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Die Ruhelose

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am12.09.2014Auflage
'Die Ruhelose' ist Riikka Pulkkinens beeindruckender Debütroman, in dem sie die großen Fragen des Lebens nach Liebe und Tod stellt. Was soll Anja tun? Die renommierte Universitätsprofessorin steht vor einem Wendepunkt in ihrem Leben. Ihr Mann ist schwer an Alzheimer erkrankt. Vor Jahren bat er Anja um ein Versprechen: Sobald er sein Gedächtnis verloren hat, will er mit ihrer Hilfe sterben. Auch Anjas Nichte Marie kämpft um die Liebe. Die 16-jährige Schülerin ist eine gefährliche Beziehung mit ihrem Lehrer eingegangen, den sie so liebt, wie man nur beim ersten Mal lieben kann: bedingungslos, leidenschaftlich, destruktiv. Als sie begreift, dass ihre Liebe zu dem verheirateten Mann keine Zukunft hat, muss sie einen Weg finden, mit dem Schmerz zu leben. Zwei Frauen, zwei Generationen und die immer gleiche Frage: Wie weit gehen wir für die Liebe?

Riikka Pulkkinen, Jahrgang 1980, ist eine der erfolgreichsten jungen Autorinnen Finnlands. Ihr Debüt 'Die Ruhelose' gewann etliche Preise in Finnland, unter anderem den Literaturpreis der Buchhändler sowie den Preis für das meistverkaufteste Debüt. Ihr zweiter Roman 'Wahr' wurde für den wichtigsten finnischen Literaturpreis, den Finlandia-Preis, nominiert und ist in 17 Ländern erschienen. Riikka Pulkkinen lebt in Helsinki.
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Produkt

Klappentext'Die Ruhelose' ist Riikka Pulkkinens beeindruckender Debütroman, in dem sie die großen Fragen des Lebens nach Liebe und Tod stellt. Was soll Anja tun? Die renommierte Universitätsprofessorin steht vor einem Wendepunkt in ihrem Leben. Ihr Mann ist schwer an Alzheimer erkrankt. Vor Jahren bat er Anja um ein Versprechen: Sobald er sein Gedächtnis verloren hat, will er mit ihrer Hilfe sterben. Auch Anjas Nichte Marie kämpft um die Liebe. Die 16-jährige Schülerin ist eine gefährliche Beziehung mit ihrem Lehrer eingegangen, den sie so liebt, wie man nur beim ersten Mal lieben kann: bedingungslos, leidenschaftlich, destruktiv. Als sie begreift, dass ihre Liebe zu dem verheirateten Mann keine Zukunft hat, muss sie einen Weg finden, mit dem Schmerz zu leben. Zwei Frauen, zwei Generationen und die immer gleiche Frage: Wie weit gehen wir für die Liebe?

Riikka Pulkkinen, Jahrgang 1980, ist eine der erfolgreichsten jungen Autorinnen Finnlands. Ihr Debüt 'Die Ruhelose' gewann etliche Preise in Finnland, unter anderem den Literaturpreis der Buchhändler sowie den Preis für das meistverkaufteste Debüt. Ihr zweiter Roman 'Wahr' wurde für den wichtigsten finnischen Literaturpreis, den Finlandia-Preis, nominiert und ist in 17 Ländern erschienen. Riikka Pulkkinen lebt in Helsinki.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843709316
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum12.09.2014
AuflageAuflage
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2711 Kbytes
Artikel-Nr.1410161
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Anni Mit Kuscheltieren muss man Ordnung halten. Sie sitzen alle im Regal, haben alle einen Namen und stehen in einer Reihenfolge. Ganz oben steht der große Bär, das älteste Kuscheltier, und ganz unten die kleine Robbe, die nur ein Auge hat. Alle zusammen sind es dreiunddreißig. Die passen nicht auf einmal zum Schlafen ins Bett. Anni hat das längst versucht, aber da war das Bett randvoll mit Kuscheltieren, und sie selbst musste sich am Fußende zusammenrollen. Deshalb gibt es die Reihenfolge. Jedes Kuscheltier darf der Reihe nach einmal neben ihr schlafen. So ist keiner beleidigt. So gibt es keinen Streit bei den Kuscheltieren. Aber wie schrecklich: Was, wenn die Kuscheltiere sich gar nicht auf ihre Nacht neben Anni freuen? Wenn sie viel lieber im Regal stehen und Anni eklig finden?

Diese Nacht ist die einäugige Robbe dran gewesen. Aber irgendwann ist sie auf den Boden geplumpst. Anni hat ein schlechtes Gewissen. Die Robbe hat gefroren. Die Robbe ist jetzt beleidigt. Anni muss sie wieder gut stimmen. Vielleicht darf die Robbe zur Wiedergutmachung eine ganze Woche auf dem Ehrenplatz auf Annis Kopfkissen schlafen. Aber nicht zu nah an Annis Kopf, falls die Robbe es gar nicht mag, neben Anni zu schlafen. Wäre doch schlimm, wenn nach dem Bettsturz etwas noch Schlimmeres passiert, schlafen direkt neben Annis Kopf. Deshalb wird die Robbe nächste Woche auf Annis Kopfkissen schlafen, aber weit genug weg von Annis Kopf.

Anni hüpft aus dem Bett und sieht, dass Ada schon aufgestanden ist. Adas Stimme kommt aus der Küche. Und auch Papas Stimme. Mama ist vielleicht schon zur Arbeit gegangen.

Anni schaut zu ihrem Märchenkalender. Es ist der dreizehnte November. Bevor sie aus dem Fenster sieht, kneift sie die Augen zusammen und wünscht sich etwas. Sie wünscht sich, dass der Schnee nicht geschmolzen ist. Wochenlang haben Sanna und Anni auf den Schnee gewartet. Sie haben abgemacht, dass sie, wenn es schneit, den ganzen Tag zwischen den Bäumen Höhle spielen. Heute ist ein guter Höhlen-Tag, beschließt Anni. Heute ist vielleicht sogar der allerbeste Höhlen-Tag.

Aus der Küche riecht es gut. Papa macht Pfannkuchen. Anni denkt sofort, dass irgendetwas nicht stimmt, weil Papa an einem Morgen, wo er Schule hat und sie und Ada in den Kindergarten müssen, Pfannkuchen macht. Aber als sie in die Küche kommt, sagt er fröhlich, dass er erst mittags zur Schule muss und deshalb ein Pfannkuchen-Morgen ist. Papa macht die besten Pfannkuchen der Welt, richtige Schleuderpfannkuchen, wie Pippi Langstrumpf sie macht.

Anni setzt sich an den Tisch und gießt sich Milch ein. Sie nimmt sich den größten Pfannkuchen vom Teller. Ada hat ihren Pfannkuchen dick mit Zucker und Marmelade beschmiert. Das macht Anni auch. Sie nimmt einen großen Bissen. Der Zucker knirscht zwischen den Zähnen, die Marmelade schmeckt süß. Anni rollt ihren Pfannkuchen zu einer Rolle und nimmt einen noch größeren Bissen.

Im Fernsehen kommt das Morgenprogramm. Wenn Papa sie heute mit dem Auto zum Kindergarten bringt, haben sie noch Zeit, einen Zeichentrickfilm zu sehen, denkt Anni. In Papas Mundwinkel klebt Zucker. Im Fernsehen sagt eine Frau, dass irgendwo Krieg ist.

»Papa?«, fragt Ada.

»Ja?«

»Kommt der Krieg auch zu uns?«

»Das tut er nicht, nein.«

»Dann ist gut«, sagt Ada.

Annis ganzer Mund ist süß, und sie nimmt einen noch größeren Bissen. Der Zucker knirscht. Es kommt kein Krieg, kommt keiner. Anni greift nach ihrem Milchglas und denkt: Wenn ich es schaffe, die Milch auszutrinken, bevor die Nachrichtenmusik zu Ende ist, dann ist alles gut, und niemandem aus der Familie wird etwas Schlimmes passieren. Wenn ich es schaffe, die Milch auszutrinken, denkt Anni.

Am Nachmittag spielen Anni und Sanna stundenlang Höhle. Ihr Lieblingsspiel ist Kackmanns und Saubermanns. Kackmanns wohnen in einer dreckigen Höhle, und alles in ihrem Leben ist schlecht: Früher war ihre Höhle zwar toll, aber dann fing der Vater an zu trinken, und die Mutter wurde verrückt. Das hat Sanna sich ausgedacht. Das Zuhause von Saubermanns ist immer tiptop. Papa hat geholfen, die Höhle zu bauen, die Wände haben richtige Bretter, so dass es gemütlich aussieht, und die Mutter bei Saubermanns backt Kuchen, und die Tischdecke liegt gerade, und die Kinder sind lieb.

Die Kinder von Kackmanns sind dumm. Und dreckig. Anni und Sanna wälzen ihre Puppen erst im Schnee und dann im Schlamm, damit sie aussehen wie die Kinder von Kackmanns. Die Kinder von Kackmanns haben nicht mal Schuhe und Spielzeug, und wenn sie Essen kaufen wollen, müssen sie erst zur Bank, weil ihr Vater das ganze Essensgeld versäuft.

Manchmal muss Anni abends unter der Bettdecke sogar weinen wegen Kackmanns.

»Nutte, Nutte, verrückte Nutte«, murmelt Anni und wälzt ein Kackmann-Kind im Schnee.

»Was für eine Nutte denn?«

»Na, eine Nutte halt. So eine dumme Frau. Mit schönen Ohrringen und Rock, und die geht immer ins Hotel, immer nur ins Hotel. Dafür kriegt sie Geld, dass sie ins Hotel geht.«

»Ach so.«

Anni denkt an die Ferien in Griechenland. Es war heiß, und in der Ecke vom Zimmer stand ein kleiner Kühlschrank, und im Kühlschrank lagen herrlich kalte Getränkedosen und Schokoladenriegel. Anni stellt sich vor, wie die Nutte ins Hotel geht, mit hübschen Schuhen und Rock, sich aufs Sofa setzt und Coca-Cola aus einer kleinen Dose trinkt. Die Nutte hat es gut.

»Die Mutter von Kackmanns kann ja früher Nutte gewesen sein, aber jetzt ist sie bloß noch verrückt und rennt überall nackt hin«, schlägt Sanna vor.

Sanna will die Mutter von Saubermanns und auch die von Kackmanns sein, weil sie findet, dass Anni keine verrückte Nutte spielen kann. Und den Vater von Kackmanns muss gar keiner spielen, der ist sowieso immer betrunken. Anni darf der Vater von Saubermanns sein. Der Vater von Saubermanns hat als Handy ein Stück Borke, in das spricht Anni hinein, und er trägt immer einen Koffer, bei seiner Arbeit ist er der Chef, und er ist wichtig und reich und freundlich. »Guten Tag. Hier spricht Herr Saubermann«, sagt Anni in das Handy. Herr, das klingt richtig, so sagen Erwachsene. Anni sucht nach Erwachsenenwörtern. »Börse«, sagt Herr Saubermann mit ernster Stimme. Richtig fein klingt das. Anni überlegt weiter. Genau, Herr Saubermann kauft Aktien, das ist so was wie Geld, nur noch wertvoller. »Eine Aktienbörse, bitte«, spricht Herr Saubermann in sein Handy und schlürft Phantasiekaffee aus einer Phantasietasse. Herr Saubermann ist ein ganz wichtiger Chef, Herr Saubermann bestimmt über die ganze Welt.

Dann kommt Sannas großer Bruder Samuli und macht ihr Spiel kaputt: Er fährt mit seinem Rad in das Haus von Kackmanns und reißt die Wand aus Ästen ein. Oh weh, den Kackmann-Kindern geht es wirklich schlecht; der Vater trinkt, und die Mutter ist verrückt, und jetzt ist auch noch die Wand kaputt - was haben die Kackmann-Kinder in ihrem Leben überhaupt noch Gutes?

Samuli haut mit seinem Fahrrad sofort wieder ab und kümmert sich nicht um Sannas Beschimpfungen.

»Zum Glück war es nicht das Haus von Saubermanns«, sagt Anni, doch da wird Sanna auch auf sie böse und schubst sie so doll, dass Anni hinfällt und Schnee in den Mund und in die Nase kriegt.

»Verwöhnte Göre! Eine verwöhnte Göre bist du, und ein Arschloch.«

Sanna dreht sich um und rennt los.

»Bin ich nicht«, sagt Anni.

Mit brennenden Augen, aus denen beinahe Tränen kommen, steht Anni auf. Sanna ist schon weit weg. Anni bleibt im Schnee stehen. Obwohl sie Angst hat, allein zwischen den vielen Bäumen zu sein, läuft sie Sanna nicht hinterher. Sie weiß, dass es ein paar Tage dauert, bis Sanna wieder mit ihr spielen will.

Gleich wird es dunkel. Anni sieht auf ihre Uhr. Dass sie eine Uhr hat und mit einer schwungvollen Bewegung auf ihr Handgelenk schauen kann, macht sie noch immer froh. Die Uhr hat ein rosa Armband und eine Katze auf dem Kreis mit den Zahlen. Anni hat sie zusammen mit ihrer Mutter gekauft, als sie in die Vorschule gekommen ist. Vieles ist gar nicht leicht zu verstehen: Wenn man die Uhr am anderen Handgelenk trägt, geht die Zeit dann rückwärts? Bestimmt nicht, überlegt Anni. Die Wirklichkeit geht immer vorwärts.

Jetzt ist es Viertel nach fünf.

Anni macht sich auf den Nachhauseweg. Sie beschließt, dass diesmal Sanna kommen und sich entschuldigen soll. Meistens muss Anni kommen, obwohl Sanna den Streit angefangen hat. Meistens muss Anni zuerst um Entschuldigung bitten. Aber jetzt ist Sanna dran, beschließt Anni.

Abends um sechs gibt es Kartoffelbrei und Fleischbällchen. Mama lächelt Papa über den Tisch hinweg zu. Anni lächelt auch. Heute ist kein Streit-Tag.

»War es schön im Kindergarten?«, fragt Mama.

»Ja«, sagt Anni und schiebt sich ein ganzes Fleischbällchen in den Mund.

Ada lässt eins über den Tisch kullern.

»Mit Essen spielt man nicht, das kommt in den Mund.«

Ada rümpft die Nase.

»Aber das ist rund! Warum darf es da nicht rollen?«

Mama lächelt, Papa auch. Alle lächeln. Anni seufzt vor Erleichterung, einen Moment lang kann sie fröhlich sein und braucht nicht aufzupassen.

Vor dem Einschlafen liest Mama ihnen aus dem Märchenbuch vor. Anni sitzt links neben Mama und Ada rechts. Anni schmiegt ihren Kopf an Mamas Brust und hört einfach zu, schickt alle anderen Gedanken weg.

Manchmal stellt sie sich vor, dass sie alle schweren Gedanken in Packpapier wickelt und in ein Paket steckt und das Paket zuklebt, so dass die Gedanken drinbleiben und sie eine Weile...


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Autor

Riikka Pulkkinen, Jahrgang 1980, ist eine der erfolgreichsten jungen Autorinnen Finnlands. Ihr Debüt "Die Ruhelose" gewann etliche Preise in Finnland, unter anderem den Literaturpreis der Buchhändler sowie den Preis für das meistverkaufteste Debüt. Ihr zweiter Roman, "Wahr", wurde für den wichtigsten finnischen Literaturpreis, den Finlandia-Preis, nominiert. Riikka Pulkkinen lebt in Helsinki.