprechen. Bestimmt unterrichtet er an der Uni, dachte Ruth. Routiniert drehte er sich mal zur einen, mal zur anderen Seite des Saales, sprach prononciert und in angemessener Lautstärke.

»Diese Phase geht dann nahtlos in die letale über.« Prof. Dr. Rieperlinger wandte sich mit einem feinen Lächeln zur Richterempore und nahm Ruth ins Visier. »Will sagen, tödlicher Ausgang. In dieser recht kurzen Zeitspanne, die nur mehr wenige Stunden umfasst, zeigen sich, charakteristisch durch irreversible Schäden an Nervenfortleitungen der unteren Körperteile, gestörte Reflexe und Muskelschwund. Starke Krämpfe, Lähmungen, auch der Atemmuskulatur, Ersticken, Herzversagen.«

Der Professor sah erwartungsvoll in die Runde, als erwarte er, dass die Zuhörer nun mit den Knöcheln auf die Bänke klopften, so, wie es in der Universität Usus war. Aber der Applaus blieb aus, stattdessen machte sich betretenes Schweigen breit. Beinahe jeder, der den Ausführungen eines Rechtsmediziners über den Todesverlauf folgen musste, malte sich die letzten Stunden des Opfers aus. Das wusste Ruth aus eigener, leidvoller Erfahrung. Und das, was der Rechtsmediziner seit einer halben Stunde schilderte, hörte sich nach allem anderen als einem sanften Tod an.

»Sie haben uns ja am Anfang Ihres Vortrags dargestellt, dass Sie das Thalliumsulfat im Körper, also in den Haaren und Organen eindeutig nachweisen konnten.« Richter Weißhäuptl warf einen Blick auf die Notizen. »Dieses Martyrium, das die Frau, Margit Dombroschke, durchmachen musste, konnte doch aber ihrem Mann nicht verborgen geblieben sein?«

Der Professor, an den die Frage gerichtet war, nickte beifällig.

»Absolut nicht«, antwortete er, »die Symptome sind sowohl heftig als auch eindeutig. Er muss sie also bemerkt haben. Soviel ich weiß, wurde auch der behandelnde Arzt hinzugezogen?!«

Der Vorsitzende Richter nickte bestätigend. »Dr. Gansmann, auch er wird später in den Zeugenstand treten.«

Professor Rieperlinger war mit seiner Antwort aber noch nicht am Ende.

»Ich gebe allerdings zu bedenken, dass die Frau schwer krank war. Morbus Parkinson im Endstadium. Viele der durch das Thallium hervorgerufenen Symptome decken sich durchaus mit einem Krankheitsverlauf bei Parkinson. Man kann dem Kollegen - und auch dem Ehemann, wenn ich das sagen darf - schlecht einen Vorwurf machen, das nicht erkannt zu haben.«

Alle Blicke im Saal richteten sich auf den Angeklagten.

»Das eben ist das Tückische an Thalliumsulfat«, fuhr Prof. Dr. Rieperlinger fort. »Die Vergiftung schreitet schleichend voran. Man kann alle auftretenden Symptome mit ­denen einiger anderer Krankheiten in Verbindung bringen, insbesondere mit Parkinson. Auch oder gerade die in der zweiten Phase auftretenden Wahrnehmungsstörungen - die sind eben gerade auch ganz typisch für Parkinsonkranke.«

»Aber wenn man es dann schließlich merkt ...«, warf Richter Weißhäuptl ein.

»... ist es in der Regel zu spät«, führte der Sachverständige den Satz fort. »Der Exitus tritt ein.«

Im Anschluss an die Vernehmung des Sachverständigen ordnete...

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Autor

Judith Arendt ist das Pseudonym einer erfolgreichen Krimi-Autorin. Sie schreibt gelegentlich Drehbücher für deutsche Fernsehserien und sieht umso lieber amerikanische. Ihre Leidenschaft gilt dem Kriminalroman, insbesondere dem skandinavischen und britischen. Judith Arendt lebt mit ihrer Familie seit einigen Jahren in der Nähe von München. Das verlorene Schaf ist der zweite Krimi mit der Schöffin Ruth Holländer.